Internationales Vertragsrecht u. Europarechtsmaterien - Gesamt: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 24. Jänner 2022, 17:50 Uhr
Dr. Michael Rohregger, geb. 1968, war nach Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften (Universität Wien) und des Studiums der Betriebswirtschaftslehre (WU Wien) mehrere Jahre Assistent an der WU Wien und wissenschaftlicher Mitarbeiter am VfGH. Er ist als Rechtsanwalt in Wien tätig. Seine beruflichen Schwerpunkte liegen im Bereich des Unternehmensrechts, des Wirtschaftsstrafrechts und des Verfassungsrechts. Daneben ist er Mitglied im Strafsenat der Österreichischen Fußball-Bundesliga.
Internationales Privatrecht
Funktion und Bedeutung des Internationalen Privatrechts
Einleitung
Soziale und wirtschaftliche Beziehungen machen vor den Grenzen staatlicher Territorien wenig halt. Die Internationalisierung bzw. Globalisierung ist auch für das moderne Wirtschaftsleben bedeutsamer geworden. Auf diese tatsächlichen Gegebenheiten und Entwicklungen nimmt die Rechtsordnung Bedacht. Vielleicht haben Sie sich ja schon einmal die Frage gestellt, welche Rechtsvorschriften denn nun gelten, wenn Sie über das Internet etwa Bücher aus Deutschland, der Schweiz, Kanada oder Russland kaufen. Aber auch in privaten Beziehungen kann sich die Frage nach dem anzuwendenden Rechtsrahmen stellen, so wenn etwa eine Nigerianerin und ein Chinese, welchen beiden unabhängig voneinander in Frankreich Asyl gewährt wurde, in Österreich heiraten und ein Kind bekommen. Anhand welcher Rechtsvorschriften ist hier beispielsweise die Frage der Ehelichkeit des Kindes oder die Berechtigung bzw. Verpflichtung zu dessen gesetzlicher Vertretung zu beurteilen?
Das Internationale Privatrecht versucht gerade in jenen Fällen mit (privatrechtlicher) Auslandsbeziehung die Frage zu beantworten, welche staatliche Rechtsordnung im konkreten Einzelfall anwendbar ist. Wegen der Gefahr der „Kollision“ der aufeinandertreffenden Rechtsvorschriften, wird das Internationale Privatrecht auch als „Kollisionsrecht“ bezeichnet. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch, dass es neben den auf die privatrechtlichen Beziehungen abstellenden internationalen Kollisionsnormen auch auf andere Rechtsbereiche abstellende internationale Normen gibt, wie etwa das internationale Strafrecht oder das internationale Verwaltungsrecht.
Die Bezeichnung „Internationales Privatrecht“ könnte zu dem irreführenden Schluss verleiten, etwa dass es sich dabei um internationale Rechtvorschriften handelt, welche private Rechtsbeziehungen inhaltlich regeln. Dem ist jedoch nicht so. Das Internationale Privatrecht ist eine nationale, sprich österreichische Rechtsvorschrift, welche im IPR-Gesetz [1] kodifiziert ist. Als Kollisionsrecht hat es auch keine materiellen Regelungen zum Inhalt. Es knüpft vielmehr an privatrechtliche Lebenssachverhalte mit Auslandsbezug an und geht der Frage nach, welches – ausländische oder inländische – materielle Recht zur Anwendung kommt. Dabei ist das IPR‑Gesetz vom Grundsatz geleitet, dass Sachverhalte mit Auslandsberührung in privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen sind, zu der die stärkste Beziehung besteht (§ 1).
Bei historischer Betrachtung geht das Internationale (Privat-)Recht dabei einen „neuen“ Weg. Ursprünglich wurden bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug regelmäßig (bloß) jene materiellen Rechtsvorschriften angewandt, die im jeweiligen Territorium selbst galten. [2]
Immer wichtiger werden jedoch sehr wohl im internationalen Privatrecht supranationale Rechtsakte der EU sowie multilaterale Staatsverträge. Somit gehören zu den wichtigsten Rechtsquellen des Internationalen Privatrechts:
- IPR-Gesetz [3]
- CISG-Abkommen (UN-Kaufrecht, relevant für Warenkauf zwischen gewerblichen Verkäufern aus verschiedenen Vertragsstaaten) [4]
- Rom I – VO (vertragliche Schuldverhältnisse) [5]
- Rom II – VO (außervertragliche Schuldverhältnisse) [6]
- Rom III – VO (Ehescheidungen) [7]
- Rom IV – VO (Erbrecht, gilt größtenteils ab 17.08.2015) [8]
- Haager Übereinkommen
In Planung sind des Weiteren derzeit von der Europäischen Union:
- Rom V – VO (Ehegüterrecht)
- Rom VI – VO (Unterhalt)
Regelungsbereiche des Internationalen Privatrechts
In weiterer Folge werden wir uns mit den Regelungen des (österreichischen) IPR‑Gesetzes befassen. Vom Aufbau her ist das IPR-Gesetz in acht Abschnitte untergliedert. Der erste Abschnitt hat Allgemeine Bestimmungen und der achte Abschnitt Schlussbestimmungen zum Gegenstand. Die Abschnitte zwei bis sieben regeln jeweils nach Themen gegliedert, welcher Sachverhalt – anders formuliert: auf welchen Tatbestand oder kollisionsrechtlichen Anknüpfungsgegenstand – nach welcher Rechtsordnung zu beurteilen bzw. zu lösen ist.
Inhaltlich werden wir uns im Folgenden mit dem ersten Abschnitt sowie mit den das Immaterialgüterrecht und das Schuldrecht betreffenden Abschnitten sechs und sieben noch genauer beschäftigen. Der Vollständigkeit halber werfen wir vorab noch einen kurzen Blick auf die Abschnitte zwei bis fünf:
Dem Personenrecht widmet sich der Abschnitt 2 und behandelt die Regelungsbereiche wonach die Rechts- und Handlungsfähigkeit von Personen zu beurteilen ist sowie Fragen im Zusammenhang mit dem Namen, Todeserklärungen und Entmündigungen.
Der Abschnitt 3 hat Kollisionsnormen mit familienrechtlichen Anknüpfungspunkten zum Gegenstand. Dieser Abschnitt ist sehr umfangreich geregelt und untergliedert sich in ehe-, kindschafts- sowie vormundschafts- und pflegschaftsrechtliche Themenbereiche. Innerhalb der kindschaftsrechtlichen Regelungsbereiche finden sich beispielsweise Bestimmungen zur Ehelichen Abstammung, der Wirkungen der Ehelichkeit und der Legitimation, der unehelichen Abstammung und deren Wirkungen sowie der Annahme an Kindesstatt (Adoption).
Anknüpfungspunkt der im Abschnitt 4 geregelten Rechtsnachfolge von Todes wegen im IPR-Gesetz ist das Personalstatut der Erblasserin/des Erblassers. Aber auch Fragen nach der Testierfähigkeit und die sonstigen Erfordernisse für die Gültigkeit etwa einer letztwilligen Verfügung werden im erbrechtlichen Abschnitt geregelt.
Der fünfte Abschnitt hat das Sachenrecht zum Gegenstand. Kollisionsrechtlicher Anknüpfungspunkt für dingliche Rechte von in Registern eingetragenen Wasser- und Luftfahrzeugen ist danach etwa das Recht des Registerstaates.
Personalstatut und Rechts- und Handlungsfähigkeit
Personalstatut
Der Anknüpfungspunkt an das Personalstatut ist zentral bei grenzüberschreitenden persönlichen Rechtsverhältnissen von natürlichen und juristischen Personen. Bei natürlichen Personen bestimmen sich danach etwa die Voraussetzungen, Wirkungen und Aufhebung einer Entmündigung, die Ehefähigkeit oder die Voraussetzungen und Wirkungen einer Adoption. Bei juristischen Personen ist das Personalstatut etwa Anknüpfungspunkt für die Vertretung, Errichtung udgl.
Das Personalstatut einer natürlichen Person bestimmt sich gem § 9 IPRG nach dem Recht jenes Staates, dessen Staatsangehöriger diese Person ist. Ist ein Mensch Staatsangehöriger mehrerer Staaten und besitzt auch die österreichische Staatsbürgerschaft [9] , dann bestimmt sich sein Personalstatut nach österreichischem Recht. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht.
Hat ein Mensch keine Staatsangehörigkeit zu seinem Staat (Staatenloser) oder kann dessen Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden, so bestimmt sich sein Personalstatut nach dem Recht jenes Staates, in welchem er den gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Bei Flüchtlingen im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen oder bei Menschen, deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, [10] bestimmt sich deren Personalstatut nach dem Recht des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen Wohnsitzes, nach dem Recht des Staates in dem sie ihren Aufenthalt haben.
Im Sinne des eingangs erwähnten Beispieles wäre daher bei der Beurteilung der Frage nach dem Personalstatut der Nigerianerin und des Chinesen, welchen in Frankreich Asyl gewährt wurde und die in Österreich heiraten, danach zu fragen, ob sie in Frankreich ihren Aufenthalt haben. Bejahendenfalls wäre ihr Personalstatut nach französischem Recht zu beurteilen. Verneinendenfalls wäre zu prüfen, in welchem Staat sie ihren Aufenthalt haben.
Das Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen- oder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sein kann, bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat (§ 10 IPR‑Gesetz). In Anlehnung an den Begriff des Personalstatutes von natürlichen Personen kann bei rechtlichen Gebilden auch der Begriff des Gesellschaftsstatuts verwendet werden. Das österreichische IPR-Gesetz knüpft dabei die Rechtsbeziehungen primär an den Sitz der Hauptverwaltung (Sitztheorie) an. Andere Rechtsordnungen wählen für als kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkt bei juristischen Personen hingegen das Recht des Gründungsstaates, also unabhängig vom tatsächlichen Sitz einer Hauptverwaltung die Rechtsordnung jenes Landes, in dem eine juristische Person gegründet wurde.
