MN 411 - Gesprächsführung, Verhandeln und Konfliktlösung - Kapitel 1

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Gesprächsführung

„Das Gespräch ist das Vehikel, das Sie zu Ihren Gesprächspartner*innen bringt – und umgekehrt.“

Menschen sind von Natur soziale Wesen – das heißt, sie stehen in Verbindung miteinander. Wir suchen Kontakt zu anderen Menschen, möchten uns mit ihnen austauschen und verbringen unsere meiste Zeit nicht allein, sondern mit anderen, sowohl im privaten, als auch im beruflichen Bereich.

Das zentrale Instrument dazu ist die Kommunikation, die sowohl aus verbalen (sprachlichen) und non-verbalen (nicht sprachlichen) Anteilen besteht.

Aufgrund dieser allgegenwärtigen Präsenz der Kommunikation und als etwas, das wir als eines unserer ersten Fähigkeiten unseres Menschseins entwickeln, ist es umso erstaunlicher, dass gerade hier die meisten Missverständnisse und Probleme entstehen. Gerade in diesem Gebiet sind wir oft nicht oder schlecht vorbereitet (und hier geht es nicht um die Rhetorik). Es sind oft die Einflüsse der Kommunikation, die uns nicht bekannt sind und die uns Fallen stellen, seien es die Wahrnehmungsverzerrungen oder auch die Tatsache, dass nicht nur das Verhalten des Gegenübers, sondern auch unser eigenes, wesentlich die Gesprächsverläufe steuern.

Das alles wird noch bedeutungsvoller, wenn wir uns vor Augen halten, dass es gleich wichtig ist, Augenmerk auf die Kommunikation sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext zu legen. Unser Fortkommen entscheidet sich dort beträchtlich aufgrund gelungener Kommunikation mit Mitarbeiter*innen, Vorgesetzten, Kolleg*innen und sonstigen Stakeholdern.

Diese Lektion beschäftigt sich mit den Faktoren gelungener Kommunikation und nach Durcharbeitung derselben werden Sie im Wesentlichen in der Lage sein:

  • Verzweigungspunkte in der Kommunikation zu erkennen

  • gut und zugewandt zuzuhören

  • den Unterschied zwischen „paraphrasieren“ und „verbalisieren“ zu erkennen

  • über psychologische Verhaltensmerkmale und Einflussfaktoren auf das Gespräch Bescheid zu wissen

  • die unterschiedlichen Botschaften im Gespräch zu erkennen und zu steuern

  • ein schwieriges Gespräch vorbereiten zu können

  • Besonderheiten in speziellen Gesprächssituationen, wie z.B. im (schwierigen) Gespräch mit Mitarbeiter*innen oder im virtuellen Umfeld zu erkennen und erfolgreich damit umzugehen

Arten von Gesprächen

Beim Personengespräch überwiegt thematisch die persönliche Beziehung beziehungsweise die im Moment herrschende Gesprächssituation. Es ist nicht unbedingt auf ein messbares Ergebnis ausgerichtet. Beispiele dafür wären das Glückwunschgespräch, das Gespräch über Alltägliches, das Liebesgespräch oder Belobigungsgespräch.

Sachgespräche haben meist Ergebnischarakter und die Konzentration liegt eher auf der Informations- als auf der Beziehungsseite. Ein Beispiel hierfür wäre das Zielvereinbarungsgespräch.

Arten von Gesprächen

Konfliktgespräche charakterisieren sich durch die verschiedenen Standpunkte der Gesprächspartner*innen, wobei es womöglich darum geht, zu „gewinnen“ oder idealerweise eine Lösung für beide zu generieren. Oft können die Beteiligten nicht genau darstellen, wie der Konflikt entstanden ist bzw. auf welchen Ebenen er stattfindet.

Die Auseinandersetzung darüber beeinflusst in weiterer Folge in jedem Fall die Handlungen einer oder beider Seiten.

Davon getrennt zu betrachten ist die klassische Meinungsverschiedenheit, die meist auf einer sachlichen Ebene geführt werden kann, weil es dabei um unterschiedliche Ansichten und nicht um persönliche Unstimmigkeiten geht. Wenn die Beteiligten wissen, dass es dabei nur um unterschiedliche Einschätzungen geht, ist hier eine Bereinigung einfacher.

Psychohygienische Verhaltensmerkmale im Gespräch

Die hier in Folge angeführten psychohygienischen Verhaltensmerkmale sind Ergebnisse jahrlanger Forschungen in der Gesprächstherapie gepaart mit den Versuchen, diese Erkenntnisse auf die „normale“ Gesprächssituation anzuwenden.

Grundlegend ist, dass jemand etwas „verkaufen“ möchte. Das muss jetzt nicht unbedingt im streng betriebswirtschaftlichen Sinne verstanden werden. Es kann sich dabei auch um eine Meinung oder sogar um eine Hilfe handeln. Das kommt allerdings nur dann an, wenn sich das Gegenüber „angenommen“ fühlt, das heißt, dass es das Gefühl hat, in diesem Moment im einzigen Fokus des anderen zu stehen. Ohne Ablenkung.

Dieses Beispiel soll es veranschaulichen:

Mein Nachbar, Dr. J., ist ein namhafter Wirtschaftswissenschafter, ein weitgereister, gebildeter Mann, der Karrieren sowohl in der Privatwirtschaft als auch auf dem wissenschaftlichen Sektor aufweisen kann.

An einem Vormittag machte ich folgende Beobachtung: Ein Lastzug hielt vor seinem Haus, es wurden Hackschnitzel geliefert. Dr. J. bot dem Fahrer eine Erfrischung an und bald waren beide anschaulich in ein intensives Gespräch verwickelt. Nach Beendigung der Lieferung und Abfahrt des Lastzuges kam eine alte Dame, eine Bekannte von Hrn. Dr. J. vorbei spaziert. Sie wurde von Dr. J. freundlich begrüßt und ich hatte als Zuschauerin das Gefühl, dass auch zwischen diesen beiden ein intensives Gespräch entstand.

Ein paar Tage später hatte ich einen geschäftlichen Termin mit ihm und auch da führte er ein anregendes, interessantes und vor allem zugewandtes Gespräch mit mir. Ich hatte das Gefühl, dass ihm in diesem Moment nichts anderes wichtig erschien.

Dr. J. vermittelte allen drei Gesprächspartner*innen das Gefühl: „Im Augenblick gibt es für mich niemand und nichts Wichtigeres, als dich als mein*e Gesprächspartner*in und dieses Gespräch mit dir!“

Das lässt ihn zugewandt verhalten, er strahlt absoluten Fokus aus und löst so dieses angenehme und angenommene Gefühl bei seinen Gesprächspartner*innen aus.

Diese Einstellung ist grundlegend für ein gelungenes Gespräch. Im Geschäftsleben herrscht oft Zeitdruck oder unser Fokus wird durch anderwärtige Sorgen oder Stimmungen gesteuert. Hilfreich ist allerdings in solchen Situationen, die Gesprächspartner*innen auf solche Beeinträchtigungen hinzuweisen. Eventuell macht es sogar Sinn, einen anderen Gesprächszeitpunkt anzubieten. Das löst Verständnis beim Gegenüber aus und vermeidet Missverständnisse und Konfliktsituationen.

Die in der folgenden Abbildung dargestellten „psychohygienischen Verhaltensmerkmale“ stellen zusammenfassend einen Wegweiser zur positiven Einstellung zum*zur Gesprächspartner*in und somit Erfolgskriterien für eine gelungene Gesprächsführung dar – allerdings nur dann, wenn echte Überzeugung von ihrer positiven Wirkung dahinter steht und sie nicht als emotionslose, technische Instrumente gesehen werden.

Psychohygienische Verhaltensmerkmale

Wissenswertes über Kommunikation

Kommunikation ist der Sammelbegriff für das Senden und Empfangen von Botschaften. Die mitteilenden Sender*innen codieren die Botschaft in ihre persönliche Sprache und senden sie über einen Kommunikationskanal (verbal – schriftlich oder mündlich und nonverbal – durch Zeichen oder visuell) ab. Die Empfänger*innen decodieren die Botschaft ihrerseits und interpretieren sie auf ihre Weise – und oftmals anders, als die Sender*innen es gemeint hatten.

Daher resultiert das Grundgesetz der Kommunikation, welches besagt, dass die Wahrheit des*der Empfangenden jene ist, die er*sie versteht und nicht jene, die der*die Sendende abschickt.


In den letzten Jahrzehnten haben sich namhafte Wissenschaftler*innen mit den Phänomenen der Kommunikation auseinandergesetzt und verschiedene Modelle entwickelt, um das Verständnis für die Vorgänge der Kommunikation zu erhöhen und sie so effektiver, effizienter und fruchtvoller zu gestalten.

Die folgenden Kapitel stellen die wichtigsten Modelle vor.

Die 5 Axiome [1]

Das wohl bekannteste Axiom

„Man kann nicht nicht kommunizieren.“


entstand aus der Tatsache, dass sich 2 Personen, die sich wahrnehmen, auch automatisch kommunizieren – zumindest non-verbal. Störungen entstehen dann – auch wenn sprachlich keine Kommunikation stattfindet – wenn das Gegenüber ignoriert oder abgewertet wird.

„Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer stets den Ersten bestimmt.“


Der emotionale oder Beziehungsaspekt sagt aus, wie die Sendenden die Botschaft verstanden haben möchte. Der Inhaltsaspekt gibt Auskunft über das „Was“ der Mitteilung. Die Kommunikation ist dann gelungen, wenn auf beiden Ebenen Übereinstimmung und keine Verwechslung der Ebenen herrscht.

Klassisch sind hier Konflikte, die entstehen, wenn persönliche Nichtübereinstimmungen auf der Inhaltsebene ausgetragen werden, oder Sach- (=Inhalts)probleme auf die Beziehungsebene gepolt werden.


„Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktionen der Kommunikationsabläufe seitens der Partner*innen bestimmt.“


Während einer Kommunikation laufen wechselseitig Wahrnehmungen und Interpretationen. Wenn das eigene Verhalten nur mehr als Reaktion auf das Verhalten des anderen gesehen wird, bezeichnet man das als Interpunktionen. Es kann dann der ursprüngliche Grund der Kommunikation völlig in den Hintergrund geraten.


„Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler (sprachlicher) und analoger (nicht-sprachlicher) Modalitäten.“


Analog wird oft die Beziehungsebene verkörpert, digital der Inhalt. Erfolgreich ist Kommunikation dann, wenn analoge und digitale Elemente eindeutig und übereinstimmend sind.


„Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär.“


Ist eine Beziehung komplementär, so heißt das, dass sich unterschiedliche Verhaltensweisen ergänzen. (z.B. zwischen Arzt*Ärztin und Patient*in)

Strebt eine Beziehung nach Gleichheit, so ist dies eine symmetrische Kommunikation (z. B. Mitarbeiter*innen eines IT Serviceteams verstehen sich als gleichwertig.)

Meist sind beide Kommunikationsverläufe vorhanden und situativ wechselnd.

Die Betrachtung der Kommunikationsabläufe von sowohl inhaltlicher als auch beziehungstechnischer Perspektive war ausschlaggebend für weitere Arbeiten, die grundlegend für die Kommunikationsforschung waren:

Die Transaktionsanalyse [2]

In den 60er Jahren hat der amerikanische Psychiater Eric Berne die Transaktionsanalyse entwickelt. Sie verdient als immer noch sehr prominentes Kommunikationsmodell Erwähnung und ist die Grundlage vieler Kommunikationsanalysemodelle.

