Kundenbeziehungsmanagement - KBM Alt und Neu

Aus FernFH MediaWiki
Version vom 17. Jänner 2022, 12:32 Uhr von KLAUSNER Daniela (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

KBM alt und neu

Die meisten Unternehmen bauen ihr KBM falsch auf, nämlich als „CRM-System“. Das ist eine gewagte Hypothese und bedarf einer Erklärung.

In allen CRM-Systemen, die mir bekannt sind, werden die Kunden in ein System gepresst und als „Fälle“ behandelt, die „hereinkommen“ und „abgewickelt“ werden müssen.

Generalhypothese: Diese CRM-Systeme haben in der Zukunft – zumindest in manchen Bereichen – nichts mehr verloren. Ihre genauen Abläufe zu lernen ist so, als würde man statt Elektromotoren die Dampfmaschine lernen. Ja, es gibt noch Dampfmaschinen, nämlich als Turbinen in vielen Kraftwerken, aber sonst sind sie veraltete Technik (die allerdings wiederkommen könnte, wer weiß das schon).

Stattdessen wird es ein KBM geben, das stark von echter Interaktion geprägt ist. Die Kunden werden auch bereit sein, dafür zu bezahlen, denn sie werden generell weniger kaufen, konsumieren und verbrauchen – dafür aber wertvollere Dinge mit höherem Qualitätsanspruch.

Die Kunden werden mehr Macht haben und sie werden diese dazu benützen, um das zu bekommen, was sie brauchen – und natürlich das, was sie sich noch zusätzlich wünschen, aber in wahrscheinlich geringerem Ausmaß als heute.

Natürlich geht es um die Schnittstellen zwischen Unternehmen und KundInnen. Dabei gilt es zwischen alt und neu zu unterscheiden:

ALT NEU
CRM – Customer Relationship Management – in einem möglichst allgemeinen, überschaubaren, kostengünstigen System, das möglichst wenig in die anderen Bereiche hineinwirkt. Der Kunde bekommt seinen Platz und dort hat er gefälligst zu bleiben. Kundenbeziehungsmanagement – der Kunde ist als das zu sehen, was er ist: schillernd, sich ständig wandelnd, bunt, immer unbekannt, nicht wirklich vorausberechenbar, zunehmend mächtig, neugierig. Er dringt in unser Unternehmen ein und sucht sich dort den Platz, den er will, den er braucht, um seine Bedürfnisse befriedigt zu bekommen.
First Level Support, Second Level Support, Third Level Support und dann hoffentlich wieder draußen. Idealerweise war er gar nicht herinnen in unserer Firma, sondern konnte per Telefon abgeblockt werden, möglichst weit draußen, möglichst nicht sichtbar, nicht spürbar. „Support“ heißt so schnell wie möglich loswerden – idealerweise zufrieden, aber notfalls auch unzufrieden. Wem kann er das schon erzählen?

Der Kunde kommt dort an, wo er auftaucht. Dort infiziert er unsere Firma mit dem, was wir brauchen wie die Luft zum Atmen: mit seinen Bedürfnissen, für die wir schließlich arbeiten und produzieren.

Er bekommt seinen Platz und wir behalten unseren. Und hin und wieder wechseln wir kurz die Plätze, um uns nicht nur inspirieren zu lassen, sondern etwas Gemeinsames aufzubauen. Der Kunde ist willkommen, je mehr er von uns sieht, desto besser. Wir sind er und er ist wir.

Wir haben einen Vertrieb, der unsere Waren vertreibt. Das heißt, er vertreibt sie aus unserem Unternehmen. Sobald sie fertig sind, haben sie hier nichts mehr verloren. Sie müssen hinaus, so schnell wie möglich. Und sie sollen auch nie wiederkommen. Daher müssen wir sie dem Kunden so verkaufen, dass er sie uns nicht wiederbringt, zumindest nicht bevor die Garantie abgelaufen ist – aber auch nicht nachher. Nach dem Modell der geplanten Obsoleszenz werden die Dinge so erzeugt, dass sie so kurz wie notwendig = gesetzlich vorgeschrieben halten. Dann soll der Kunde sie wegwerfen. Wir wollen nichts davon wiedersehen. Wir erzeugen inzwischen was Neues, das wir ihm dann verkaufen. Der Kunde stört besonders, wenn er uns die alten Teile wiederbringt. Wir haben sie schließlich mit viel Mühe vertrieben.

Der Kunde soll uns möglichst viel unserer Ware wiederbringen, nachdem er sie verwendet hat. Sie enthält wertvolle Rohstoffe, die wir ihm nur sehr ungern überlassen, eben weil sie wertvoll sind. Einiges davon benützt und gebraucht er, manches davon verbraucht er. Den Rest wollen wir wiederhaben. Noch besser ist es, wenn er die Dinge lange hat und lange benützt, denn dann kommt er sicher wieder, weil er das zu schätzen weiß. Das macht es für ihn billiger und für uns auch, weil wir alles hier langfristig kalkulieren können.