Sitz der Hauptverwaltung ist danach jener Ort, an dem zentrale Entscheidungen des Geschäftsbetriebes getroffen und implementiert werden und an dem die Leitungsbefugnis nach außen sichtbar wird (Headquarter).
Die Regelung des § 10 IPR-Gesetzes findet hinsichtlich juristischer Personen bzw sonstiger Personen- oder Vermögensverbindungen aber nur auf Sachverhalten mit Auslandsberührungen außerhalb der Europäischen Union Anwendung. Denn innerhalb der Europäischen Union könnte das Abstellen auf den Sitz der Hauptverwaltung, die in den Gründungsverträgen auch den juristischen Personen zukommenden Grundfreiheiten verletzen. Der EuGH hat daher in mehreren Entscheidungen festgehalten, dass Gesellschaften in den Mitgliedstaaten nach dem Recht ihres Gründungsstaates zu beurteilen sind.
Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie Stellvertretung
Rechts- und Handlungsfähigkeit
Die Rechtsfähigkeit verleiht die rechtliche Macht Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Von dieser Rechtsfähigkeit ist die Handlungsfähigkeit zu unterscheiden, denn (nur) der Handlungsfähige kann Rechte und Pflichten auch durch eigenes Handeln erwerben. [11]
Wer rechtsfähig ist, bestimmt sich grundsätzlich nach der Rechtsordnung. [12] Dabei ist regelmäßig die Rechtsfähigkeit von natürlichen (= Menschen) und juristischen Personen zu unterscheiden. Grundsätzlich sind in Kulturstaaten alle Menschen rechtsfähig, wobei jedoch der Anfangszeitpunkt differiert. [13]
Die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person bestimmt sich gemäß § 12 IPR-G nach deren Personalstatut. Sollte ausnahmsweise die Rechtsfähigkeit einem Menschen ihm nach seinem Personalstatut nicht verliehen sein, dann greift die Vorbehaltsklausel nach § 6 IPR-G. Diese (auch ordre public genannte) Klausel besagt, dass eine Bestimmung des fremden Rechts nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist dann erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechts anzuwenden. Danach wäre dann ein Mensch, dem nach seinem Personalstatut keine Rechtsfähigkeit verliehen wird, entsprechend § 16 (allenfalls iVm §§ 22f ABGB) rechtsfähig.
Die Rechtsfähigkeit von juristischen Personen richtet sich ebenso nach deren Personalstatut. Ist einem juristischen Gebilde nach diesen Bestimmungen keine Rechtsfähigkeit verliehen, dann greift die Vorbehaltsklausel des § 6 IPR-G wohl nicht; Denn juristische Gebilde und (der Umfang) deren Rechtsfähigkeit, [14] sind immer auf Gesetz zurückzuführen und können so unterschiedlich ausgestaltet sein, dass die Nichtverleihung von Rechtsfähigkeit an ein solches Gebilde nicht zu einer Unvereinbarkeit mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung führen würde.
Die Geschäftsfähigkeit [15] ist jedenfalls vom Begriff der Handlungsfähigkeit in § 12 IPR‑G umfasst. Die Geschäftsfähigkeit muss zu jenem Zeitpunkt vorliegen, zu dem die Erklärung abgegeben wird, zu deren Wirksamkeit die Geschäftsfähigkeit notwendig ist. Neben der allgemeinen Regelung der Handlungs- bzw Geschäftsfähigkeit enthält das IPR-G Sonderregelungen, die auf Beschränkungen oder Sonderfälle in der Handlungs- bzw Geschäftsfähigkeit abstellen, wie etwa § 15 betreffend Maßnahmen zum Schutz Erwachsener, der Ehefähigkeit (§ 17) oder der Obsorge (§ 27 betreffend Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht).
Vom Überbegriff der Handlungsfähigkeit ist auch Deliktsfähigkeit [16] erfasst. Sie ist nach hM jedoch nicht von der kollisionsrechtlichen Regelung des § 12 IPR-G erfasst, sondern entsprechend § 48 IPR-G (Außervertragliche Schadenersatzansprüche) geregelt. [17]
Stellvertretung
Der Themenbereich der Stellvertretung umfasst die gesetzliche, die organschaftliche und die gewillkürte Vertretung. Die gesetzliche Stellvertretung von Kindern durch ihre Eltern ist von den kollisionsrechtlichen Obsorgeregelungen erfasst und richtet sich daher nach diesen speziellen Regelungen. Die organschaftliche Vertretung, sprich die Vertretungsbefugnis von juristischen Personen oder Gesellschaften, richtet sich nach dem Recht des tatsächlichen Hauptverwaltungssitzes (§§ 10, 12 IPR-G).
Anhand welcher Bestimmungen bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt die Voraussetzungen und die Wirkungen der gewillkürten Stellvertretung zu beurteilen sind, regelt § 49 IPR-G. [18] Dabei ist zunächst zu fragen, ob der Vertretene eine Rechtswahl getroffen hat, die für den Dritten erkennbar war. Bejahendenfalls sind etwa die Fragen nach der wirksamen Erteilung, nach dem Inhalt und Umfang oder nach dem Erlöschen der Vollmacht entsprechend der gewählten Rechtsordnung zu lösen. Wurde keine solche Rechtswahl getroffen, dann sind diese Fragen nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen, in dem der Vertreter nach dem dem Dritten erkennbaren Willen des Vertretenen tätig werden soll. In diesem Fall bestimmt sich die maßgebliche Rechtsordnung somit nach dem Bestimmungsstaat. Wenn der Vertreter für mehrere Geschäfte bestellt worden ist, dann wäre die Rechtsordnung jenes Staates maßgeblich, in welchem der Vertreter nach dem dem Dritten erkennbaren Willen des Vertretenen regelmäßig tätig werden soll. Wenn nach den bereits genannten Anknüpfungen die für die Beurteilung der Voraussetzungen und Wirkungen der gewillkürten Stellvertretung maßgebliche Rechtsordnung nicht ermittelt werden kann bzw. konnte, dann ist die Rechtsordnung jenes Staates heranzuziehen, in der der Vertreter tätig wird.
Wiederholungsfragen
- Welche Rechtsbeziehungen regelt das Internationale Privatrecht?
- Was ist nicht Regelungsgegenstand des Internationalen Privatrechts?
- Was besagt der Grundsatz der „stärksten Beziehung“ im Internationalen Privatrecht?
- Wonach bestimmt sich das Personalstatut eines Flüchtlings?
- Was ist unter dem Begriff des Gesellschaftsstatuts zu verstehen?
- Was besagt die Sitztheorie des IPR-Gesetzes?
- Nennen Sie eine andere Bezeichnung für die ordre public Bestimmung des IPR-G. Was besagt sie?
- Was ist eine Teilrechtsfähigkeit?
Lösungen
- Das Internationale Privatrecht regelt in Fällen mit (privatrechtlicher) Auslandsbeziehung, welche in- oder ausländische staatliche Rechtsordnung im konkreten Einzelfall für die rechtliche Beurteilung des Falles anwendbar ist. Es ist innerstaatliches Recht.
- Das internationale Privatrecht hat keine im internationalen Rechtserzeugungsprozess entstandenen privatrechtlichen Regelungen zum Gegenstand.
- Mangels einer anderslautenden Regelung sind Sachverhalte mit Auslandsberührung in privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen, zu der die stärkste Beziehung besteht.
- Nach dem Recht des Staates, in dem der Flüchtling seinen Wohnsitz hat. Hat der Flüchtling keinen Wohnsitz, dann nach dem Recht des Staates in dem er seinen Aufenthalt hat.
- Der Begriff des Gesellschaftsstatuts ist ein synonymer Begriff für das Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen- oder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sind.
- Entsprechend der Sitztheorie knüpft das IPR-Gesetz das Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen- oder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sind [bzw das Gesellschaftsstatut] bei der Beurteilung von Rechtsbeziehungen primär an den Sitz der Hauptverwaltung des Gebildes.
- Die ordre public Bestimmung des IPR-G wird auch Vorbehaltsklausel genannt. Sie besagt, dass eine Bestimmung des fremden Rechts dann nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle wäre die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechts anzuwenden.
- Die Rechtsfähigkeit ist die von der Rechtsordnung verliehene Fähigkeit Träger von Rechten und Pflichten sein zu können. Sie kann Personen zur Gänze aber auch bloß in Teilbereichen, insbesondere bei bestimmten rechtlichen Gebilden, verliehen werden. Im letzten Fall ist von Teilrechtsfähigkeit die Rede.
Internationales Privatrecht und Schuldrecht
Allgemeines
Unter dem Schuldstatut versteht man das auf ein vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis [19] anzuwendende Recht, ungeachtet dessen, ob es aufgrund einer Rechtswahl – also kraft Parteienvereinbarung – oder durch eine der jeweiligen gesetzlich vorgesehenen Anknüpfungen zur Anwendung kommt.
Dabei gilt grundsätzlich, dass in Fällen, in welchen eine Rechtswahl zulässig ist, der Anwendungsbereich des gewählten Rechts durch Parteienvereinbarung begrenzt werden kann. Wurde keine Rechtswahl getroffen, dann gilt grundsätzlich das gesetzlich vorgesehene Schuldstatut.
Gerade im Zusammenhang mit den schuldrechtlichen Kollisionsregeln ist eingangs auf die Regelung des § 53 Abs 1 IPR-G hinzuweisen. Danach werden die Bestimmungen zwischenstaatlicher Vereinbarungen durch das IPR-G nicht berührt. Aus dieser Formulierung ist der subsidiäre Charakter des IPR-G ableitbar, wenn zwischenstaatliche Vereinbarungen mit (partiell) abweichenden Kollisionsnormen in Österreich gelten. MaW: gilt in Österreich eine zwischenstaatliche Vereinbarung mit einschlägigen Kollisionsnormen dann ist diese Vereinbarung zur Ermittlung der im konkreten Fall anzuwendenden Rechtsordnung heranzuziehen und nicht das IPR‑G. Im Zusammenhang mit den schuldrechtlichen Kollisionsregeln verdient die Regelung des § 53 IPR‑G gerade deshalb besonderer Erwähnung, weil es für den Bereich des Schuldrechts solch (international) vereinheitlichtes Kollisionsrecht gibt.