Grundlegend ist, dass er davon ausgeht, dass Kommunikation grundsätzlich frei und offen ist und jedes Individuum über drei Ich-Zustände verfügt, aus denen heraus er reagieren kann und das je nach Situation und Kommunikationsverlauf variierend:

Das Eltern-Ich (EL)

Der Mensch denkt, fühlt und handelt so, wie es seine Autoritätspersonen getan haben, als er noch ein Kind war. Das Verhalten ist geprägt von Normen, Vorschriften, Ge- und Verboten. Das Eltern-Ich kann fürsorglich oder kritisch sein.

Das Kindheits-Ich (K)

Der Mensch denkt, fühlt und handelt nach spontanem Empfinden, Natürlichkeit, aber auch geprägt von Ängsten und Angepasstsein und Rebellion. Dementsprechend kann das Kindheits-Ich natürlich, angepasst oder rebellisch sein.

Das Erwachsenen-Ich (ER)

Der Mensch denkt, fühlt und handelt gemäß seinen eigenen, bisher gemachten Erfahrungen. Die Handlungen sind hier meist rational und sachlich, angemessen und logisch. Handlungen aus diesem Ich-Zustand werden als „reif“ erlebt.

Untersucht man Kommunikationen vor dem Hintergrund der Transaktionsanalyse, so fällt auf, dass Aussagen, die aus dem kritischen Eltern-Ich kommen, oft die Kommunikation ins Negative kippen lassen. Dem gegenüber tendieren Aussagen aus dem Erwachsenen-Ich oft dazu, die Kommunikation positiv zu steuern.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Der Chef sagt: „Was ist denn mit dem Druck der Folder hier schon wieder schief gelaufen?“ (Position des kritischen Eltern-Ichs)

Der Mitarbeiter antwortet: „Ihnen kann man es nie recht machen!“ (Position des rebellischen Kindheits-Ichs)

oder aber als „reife“ Reaktion:

„Können wir das Problem heute Nachmittag besprechen? Ich prüfe gerade Alternativen zur Schadensbegrenzung.“ (Position des Erwachsenen-Ichs)

Das Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun – die Sender*innenseite

Das im Folgenden beschriebene Vier-Seiten-Modell macht klar, dass Sender*innen ihre Botschaften auf vier verschiedenen Ebenen, bzw. auf vier verschiedene Arten abschicken. Das heißt, unsere Kommunikation hat vier verschiedene Aspekte.

Die vierseitige Darstellung (siehe folgende Abbildung) macht ersichtlich, dass [3]

  • Klarheit eine vierseitige Angelegenheit ist.
  • in ein und derselben Nachricht viele Botschaften gleichzeitig enthalten sind.
  • die Aspekte, symbolisiert durch die gleiche Seitenlänge, gleichrangig sind.
  • in unterschiedlichen Situationen die eine oder andere überwiegen kann.
Das Vier-Seiten-Sender*innen-Modell von Schulz von Thun

Hier ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Ein*e Vorgesetze*r sagt zu seinem*seiner*ihrem*ihrer Mitarbeiter*in:

„Sie machen aber heute früh Feierabend ?!“

Man kann hier gut erkennen, dass es nach Schulz von Thun vier verschiedene Gründe geben könnte, warum der*die Vorgesetzte diese Botschaft absendet:

Auf der Sachebene ist es eher als Feststellung gedacht, dass es eben noch früh sei. Nicht mehr und nicht weniger.

Die drei anderen Ebenen schwingen eher auf paraverbaler [4] und non-verbaler Ebene. Hier möchte der*die Sender*in etwas anderes ausdrücken, als auf der Sachebene möglich wäre:

Auf der Beziehungsebene könnte vermittelt werden – ohne es direkt anzusprechen – dass er*sie es nicht ok findet, schon um diese Zeit nach Hause zu gehen.

Vielleicht möchte er*sie aber auch versteckt – durch einen Unterton - einen Appell absetzen, noch zu bleiben.

Oder er*sie traut sich nicht zu sagen, dass er*sie eigentlich auch gerne schon nach Hause möchte. Eventuell ist dies nicht angebracht – paraverbal erkennt man aber sehr wohl die versteckte Selbstaussage.


Beispiel für das Vier-Seiten-Modell

Das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun – die Empfänger*innenseite – das „4-Ohren-Modell“ 

Auch die Theorie von Schulz von Thun hat zusätzlich eine Empfänger*innenkomponente, die hier nun dargestellt wird. Die Zusammenführung der beiden Perspektiven macht die Komplexität und Störanfälligkeit von Kommunikationsprozessen deutlich.

Das 4-Ohren-Modell

Die ankommende Botschaft ist ein „Machwerk“ der Empfänger*innen. Ähnlich wie bei der Transaktionsanalyse, wo die Reaktion abhängig vom empfangenden „Ich“ ist, werden auch bei diesem Modell die Reaktionen von bestimmten „Filtern“ oder hier genannt „Ohren“ bestimmt, auf die die Botschaft trifft.

Die vom Sender*innenmodell bekannte „4-seitigkeit“ spiegelt sich im 4-Ohren-Modell wider.

In unserem Beispiel, das auf jenes des 4-Seiten-Modells aufbaut, sind die Reaktionen der Gesprächspartner*innen zu erkennen, je nachdem auf welchem „Ohr“ die Botschaften landen:

Beispiel für das 4-Ohren-Modell

Kommt die Botschaft auf dem Sachohr an, so wird die Reaktion – so Übereinstimmung auf der Sachebene herrscht – Zustimmung sein. In unserem Beispiel eventuell als kurzes „Stimmt.“

Landet sie auf dem Beziehungsohr, so könnte mit einer Rechtfertigung geantwortet werden, besonders wenn die Beziehungsebene als unausgeglichen wahrgenommen wird. In unserem Beispiel also z.B.: „Sonst arbeite ich immer länger!“

Wird die Botschaft als Appell wahrgenommen, so kann die Reaktion genau als solche ausgeführt werden – in unserem Beispiel also als stillschweigendes Da-Bleiben.

Mitleid kann eine Reaktion auf die Sendung der Selbstaussage sein – wie in unserem Beispiel durch „Das tut mir leid, dass Sie heute noch so lange arbeiten müssen.“ oä.

Offenkundig ist daher nun, wie sich Missverständnisse aufbauen, wenn die Botschaften auf anderen Ebenen ankommen als jenen, auf denen sie abgesandt wurden.

Natürlich ist zu beachten, dass jede Reaktion wieder dem 4-Seiten-Modell unterliegt.

Die praktische Verwendung des Modells liegt in der Nutzung zur Vorbereitung von schwierigen Gesprächen (siehe Kapitel 1.4.5)

Methoden zur Verbesserung der Kommunikation

Als Einleitung folgende Geschichte: [5]

„An einem Sonntagvormittag saß ich in der U-Bahn. Die Passagiere saßen still da, manche lasen Zeitung, andere waren in Gedanken versunken, einige hatten die Augen geschlossen und ruhten sich aus. Es war eine ruhige, friedvolle Szene.

Dann stieg ein Mann mit Kindern ein. Die Kleinen waren laut und ungestüm, die ganze Stimmung änderte sich abrupt.

Der Mann setzte sich neben mich und machte die Augen zu. Er nahm die Situation offenbar überhaupt nicht wahr. Die Kinder schrien herum, warfen Sachen hin und her, zerrten sogar an den Zeitungen der anderen Fahrgäste. Sie waren sehr störend. Aber der Mann neben mir unternahm nichts.

Es war schwierig, nicht davon irritiert zu sein. Ich konnte nicht fassen, dass er so teilnahmslos war, dass er die Kinder dermaßen herumtoben ließ und nichts dagegen tat, überhaupt keine Verantwortung übernahm. Es war deutlich, dass sich auch alle anderen in der U-Bahn ärgerten. Mit aus meiner Sicht ungewöhnlicher Geduld und Zurückhaltung sprach ich ihn schließlich an: „Ihre Kinder stören wirklich sehr viele Leute hier. Könnten Sie sie nicht vielleicht etwas mehr unter Kontrolle bringen?“

Der Mann hob die Augen, als ob er sich zum ersten Mal der Situation bewusst würde, und sagte leise: „Oh, Sie haben Recht, ich sollte etwas dagegen tun. Wir kommen gerade aus dem Krankenhaus, wo ihre Mutter vor einer Stunde gestorben ist. Ich weiß nicht, was ich denken soll, und die Kinder haben vermutlich auch keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollen.“

Können Sie sich vorstellen, was ich in diesem Augenblick empfand? Mein Paradigma wechselte. Plötzlich sah ich die Dinge anders, und da ich anders sah, dachte, fühlte und verhielt ich mich anders. Mein Ärger löste sich in Luft auf. Ich brauchte mich nicht aktiv bemühen, mein Verhalten unter Kontrolle zu halten. Mein Herz war voll Mitgefühl und Sympathie: „Ihre Frau ist gerade gestorben? Oh, das tut mir so leid! Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ Alles veränderte sich in diesem Augenblick.

Dies ist ein sehr plakatives Beispiel, wie innerlich ein Paradigmen [6] wechsel stattfinden kann. Man erkennt, wie sehr in der menschlichen Dimension „Sehen“ und „Sein“ verbunden sind. Was wir sehen, steht in enger Wechselwirkung zu dem, was wir sind. Und wie wir sind, so kommunizieren wir. Unser Verhalten in der Kommunikation ist Ergebnis jahrelanger Konditionierungen und Erfahrungen.

Nicht zielführendes Verhalten in der Kommunikation kann man nur ändern, wenn man seine Sicht ändert – bzw. versucht, die Sicht der Gesprächspartner*innen miteinzubeziehen.

Meine Sicht und mein Sichtwechsel in dem o.a. Beispiel war initial durch mein Sein, durch meinen Charakter, durch mein gewohntes Kommunikationsverhalten bestimmt. Es gibt sicher Leute, die auch dann, wenn sie plötzlich die tatsächliche Situation begriffen hätten, nicht mehr als einen Anflug von Schuld gespürt hätten und weiter in peinlichem Schweigen gesessen hätten. Aber sicher gibt es auch Leute, die von Anfang an einfühlsamer gewesen wären, gleich erkannt hätten, dass es sich um ein tieferes Problem handelte und früher Hilfe angeboten hätten als ich.

Paradigmen sind mächtig, weil sie die Brille sind, durch die man die Welt sieht. Die Macht eines Paradigmenwechsels ist entscheidend bei Änderungen von Verhaltensmustern, unabhängig davon, ob diese plötzlich oder als langsamer, bewusster Prozess erfolgen.

Es folgen nun ein paar Techniken und Hilfsmittel, die ermöglichen, Kommunikation erfolgreicher zu gestalten.

Das aktive bzw. partnerzentrierte Zuhören

Wie in den vorausgegangenen Kapiteln beschrieben wurde, erfolgen die Hauptstörungen in Kommunikationen dadurch, dass entweder der Inhalt der Aussage nicht vollständig und/oder nicht im Sinne der Sender*innen transportiert wird oder die paraverbalen Kommunikationsinhalte anders interpretiert werden als gewünscht.

Sachliche und emotionale Aussagen lassen sich durch einfaches Zuhören nicht immer richtig erfassen. Es bedarf daher der Technik des aktiven bzw. partnerzentrierten Zuhörens. [7] Damit können während des Gesprächsverlaufes auftretende Unklarheiten direkt ausgeräumt werden und das Verständnis sowohl auf der Sach- als auch auf der Beziehungsseite erhöht werden.