Idealerweise borgen wir ihm die Dinge nur, so dass er sie verwenden kann. Dann sind wir auch für sie verantwortlich und das sind wir gern. Wir mögen unsere Ware, samt ihrer tollen Qualität und ihren tollen Möglichkeiten. Und wir mögen den Kunden, vor allem wenn er sie uns nach Gebrauch wiederbringt.

Wir erzeugen die Produkte und wir kennen sie deswegen am besten. Wir wissen auch, wie man sie noch besser erzeugt und außer uns soll das bitte sonst niemand wissen. Idealerweise haben wir möglichst viele Patente und Geheimnisse eingebaut, die nur wir kennen. Wir haben Angst vor Spionage und schotten uns gut ab. Am besten vor dem Kunden, der möglichst nicht weiß, was er da bekommt. Er soll es benützen und dann wegwerfen und dann etwas Neues bei uns kaufen.

Wir geben viel Geld dafür aus, um ihm zu erzählen, wie toll unsere Sachen sind.

Wir erzeugen die Produkte in enger Verknüpfung mit denen, die sie verwenden sollen bzw. wollen. Je mehr unsere Kunden davon wissen, desto besser, denn dann können sie viel zur Verbesserung der Produkte beitragen. Sie sind unsere besten Tester, unsere Inspirationsquellen. Letztlich kennen sie unsere Produkte wesentlich besser als wir und daher integrieren wir sie in Planung und Erzeugung.

Wir haben keine Angst vor Spionage, denn je mehr andere von unseren tollen Produkten wissen, desto eher werden sie sie kaufen. Wir geben viel Geld dafür aus, um mit unseren Kunden in möglichst intensivem Kontakt zu bleiben, damit er uns erzählen kann, wie toll unsere Sachen sind.

Unser Internetauftritt ist klar strukturiert, es gibt Kontaktformulare für unsere Kunden mit klar definierten Feldern. Weil es das Gesetz verlangt, sind die Namen unserer Geschäftsführer angeführt, aber sonst gibt es nur den Kontakt zu Abteilungen und auch hier zu wenigen. Die Kundenanfragen werden zentral verwaltet und bei Bedarf weitergegeben. Es gibt nur Bilder von unserer Geschäftsleitung, denn es geht niemand was an, wer bei uns arbeitet. Das ist die Privatsphäre der Mitarbeiter. Wer bei uns auf die Website schaut, empfindet das als Einladung, mit uns zu kommunizieren. All unsere Mitarbeiter sind mit Bild und E-mail-Adresse sofort sichtbar und einfach zu finden. Es gibt meist auch eine Telefonnummer und natürlich erfährt man einiges über sie. Sie sind unser wichtigstes Kapital und wir sind stolz auf sie. Sie fühlen sich bei uns auch wohl und geben gerne etwas von sich preis, vor allem für die von uns geschätzten Kunden, die ja was von uns kaufen sollen. Da müssen sie uns auch kennen. Wenn unsere Geschäftsleitung zu viele persönliche Anfragen bekommt, dann werden wir uns überlegen, wie wir damit umgehen können. Vielleicht sollten sich unsere Geschäftsführer ohnehin mehr mit den Kunden beschäftigen, denn die sind ja unser Geschäft.
Wir haben ein hervorragendes Kundenbindungsprogramm mit einer Treuekarte mit Bonus-Stufen. Wir binden unsere Kunden gar nicht an uns. Sie binden sich an uns, wenn wir kompetent und freundlich sind und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Sie kommen dann ganz von alleine und erzählen ihre Erlebnisse auch weiter.

Fazit: Versuchen wir erste Definitionen, Ankerpunkte, einen ersten Rahmen für KBM festzulegen:

1.) KBM ist eine echte Herausforderung für die meisten Unternehmen. Es gibt hier kein richtig und kein falsch, sondern jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden.

2.) Die Schnittstelle ist im Zentrum der Betrachtung und wird es auch bleiben. Sie bleibt auch der Engpass, den es jedes Mal neu freizuschaufeln gilt. Der Kunde ist immer zuerst auf der anderen Seite und muss erreicht werden.

3.) Mensch statt Maschine – ein softwaregesteuertes CRM-System einzurichten und dann zu erwarten, dass die Kundenbeziehungen besser funktionieren, könnte sich als Fehler erweisen.

Aufgabe Lektion 2

Beantworten Sie die folgenden Fragen:

1.) Welches Menschen (Kunden-)Bild steckt hinter den beiden Spalten?

2.) Für welche Branchen ist die rechte Spalte ein Zukunftsmodell und für welche nicht – und warum?

3.) Womit kommen Sie persönlich besser zurecht und warum?

4.) Inwiefern ist die rechte Spalte ein utopisches Modell – oder tatsächlich die Zukunft? Wovon hängt das ab?