Dabei ist zu beachten, dass es sich bei zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Sinne des § 53 Abs 1 IPR‑G um völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten handelt. Ein solcher Vertrag ist etwa des Europäische Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (EVÜ – Europäisches Vertragsstatutübereinkommen). [20] Dieses ist seit der Rom I – VO aber nur mehr bei Schuldverhältnissen mit Bezug zu Dänemark relevant, da für alle anderen EVÜ-Vertragsstaaten die Rom I – VO Vorrang genießt (siehe weiter unten).
Auch im Bereich des Verkehrsrechts gibt es mehrere staatsvertragliche Regelungen, etwa das:
Genfer Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr – CMR, [21]
Übereinkommen vom 9. Mai 1980 über den internationalen Eisenbahnverkehr – COTIF, [22]
Abkommen vom 12. Oktober 1929 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr („Warschauer Abkommen“), [23]
Internationale Übereinkommen vom 23. September 1910 zur einheitlichen Feststellung bestimmter Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen [24] oder das Übereinkommen vom 15. März 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen [25];
Aber auch außerhalb des Verkehrsrechts gibt es solche staatsvertraglichen Regelungen etwa im Bereich
des Wertpapierrechts – zB Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz [26] und Abkommen über das einheitliche Scheckgesetz[27] oder
des Warenkaufrechts – zB das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht)[28]
welches auf eine weltweite Vereinheitlichung der wichtigsten Sachregeln für grenzüberschreitende Warenkaufverträge abzielt.
Des Weiteren existieren schuldrechtliche Kollisionsnormen zum Schuldrecht, die vor den Bestimmungen des IPR-G zur Anwendung kommen. Dieser Vorrang ergibt sich jedoch nicht aufgrund der Regelung des § 53 Abs 1 IPR-G, sondern aufgrund der Rechtsquelle dieser schuldrechtlichen Kollisionsnormen, denn es sind gemeinschaftsrechtliche Verordnungen. Konkret zu nennen sind die Rom I-VO [29] sowie die Rom II-VO [30] . Den Regelungen der Rom I‑VO und der Rom II-VO kommt deshalb große Bedeutung zu, da ihnen aus Sicht der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union universelle Geltung zukommt, dh dass sie Vorrang vor den jeweiligen mitgliedsstaatlichen Internationalen Privatrechtsgesetzen haben, unabhängig davon, zu welchem Staat (also auch nicht EU-Staaten) die Auslandsbeziehung des Sachverhaltes steht. [31]
Vertragliche Schuldverhältnisse
Rom I-VO
Entstehungsgeschichte
Die Rom I‑VO ist eine Verordnung, die im gemeinschaftsrechtlichen Rechtserzeugungsprozess entstanden ist und deren Wirkungen daher entsprechend Art 288 AEUV zu beurteilen sind. Danach haben Verordnungen allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Eine Umsetzung durch mitgliedstaatlichen Rechtsakt – etwa in Form eines nationalen Gesetzes – ist daher weder erforderlich und – aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht – auch nicht zulässig.
Inhaltlich geht die Rom I-VO auf das EVÜ zurück bzw. baut auf dieses auf. Das EVÜ ist im Unterschied zur Rom I-VO ein völkerrechtlicher Vertrag, der lediglich den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zum Abschluss zugänglich war. Die Gründe dafür waren, dass zum Zeitpunkt der Schaffung des EVÜ der EGV noch keine Kompetenz der Gemeinschaft zur Schaffung solcher Kollisionsnormen vorsah. Erst durch den Vertrag von Amsterdam, der mit 1.1.1999 in Kraft trat, wurde die Grundlage für unmittelbare gemeinschaftsrechtliche Kollisionsnormen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen geschaffen.
Die inhaltlichen Änderungen gegenüber dem EVÜ sind gering, insbesondere wurden einzelne Vorschriften aktualisiert und klarer formuliert, was als Beitrag zur Rechtssicherheit zu verstehen ist. Das Hauptanliegen war die Umwandlung des bestehenden Übereinkommens in ein Gemeinschaftsinstrument mit den sich daraus ergebenden gemeinschaftsrechtlichen Rechtswirkungen. [32]
Anwendungsbereich
Die Rom I-VO gilt für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, wobei ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vorliegen muss. Eine Auslandsberührung liegt etwa vor, wenn sich der Abschluss- oder der Erfüllungsort im Ausland befindet, wenn der Wohnsitz einer Partei im Ausland liegt, oder wenn Gerichtsort und Staat, in welchem sich der Sachverhalt ereignet, verschieden sind. Eine besondere Facette der Rom I-VO ist dabei, dass die Rechtsordnung jenes Staates, in welche aufgrund der Anknüpfungspunkte in der Rom I-VO verwiesen wird, auch dann anzuwenden ist, wenn es sich dabei um das Recht eines Staates handelt, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist (sog. universelle Anwendung).
Vom sachlichen Anwendungsbereich der Rom I-VO sind generell Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten ausgenommen. Des Weiteren nimmt Art 1 Abs 2 Rom I-VO bestimmte Bereiche vom Anwendungsbereich der VO aus, die an sich in einem Zusammenhang zu zivil- und handelsrechtlichen Angelegenheiten gesehen werden können. Danach sind beispielsweise ausgenommen:
Das Personenrecht sowie die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit von natürlichen Personen.
Der Ausschluss der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen vom Anwendungsbereich ist in den unterschiedlichen rechtlichen Qualifikationen und Traditionen dieser Fähigkeiten in den Ländern des Common Law und den Ländern mit kontinental europäischer Rechtstradition begründet. In Art 13 Rom I-VO findet sich jedoch eine Regelung zum Schutz des Vertrauens auf die Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners.
Schuldverhältnisse aus einem Familienverhältnis, einschließlich der Unterhaltspflichten.
Schuldverhältnisse aus ehelichen Güterständen und aus Testamenten und Erbrecht.
Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, soweit die Verpflichtungen aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen.
Der Grund für die Ausnahme von Scheck- und Wechselrecht liegt darin, dass darüber Regelungen in internationalen Übereinkommen bestehen, welche bereits Berücksichtigung in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gefunden haben. Hinsichtlich des Ausschlusses für „andere handelbare Wertpapiere“ gilt mangels anderer kollisionsrechtlicher Sondervorschriften, dass Verpflichtungen, welche aus der Übertragung anderer Wertpapiere (Oder- oder Inhaberpapiere) entstehen, entsprechend § 1 Abs 1 IPR‑G nach der Rechtsordnung der stärksten Beziehung zu beurteilen sind.
Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie die Errichtung durch Eintragung oder auf andere Weise, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person.
Diese Ausnahme vom Anwendungsbereich war ebenso im EVÜ vorgesehen und war begründet mit den zur Zeit der Ausarbeitung des EVÜ bereits entfalteten Aktivitäten der Europäischen Union auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, die zur Rechtsvereinheitlichung und Rechtsangleichung führten.
Zur zeitlichen Anwendbarkeit der Rom I-VO bestimmt deren Art 28, dass sie auf Verträge angewandt wird, die nach dem 17.12.2009 geschlossen werden.
Auch zur Frage des Umfangs des anzuwendenden Rechts, maW: des Umfangs der für anwendbar erklärten Rechtsordnung, enthält die Rom I-VO in Art 12 (nicht abschließende) Regelungen. Danach ist die verwiesene Rechtsordnung maßgeblich insbesondere für
die Auslegung des vertraglichen Schuldverhältnisses.
In diesem Zusammenhang wäre etwa zu beurteilen, ob eine von den Parteien festgelegte Form (zB Notariatsakt, drei Zeugen, Schriftlichkeit einer Erklärung) als Bedingung für die Wirksamkeit oder lediglich zu Beweiszwecken vereinbart wurde.
die Erfüllung der durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen.
Darunter sind grundsätzlich alle aus dem geltenden Recht oder aus dem Vertrag erfließenden Voraussetzungen zu verstehen, unter denen die für die jeweilige Verpflichtung charakteristische Leistung zu erbringen ist. Danach erfasst sind alle vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten sowie Obliegenheiten aus dem Vertrag.
Die Art und Weise der Erfüllung und die vom Gläubiger im Falle mangelhafter Erfüllung zu treffenden Maßnahmen sind jedoch – mangels abweichender Rechtswahl – aufgrund der Spezialregelung des Art 10 Abs 2 Rom I-VO nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die Erfüllung erfolgt (= Recht des Erfüllungsortes).
die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen, in den Grenzen der dem angerufenen Gericht durch sein Prozessrecht eingeräumten Befugnisse, einschließlich der Schadensbemessung, soweit diese nach Rechtsnormen erfolgt.
Die Schadensbemessung umfasst dabei neben der Grundlage des Anspruches auch die Anspruchshöhe. Dem Vertragsstatut [33]
die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen sowie die Verjährung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben. [34]
die Folgen der Nichtigkeit des Vertrages.
Von dieser Ausnahmeregelung ist nicht bloß die Nichtigkeit [35] eines Vertrages im eigentlichen Sinn, sondern sind auch der Rücktritt vom Vertrag und die Wandlung, Rückabwicklungsansprüche aus Anfechtung wegen Willensmangel, Wegfall der Geschäftsgrundlage oder Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses erfasst.
Grundsatz der freien Rechtswahl
Art 3 Rom I-VO regelt die freie Rechtswahl für das Vertragsstatut und drückt den herrschenden Grundsatz der Privatautonomie aus. Begrenzt ist die zulässige Rechtswahl grundsätzlich durch das Vorliegen einer Auslandsberührung. Die Auslandsberührung muss dabei eine gewisse Intensität erreichen. In Ermangelung dieser sollen die Parteien nicht die Möglichkeit haben, das objektiv anwendbare Recht abzuändern. [36] Für das Vorliegen einer Auslandsberührung spricht etwa der gewöhnliche Aufenthalt, Wohnsitz, Niederlassung oder der Erfüllungsort.