Die Dimensionen des aktiven Zuhörens

Aufbauend auf den psychohygienischen Verhaltensmerkmalen (siehe Kapitel 1.2) ist es das Ziel des aktiven Zuhörens, die Botschaft der Sender*innen möglichst exakt so bei den Empfänger*innen ankommen zu lassen, wie sie gemeint sind.

Folgende Gefahrenpunkte, die eine Kommunikation ungünstig beeinflussen können, sollen durch diese Technik weitgehend gemildert werden:

Gefahrenpunkte während einer Kommunikation

Der Ablauf des aktiven Zuhörens ist dreistufig:

Die erste Stufe ist im Grunde etwas Selbstverständliches. Man hört dem*der Gesprächspartner*in aufmerksam zu und signalisiert das durch Blickkontakt, durch Nicken oder durch Laute - das so genannte „soziale Grunzen“.

Die zweite Stufe ist dazu da, um zu überprüfen, ob das Gehörte inhaltlich richtig verstanden wurde. Hier wird der Kern des Gehörten in eigenen Worten zusammengefasst. Diese inhaltliche Zusammenfassung nennt man „paraphrasieren“. Dies dient nicht nur zum Verständnis des Zuhörenden. Es hilft auch dem Sprechenden, seine Gedanken zu klären und eventuell auf den Punkt zu kommen.

Die dritte – die Königsstufe – des aktiven Zuhörens dient dazu, die Gefühle und Bedürfnisse des anderen zu verstehen und widerzuspiegeln. Das ist vor allem in schwierigen Gesprächen, etwa wenn es Spannungen gibt, wenn es um Kritik oder Beschwerden geht, sehr hilfreich. Dadurch kann das Gespräch konstruktiv gestaltet werden. Hier wird empathisch [8] versucht, Wünsche und Gefühle herauszuhören und jene mit eigenen Worten zu wiederholen. Diese sprachliche Zusammenfassung der wahrgenommenen Gefühle der anderen nennt man „verbalisieren“.

Paraphrasieren und verbalisieren sind die zentralen Hilfsmittel der Technik des aktiven Zuhörens, welche allerdings nicht unerheblich Zeit in Anspruch nehmen. Trotzdem überwiegen die Vorteile, allein wenn man sich bewusst macht, wie oft es schon schwer fällt, alleine nur den inhaltlichen Aspekt einer Botschaft richtig (also im Sinne der Sender*innen) zu verstehen.

Checkliste für richtiges, aktives Zuhören [9]

  1. Bin ich voll aufmerksam und blende das Außen aus?
  2. Bestehen gute äußere Bedingungen?
  3. Wie stellt sich mir der sachliche Teil der Information dar?
  4. Wie stellt sich mir der emotionale Teil der Information dar?
  5. Vermeide ich verwirrende Ergänzungen?
  6. Bin ich voll auf das Gespräch konzentriert?
  7. Schweife ich gedanklich ab?
  8. Ist mir mein*e Gesprächspartner*in in diesem Augenblick wichtig?
  9. Interpretiere ich vorsichtig?
  • Fühlt sich mein Gegenüber verstanden?
  • Öffnet sich mein Gegenüber?
  1. Überprüfe ich meine Wahrnehmungen kritisch?

  2. Paraphrasiere ich?

  3. Verbalisiere ich?

Beispiel zum Verbalisieren:

Eine Studentin erklärt einem Lektor auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden kurz vor der Diplomprüfung folgendes:

  • sie fürchte, die Zeit werde zu knapp
  • sie habe das Gefühl, sich gar nichts mehr merken zu können
  • es sei alles gerade ziemlich schlimm

Tags darauf erzählt ihr Gesprächspartner einem an der geplanten Prüfung beteiligten Lektorenkollegen, dass besagte Studentin wahrscheinlich gar nicht zur Prüfung antreten werde. Der Kollege spricht sie darauf an, worauf sie aber überrascht, ja fast entrüstet entgegnet, dass dies überhaupt nicht stimme, sie werde auf jeden Fall antreten, weil sie wolle, dass das alles nun endlich bald vorbei sei!!

Dieser Vorfall wäre anders verlaufen, wenn im ersten Gespräch rechtzeitig paraphrasiert worden wäre, d.h. wenn ihre Aussagen und die dadurch ausgelösten Wahrnehmungen des Lektors wiederholt worden wären, wie z. B.: „Sie wollen also nicht ins Examen gehen?“

Aufgabe 1: Beispiel zum Verbalisieren

Welche der Antworten auf die nachstehende Aussage ist verbalisierend:

„Meinem Chef ist es doch völlig gleichgültig, was ich denke!“

Antwortmöglichkeiten:

1. „Überbewerten Sie das Ganze nicht? Sie fühlen sich mit ihm einfach
unterlegen.“

2. „Das ist nicht recht von Ihnen, so etwas zu sagen. Ich kenne Ihren Chef, der
ist ganz anders. “

3. „Sie glauben, er nimmt Sie nicht für voll und daher sind Sie enttäuscht?“

4. „Reden Sie doch einfach mit ihm! “

Analyse der eigenen Antworttendenzen

Aufgabe 2/1: Analyse der eigenen Antworttendenzen [10]

Sie finden im Folgenden 10 Gesprächsausschnitte mit jeweils 6 verschiedenen Antwortmöglichkeiten. Stellen Sie sich die Menschen in den geschilderten Situationen vor. Nehmen Sie an, Sie kennen die sendende Person so gut, dass Sie darauf antworten könnten und überlassen Sie es Ihrer Spontanität (ohne sich darum zu kümmern, ob es eine „gute“ Antwort ist oder nicht), welche Antwort Sie geben würden und markieren Sie pro Fall Ihre Antwortnummer.

Fall Nr. 1:

„Mir scheint, ich bin noch nie vor einer so schwierigen Entscheidung gestanden. Ich hätte die Möglichkeit, in unserer neu eröffneten Filiale in Moskau das Marketing aufzubauen. Das ist sicher sehr aufregend, aber ich weiß nicht, ob ich dem gewachsen bin. Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Kann ich dann zurückkehren? Die Arbeit hier ist zwar langsam langweilig und ich habe auch nicht wirklich das Gefühl, noch gebraucht zu werden, aber dafür weiß ich, woran ich bin und es gibt keine unangenehmen Überraschungen mehr.“

  1. „Welche Aufgaben hätten Sie denn in Moskau zu lösen?“
  2. „Gerade diese Sicherheit ist in der heutigen Zeit doch so wichtig! Man hört immer wieder von Schwierigkeiten in solchen Ländern. Ich würde mein sicheres Zuhause nicht verlassen.“
  3. „In so einem Fall könnten Sie eine Probezeit vereinbaren und vertraglich festlegen. Danach könnten Sie endgültig entscheiden, ob Sie dort bleiben wollen oder nicht. Ich erkundige mich gerne für Sie. Ein ehemaliger Kollege hatte auch so eine Option in seinem Vertrag.“
  4. „Sie sind so sehr von Selbstzweifeln geplagt, dass Sie diese Chance gar nicht wahrnehmen!“
  5. „Das ist wirklich keine einfache Situation, in der Sie sich befinden: einerseits interessant, jedoch verbunden mit Ungewissheit und auf der anderen Seite das Bleiben in der monotonen, aber gewohnten Situation.“
  6. „Sich machen sich zu viele Gedanken. Mit etwas mehr Ruhe werden Sie erkennen was für Sie richtig ist.“

Fall Nr. 2:

„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll! Gestern hat mich Herr Kolbe, mein Vorgesetzter, in sein Büro gerufen; da dachte ich gleich, das kann nichts Gutes bedeuten. Na ja, als ich vor ihm stand, begann er, meine Arbeit der letzten Wochen zu loben, und er bot mir eine Teilnahme an einem Seminar an, das eigentlich nur ab Abteilungsleiterebene genehmigt wird. Ich konnte das gar nicht glauben und war verunsichert – selbstverständlich habe ich abgelehnt, der will mir auf diesem Seminar doch nur meine Grenzen zeigen!“

  1. „So eine Chance erhält man in der Regel nur einmal. Sie sollten sie nutzen, um zu zeigen, was in Ihnen steckt!“
  2. „Ich kann Ihre Verunsicherung nachvollziehen; es kommt Ihnen unwirklich vor, wenn ihr Chef sie lobt.“
  3. „Sie glauben einfach zu wenig an sich selbst und sind deshalb voreingenommen, so dass Sie hinter jedem Lob eine versteckte Kritik vermuten.“
  4. „Denken Sie einmal nach. Hat Sie wirklich schon jemand in eine angeblich günstige Lage gebracht, nur um Sie zu testen?“
  5. „Wir alle kennen dieses mulmige Gefühl, wenn der Vorgesetzte ruft und dann etwas Überraschendes vorschlägt. Sie werden lernen, damit umzugehen, glauben Sie mir.“
  6. „Da würde ich mich umhören, ob nicht schon andere vor Ihnen dieses Seminar besucht haben, obwohl sie ebenfalls die entsprechende Position nicht innehatten.“

Fall Nr. 3: 

„Ich arbeite nur noch so vor mich hin und bringe der Kanzlei kaum noch neue Mandanten. Viele meiner jüngeren Kollegen genießen inzwischen größeres Ansehen als ich. So wie bisher kann es nicht weitergehen, ich weiß jetzt nämlich ganz genau, was ich will: Ich werde meine Karriere neu beginnen, koste es, was es wolle, denn ich bin ein begabter Anwalt und habe Talent für schwierige Prozesse. Ich werde mein Ziel energetisch verfolgen und bald wieder das Sagen haben, auch wenn ich andere überfahren muss, um zu bekommen, was ich will.“

  1. „Ihr Ehrgeiz rührt nur daher, dass Sie auf Ihre jüngeren Kollegen neidisch sind, weil diese erfolgreicher und begabter sind als Sie.“
  2. „Ihnen ist klar geworden, dass sie neuen Elan für Ihre Tätigkeit aufbringen müssen, um mit den anderen gleichzuziehen.“
  3. „Welche weiteren Gründe bewegen Sie zu Ihrem Entschluss, mit allen Mitteln eine neue Karriere starten zu wollen.“
  4. „Machen Sie sich Ihren Leistungswillen und Ihr Anerkennungsbedürfnis zunutze und treten Sie entsprechend selbstsicher auf; dann werden Sie ihr Ziel problemlos erreichen.“
  5. „Übertreiben Sie es nicht mit dieser Einstellung? Sie wissen doch: Hochmut kommt vor dem Fall!“
  6. „Sie haben bestimmt schon immer gut und sorgfältig gearbeitet. Mit Ihrer neuen Motivation und etwas Geduld werden Sie mit Sicherheit Schritt für Schritt vorankommen.“

Fall Nr. 4:

„Als mir vor 2 Jahren die Stelle als Telefonistin angeboten wurde, war ich überglücklich, denn ich hatte gehofft, endlich ein paar nette Leute kennenzulernen. Aber alles ist ganz anders gekommen: Anstatt persönliche Kontakte zu knüpfen, sitze ich seitdem völlig isoliert in meinem Glaskasten. Anfangs dachte ich, dass mich die Kollegen ganz von selbst mal für ein Schwätzchen aufsuchen würden. Dem war nicht so, und ich konnte dann auch nicht mehr auf sie zugehen. Jetzt muss ich mich wohl damit abfinden, dass keiner mehr bereit ist, Interesse für mich aufzubringen. Schade, meine Arbeit würde mir dann viel mehr Spaß machen.“