Die Rechtswahl kann ausdrücklich oder schlüssig [37] und für den gesamten Vertrag oder Teile davon erfolgen. Bloße Indizien reichen für die Annahme einer konkludenten Rechtswahl jedoch nicht; eine Rechtswahl setzt ein gewisses Erklärungsbewusstsein bei den Parteien voraus.
Bei zeitlicher Betrachtung kann die Rechtswahl zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Getroffene Rechtswahlen können auch zu einem späteren Zeitpunkt wieder geändert werden. Durch die (geänderte) Rechtswahl werden weder die bis zum (geänderten) Rechtswahlzeitpunkt formgültig gesetzten Akte (für welche nach der gewählten Rechtsordnung andere Formerfordernisse zu beachten wären) noch die bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rechte Dritter berührt.
Für den Fall, dass die Vertragsparteien keine Rechtswahl getroffen haben, enthält Art 4 Rom I‑VO eine grundsätzliche Regelung für das mangels Rechtswahl anzuwendende Recht.
Dabei knüpft Art 4 Abs 1 zunächst an bestimmte Vertragstypen (1.) an:
bei Kaufverträgen
Verträge, die ein dingliches Recht [38] an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, unterliegen der Rechtsordnung, in der die unbewegliche Sache liegt.
Dienstleistungsverträge unterliegen der Rechtsordnung jenes Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Franchiseverträge [39] unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Franchisenehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Vertriebsverträge unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Vertriebshändler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
über bewegliche Sachen (zB Bücher, Autos udgl) ist jene Rechtsordnung maßgeblich, in der der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
über bewegliche Sachen durch Versteigerungen ist jene Rechtsordnung maßgeblich, in dem die Versteigerung abgehalten wird, sofern der Ort der Versteigerung bestimmt werden kann.
Ist die anzuwendende Rechtsordnung auf einen Vertrag aufgrund dieser genannten Einordnungskriterien nicht bestimmbar, dann (2.) unterliegt der Vertrag gemäß Art 4 Abs 2 Rom I‑VO dem Recht des Staates, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat („Schuldnersitz“). Dabei kann als Faustregel herhalten, dass bei entgeltlichen Verträgen jene Leistung die vertragscharakteristische Leistung ist, die die Nichtgeldleistung ist (zB die Überlassung des Leihgegenstandes).
Hinsichtlich des Schuldnersitzes ist danach zu unterscheiden, ob der Vertragsabschluss in Ausübung nichtunternehmerischer oder unternehmerischer Tätigkeit erfolgte. Bei Vertragsabschluss in Ausübung nichtunternehmerischer Tätigkeit befindet sich der Schuldnersitz natürlicher Personen an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort und bei juristischen Personen am Ort der Hauptverwaltung. Bei Vertragsabschluss in Ausübung unternehmerischer Tätigkeit befindet sich der Schuldnersitz natürlicher Personen an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort und bei juristischen Personen am Ort der Hauptniederlassung oder der Zweigniederlassung.
Des Weiteren enthält die Rom I-VO detailliertere Kollisionsregeln, welche mangels abweichender Rechtswahl für bestimmte Vertragsarten zur Anwendung kommen (Beförderungsverträge, Verbraucherverträge, Versicherungsverträge oder Individualarbeitsverträge).
Beförderungsverträge
Art 5 Rom I-VO regelt das auf Beförderungsverträge anzuwendende Recht mangels Rechtswahl der Parteien. Wie bereits unter Allgemeines dargelegt, gibt es für den Bereich des Verkehrsrechts zahlreiche internationale Übereinkommen. Dazu stellt sich die Frage, wie sich die dort vereinbarten Regeln etwa zu der Kollisionsregel des Art 5 Rom I-VO verhält. Art 25 Rom I‑VO nimmt auf den Fall des Bestehens internationalen Übereinkommen und der Anwendbarkeit der Rom I‑VO Bezug und regelt, dass die Anwendung dieser internationalen Übereinkommen bei Sachverhalten mit Auslandsbezug nicht berührt wird; MaW: es gehen dann die Anknüpfungen internationalen Übereinkommen der Rom I-VO vor. In den Fällen, in denen sich der Sachverhalt mit Auslandsbezug ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten (die auch Vertragspartei eines solchen internationalen Übereinkommens sind) ereignet, dann haben die Regelungen der Rom I-VO jedoch Vorrang vor den Regelungen des jeweiligen internationalen Übereinkommens.
Wurde für einen Güterbeförderungsvertrag keine Rechtswahl getroffen und ist das anzuwendende Recht auf Grundlage des Art 5 Rom I-VO zu ermitteln, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. Wenn diese Voraussetzungen hingegen nicht erfüllt sind, dann ist das Recht des Staates des von den Parteien vereinbarten Ablieferungsorts anzuwenden.
Haben bei einem Personenbeförderungsvertrag die Vertragsparteien keine Rechtswahl getroffen und ist das anzuwendende Recht auf Grundlage des Art 5 Rom I-VO zu ermitteln, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. Sind diese Voraussetzung nicht erfüllt, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Bei Personenbeförderungsverträgen normiert die Rom I-VO auch eine Einschränkung der grundsätzlich freien Rechtswahl. Kraft ausdrücklicher Anordnung kann zwischen den Vertragsparteien nur zwischen dem Recht der Staaten gewählt werden,
a) in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
b) in dem der Beförderer seien gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
c) in dem der Beförderer seine Hauptverwaltung hat oder
d) in dem sich der Abgangsort befindet oder
e) in dem sich der Bestimmungsort befindet.
Verbraucherverträge
Verbraucher im Sinne der Rom I-VO sind natürliche Personen, die Verträge zu Zwecken, die nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können, mit Unternehmern schließen. Unternehmer sind dazu korrespondierend Personen, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verträge mit Verbrauchern abschließen.
Verbraucher befinden sich häufig bei Vertragsabschluss gegenüber dem Unternehmer in einer wirtschaftlich schwächeren Position, weshalb Gesetze häufig Schutzbestimmungen zu ihren Gunsten festlegen. [40] Die Rom I-VO geht bei der Festlegung des anzuwendenden Rechts grundsätzlich auch von der Schutzwürdigkeit des Verbrauchers aus und zielt auf die grundsätzlich Anwendbarkeit des „Heimatrechts“ des Verbrauchers ab, weil ihm diese besser vertraut ist und die Rechtsdurchsetzung für ihn dadurch erleichtert wird.
Gemäß Art 6 Abs 1 Rom I-VO ist daher auf Verbraucherverträge grundsätzlich das Recht des Staates anwendbar, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn der Unternehmer
a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
b) eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in irgendeiner Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates in welchem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ausgerichtet hat.
Der Verbraucher und der Unternehmer können zwar eine davon abweichende Rechtswahl treffen, doch ist die Rechtswahlmöglichkeit insoweit eingeschränkt, als diese nicht dazu führen darf, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm aufgrund der zwingenden Bestimmungen des bei objektiver Anknüpfung maßgebenden Rechts verliehen wird. In Summe bedeutet dies, dass eine abweichende Rechtswahl dann zulässig ist, wenn die gewählte Rechtsordnung den Verbraucher nicht schlechter stellt (Günstigkeitsprinzip).
Versicherungsverträge
Der kollisionsrechtliche Anknüpfungsansatz der Rom I-VO zu Versicherungsverträgen ist kompliziert. Ein Anknüpfungskriterium richtet sich nach der Frage, ob es sich um einen Versicherungsvertrag handelt, der Großrisiken unabhängig davon deckt, ob das gedeckte Großrisiko in einem Mitgliedstaat gelegen ist oder nicht (1), oder, ob es sich um einen anderen Versicherungsvertrag handelt, durch den Risiken gedeckt werden, die im Gebiet der Mitgliedstaaten belegen sind (2).
Handelt es sich um einen Versicherungsvertrag mit Großrisiken (1), dann steht den Vertragsparteien die Möglichkeit zur Rechtswahl grundsätzlich offen. Mangels einer solchen Wahl unterliegt der Versicherungsvertrag dem Recht des Staates, in dem der Versicherer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Handelt es sich um einen Versicherungsvertrag, durch den Risiken gedeckt werden, die im Gebiet der Mitgliedstaaten belegen sind (2), dann ist die Rechtswahlmöglichkeit der Vertragsparteien beschränkt. [41]
a) das Recht eines jeden Mitgliedstaats, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Risiko belegen ist;
b) das Recht des Staates, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
c) bei Lebensversicherungen das Recht des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Versicherungsnehmer besitzt;
d) für Versicherungsverträge, bei denen sich die gedeckten Risiken auf Schadensfälle beschränken, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, eintreten können, das Recht jenes Mitgliedstaats;
e) wenn der Versicherungsnehmer eines Vertrags im Sinne dieses Absatzes eine gewerbliche oder industrielle Tätigkeit ausübt oder freiberuflich tätig ist und der Versicherungsvertrag zwei oder mehr Risiken abdeckt, die mit dieser Tätigkeit in Zusammenhang stehen und in unterschiedlichen Mitgliedstaaten belegen sind, das Recht eines betroffenen Mitgliedstaats oder das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherungsnehmers.
Mangels getroffener Rechtswahl unterliegt ein solcher Versicherungsvertrag dem Recht des Mitgliedstaats, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Risiko belegen ist.
Die Rom I-VO enthält weitere zusätzliche Regelungen, welche an Regelungen der in den Mitgliedstaaten vorgesehenen Versicherungspflicht (Stichwort: Haftpflichtversicherungen) anknüpfen.
Individualarbeitsverträge
Die Individualarbeitsverträge beziehen sich auf das Arbeitsvertragsrecht, welches wiederum die Gesamtheit jener Normen zum Gegenstand hat, welche die Vertragsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regeln, somit von der Anbahnung über den Abschluss und bis zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Der konkrete Individualarbeitsvertrag ist dann eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, aufgrund derer sich der Arbeitnehmer gegen Entgelt zu einer weisungsgebundenen, abhängigen Tätigkeit während einer bestimmten Zeit gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet.
Wie bereits die Artikelüberschrift des Art 8 Rom I-VO mit „Individualarbeitsverträgen“ nahe legt, bezieht sich die Kollisionsregel lediglich auf Individualarbeitsverträge; auf das kollektive Arbeitsrecht, somit auf Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen, findet Art 8 Rom I-VO nicht Anwendung.
Arbeitnehmer befinden sich ähnlich wie Verbraucher bei Vertragsabschluss häufig gegenüber dem Arbeitgeber in einer wirtschaftlich schwächeren Position, weshalb Regelwerke Schutzbestimmungen zu ihren Gunsten festlegen. Die Rom I-VO geht bei der Festlegung des anzuwendenden Rechts auch beim Arbeitnehmer grundsätzlich von dessen Schutzbedürftigkeit aus. Zwar ist auch bei Individualarbeitsverträgen mit Auslandsbezug grundsätzlich die freie Rechtswahlmöglichkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eröffnet. Diese ist im Weiteren jedoch dahingehend beschränkt, als dem Arbeitnehmer nicht der Schutz entzogen werden darf, der ihm aufgrund der zwingenden Bestimmungen des bei objektiver Anknüpfung maßgebenden Rechts verliehen wird. In Summe bedeutet dies, dass eine abweichende Rechtswahl dann zulässig ist, wenn die gewählte Rechtsordnung den Arbeitnehmer nicht schlechter stellt (Günstigkeitsprinzip).
Mangels (zulässiger) Rechtswahl zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterliegt aufgrund der Rom I-VO der Individualarbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend seine Arbeit in einem anderen Staat verrichtet (etwa bei kurzfristigen Montageaufträgen in einem anderen Staat).
Ergibt sich daraus kein Anknüpfungspunkt für das auf einen konkreten Arbeitsvertrag anzuwendende Recht, dann ist Rechtsordnung jenes Staates maßgebend, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. Eine solche Niederlassung kann neben dem Sitz des Arbeitgebers jede Zweigstelle sein, die organisatorisch berechtigt und in der Lage ist, einen Arbeitnehmer anzustellen. Dabei ist die einstellende Niederlassung jene, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag abgeschlossen hat.
Übertragung von Forderungen
Bei der Übertragung von Forderungen (auch Zession genannt) [42] geht eine bereits bestehende Forderung vom bisherigen Gläubiger auf einen neuen Gläubiger über, wobei sich durch den Übertragungsvorgang an der Forderung selbst an sich nichts ändert.
Eine solche Forderungsübertragung kann zum einen vertraglich vereinbart werden. Entsprechend Art 14 Rom I‑VO ist bei solcher rechtsgeschäftlicher Forderungsübertragung mit Auslandsbezug die Rechtsordnung jenes Staates maßgeblich, welche auch für das Grundgeschäft aufgrund der Rom I-VO anzuwenden ist.
Das „Grundgeschäft“ ist dabei zunächst von der vertraglichen Forderungsübertragung zu unterscheiden. Das Grundgeschäft wird zwischen (hier jetzt sprachlich aus Sicht der Forderungsübertragung) dem neuen Gläubiger und dem alten Gläubiger abgeschlossen, wobei im Grundgeschäft der neue Gläubiger und der alte Gläubiger wie die üblichen Vertragsparteien als Schuldner und Gläubiger bezeichnet werden. MaW: Max und Sophie schließen im Grundgeschäft einen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache mit Auslandsbezug ab, wobei Max der Verkäufer und Sophie die Käuferin ist.
Sophie hat aus einem anderen Vertrag eine finanzielle Forderung gegen Xaver offen und ist gegenüber Xaver Gläubigerin.
Wenn nun Max und Sophie vereinbaren, dass Sophie statt Zahlung des Kaufpreises dem Max ihre Forderung gegenüber Xaver abtritt, dann ist gegenüber Xaver Sophie die alte Gläubigerin und Max der neue Gläubiger.
Für die Frage, welche Rechtsordnung nun auf die vertragliche Forderungsübertragung zwischen Max und Sophie anzuwenden ist, würde das mit Blick auf den primären Anknüpfungspunkt bedeuten, dass jene Rechtsordnung maßgeblich wäre, die auch auf den Kaufvertrag zur Anwendung käme (siehe Grundsatz der freien Rechtswahl)
Es kann neben dieser vertraglich vereinbarten Forderungsübertragung auch dazu kommen, dass andere vertraglich begründete Forderungen aufgrund gesetzlicher Regelungen auf einen neuen Gläubiger übergehen. Als Beispiel könnte hier ein Bürgschaftsvertrag genannt werden, wo der Bürge die Schuld für den Schuldner erfüllt. Das auf die Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger anzuwendende Recht ist bedeutsam für die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Bürge berechtigt ist, die Forderungen des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehungen maßgebendem Recht geltend zu machen (Rückgriffsrecht des Bürgen). Art 15 Rom I-VO sieht dafür vor, dass das für die Verpflichtung des Dritten (des Bürgen) gegenüber dem Gläubiger maßgebende Recht, ob und in welchem Umfang der Dritte (der Bürge) die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehung maßgebenden Recht geltend zu machen berechtigt ist, anzuwenden ist.
Formerfordernisse
Für die Gültigkeit bzw. Wirksamkeit von Rechtsgeschäften sind verschiedentlich die Einhaltung bestimmter Formerfordernisse in den mitgliedsstaatlichen Rechtsordnungen vorgesehen. Beispielsweise kann das das Erfordernis der Schriftlichkeit (Bürgschaftsverträge [43] ), der Beiziehung von Zeugen oder eines Notariatsaktes vorgesehen sein. Regelungen zur Einhaltung bestimmter Formerfordernisse sind meist von Übereilungsschutz- bzw. Warnüberlegungen motiviert. Durch den Formcharakter soll den Parteien die Bedeutung und die Gewichtigkeit ihrer Erklärung verdeutlicht werden. Notariatsakten kommen des Weiteren besondere urkundliche Beweiskraft zu. [44]
Bei Verträgen mit Auslandsbeziehung stellt sich wiederum die Frage, welche Rechtsordnung für das Erfordernisses der Formeinhaltung und bejahendenfalls für die Wirksamkeit der Einhaltung des Formerfordernisses maßgeblich ist. Gemäß Art 11 Rom I-VO sind dabei Verträge formgültig geschlossen, wenn dabei entweder die Formvorschriften nach dem Recht des Vertragsstatuts oder die Formvorschriften nach dem Recht des Staates, in dem der Vertrag geschlossen wurde, eingehalten wurden. Voraussetzung für diesen ersten Anknüpfungstatbestand ist jedoch, dass beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sich in demselben Staat befinden.
Haben sich die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht im selben Staat befunden, dann ist der Vertrag formgültig geschlossen, wenn entweder wiederum die Formvorschriften nach dem Recht des Vertragsstatuts erfüllt sind oder die Formvorschriften des Rechts eines der Staaten erfüllt sind, in denen sich eine der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befand oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Durch den gewählten Regelungsansatz der Rom I-VO wird die Einhaltung von Formerfordernissen bei der Vornahme eines internationalen Rechtsgeschäftes erleichtert. Dadurch soll die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts begünstigt werden, indem von verschiedenen Rechtsordnungen nur die mildesten Formvorschriften erfüllt werden müssen. Zum anderen können sich aber die Parteien einer der örtlichen Rechtsvorschriften geläufigen Form bedienen, weil es ihnen meist leichter fällt, sich über die nötigen Vorschriften zu informieren. Die Erleichterungen bei den Formerfordernissen der Rom I-VO stehen damit gelegentlich im Widerspruch zu den mitgliedstaatlichen Schutzüberlegungen.
Für Verträge mit Auslandsbezug, die ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache oder die Miete oder Pacht einer unbeweglichen Sache zum Gegenstand haben, sind davon jedoch abweichend wiederum grundsätzlich die Formvorschriften des Staates maßgeblich, in dem die unbewegliche Sache liegt.
§ 35 IPR-G
Für jene vertraglichen Schuldverhältnisse, die nicht vom Anwendungsbereich der Rom I-VO erfasst sind, findet sich in § 35 IPR-G eine Auffangregelung. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Gründung von „Trusts“ (soweit diese Frage als vertragliches Schuldverhältnis zu qualifizieren ist) und um Versicherungsverträge, mit denen Arbeitnehmern eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe oder Angehörigen einer Berufsgruppe Leistungen bei Tod, Arbeitseinstellung, Minderung der Erwerbstätigkeit, arbeitsbedingter Erkrankung oder Arbeitsunfällen erbracht werden. [45]
Vertragliche Schuldverhältnisse außerhalb des Anwendungsbereichs der Rom I-VO sollen dabei weiterhin in erster Linie nach dem von den Parteien – auch bloß schlüssig – gewähltem Recht beurteilt werden. Die Wirksamkeit der Rechtswahl ist nach der allgemeinen Bestimmung des IPR‑G über die Rechtswahl zu beurteilen (§ 11 IPR-G). Eine Rechtswahl ist danach dann wirksam, wenn sie ihrer Form nach gültig ist und ihr keine Rechtswahlbeschränkung entgegensteht.
Wurde keine wirksame Rechtswahl getroffen, dann ist das Recht jenes Staates maßgeblich in dem diejenige Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, die die für den Vertrag charakteristische Leistung [46] zu erbringen hat. Hat den Vertrag ein Unternehmer geschlossen, dann ist an Stelle des gewöhnlichen Aufenthalts die Niederlassung des Unternehmers maßgeblich, in deren Rahmen der Vertrag geschlossen worden ist.
Außervertragliche Schuldverhältnisse
Rom II-VO
Entstehungsgeschichte
Die Rom II‑VO ist ebenso wie die Rom I-VO eine Verordnung, die im gemeinschaftsrechtlichen Rechtserzeugungsprozess entstanden ist und deren Wirkungen daher entsprechend Art 288 AEUV zu beurteilen sind. Danach haben Verordnungen allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Eine Umsetzung durch mitgliedstaatlichen Rechtsakt – etwa in Form eines nationalen Gesetzes – ist daher weder erforderlich und – aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht – auch nicht zulässig.