  1. „Da sich Ihre anfängliche Hoffnung nicht erfüllt hat, ist Ihre Enttäuschung groß; das würde jedem so gehen. Mit etwas gutem Willen können Sie die Situation bessern, glauben Sie mir.“
  2. „Am besten wäre es für Sie, die Firma zu wechseln, um in einem neuen Kollegen von Anfang an Kontakt zu suchen. Telefonistinnen werden des Öfteren gebraucht.“
  3. „Was hindert Sie eigentlich daran, jetzt noch aktiv zu werden und in Eigeninitiative Ihre Kolleginnen anzusprechen?“
  4. „Ich kann nachvollziehen, dass Sie sich in keiner angenehmen Lage befinden. Sie fühlen sich von allen alleine gelassen und sehen im Moment keine Möglichkeit, dies zu ändern, nicht wahr?“
  5. „Sie haben es wohl nicht gelernt, sich selbst zu akzeptieren. Dadurch sind sie zu gehemmt, um auf andere zuzugehen. Möglicherweise fassen ihre Kolleginnen dies als Arroganz auf und meiden den Kontakt.“
  6. „Sie sollten versuchen, die Situation schleunigst zu ändern. Eine gute Beziehung zwischen Kolleginnen ist äußerst wertvoll für die eigene Arbeitszufriedenheit.“

Fall Nr. 5:

„Man hat mir von Anfang an übel mitgespielt! Vor 2 Jahren hat mich die Geschäftsleitung förmlich bekniet, vom Innen- in den Außendienst zu wechseln, weil ich die ideale Verkäuferin sei. Ich habe mich dann für sie ins Zeug gelegt und bin durch ganz Deutschland gereist. Klar die konnten sich die Hände reiben, schließlich habe ich in kürzester Zeit mehr Aufträge hereingeholt als jeder andere zuvor. Es war ihnen egal, dass ich mit dauernd Vorwürfe von meinem Mann anhören musste und dass mich meine Kinder mittlerweile wie eine Fremde behandeln. Und jetzt schicken sie mich einfach zurück in meine alte Abteilung und unterstellen mich noch obendrein Herrn Jösel! Danke das war’s – und die Scherben darf ich kitten…“

  1. „Es muss doch etwas vorgefallen sein. Hat Ihnen die Geschäftsleitung keine Gründe für die neue Versetzung genannt?“
  2. „Sie reagieren nur so aufgebracht, weil Sie – vorausgesetzt Sie wären damals im Innendienst geblieben – die Vorgesetzte von Herrn Jösel geworden Wären, nun aber seine Anweisungen befolgen müssen.“
  3. „Sie kommen sich ausgenutzt vor und sind enttäuscht, weil Sie in letzter Zeit für die Firma gelebt haben und sich jetzt hintergangen fühlen.“
  4. „Versuchen sie, Ihre jetzige berufliche Situation zunächst zu akzeptieren, damit Sie sich in Ruhe wieder einarbeiten können. Außerdem sollten Sie die Ihnen nun verbleibende Freizeit für gemeinsame Aktivitäten mit ihrem Mann und den Kindern nutzen.
  5. „Regen Sie sich nicht zu sehr auf. Nach einiger Zeit sehen Sie die Sache gelassener, und es wird sowohl beruflich als auch privat alles wieder ins Lot kommen.“
  6. „Versuchen Sie jetzt bloß nicht, sich zu rächen, das wäre in Ihrem Fall nicht ratsam. Sie wissen doch, dass der einfache Angestellte immer den Kürzeren zieht.“

Fall Nr. 6:

„Ich weiß genau, dass ich die Lösung für das Problem an unserer Maschine habe, damit der monatliche Ausschuss drastisch reduziert werden kann. Ich habe mein Handwerk von der Pieke auf gelernt, alle technischen Entwicklungen eingehend verfolgt und arbeite jetzt schon so lange an dieser Maschine, dass ich jede Reaktion auf Veränderungen abschätzen kann. Was mir fehlt ist die Weisungskompetenz, um die dafür notwendige Neuerungen anzuordnen. Wenn ich die von oben bekäme, würde ich sofort loslegen, und binnen kurzer Zeit würde die Firma erhebliche Kosten einsparen.“

  1. „Reichen Sie Ihren Vorschlag doch beim betrieblichen Verbesserungswesen ein, dort wird er genau geprüft und entsprechend den Einsparungen prämiert.“
  2. „Solch engagierte Mitarbeiterer lob‘ ich mir! Es ist wichtig, dass auch der ‚einfache Arbeiter‘ Kostenbewusstsein entwickelt, und ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Lösung bald umsetzen können.“
  3. „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, möchten Sie Ihre Ideen nur dann realisieren, wenn Sie auch von der Unternehmensleitung unterstütz werden, nicht wahr?“
  4. „Es wird Ihnen bestimmt noch die Gelegenheit eingeräumt, Ihre Vorstellungen umzusetzen, wenn Sie zuversichtlich bleiben. Sie können doch auf ihre Erfahrung vertrauen.“
  5. „Haben Sie denn die technische Umsetzung schon in irgendeiner Form getestet, weil Sie sich Ihrer Sache so sicher sind?“
  6. „Sie unternehmen jetzt doch nur nichts gegen den Hohen Ausschuss, weil Sie befürchten, dass Ihr Meister später die Lorbeeren erntet.“

Fall Nr. 7:

„Mit der fadenscheinigen Begründung, es müsse frischer Wind in die einzelnen Abteilungen kommen, wurde eine Neue eingestellt. Diese Frau Römer – jawohl, eine Frau haben sie mir vor die Nase gesetzt – ist frisch von der Uni und will nun alles Bewährte verändern und merkt dabei nicht, dass sie an meine Qualifikationen sowieso nicht herankommt.

Im Gegensatz zu ihr muss ich mich nicht mehr profilieren, aber wenn ich richtig loslegen würde, könnte ich sie ohne weiteres auflaufen lassen, schließlich bin ich der Erfahrene. Das wird sie schon noch merken…“

  1. „Sie sind nur so aggressiv, weil Sie es nicht verkraften, dass diese Frau ein Diplom in der Tasche hat im Gegensatz zu Ihnen.“
  2. „Ich kann ihnen nur raten, Kompromisse zu schließen und sich nicht so stark von Emotionen leiten zu lassen. Sie sollten mit Ihr ein klärendes Gespräch führen, ich vermittle gerne dabei.“
  3. „Ihre Berufs- und Lebenserfahrung kann Ihnen niemand nehmen, auch die Neue nicht, daran sollten Sie stets denken. Wenn Sie sich darauf besinnen, wird alles bald nur noch halb so schlimm erscheinen.“
  4. „Es erregt Sie, dass Frau Römer all das, was Sie in langen Jahren aufgebaut haben, in Frage stellt, sehe ich das so richtig?“
  5. „Wenn Sie jetzt Frau Römers Arbeit untergraben, ist das nicht fair. Gerade Berufsanfänger sollte man unvoreingenommen entgegentreten.“
  6. „Können sie mir denn anhand von konkreten Vorfällen schildern, wie sie zu dieser Meinung über Frau Römer kommen?“

Fall Nr. 8:

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr der Chef getobt hat, weil bei der gestrigen Präsentation beinahe unser wichtigster Kunde abgesprungen wäre. Edith war sich natürlich wie immer keiner Schuld bewusst, und stell‘ dir vor, sie hat es wieder einmal geschafft, sich so in Szene zu setzten, dass der Chef sich am Ende bei Ihr für die Rettung der Situation bedankt hat. Ich bin fast geplatzt vor Wut über ihre anmaßende Art, denn eigentlich hätte mir das Lob zugestanden. Schließlich war es meiner zündenden Idee zu verdanken, dass wir den Auftrag doch noch in letzter Minute erhalten haben. Ich verstehe einfach nicht wie unser Chef – sonst ein guter Menschenkenner – so blauäugig sein kann und nicht einsieht, dass Edith sich mit der Kreativität anderer rühmt. Aber ich schwöre dir, diese Profilierung auf meine Kosten wird jetzt ein Ende haben, ich werde ihr einen Denkzettel verpassen.“

  1. „Wie verhält sich Edith denn dem gesamten Team gegenüber, haben die anderen sich auch schon beklagt?“
  2. „Du fühlst dich jetzt hintergangen und möchtest jetzt sicherstellen, dass sie sich zum letzten Mal mit fremden Federn geschmückt hat.“
  3. „Aber mit dieser Einstellung begibst du Dich auf dieselbe Ebene wie Edith, und das führt selten zum Erfolg.“
  4. „Deine Verärgerung kommt nur daher, dass Du seit Ediths Eintritt in die Agentur beim Chef nicht mehr die Nummer Eins bist.“
  5. „Versuche doch, Dich als freie Mitarbeiterin anstellen zu lassen. In Unserer Branche ist es doch üblich, die kreative Arbeit zu Hause zu erledigen.“
  6. „Deine Reaktion ist jetzt sehr heftig, aber mit etwas Abstand und wiedergewonnener Ruhe wirst du die Situation nicht mehr ganz so dramatisch sehen.“

Fall Nr. 9:

„Wie soll das bloß weitergehen? Jetzt bekomme ich sogar schon von Lehrgangsteilnehmer mangelnde Vorbereitung vorgeworfen. Herr Kaiser ist sehr sauer auf mich, weil ich in letzter Zeit das gesetzte Ziel der Seminare nicht mehr erreiche. Dabei reiße ich mich zusammen und gebe doch wie immer mein Bestes…, aber das scheint nicht zu reichen! Vielleicht hat es ja noch nie gereicht…, und ich habe nur nicht gemerkt, dass ich führ die Durchführung von Seminaren doch nicht geeignet bin. Aber wenn dem wirklich so ist, wozu tauge ich dann überhaupt?“

  1. „Nehmen Sie sich diese Rügen nicht so sehr zu Herzen. Es waren doch schon viele Seminarteilnehmer begeistert von Ihnen und haben dies auch deutlich geäußert.“
  2. „Aufgrund Ihres geringen Selbstwertgefühles lassen Sie sich durch Negativerfahrungen zu sehr aus der Bahn werfen.“
  3. „Sie sind unglücklich, weil sie trotz ihrer Anstrengungen den Anforderungen Ihres Chefs und der Seminarteilnehmer derzeit nicht gerecht werden können.“
  4. „Aber Frau Ehrmann, jeder durchlebt Hochs und Tiefs! Man darf bei der beruflichen Krise nicht gleich sein ganzes Dasein in Frage stellen.“
  5. „Sind Sie wirklich zur Zeit schlechter vorbereitet, so dass die eingegangenen Beschwerden berechtigt sind?“
  6. „Bitten Sie doch Herrn Kaiser darum, Ihnen ein neues Seminarthema zu übertragen. Sie gehen dann bestimmt mit neuem Elan an die Vorbereitungen.“

Fall Nr. 10:

„Ich möchte mich gleich im Anschluss an meine Ausbildung weiterentwickeln, um in meinem Beruf voranzukommen. Inzwischen sind auch von den verschiedenen Instituten die angeforderten Unterlagen bei mir eingetroffen, und nun habe ich die Qual der Wahl. Ich fühle mich bei dieser Fülle von Angeboten einfach überfordert, um die richtige Auswahl für mich zu treffen, denn es gibt so vieles für mich zu beachten wie z.B. die Anerkennung des Abschlusses oder die Kosten der Maßnahme. Außerdem ist mir nicht ganz klar, welche Kurse für mein berufliches Weiterkommen hier in der Firma von Vorteil wären. Herr Ahrendt, Sie als Personalleiter haben doch Erfahrungen, könnten Sie mir nicht behilflich sein, damit ich die richtige Entscheidung treffe?“

  1. „Ihr Entschluss, direkt nach Ihrem Berufsabschluss weiterführende Kurse zu belegen, steht fest. Durch Hinzuziehen meines Rates möchten Sie sicherstellen, dass Sie den richtigen Weg einschlagen.“
  2. „Lassen Sie doch einfach Ihre Unterlagen hier. Ich werde sie durchsehen und Ihnen bald einen Vorschlag unterbreiten.“
  3. „Es ist immer sinnvoll, in solchen Fragen die Meinung eines Fachmannes einzuholen. Deshalb ist es gut, dass Sie sich an mich gewandt haben.“
  4. „Wenn Sie sich über ihre Ziele genau im Klaren wären, würde sich Ihr Auswahlproblem gar nicht erst stellen.“
  5. „Die einzelnen Angebote gegeneinander abzuwägen, ist sicherlich nicht einfach und erfordert gewisse Erfahrung. Aber keine Sorge, zusammen werden wir das geeignete für Sie finden.“
  6. „Haben Sie sich schon selbst Gedanken über die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Angebote gemacht?“

Aufgabe 2/2: Auswertung

Markieren Sie nun Ihre Antwortnummer pro Fall in der dafür vorgesehenen Tabelle im Anhang A bei Aufgabe 2, ohne sich um die Buchstaben der obersten Zeile zu kümmern und kehren Sie danach wieder an diese Stelle des Textes zurück.

Sie finden in der nachstehenden Tabelle Ihre Antworttendenz(en).

Reflektieren Sie danach Ihr Ergebnis mit den beschriebenen Kommunikationserhellern:

Im Anschluss an die Tabelle finden Sie eine Anleitung zur persönlichen Reflexion Ihres Verhaltens in Gesprächen.


Antwortkennung Antworttendenz
A - wertend Ihre Antworten beinhalten einen moralischen Standpunkt und ein ablehnendes oder zustimmendes Urteil über den anderen.
B - interpretierend Sie verstehen, was Sie verstehen wollen, Sie betonen, was Ihnen wichtig erscheint und Ihr Verstand sucht nach einer Erklärung. Sie tendieren zur Verzerrung und Verfremdung.
C - tröstend Ihre Antworten zielen auf Ermutigung, Beruhigung oder Kompensation. Sie empfinden Mitleid und nehmen von Dramatisierung Abstand.
D - forschend Sie bemühen sich, mehr zu erfahren und lenken das Gespräch in die Richtung, die Ihnen wichtig erscheint. Ev. haben Sie das Gefühl, Ihre Zeit zu verschwenden und wirken drängend mit allzu direkten Fragen.
E - problemlösend Sie reagieren mit Handeln und drängen zur Tat. Sie kommunizieren die Lösung, die Sie für richtig halten und warten nicht gerne ab, bis Sie mehr erfahren haben.
F - empathisch, verständnisbereit Ihre Antworten zeigen Verständnis und spiegeln Ihre Bemühungen wider, sich wirklich in die Situation des Gesprächspartners zu versetzen. Ihre Haltung, alles richtig verstehen zu wollen, ermutigt Ihren Gesprächspartner zu weiteren Aktivitäten, weil er erkennt, dass Sie ihm vorurteilsfrei zuhören können.

Die Bedeutung Ihrer dominierenden Tendenz:

Sie markiert Ihre vorherrschende Reaktion in Gesprächen. Die Übung gibt Hinweise auf Ihre Grundhaltung, wenn Sie spontan geantwortet haben. Können Sie sich mit dieser gefundenen Grundhaltung identifizieren?


Die Bedeutung Ihrer schwächeren Tendenz:

Auch sie zeigt eine Grundhaltung, die Sie eventuell vermeiden. Gehen Sie die betreffenden Fälle noch einmal durch und überlegen Sie, wieso Sie gerade diese Antwort gewählt haben.

Diese Vorgehensweise wenden Sie bitte auch auf die „isolierten“ Antworten an.

AKZEPTIEREN Sie Ihre Antworttendenz, auch wenn sie Sie womöglich beunruhigt. Diese Übung dient zur Selbstreflexion und soll Sie über die Ihnen eigenen Antworttendenzen und Ihr Gesprächsverhalten nachdenken lassen und zu einem aktiv gesteuerten Bewusstsein in Gesprächssituationen beitragen.

Erfahrungen zeigen, dass z. B. Wissenschaftler*innen eher zu „D – forschend“ neigen, während Kaufleute eher zu „E – problemlösend“ tendieren.

In Personalgesprächen wäre die Tendenz „F- verständnisbereit“ anzustreben, um so maximal mögliches Commitment [11] zu erzielen.

Die vollständige Ich-Botschaft

„Sie sollten sich dringend einmal um Ihre Englischkenntnisse kümmern!“

„Immer musst du mich unterbrechen! Könntest du nicht erstmal denken, bevor du redest?“

Fast jeder ist schon einmal mit einer solchen Art von Kommunikation konfrontiert worden. Was lösen diese Sätze aus? Sie erzeugen meist

  • Widerstand
  • Widerspruch
  • Rechtfertigung
  • Schuldgefühle

Sie wirkend verletzend, missachtend und werden manchmal als bestrafend empfunden. Sie können tief treffen. Diese Art von Kommunikation wirkt wie ein ausgestreckter Zeigefinger. Man nennt sie Du- bzw. Sie-Botschaften und sie sind weit verbreitend trotz ihrer allgemein bekannten negativen Wirkung.

Sie- bzw. Du-Botschaften kommen oft als Vorwurf an und werden oft eingeleitet mit:

  • Sie sollten mal…
  • Du bist schuld, dass…
  • Immer müssen Sie…
  • Warum tust du nicht….

Umgelegt auf die Transaktionsanalyse kommen diese Botschaften meist aus dem kritischen Eltern-Ich und treffen ins angepasste Kindheits-Ich.

Besser wäre, Botschaften weitgehend in sogenannte Ich-Botschaften zu kleiden. Sie beschreibt die eigene (Gefühls-)Wahrnehmung und löst eher

  • Betroffenheit
  • Nachdenklichkeit und
  • Bereitschaft zur Klärung

aus.

Die vollständige Ich-Botschaft zeigt symbolisch auf einen selbst und wird z.B. eingeleitet mit:

  • Es ist mir aufgefallen, dass…
  • Ich wünsche mir, …
  • Es hat mich geärgert/verletzt, dass…
  • Ich empfinde…

Die vollständige Ich-Botschaft besteht aus vier Stufen, wobei dies nicht als Korsett empfunden werden soll, sondern als Leitfaden, um eher Bereitschaft als Widerspruch zu generieren. Es ist manchmal auch unangemessen oder störend, seine Gefühle zu offenbaren, dann kann man auch den dritten Schritt auslassen.

  1. Die Situation bzw. das störende Verhalten aus eigener Sicht konkret beschreiben (Verhaltensaussage)
  2. Die Auswirkungen auf die eigene Person schildern (Wirkungsaussage)
  3. Die eigenen Gefühle ausdrücken (verbalisieren; Gefühlsaussage)
  4. Eventuell im Anschluss eigene Wünsche und Erwartungen formulieren

Hier der Versuch, die eingangs formulierten Sie/Du-Botschaften in Ich-Botschaften umzuwandeln: Lassen Sie diese Formulierungen auf sich wirken!

„Ich habe das Gefühl, dass Sie mit der englischen Sprache zum Teil etwas Schwierigkeiten haben. Könnte ich Ihnen dahingehend Unterstützung anbieten?“

„Mir ist aufgefallen, dass du mich während unseres Gespräches bereits dreimal unterbrochen hast. Ich habe dadurch Schwierigkeiten, den roten Faden in meinem Vortrag zu halten. Lass uns deine Fragen im Anschluss klären.“

ACHTUNG! Auf ein häufiges Missverständnis soll abschließend hingewiesen werden. Es gibt auch „Pseudo-Ich-Botschaften“, wie zum Beispiel:

„Ich erlebe Sie als total dominant“ oder

„Ich habe irgendwie das Gefühl, dass du sehr unsensibel bist“

Aufgabe 3: Pseudo-Ich-Botschaften

Überlegen und begründen Sie, warum diese Pseudo-Ich-Botschaften keine klassischen Ich-Botschaften sind.

Weitere Kommunikationsprozess- „Erheller“

Zusätzlich zu den oben beschriebenen Techniken gibt es noch weitere Möglichkeiten, die helfen sollen, die Kommunikationsprozesse besser zu verstehen und so die Ergebnisse der Gespräche zu verbessern – das heißt, den Zufriedenheitsgrad der Gesprächspartner*innen zu maximieren.

Hier geht es um Bewusstmachung der Vorgänge während eines Gespräches – zum Teil um bewusstes Eingreifen oder Unterbrechen. Dieses Innehalten oder die Positionsveränderungen im Verlauf beeinflussen so positiv.

Der kontrollierte Dialog

Ähnlich der Paraphrasierung fassen hier die Gesprächspartner*innen konkret den bisher besprochenen Inhalt zusammen. Allerdings ist es hier stärker erkennbar, sozusagen ein absichtlich gesetzter Punkt. Erst nach der vollständigen Klärung des bisher Gesagten, geht die Diskussion weiter. Der kontrollierte Dialog kann eingeleitet werden mit:

„Einen Moment bitte, meinen Sie damit, dass ….“ oder

„Könnten wir hier bitte kurz innehalten! Ich hätte eine Verständnisfrage!“

Der geplante Perspektivenwechsel

Anders als der eingangs beschriebene Perspektivenwechsel in der U-Bahn, welcher überraschend erfolgte, handelt es sich hier um eine Methode des Rollenspiels, wo Gesprächspartner*innen aktiv und bewusst die Position des*der anderen einnehmen bzw. wechseln. Das kann während einer Besprechung sogar gleichzeitig mit tatsächlichem Sitzplatzwechsel erfolgen, um die Wirkung zu unterstreichen. Man kann es auch methodisch – z.B. im Zuge von Teamentwicklungsmaßnahmen einsetzen: eventuell fordert man die Abteilungsleiter*innen auf, aktiv die Position der Geschäftsführung einzunehmen und aus dieser Position heraus zu kommunizieren.

Diese Maßnahme wirkt kreativitätsfördernd und augenöffnend für beide Parteien.

Feldherrenhügel

Hier nimmt man sich bewusst aus dem Kommunikationsprozess heraus und eine neutrale Position ein. Man begibt sich in die Metaposition des Gespräches und analysiert, was im Gespräch – verbal und nonverbal – gerade abläuft. Wenn man selbst eine*r der Gesprächspartner*innen ist, kann das herausfordernd – sogar ablenkend - sein. Besser ist, das Gespräch zu diesem Zweck zu unterbrechen oder es als Retrospektive einzusetzen: dann spricht man von Metakommunikation:

Metakommunikation

Hier spricht man über den Ablauf und die Art der Kommunikation selbst. Es handelt sich hierbei um die „Kommunikation über Kommunikation“. Wenn man versteht, warum ein Gespräch so gelaufen ist, wie es gelaufen ist, können mitunter Ergebnisse besser nachvollzogen werden. Funktioniert die Selbstreflexion, so können Schlüsse in Bezug auf künftig positivere Verläufe von Diskussionen gezogen werden.