Im Unterschied zur Rom I-VO hat die Rom II-VO kein vorhergehendes völkerrechtliches Regelwerk, auf welches die Rom II-VO inhaltlich aufbauen bzw. zurückgreifen konnte. Allgemeines Ziel der Rom II-VO war die größere Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des anwendbaren Rechts, denn die vielzähligen einzelstaatlichen Kollisionsnormsysteme sollten durch ein einheitliches Regelwerk ersetzt werden, worin für die Wirtschaft und die EU-Bürger in Bezug auf die Rechtssicherheit ein erheblicher Fortschritt gesehen wurde. [47]
Ungeachtet dessen, dass es kein einheitliches, dem EVÜ vergleichbares Vorgängerregelwerk gab, gab und gibt es für den Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse von den Mitgliedstaaten abgeschlossene internationale Übereinkommen, die Kollisionsnormen zum Gegenstand haben, die auch Regelungsinhalte der Rom II-VO sind. Art 28 Rom II-VO beschäftigt sich mit der Frage, wie denn das Verhältnis der konkreten inhaltlichen Kollisionsregel der Rom II-VO zu dem konkreten internationalen Übereinkommen ist: Wären nun auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug sowohl eine Kollisionsnorm der Rom II‑VO als auch eine eines internationalen Übereinkommens anwendbar, dann geht die Anknüpfung nach internationalen Übereinkommen der Rom II-VO vor. In den Fällen, in denen sich der Sachverhalt mit Auslandsbezug ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten (die auch Vertragspartei eines solchen internationalen Übereinkommens sind) ereignet, haben die Regelungen der Rom II-VO dann jedoch Vorrang vor den Regelungen des jeweiligen internationalen Übereinkommens. [48]
Anwendungsbereich
Den sachlichen Anwendungsbereich der Rom II-VO bestimmt dessen Art 1. Demnach gilt sie für alle außervertraglichen Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, wobei ein Sachverhalt mit Auslandsbeziehung vorliegen muss. Der Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden definiert. Im Sinne der Verordnung ist es daher bedeutsam, dass der Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses als sogenannter autonomer Begriff verstanden wird. [49]
Dabei sollten Sie sich vor Augen halten, dass das Gemeinschaftsrecht und die Rechtsordnungen der jeweiligen Mitgliedstaaten oft gleiche Rechtsbegriffe kennen (zB: Wettbewerbsrecht, Schaden, Verfahren udgl.), ohne dass darunter zwangsläufig inhaltlich Gleiches zu verstehen ist. Gerade zu Begriffen des Gemeinschaftsrechts hat daher der EuGH mehrfach ausgesprochen, dass diese autonom zu interpretieren sind: Das in den jeweiligen Mitgliedstaaten vorhandene Begriffsverständnis ist nicht (zwangsläufig) auf den Gemeinschaftsrechtsbegriff zu übertragen bzw. die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsbegriffe sind nicht zwingend unter Rückgriff auf das/die mitgliedstaatliche/n Begriffsverständnis/se auszulegen. [50]
Die außervertraglichen Schuldverhältnisse lassen sich daher in zwei große Gruppen einteilen: Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung und Schuldverhältnisse aus anderer als unerlaubter Handlung. Die erste Gruppe umfasst deliktische Schuldverhältnisse, während die zweite so genannte "quasideliktische" Schuldverhältnisse betrifft, insbesondere die ungerechtfertigte Bereicherung und die Geschäftsführung ohne Auftrag. Ihnen ist gemeinsam, dass die zwischen den Parteien begründeten Rechte und Pflichten nicht ihre Grundlage in einem Vertrag sondern in gesetzlichen Regelungen haben, und deren Begründung zum Teil persönlich vorwerfbares (= deliktisches) Verhalten einer Partei voraussetzt.
Vom Anwendungsbereich der Rom II-VO sind jedoch generell Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte ausgenommen. Des Weiteren nimmt Art 1 Abs 2 Rom II-VO bestimmte Bereiche vom Anwendungsbereich der Verordnung aus, die an sich in einem Zusammenhang zu zivil- und handelsrechtlichen Angelegenheiten gesehen werden könnten. So etwa:
Außervertragliche Schuldverhältnisse, die auf einem Familienverhältnis oder einem diesem gleichgestellten Verhältnis einschließlich Unterhaltspflichten beruhen.
Familienrechtliche Ansprüche werden in der Regel nicht als deliktische Ansprüche gewertet. Ein solcher Anspruch kann jedoch im Rahmen eines Familienverhältnisses entstehen, wenn aufgrund einer verspäteten Unterhaltsleistung Schadenersatz geltend gemacht wird. Da es bislang auf Gemeinschaftsebene abgesehen von der Rom III-VO bezüglich Ehescheidungen keine harmonisierten familienrechtlichen Kollisionsnormen gibt, erschien es besser, außervertragliche Schuldverhältnisse, die im Rahmen eines Familienverhältnisses entstanden sind, vom Anwendungsbereich der Rom II-VO auszunehmen.
Außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus ehelichen Güterständen oder Erbsachen ergeben.
Außervertragliche Schuldverhältnisse aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, sofern die Verpflichtungen aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen.
Diese Ausnahme erfolgte aus denselben Erwägungen wie die korrespondierende Ausnahme von der Rom I-VO (Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren).
Außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus dem Gesellschaftsrecht, dem Vereinsrecht und dem Recht der juristischen Personen ergeben, wie die Errichtung durch Eintragung oder auf andere Weise, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen, die persönliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person sowie die persönliche Haftung der Rechnungsprüfer gegenüber einer Gesellschaft oder ihren Gesellschaftern bei der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen.
Außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus Schäden durch Kernenergie ergeben.
Der Ausschluss erfolgt aufgrund der wirtschaftlichen und staatlichen Interessen, die damit verbunden sind, und der Tatsache, dass die Staaten nach der internationalen Regelung über die Atomhaftung zum Ersatz von Schäden durch Kernenergie beitragen.
Die Begründung des Vorschlages für eine Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM (2003) 427 endgültig, vom 22.07.2003, 10, nennt dazu das Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 und das Brüsseler Zusatzübereinkommen vom 31. Januar 1963, das Wiener Übereinkommen vom 21. Mai 1963, das Übereinkommen zur Bereitstellung zusätzlicher Entschädigungsmittel vom 12. September 1997 und das gemeinsame Protokoll vom 21. September 1988.
Außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung.
Den zeitlichen Beginn des Anwendungsbereiches legt Art 32 Rom II-VO mit dem 11.01.2009 fest. Dabei ist die Verordnung bloß auf jene schadensbegründende Ereignisse anzuwenden, die nach diesem Datum eingetreten sind.
Maßgeblichkeit des anzuwendenden Rechts
Die kollisionsrechtlichen Regelungen der Rom II-VO legen fest, welches Recht wessen Staat bei einem Sachverhalt mit Auslandbeziehung zur Anwendung kommen soll. Auch legt Art 15 Rom II-VO gewissermaßen den Umfang des anzuwendenden Rechts fest. Dabei ist das durch die Rom II-VO verwiesene Recht etwa maßgebend für
den Grund und den Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Personen, die für ihre Handlungen haftbar gemacht werden können;
Mit den Haftungsvoraussetzungen sind die haftungsbegründenden Merkmale gemeint. Es handelt sich dabei etwa um die Frage nach einer verschuldensunabhängigen oder verschuldensabhängigen Haftung oder um die Frage, ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Schaden erforderlich ist. Mit dem "Umfang der Haftung" wird auf gesetzlichen Haftungsgrenzen einschließlich der Höchstgrenzen abgestellt.
die Haftungsausschlussgründe, sowie jede Beschränkung oder Teilung der Haftung;
gemeint sind hier haftungsausschließende oder -beschränkende Elemente. Ausschlussgründe sind etwa höhere Gewalt, Notstand, das Verschulden Dritter und das Verschulden des Geschädigten.
das Vorliegen, die Art und die Bemessung des Schadens oder der geforderten Wiedergutmachung;
die Übertragbarkeit, einschließlich der Vererbbarkeit, des Anspruchs auf Schadenersatz oder Wiedergutmachung;
Im Rahmen der Erbfolge ist das anzuwendende Recht etwa für die Frage maßgeblich, ob der Rechtsnachfolger des Geschädigten eine Klage auf Ersatz des dem Geschädigten entstandenen Schadens anstrengen kann. Bei der Übertragbarkeit durch Zession regelt das anzuwendende Recht die Frage der Übertragbarkeit der Forderung und das Verhältnis zwischen dem Zessionar und dem Schuldner.
die Voraussetzungen für das Erlöschen von Verpflichtungen, die Verjährung und den Rechtsverlust.
Grundsatz der freien Rechtswahl
Gemäß Art 14 Rom II-VO ist an sich auch im Anwendungsbereich der Rom II‑VO der Grundsatz der freien Rechtswahl verankert. Begrenzt ist die zulässige Rechtswahl grundsätzlich wiederum durch das Vorliegen einer Auslandsberührung.
Zeitlich ist des Weiteren die freie Rechtswahl im Anwendungsbereich der Rom II-VO auch insoweit beschränkt, als sie erst nach (!) dem Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schuldverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist, getroffen werden kann. Diese Beschränkung zielt auf den Schutz wirtschaftlich schwächerer Parteien ab. Vor Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schulverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist, ist eine Rechtswahl nur dann zulässig, wenn alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen; In diesem Fall scheint die Rom II-VO nicht von der Schutzbedürftigkeit einer Partei auszugehen.
Auch bei außervertraglichen Schuldverhältnissen kann die Rechtswahl wiederum ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben.
Unerlaubte Handlungen
Das zweite Kapitel der Rom II-VO (Art 4 ff) regelt kollisionsrechtlich unter der Kapitelüberschrift außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Handlung. Unter den Handlungen versteht die Rom II-VO (schädigende) Ereignisse aus:
Produkthaftung,
Unlauterem Wettbewerb und den freien Wettbewerb einschränkendem Verhalten,
Umweltschädigung,
Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums und
Arbeitskampfmaßnahme.