Wenn gar nichts mehr geht

Das Vereinbaren einer Unterbrechung bzw. einer Auszeit, um „psychologische Luft“ zu bekommen, kann hilfreich sein, wenn die Diskussion ins Stocken gerät, sich im Kreis dreht oder vom eigentlichen Thema völlig wegbewegt und nur mehr auf der emotionalen Ebene geführt wird. Ab und zu genügen ein paar Minuten zum Luftholen und Nachdenken, damit die Diskussion wieder in erfolgreichere Bahnen gelenkt werden kann.

Falls trotzdem Konflikte entstanden sind, so ist die Beiziehung von Moderator*innen oder Mediator*innen [12] hilfreich. (siehe dazu Lektion 3)

Vorbereitung schwieriger Gespräche

Nach den grundlegenden Inputs in Bezug auf Kommunikation und den Methoden zur Verbesserung der Kommunikationsfallen soll das alles nun in der praktisch anwendbaren Technik zur Vorbereitung schwieriger Gespräche gipfeln, d.h. für ein bevorstehendes Kritik- oder Konfliktgespräch, aber etwa auch für ein umfassendes Mitarbeiter*innengespräch.

Vorab noch einmal die Rückkopplung mit dem 4-Seiten-Modell von Schulz von Thun, das einen hervorragenden Raster bietet, um alle relevanten Seiten der Kommunikation vorzubereiten und abzuwägen. Die Verwendung ist ähnlich einer Checkliste. Beantwortet man zur Gesprächsvorbereitung jede der Fragen pro Dimension, ist man für die Gesprächssituation gut gewappnet!

Vorbereitung schwieriger Gespräche anhand des 4-Seiten-Modells

Aufgabe 4: Vorbereitung einer Gesprächssituation

Wählen Sie eine bevorstehende Gesprächssituation aus Ihrem eigenen Berufsalltag und bereiten Sie diese anhand des in der oberen Abbildung dargestellten 4-Seiten-Modells schriftlich vor.

Beantworten Sie dazu jede Frage der 4 Dimensionen.

Alternativ können Sie auch eine Gesprächssituation, die bereits hinter Ihnen liegt, auswählen und so vorbereiten, als würde sie noch vor Ihnen liegen.

Nach der „statischen“ Ansicht der Gesprächsvorbereitung nach Schulz von Thun nun der „dynamische“ Ansatz – ein Leitfaden für den Ablauf von schwierigen (aber auch nicht schwierigen) Gesprächen.

Gestaltung schwieriger Gespräche

Wenn man das Gespräch führt, so geht man in anderer Reihenfolge vor. Man beginnt nicht mit dem Inhalt, sondern kümmert sich erst um die Beziehungsseite, nennt dann Thema und Argumente aus eigener Sicht (Sachinhalt, Selbstaussage), bevor das Gegenüber Gelegenheit bekommt, die Situation aus seiner Sicht darzustellen.

Am Anfang sollte die Beziehungsebene im Vordergrund stehen. Es ist zentral, gleich nach der Begrüßung für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Wenn möglich, sollte im Vorfeld auch ein geeigneter Rahmen für das Gespräch geschaffen werden, ev. ein ungestörter Raum und genug Zeit. Den Kontakt zum*zur anderen möglichst angenehm, aber mindestens neutral zu gestalten, ist in dieser Phase zentral.

Und trotzdem gilt die Faustregel: je stärker der Konflikt bzw. je schwieriger die Lage, desto schneller zur Sache kommen und den eigenen Standpunkt darstellen. Die Atmosphärengestaltung in diesem Fall nicht übertreiben!

Beim Darstellen des eigenen Standpunktes möglichst Ich-Botschaften zum Einsatz bringen, d.h. die Situation aus der eigenen Sichtweise konkret beschreiben, auf Auswirkungen hinweisen und ev. eigene Gefühle zum Ausdruck bringen.

Eine offene Frage kann das Hilfsmittel sein, den Standpunkt des*der anderen einzuholen, wie er*sie die Situation sieht. In dieser Phase ist die Anwendung der Technik des aktiven Zuhörens von Vorteil, um ihn*sie so gut wie möglich inhaltlich und emotional zu verstehen.

Anschließend folgt dann ein Dialog zur Lösungsfindung, die beiden Interessen entsprechen. Das heißt, eigene Bedürfnisse klar zu vertreten und gleichzeitig den*die Gesprächspartner*in in die Lösung mit einzubeziehen.

Abschließend geht es darum, eine möglichst passende Vereinbarung zu treffen und das Gespräch wertschätzend zu beenden.

Das Mitarbeiter*innengespräch [13]

Allgemeines

Das Jahresmitarbeiter*innengespräch (im folgenden „MA-Gespräch“) gilt in der Personalführung schon lange als das Instrument der Wahl als die Basis für Personalbeurteilung und Personalentwicklung. Besprochen wird dabei unter anderem, welche Ziele gesetzt werden und was für das kommende Jahr vorgenommen wird. Außerdem werden Stärken und Schwächen thematisiert und auch, wie die Karriere weitergehen könnte. Eventuell wird bei der Gelegenheit auch über das Gehalt verhandelt. Allerdings erfolgt dieses präferiert in einem separaten Gespräch.

Laut Umfragen wie in der Mai-Ausgabe des Personal Magazin setzen mehr als 90 Prozent der Unternehmen auf ein jährliches Gespräch als Basis für den Dialog zwischen Mitarbeiter*in und Führungskraft:

Den Anforderungsprofilen der Unternehmung stehen die Mitarbeiter*innen mit ihren individuellen Eignungsprofilen gegenüber. Dabei können sich Diskrepanzen ergeben, sei es, dass sich die Position oder die Leistungsfähigkeit der Person geändert hat. Das MA-Gespräch kann nun ein hervorragendes Instrument zur Identifikation solcher Lücken darstellen, die dann in weiterer Folge durch entsprechende PE-Maßnahmen geschlossen werden können.

Die innere Logik der Personalentwicklung

Weiters schlägt das MA-Gespräch durch seinen Bestandteil der Zielvereinbarung – über das „Führen durch Ziele“ – die Brücke zur variablen Vergütung. Dabei wird sowohl Rückschau auf erfüllte, als auch die Vorschau auf zu erfüllende Ziele in der kommenden Periode gehalten.

Die Mitarbeiter*innen bekommen so einerseits Mitspracherecht bei der Formulierung von Zielen, eigenen Interessen und Verbesserungsvorschlägen und andererseits Rückmeldungen über bisherige Leistungen.

Der Vorgesetzte erhält Gelegenheit zur Besprechung von erbrachten Leistungen und Haltungen und auch Themen, die schon länger anliegen. Weiters verschafft das MA-Gespräch Einblick in Absichten und berufliche Pläne und auch Gelegenheit zum Feedback des eigenen Führungsverhaltens bzw. Betriebsklimas.

Umriss und Hauptinhalte

Das MA-Gespräch ist ein aus dem täglichen Geschehen klar ausgekoppeltes, vorbereitetes und meist systematisch geführtes Vier-Augen-Gespräch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen. Man verfolgt damit das Ziel, einerseits eine Rückschau auf das vergangene Jahr in Bezug auf die Leistungen und die Art der Zusammenarbeit zu halten und andererseits auf die neue Periode vorauszuschauen, Ziele zu vereinbaren und Unterstützungsmaßnahmen zu erörtern.

Die Hauptinhalte sind: [14]

  1. Rückschau

    • Zufriedenheit mit der Leistung des*der Mitarbeiter*in

      Klarheit über Zuständigkeiten und Verantwortungsbereich

    • Wirksamkeit bisheriger Fördermaßnahmen

  2. Eignungsschwerpunkte des*der Mitarbeiter*in

  • Stärken, Schwächen und Lernfelder
  • Fachliche Interessen
  • Potenziale
  • Entwicklungsperspektiven
  1. Zusammenarbeit und Führung

  • Führungsverständnis des*der Vorgesetzten
  • Wechselseitige Erwartungen and die Zusammenarbeit; Spielregeln für diese Kooperation
  • Zusammenarbeit mit Kolleg*innen und anderen Personen
  • Schnittstellenproblematiken
  1. Vereinbarung über künftige Aufgaben und Kriterien für die Einschätzung der Ergebnisse

  • Mittel- und langfristige Aufgaben und Perspektiven der Organisationseinheit
  • Schwerpunktaufgaben
  • Festlegung zukünftiger Ziele und Maßstäbe für den Erfolg
  1. 'Maßnahmen zur beruflichen Weiterentwicklung'

Erfolgskriterien

Die Vorbereitung

Dieser Schritt bezieht sich auf das Vorhaben, ein MA-Gesprächssystem einzuführen.

Vor der Einführung sollte sich die Unternehmensführung genau über Ziele, Rahmenbedingungen, Rollen, Vorgangsweise, Inhalte der geplanten MA-Gespräche Gedanken machen, diese mit den Führungskräften, die die Gespräche führen abstimmen, deren Feedback einholen und dieses in einer weiteren Abstimmungsschleife integrieren. So können so weit als möglich Widerstände und Abwehrhaltungen abgefangen werden. Die umfassende Informierung aller Mitarbeiter*innen über die bevorstehende Einführung eines MA-Gesprächssystems und die Einbeziehung derer – zB bei der Erarbeitung der Führungsbeurteilung - erhöhen ebenfalls die Akzeptanz.

Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter*innen müssen den zentralen Nutzen des MA-Gesprächs verstehen und akzeptieren, damit ein derartiges System erfolgreich sein kann. Dazu müssen alle Beteiligten sorgfältig vorbereitet und eingeschult werden.

Die Implementierung muss sorgfältig durchgeführt werden, damit das „Immunsystem der Organisation“ (die Unternehmenskultur) dieses Instrument nicht wieder abstößt.

Bezugnehmend auf die Vorbereitung eines konkreten, jährlichen Gesprächstermins hat es sich bewährt, nicht erst in letzter Minute hektisch die Vorbereitungsbögen auszufüllen, sondern vielmehr Gedanken, Anregungen, Wünsche usw. über das Jahr verteilt – immer dann wenn sie auftreten – zu dokumentieren und dann kurz vorher nur mehr die quantitativen Elemente einzutragen. So kann eine Rückschau optimal genutzt werden.

Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Verwendung des MA-Gespräches als Führungsinstrument einen nicht zu vernachlässigenden Zeitaufwand bedeutet, der aber dann wiederum bei auf der anderen Seite die Führung positiv beeinflussen kann.

Die Verabredung

Termin und Zeitspanne sollte zeitgerecht vereinbart werden – mindestens eine Woche vorher. Dem Gespräch sollte ausreichend störungsfreie Zeit gewidmet werden, um einen fruchtvollen Gesprächsverlauf erzeugen zu können. Es herrscht das „Vier-Augen-Prinzip“, d.h. es findet lediglich zwischen dem*der Vorgesetzten und dem*der Mitarbeiter*in statt.

Das Gespräch

Der Hauptaugenmerk wird auf Rückblick und Vorschau gelegt, wobei es auch „erlaubt“ ist, über andere Themen zu sprechen. Allerdings sollte man sich idealerweise für Gehalts- oder Beförderungsproblematiken einen extra Folgetermin vereinbaren, um diesem Thema nicht die Oberhand im ursprünglichen MA-Gespräch zu geben.

Die Orientierung an die wesentlichen Kommunikationsprinzipien für gute Gespräche trägt wesentlich zum Erfolg bei. Die Gesprächspartner*innen sind gleichberechtigt, d.h. gegenseitiges Feedback und gleich verteilte Gesprächszeit!

Das Protokoll

Das Gesprächsprotokoll kann bereits im Laufe des Termins mitgeführt werden, wobei das Ergebnisprotokoll die vereinbarten Entwicklungs- und Fördermaßnahmen festhält. Beide Protokolle werden von beiden unterzeichnet.

Evaluierung und organisatorische Verbesserungen

Es hat sich bewährt, regelmäßig anhand von ausgewählten Kriterien den Prozess und die Struktur des MA-Gesprächssystems zu evaluieren, sei es extern oder seitens der Führungskräfte und Mitarbeiter*innen aufgrund der gemachten Erfahrungen. Die gemeinsame Reflexion der Evaluierungsergebnisse ermöglicht Rückschlüsse auf eine erfolgreiche Weiterführung und vermeidet die Erstarrung des Instrumentes.

Gesprächsformen

In den verschiedenen Phasen des Gespräches treten unterschiedliche Gesprächsformen auf, die in der Praxis natürlich nicht säuberlich zu trennen sind und auch ineinanderfließen können: [15]

Die fragende Gesprächsführung

ist die Ausgangsbasis, um zu einer gemeinsamen Sicht der Dinge zu finden. Sie signalisiert, dass man sein Gegenüber ernst nimmt und verschafft ein differenziertes Bild von den zu besprechenden Sachverhalten.

Das Feedbackgespräch

dient zur Abgleichung des Selbstbilds mit dem Fremdbild des*der Gesprächspartner*in. Es ist ein heikler Austausch. Feedbackregeln erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass der Meinungsaustausch ein vertrauensvoller und offener wird:

1. Formulieren Sie Eindrücke und konkrete Beobachtungen. Versuchen Sie zu beschreiben und verkünden Sie keine Urteile!

2. Formulieren Sie „Ich-Botschaften“, zum Beispiel: „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass ...“; „Bei mir löst das Verhalten... diese oder jene Reaktion aus.“; Vermeiden Sie negative „Seins-Aussagen“: „Sie sind unfähig ...“

3. Bringen Sie Rückmeldungen (bestimmte persönliche Eigenheiten etc.) immer in Beziehung zu konkret beobachteten Verhaltensweisen und/oder den Erwartungen, die mit der Funktion der Person verknüpft sind (bestimmte Ordnungsvorstellungen, Verhaltensmuster etc.).

4. Wenn Sie beim Gegenüber die Tendenz zur Rechtfertigung beobachten, verstärken Sie diese nicht, sondern sprechen Sie sie offen an: „Ich sehe, dass meine Rückmeldungen bei Ihnen als Vorwurf ankommen. Warum ist das so?“

5. Drängen Sie nicht darauf, dass Ihre Rückmeldungen sofort akzeptiert werden. Die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild ist immer irritierend. Lassen Sie dem*der anderen Zeit zum Verarbeiten.

6. Bedenken Sie dabei, dass Mitarbeiter*innen tendenziell dazu neigen, eigene Misserfolge eher den ungünstigen Rahmenbedingungen zuzuschreiben (z.B. Zufall, zu hochgesteckte Ziele) und Vorgesetzte dazu neigen, die Ursachen für Misserfolge in der Person der anderen zu verorten (z.B. Engagement, Kompetenzen).

7. Deklarieren Sie die Absicht, die Sie mit lhren Rückmeldungen verfolgen. Zum Beispiel: „Dies ist keine Beurteilung.“ – „Es geht mir gar nicht darum, Ihnen Vorwürfe zu machen!“ – „Ich möchte, dass wir einander in unseren Reaktionen besser verstehen.“ – „Ich möchte die Ursache für mögliche Missverständnisse beseitigen.“

8. Zeigen Sie Dankbarkeit für das, was Sie vom anderen an Feedback erfahren, auch wenn Ihnen die Botschaft zunächst nicht gefällt. Zum Beispiel: „Es hilft mir zu hören, wie Sie mich erleben. Jetzt werden mir einige Ihrer Reaktionen klarer und verständlicher.“ – „Es macht mich nachdenklich, was Sie sagen.“

9. Gehen Sie immer davon aus, dass kein Mensch eine reine objektive Sicht der Dinge hat. Jede*r gibt seine*ihre subjektiven Eindrücke wider, die immer auch viel über sich selbst aussagen. Versuchen Sie deshalb zu verstehen, warum andere so beobachten, wie sie beobachten. Zum Beispiel: „Ich sehe, dass Sie mit meiner Art, die Entscheidungsvorlagen zu korrigieren, sehr unzufrieden sind. Was stört Sie daran am meisten?“

Das Aushandlungsgespräch

ist bei der Aushandlung von Fördermaßnahmen angebracht, womit sich der*die Mitarbeitende auf strategische Ausrichtungen des Unternehmens einstellen oder für neue Aufgaben qualifizieren soll.

In vielen Unternehmungen ist der Aspekt der Zielvereinbarung im Rahmen des MA-Gesprächs in den Vordergrund gerückt. „Führen durch Ziele“ heißt es und nicht mehr Führen durch Ad-hoc-Anweisungen zur Bewältigung des Tagesgeschäftes. Die Ergebnisse des MA-Gesprächs bieten die Grundlage für eine Kopplung mit variablen Vergütungssystemen. Das Instrument der Zielvereinbarung bietet die Chance, leistungsbezogen individuelle Unterschiede zwischen einzelnen Verantwortungsträger*innen zu machen.

Exkurs: OKR [16] [17]

Im Zuge der vermehrten Wandlung von Organisationen zu immer flacheren und kollaborationsfokussierten Systemen werden die Arbeitsweisen immer adaptiver. Selbstorganisation, agile Projektmanagementmethoden, Umgang mit komplexen Umfeldern und verbreitete, echte Teamarbeit sind nur einige der aktuellen Themen, mit denen sich Unternehmen auseinandersetzen. Nur logisch, dass sich auch die Leistungsbeurteilungssysteme weiterentwickeln.

Unternehmen im Silicon Valley haben schon vor einigen Jahren ein Modell aus den 1950er Jahren, das auf das Managementinstrument „Management by Objectives“ (MBO) des österreichisch-amerikanischen Ökonomen Peter Drucker zurückgeht, aufgegriffen und modernisiert. Es ist ein Modell, das all dem Genannten gerecht werden soll. Die Methode nennt sich Objective and Key Results - kurz OKR - und wurde als erstes von Google verwendet. Der Erfolg von Google wird immer wieder mit dieser Methode in Verbindung gebracht. Google-Mitarbeiter*innen sagen darüber: „It's a way to run your life, your team or your company“-„Es ist eine Art und Weise, sein Leben, sein Team oder sein Unternehmen zu führen.“

Grundsätzlich ist zu sagen: OKR ist ein Führungsinstrument, um Unternehmensziele und persönliche Ziele regelmäßig in Einklang zu bringen. Über Andy Grove, einen der Mitgründer*innen von Intel, fand OKR den Weg zum Suchmaschinenkonzern Google.

OKR unterscheidet sich sehr von herkömmlichen Mitarbeiter*innengesprächen. Zwar werden auch hier Ziele vereinbart; viele Angestellte dürften das als „Performance Review“ kennen, in OKR sind es die Objectives.

Vereinbart werden relativ wenige Objectives, drei bis fünf reichen aus. Die Ziele sind absichtlich so ambitioniert formuliert, dass eine hundertprozentige Erfüllung kaum möglich ist. So mancher Mentalität läuft das zuwider: „Ziele müssen doch vollständig erfüllt werden!“. Aber: wirklich ambitionierte Ziele bringen uns an den Rand der Komfortzone und darüber hinaus. Auf diese Weise wird Weiterentwicklung ermöglicht.

Neu bei OKR ist, dass die Ziele in Key Results (Schlüsselergebnisse) unterteilt werden. Sie zeigen, wie der Weg bis zum Ziel aussehen soll. Jedes Ziel wird mit maximal vier messbaren Schlüsselergebnissen verknüpft.

Die Vereinbarung erfolgt quartalsweise - und zwar Top-down und Bottom-up. Also im echten Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*in. Dabei spiegeln die Ziele und die Prioritäten des Unternehmens - und damit aller Mitarbeiter*innen - wider. Eine Verbindung mit Bonuszahlungen ist nicht üblich. Besonders gewöhnungsbedürftig ist wahrscheinlich der folgende Punkt: alle Ziele und alle Schlüsselergebnisse sind für jeden in der Firma transparent, von der Geschäftsführung bis zu den Praktikant*innen.

Google, der Uranwender des OKR-Prinzips, hat die Methode immer wieder neuen Gegebenheiten angepasst. Galt bis vor einigen Jahren zum Beispiel noch die Regel, dass Google-Mitarbeiter*innen parallel an kurzfristigen und langfristigen OKR-Sets arbeiten durften, so hat der aktuelle CEO Sundar Pichai diese Zweigleisigkeit abgeschafft. Seither gibt es nur noch Quartals-Fortschrittsberichte. Manchmal können Veränderungen im Unternehmen eben auch dabei helfen, die eigenen Ziele klarer zu sehen.

E-Kommunikation

Die Entwicklung und der Einsatz neuer Medien in den letzten Jahren hat die Kommunikation in hohem Maße verändert. Man kann Bild, Sprache und Text weltweit sekundenschnell übertragen.

Die moderne Kommunikationstechnologie überschlägt sich in Neuentwicklungen. Funktionen wie Messenger Apps, Videotelefonie, online Gruppenkommunikationen, Kollaborations-Apps uvm haben eine Entwicklung ohnegleichen hinter und wahrscheinlich auch noch vor sich.

Social Media, Online Communities jeglicher Art usw. sind Möglichkeiten der weltweiten Kommunikation, die ein einzelner Mensch wahrscheinlich nicht oder nur vereinzelt in seiner Gesamtheit wahrnehmen und nutzen kann.

Die Geschwindigkeit der Übertragung, die immer mehr fortschreitende räumliche Trennung der Kommunikationspartner*innen, und das Entstehen neuer Kommunikationskulturen haben Einfluss auf die Gesprächsführung.

Geschwindigkeit der Übertragung

Durch die Möglichkeit, realtime immense Informationsmengen zu transferieren, steigen die Anforderungen an uns Menschen, diese Mengen nicht nur in ihrer Menge, sondern auch noch schneller als sonst verarbeiten zu müssen.

Schon die Filterung der auf uns einströmenden Information ist eine Herausforderung, aber gepaart mit der steigenden Erwartung, sie auch immer schneller zu bearbeiten und darauf zu reagieren, birgt so manche Schwierigkeit und ruft viele Missverständnisse hervor.

Die neue Kultur, ständig und überall erreichbar zu sein, hat unser Leben nicht immer nur erleichtert.

Räumliche Trennung der Kommunikationspartner*innen

Der Einsatz neuer Medien hat beinahe jede räumliche Einschränkung für die Datenübertragung ausgeräumt. Daten können sowohl direkt vor Ort erfasst, als auch von überall weltweit verschickt werden. Man weiß nicht mehr, ob der*die Kommunikationspartner*in gerade in Thailand oder um die Ecke sitzt.