Als allgemeine Kollisionsregelung stellt Art 4 Rom II-VO den Grundsatz für unerlaubte Handlungen auf, dass mangels anderer Regelung in der Rom II-VO das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Schaden eintritt (Erfolgsortprinzip). Wenn jedoch die Person, die für den außervertraglichen Schaden zur Haftung herangezogen werden soll, und jene Person, die behauptet einen außervertraglichen Schaden erlitten zu haben, zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in welchem diese Personen ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Letztlich findet sich in Art 4 Rom II-VO eine sogenannte allgemeine „Ausweichklausel“: Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist, so ist das Recht dieses Staates anzuwenden. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn zwischen den Parteien ein Vertrag besteht, der mit der unerlaubten Handlung in Verbindung steht.
Mangels besonderer Rechtswahl unterliegen Ansprüche aus Produkthaftung dem Art 5 Rom II-VO. Dabei sind Produkte bewegliche körperliche Sachen, auch wenn sie ein Teil einer anderen beweglichen Sache oder mit einer unbeweglichen Sache verbunden worden sind, einschließlich Energie. Als solches ist das Produkt in den Verkehr gebracht, sobald es der Unternehmer, gleich auf Grund welchen Titels, einem anderen in dessen Verfügungsmacht oder zu dessen Gebrauch übergeben hat. Die Versendung an den Abnehmer genügt.
Bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus Produkthaftung ist zunächst das Recht des Staates anzuwenden, in welchem Geschädigter und Schädiger ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Wenn kein solcher gemeinsamer Aufenthalt in einem Staat besteht, dann ist das Recht des Staates anwendbar, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat auch der Geschädigte keinen solchen gewöhnlichen Aufenthalt, dann ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem das Produkt in Verkehr gebracht und erworben wurde.
Die Sonderregel nach Art 6 Rom II-VO betreffend außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerb und den freien Wettbewerb einschränkenden Verhalten versteht sich nach der Intention der Rom II-VO nicht als Ausnahme von der allgemeinen Regel des Art 4 dar, sondern vielmehr eine Präzisierung derselben. [51] Im Bereich des unlauteren Wettbewerbs soll die Kollisionsnorm die Wettbewerber, die Verbraucher und die Öffentlichkeit schützen und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft sicherstellen. Durch eine Anknüpfung an das Recht des Staates, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt zu werden drohen, können diese Ziele im Allgemeinen erreicht werden.
Für Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb ist folglich das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Verbraucherinteressen beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Kartellrechtliche Ansprüche sind dabei nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dessen Markt beeinträchtigt wird. [52]
Für außervertragliche Schuldverhältnisse aus Umweltschäden sieht Art 7 Rom II‑VO als kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkt an sich das Recht des Staates vor, in dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsortprinzip), es sei denn, der Geschädigte hat sich dazu entschieden, seinen Anspruch auf das Recht des Staates zu stützen, in dem das schadensbegründende Ereignis gesetzt wurde (Recht des Handlungsortes).
„Umweltschaden“ im Sinne der Rom II-VO [53] umfassen eine nachteilige Veränderung einer natürlichen Ressource, wie Wasser, Boden oder Luft, eine Beeinträchtigung einer Funktion, die eine natürliche Ressource zum Nutzen einer anderen natürlichen Ressource oder der Öffentlichkeit erfüllt, oder eine Beeinträchtigung der Variabilität unter lebenden Organismen.
Im Falle von Umweltschäden rechtfertigt Art 3 Abs 3 EUV, demzufolge ein hohes Schutzniveau erreicht werden soll, und der auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen vorrangig an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip beruht, in vollem Umfang die Anwendung des Grundsatzes der Begünstigung des Geschädigten. Die Frage, wann der Geschädigte die Wahl des anzuwendenden Rechts zu treffen hat, sollte nach dem Recht des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts entschieden werden.
Bei einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums war der allgemein anerkannte Grundsatz zu wahren, dass Schutz nach dem Recht jenes Staates gewährt wird, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird. Im Sinne der Rom II‑VO umfasst der Ausdruck „Rechte des geistigen Eigentums“ beispielsweise Urheberrechte, verwandte Schutzrechte, Schutzrechte eigener Art für Datenbanken und gewerbliche Schutzrechte.
Die exakte Definition des Begriffs „Arbeitskampfmaßnahmen“, beispielsweise Streikaktionen oder Aussperrung, ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden und unterliegt den jeweiligen mitgliedstaatlichen Vorschriften. Daher wird in der Rom II-VO grundsätzlich davon ausgegangen, dass das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die Arbeitskampfmaßnahmen ergriffen wurden, mit dem Ziel, die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zu schützen.
Dabei ist zu beachten, dass die Regelung des Art 9 Rom II-VO die Frage nach den Bedingungen für die Durchführung solcher Maßnahmen nach nationalem Recht und die im Recht der Mitgliedstaaten vorgesehene Rechtsstellung der Gewerkschaften oder der repräsentativen Arbeitnehmerorganisationen unberührt lässt. Sie knüpft nur an daraus entstehende außervertragliche Schuldverhältnisse an und verfügt darauf die Anwendbarkeit des Rechts jenes Staates, in dem die Arbeitskampfmaßnahme erfolgen soll oder erfolgte.
Ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag und Verschulden bei Vertragsverhandlungen
Für Schäden, die aufgrund einer anderen Handlung als aus unerlaubter Handlung, wie ungerechtfertigter Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Verschulden bei Vertragsverhandlungen, entstanden sind, sind im Kapitel III der Rom II-VO (Art 10ff) Sonderbestimmungen vorgesehen.
Art 10 Rom II-VO legt kollisionsrechtlich Regelungen von außervertraglichen Schuldverhältnisses aus ungerechtfertigter Bereicherung subsidiäre Anknüpfungskriterien fest. Die jeweils nachgereihten Anknüpfungskriterien kommen danach lediglich dann zur Anwendung, wenn das vorangehende Anknüpfungskriterium im konkreten Fall nicht zur Anwendung kommt bzw. kommen kann. Das primäre Anknüpfungskriterium bestimmt sich nach der Frage, ob zwischen dem entstandenen Schaden aus ungerechtfertigter Bereicherung eine enge Verbindung zu einem bestehenden Rechtsverhältnis besteht. Ist diese Frage zu bejahen, dann ist aus dem außervertraglichen Schaden wegen ungerechtfertigter Bereicherung die Rechtsordnung jenes Staates anzuwenden, dem dieses „eng verbundene, bestehende Rechtsverhältnis“ auch unterliegt.
Besteht kein solches Rechtsverhältnis, dann ist das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem Schädiger und Geschädigter zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Besteht auch kein solcher gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, dann ist das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist (Erfolgsortprinzip).
Was alles unter dem Begriff einer ungerechtfertigten Bereicherung zu verstehen ist, ist an sich wiederum autonom nach Unionsrecht zu ermitteln. Aus Sicht der österreichischen Rechtsordnung können Sie sich dazu etwa den Anspruch auf Rückforderung einer Leistung nach erfolgter Vertragsanfechtung wegen Irrtums oder Rückforderungsansprüche wegen irrtümlicher Leistung einer nicht bestehenden Schuld vorstellen.
In den Fällen eines außervertraglichen Schuldverhältnisses wegen Geschäftsführung ohne Auftrag legt auch Art 11 Rom II-VO wiederum subsidiäre Anknüpfungskriterien fest. Ähnlich wie in den Fällen des Art 10 Rom II-VO ist das primäre Anknüpfungskriterium die Frage nach dem Bestehen einer engen Verbindung zwischen dem entstandenen Schaden aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu einem bestehenden Rechtsverhältnis. Verneinendenfalls soll das Recht jenes Staates anwendbar sein, in welchem Schädiger und Geschädigter zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Besteht auch kein solcher gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, dann ist das Recht jenes Staates maßgeblich, in welchem die Geschäftsführung ohne Auftrag erfolgte (Handlungsortprinzip).
Der Begriff des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen ist im Rahmen des Art 12 Rom II-VO wiederum als autonomer Begriff zu verstehen und kann daher nicht zwangsläufig im Sinne des nationalen Rechts ausgelegt werden. Im Allgemeinen kann man darunter sowohl die Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten als auch die Verletzung von Informations-, Aufklärungs- und Beratungspflichten im vorvertraglichen Stadium (also vor Vertragsabschluss) verstehen.
Dabei gilt die Kollisionsregel des Art 12 jedoch nur für außervertragliche Schuldverhältnisse, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrags stehen. In den Fällen, in denen einer Person während der Vertragsverhandlungen ein Personenschaden zugefügt wird, gelangt die allgemeine Kollisionsregel des Art 4 zur Anwendung.
Auf Ansprüche wegen Schäden aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen ist primär das Recht jenes Staates anzuwenden, dessen Rechtsordnung auf den hypothetisch geschlossenen Vertrag anzuwenden gewesen wäre. Folglich stellt das primäre Anknüpfungskriterium auf das hypothetische Vertragsstatut ab.
§§ 13 Abs 2 und 48 IPR-G
Der Anwendungsbereich der Rom II-VO erfasst nicht alle außervertraglichen Schuldverhältnisse abschließend. Folglich bleibt neben den außervertraglichen Schuldverhältnissen im Anwendungsbereich der Rom II-VO auch ein Regelungsbereich für mitgliedstaatliche Regelungen.
So ist etwa aufgrund des österreichischen IPR-G die Frage zu beantworten, welche Rechtsordnung im Falle eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten, insbesondere bei Verletzung der Namensführung, zur Anwendung kommt. So ist gemäß § 13 Abs 2 IPR-G der Schutz des Namens nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die Verletzungshandlung gesetzt wird. Der Namensschutz ist nicht bloß für Menschen, sondern auch für juristische Personen – für Firmen – bedeutsam. Dabei umfasst der Schutz des Namens nicht nur Unterlassungs-, sondern auch Schadenersatzansprüche.