Die Herausforderung hierbei ist der weitgehende Wegfall der non-verbalen Ausprägungen der Kommunikation. Weder Aussehen noch andere non-verbale Träger wie Gestik, Mimik oder Körperhaltung können Signale vermitteln (in eingeschränkter Form nur bei Videokonversationen).

Die eigene Vorstellungswelt der Gesprächspartner*innen bestimmt nun viel stärker das emotionale Umfeld, in dem der Sachverhalt diskutiert wird.

Kommunikationsnormen der neuen Medien

Der oben beschriebene Wegfall der non-verbalen Kommunikation und das Ansteigen der Kommunikationsgeschwindigkeiten verdrängen alteingesessene Regeln und Verhaltensnormen in der Kommunikation und werden durch Neuentwicklungen ersetzt.

„Netiquette“ [18] , Emoticons und E-tivities [19] sind Schlagworte für Versuche, non-verbale Signale mitzusenden und in den richtigen Zusammenhang zu bringen. Es entwickeln sich unterschiedliche Kulturen, was das Begrüßen, das Formulieren, das Beenden einer Kommunikation per E-mail, Messaging App oder Chatrooms betrifft.

In Unternehmen werden eigene Regeln erstellt und eingeführt, was die korrekte Verhaltensweise in Bezug auf die Instrumente der neuen Medien betrifft: Z.B.:

  • Gilt eine Nachricht ohne Anrede als unhöflich oder tut es angesichts der notwendigen Geschwindigkeit der Informationsübertragung Genüge?
  • Wie lauten Schlussformeln – werden Sie nur „nach außen“ angewandt oder auch zwischen Kolleg*innen, Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen?
  • Lässt die Dauer der Reaktionszeit auf die Wertschätzung einer Nachricht oder dessen Sender*in schließen?
  • Wieviel Reaktionszeit ist üblich?

usw.

Zum Teil – besonders unter Jugendlichen – haben sich eigene Sprachformen für die Kommunikation per Messaging App oder in Chatrooms entwickelt.

Interkulturelle Gesprächskultur

Interkulturelle Kommunikation findet dort statt, wo zwei Gesprächspartner*innen oder –gruppen, die unterschiedlich sozialisiert sind, miteinander in Kontakt treten. Interkulturelle Unterschiede müssen jetzt nicht unbedingt nur verschiedene Länder oder Rassen betreffen, es gibt sie auch zwischen Unternehmen, Konzernen, sogar Abteilungen einer Firma.

Dazu findet man folgende Definition [20]  :

„Die Verständigung zwischen zwei Personen aus deutlich verschiedenen Gruppen wird als interkulturelle Kommunikation bezeichnet, jene innerhalb einer Gruppe oder Gesellschaft als intrakulturell“.

Barrieren können neben der Sprache auch unterschiedliche Erfahrungen, Geschichten, Codierungen, Ziele und Gewohnheiten sein. Je größer die zu erwartenden Unterschiede sind, desto wichtiger ist es, das Verständnis zu sichern, um Missverständnissen vorzubeugen bzw. sie weitgehend auszuschalten.

Zum Beispiel ist der uns eigene verbreitete „liebevolle Zynismus“ in den USA nicht besonders gerne gesehen.

Wenn unterschiedliche Interpretationsmuster im non-verbalen Bereich vorliegen, kann dies zu besonders brisanten Missstimmigkeiten führen, wie zum Beispiel der in der westlichen Hemisphäre übliche Händedruck in Fernost oder im jüdischen Kulturkreis.

Aber auch körpersprachliche Gesten kleinerer Gruppen, wie zum Beispiel das „give-me-five“ der Vertriebsmannschaft, das in der Revision belächelt wird, fällt in diese Kategorie.

Diese Unterschiedlichkeiten in den Interpretationsmustern können nun leichtes Rauschen in der Kommunikationsbeziehung bewirken, aber auch zu gröberem Unverständnis führen und in Furcht und schwer gestörte Kommunikationsbeziehungen gipfeln, wenn sie nicht bewusst gemacht und dementsprechend behandelt werden.

Eine Hilfestellung dazu bieten die im Folgenden angeführten Bestandteile interkultureller Kommunikationsfähigkeit [21]  :

FREMDKULTURBEZOGENES WISSEN, das permanent aktuell gehalten sein sollte.

KNOW-HOW ÜBER KOMMUNIKATIONSPROZESSE und interkulturelle Kommunikationsherausforderungen.

TOLERANZ [22] UND EMPATHIE, um die Perspektiven fremder Kulturen zu übernehmen und die Suche nach Gemeinsamkeiten überhaupt zu ermöglichen.

Die Fähigkeit, dieses WISSEN IN INTERKULTURELLE INTERAKTIONSSTRATEGIEN ZU ÜBERSETZEN, wie das proaktive Entgegennehmen von Missverständnissen und Bereithalten von Verständigungsmedien, sowie das bewusste Vermeiden von Stereotypenbildungen [23] .

Zusammenfassung

Der Ausdruck „Gesprächsführung“ birgt in seiner Natur etwas sehr Technisches, man hat das Gefühl, es sei etwas Mechanisches und Eckiges. In Wirklichkeit aber ist die Gesprächsführung, die Kommunikation, das ursprünglichste Mittel der Verständigung, etwas Biegsames, Unvorhersehbares und wie man oft (leidvoll) erfahren kann, etwas sehr Schwieriges.

So unterschiedlich wie die Menschen sind auch deren Wege der Kommunikation. Um es annähernd verstehen zu können, ist es notwendig, sich mit den Grundzügen und Grundlagen der Kommunikation und deren Wirkungsweise auseinanderzusetzen, um dann darauffolgend doch ein wenig technisch angehauchte „Werkzeuge“ zur Verfügung zu haben, um Gespräche planen und optimieren zu können, besonders wenn sie schwieriger Natur sind.

Der Mensch und seine Tendenz, Dinge zu analysieren und eine Wissenschaft daraus zu machen, führt auch hier zu Definitionen und Einteilungen. Auch wenn Gespräche in Sach- und Personengespräche eingeteilt werden können, so ist unbestritten, dass JEDES Gespräch sowohl einen Inhaltsteil als auch einen emotionalen Anteil hat. Die Fähigkeit, diese beiden zu verstehen und auseinander zu halten bietet eine wesentliche Grundlage auf dem Weg zu wirklich fruchtvoller Kommunikation.

Es haben sich Kommunikationswissenschafter*innen Gedanken gemacht, wie Kommunikation wirkt und was Empfänger*in und Sender*in wechselseitig empfinden. Die 5 Axiome der Kommunikation oder auch die Transaktionsanalyse sind weltweit anerkannte Modelle.

Schulz von Thun teilt die Kommunikationsströme, egal ob von Empfänger*innen- oder Sender*innenseite gesehen, in 4 Abteilungen ein: Inhalt, Beziehung, Appell und Selbstaussage, um bei Bewusstmachung die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Botschaft auch so ankommt, wie sie abgesendet wurde.

Die Tatsache, dass die meisten Probleme der Menschheit auf Missverständnisse beruhen, führt zur Entwicklung von Techniken und Methoden, um diese weitgehend auszuräumen. Die Analyse des eigenen Kommunikationsverhaltens steht dabei an oberster Stelle. Mit diesem Wissen kann dann versucht werden, besser auf das Gegenüber einzugehen und so bestmögliche Übereinstimmung zu erzielen.

Wie höre ich richtig zu?

Wie verhalte ich mich gegenüber meinen Gesprächspartner*innen?

Welche Einflüsse wirken auf das Gespräch?

Wie geht es mir bei dem Gespräch?

Das sind einige der Fragen, mit denen man sich beschäftigen muss, um die Kommunikation zu verbessern. Schlagworte dazu sind Methoden wie „partnerzentriertes Zuhören“, „die vollständige Ich-Botschaft“, „Meta-Kommunikation“ und „Gesprächsplanung“. Aber auch Themen wie die neuen Medien, die in ihren Erscheinungsformen neue Herausforderungen bergen und die Globalisierung, die interkulturelle Themen aufwirft, sind stark kommunikationsbeeinflussend.

Das Mitarbeiter*innengespräch ist eines der wichtigsten strukturellen Gesprächsformen im wirtschaftlichen Bereich. Wenn die äußeren Erfolgskriterien, wie gute Planung und Vorbereitung, Dokumentation und Rahmenbedingungen passen und mit umsichtigem Einsatz von Kommunikationstechniken kombiniert werden, ist ein umfassender Nutzen für den Betrieb erkennbar.

Reflexionsfragen

Kommunikationsmodelle

Nennen und charakterisieren Sie kurz die wichtigsten Kommunikationsmodelle.

Methoden zur Verbesserung der Kommunikation

Welche Methoden führen zur Verbesserung der Kommunikation?

Charakterisierung des Mitarbeiter*innengesprächs

Charakterisieren Sie das Mitarbeiter*innengespräch in seiner typischen Ausprägung als strukturiertes Gespräch in der Unternehmensführung.

  1. Watzlawick/Beavin/Jackson 1969, S. 50 ff
  2. Berne 1070
  3. Heinrich/Schmidt 2002, S. 232. zit. Schulz v. Thun 1991, S 13 ff.
  4. Bezeichnet die Sprechweise: Melodie, Klang, Tempo, Lautstärke, Pausen
  5. Vgl. Covey, 2004, S. 39 ff
  6. Das Wort Paradigma kommt aus dem Griechischen, ursprünglich ein wissenschaftlicher Begriff, er wird heute verwendet, um ein Modell, eine Theorie, eine Wahrnehmung, Annahme oder Bezugsrahmen zu bezeichnen. Vgl. Covey, 2004, S 32
  7. In Folge wird der Begriff des „aktiven Zuhörens“ präferiert, da er eher Teil des alltäglichen Wortschatzes ist.
  8. Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt eines anderen hineinversetzen zu können und sich für diese auch zu interessieren.
  9. Vgl. Crisand, 2007, S. 30
  10. Vgl. Crisand, 2007, S. 43 ff
  11. Engl. Engagement, Verbindlichkeit, Verpflichtung, Zustimmung
  12. Siehe auch Kapitel 3.5.2
  13. Vgl. Heimerl/Krendelsberger/Perg, 2008, S. 82 ff

  14. Nagel/Oswald/Wimmer 2005, S. 14 ff
  15. Nagel/Oswald/Wimmer 2005, S. 22f
  16. https://www.golem.de/news/okr-statt-mitarbeitergespraech-wir-muessen-reden-1908-142431.html
  17. https://www.handelsblatt.com/karriere/the_shift/okr-methode-ziele-und-schluesselergebnisse-die-neuen-wunderwaffen-moderner-fuehrungskraefte/22965862.html?ticket=ST-1178511-9mj1nkAK27TzeXHOiD6e-ap3
  18. Synonym für Verhaltensregeln im www
  19. Vlg. Salmon, Gilly, 2002
  20. Kasper/Mayrhofer, 2002, S. 238, zit Apeltauer, 1997, S. 17
  21. Kasper/Mayrhofer, 2002, S. 240, zit Knapp, 1997, S. 199
  22. Erkennen und wertschätzender Umgang mit Unterschiedlichkeit und Relativität von Einzelpersonen und Systemen
  23. Stereotyp: kommt aus dem Griechischen und wird für gleich bleibende bzw. häufig vorkommende Muster verwendet. Es steht in engem Zusammenhang mit Klischee und Vorurteil und wird in der Kommunikation als eigene Ausprägung einer Wahrnehmungsverzerrung geführt.