Gewissermaßen als Anschlussstück zu den Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Rom II-VO (siehe Rom I-VO Anwendungsbereich) trifft § 48 IPR-G eine kollisionsrechtliche Auffangregelung für die („anderen“) außervertraglichen Schuldverhältnisse. Grundsätzlich ist für diese außervertraglichen Schuldverhältnisse auch aufgrund § 48 IPR-G eine frei Rechtswahl der Parteien zulässig. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, dann ist das außervertragliche Schuldverhältnis nach der Rechtsordnung jenes Staates zu beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist (Handlungsortprinzip).
Wiederholungsfragen
- Was besagt die grundsätzliche universelle Anwendung der Rom I‑VO und der Rom II‑VO?
- A ist Unternehmer mit Sitz in Bozen. Sein Unternehmensgegenstand umfasst die gewerbliche Beförderung von Personen und Güter im internationalen Straßenverkehr. B (mit Wohnsitz in München) wurde von C (Wohnsitz in Innsbruck) bevollmächtigt für ihn einen Personenbeförderungsvertrag von Graz nach Bregenz zu schließen. C kommt diesen Auftrag nach. Während des Transportes wird der Koffer von B beschädigt. Welche Rechtsordnung ist für die Beurteilung allfälliger Schadenersatzansprüche anzuwenden?
- Was besagt das „Günstigkeitsprinzip“? Nennen Sie ein Beispiel für das Günstigkeitsprinzip im Rahmen der Rom-Verordnungen.
- Welche Kollisionsregel ist in jenen Fällen maßgeblich, in denen für Sachverhalte mit Auslandsbeziehung sowohl Kollisionsregeln nach den jeweiligen Rom-Verordnungen aber auch Kollisionsregel nach internationalen Übereinkommen einschlägig sind?
- Beschreiben Sie die in Art 4 Rom II-VO geregelte Ausweichklausel.
- Beschreiben Sie bei außervertraglichen Schuldverhältnissen den Unterschied zwischen dem Erfolgsortprinzip und jenem des Handlungsortes.
- Beschreiben Sie allgemein die für kollisionsrechtliche Regelungen typischen subsidiären Anknüpfungskriterien.
- Welche kollisionsrechtliche Regel sieht das IPR-G bei der Verletzung von Namensrechten vor?
Lösungen
- Entsprechend der universellen Anwendung der Rom I- und II-VO ist die Rechtsordnung jenes Staates, in welche aufgrund der Anknüpfungspunkte in der Rom I-VO verwiesen wird, grundsätzlich auch dann anzuwenden, wenn es sich dabei um die Rechtsordnung eines Staaten handelt, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist.
- Grundsätzlich jene Rechtsordnung, die zwischen A und C gewählt wurde. Dabei ist das Handeln von B als Bevollmächtigter dem C direkt zuzurechnen. Mangels erfolgter Rechtswahl ist gemäß Art 5 Abs 2 Rom I-VO primäres Anknüpfungskriterium das Recht des Staates, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. Die zu befördernde Person ist C. C hat seinen Wohnsitz in Innsbruck, somit in Österreich. Auch der Abgangsort Graz und der Bestimmungsort Bregenz liegen in Österreich. Folglich ist zur Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang Schadenersatzansprüche wegen des beschädigten Koffers bestehen, aufgrund des primären Anknüpfungskriteriums in Art 5 Abs 2 Rom I-VO österreichisches Recht anzuwenden.
- Das Günstigkeitsprinzip ist vom Schutzgedanken für wirtschaftlich schwächere Parteien getragen. Deshalb finden sich in juristischen Regelwerken gelegentlich bestimmte Schutzbestimmungen für die wirtschaftlich schwächere Partei. Nach dem Günstigkeitsprinzip in den Rom-Verordnungen ist die freie Rechtswahl zugunsten der schwächeren Partei beschränkt, als ihr nicht der Schutz entzogen werden darf, der ihr aufgrund der zwingenden Bestimmungen des bei objektiver Anknüpfung maßgebenden Rechts verliehen ist. Das Günstigkeitsprinzip gilt bei Verbraucherverträgen und Individualarbeitsverträgen nach der Rom I-VO
- Sowohl die Rom I-VO als auch die Rom II-VO behandelt diese Frage gleich: Gibt es für das vertragliche bzw außervertragliche Schuldverhältnis neben den Rom-Verordnungen auch von den Mitgliedstaaten abgeschlossene internationale Übereinkommen, dann gehen die Anknüpfungen aus den jeweiligen internationalen Übereinkommen den Rom-Verordnungen vor. In den Fällen, in denen sich der Sachverhalt mit Auslandsbezug jedoch ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten (die auch Vertragspartei eines solchen internationalen Übereinkommens sind) ereignet, dann haben die Regelungen der jeweiligen Rom‑Verordnung Vorrang vor den Regelungen des jeweiligen internationalen Übereinkommens.
- Ergibt sich bei gesamthafter Betrachtung der Umstände, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung zu einem Staat aufweist, so ist das Recht dieses Staates anzuwenden. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn zwischen den Parteien ein Vertrag besteht, der mit der unerlaubten Handlung in Verbindung steht.
- Beide Prinzipien stehen im Zusammenhang mit der Frage, welches Recht bei kollisionsrechtlich relevanten außervertraglichen Schuldverhältnissen zur Anwendung kommt. Beim Erfolgsortprinzip erfolgt die kollisionsrechtliche Anknüpfung an das Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist. Bei der Anknüpfung nach dem Handlungsort liegt der kollisionsrechtliche Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der anzuwendenden Rechtsordnung am Ort, in dem das schadensbegründende Ereignis gesetzt wurde.
- Subsidiäre Anknüpfungskriterien bedeuten, dass das jeweils nachgereihte Anknüpfungskriterium lediglich dann zur Anwendung kommt, wenn das vorangehende Anknüpfungskriterium im konkreten Fall nicht zur Anwendung kommt bzw. kommen kann. Sie werden gelegentlich auch als „Anknüpfungsleiter“ bezeichnet.
- Für die Beurteilung der Verletzung von Namensrechten ist die Rechtsordnung jenes Staates maßgeblich, in dessen Gebiet die Verletzungshandlung gesetzt wurde.
Internationales Privatrecht und Immaterialgüterrecht
Immaterialgüterrecht
Immaterialgüterrechte spielen im internationalen Verkehr, insbesondere auch im internationalen Vertragsrecht eine bedeutsame Rolle. Für sie ist daher die Frage, welche Rechtsordnung auf grenzüberschreitende Sachverhalte bzw. Verträge zur Anwendung gelangen soll, zentral.
Immaterialgüterrechte sind Vermögensrechte an geistigen Produkten und werden unterschieden zwischen Urheberrechten (den Rechten an eigentümlichen geistigen Schöpfungen auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Filmkunst) [54] und gewerblichen Schutzrechten (wie Patent-, Marken- und Musterschutzrechten).
§ 34 Abs 1 IPR-G bestimmt, dass das Entstehen, der Inhalt und das Erlöschen von Immaterialgüterrechten nach dem Recht des Staates zu beurteilen sind, in dem die Benützungs- und Verletzungshandlung gesetzt wird. Darin kommt das traditionelle Verständnis, von welchem das Immaterialgüterrecht geprägt ist, zum Ausdruck: Immaterialgüterrechte richten sich nach dem Territorialitätsprinzip, weshalb sich das jeweilige von einer Rechtsordnung verliehene Schutzrecht auf jenen Staat beschränkt, in dem diese Rechtsordnung gilt. § 34 Abs 1 IPR-G verweist solche grenzüberschreitende Sachverhalte in den Anwendungsbereich der Rechtsordnung, die den Schutz verliehen hat.
Stellen Sie sich einen international agierenden Pharmakonzern vor. Dieser investiert viel Kapital für Forschung und Entwicklung neuer Medikamente. Nur wenn der Pharmakonzern die Möglichkeit hat, seine Entwicklungskosten auch wieder zu verdienen, ist auch weitere Forschung möglich. Erreicht soll das durch die Einräumung von Schutzrechten bzw. Exklusivrechten werden. Der Pharmakonzern beantragt die Einräumung eines Patents, welches jedoch lediglich für das konkrete Land Schutzrechte gewährt. Um in anderen Ländern ebenfalls Patenschutz zu erlangen, muss dort ein eigenes Patentrecht erworben werden.
Im Unterschied zu anderen internationalen Rechtsbeziehungen ist bei grenzüberschreitenden immaterialgüterrechtlichen Sachverhalten eine Rechtswahl zwischen den Parteien grundsätzlich nicht möglich. Folglich können die Parteien im Zusammenhang mit dem Entstehen, Inhalt und Erlöschen von Immaterialgüterrechten keine Wahl der anzuwendenden Rechtsordnung treffen. Selbst wenn sie eine solche träfen, wäre die vertragliche Rechtswahl nicht wirksam.
Gerade vor dem Hintergrund des territorialen Schutzes von Immaterialgüterrecht hat bereits früh die Entwicklung eingesetzt, den Schutz von Immaterialgüterrechten durch Staatsverträge gegenseitig anzuerkennen. Derartigen Staatsverträgen können unter bestimmten Voraussetzungen auch Abweichungen von der in § 34 IPR-G getroffenen Regelung vorsehen.
Wiederholungsfragen
- Was sind Immaterialgüterrechte?
- Was besagt das Territorialitätsprinzip iZm dem Immaterialgüterrecht?
Lösungen
- Vermögensrechte an geistigen Produkten werden in Urheberrechte und gewerbliche Schutzrechte unterschieden werden.
- Die von Staaten verliehenen Immaterialgüterrechte beschränken sich in ihrer Schutzwirkung lediglich auf das staatliche Territorium, nicht jedoch auf andere Staaten.
Internet - zentrales Informations- und Kommunikationsmedium
Dass das Internet eine immer zentraler werdende Grundlage zur Informationsverbreitung und –erzielung wird, ist keine besonders hervorzuhebende Tatsache. Das Feld an möglichen Informationsinhalten ist groß. Sie werden in dieser Lektion einen kleinen Ausschnitt davon bekommen. Im Rahmen der Ausführungen der Kundmachungen öffentlicher Stellen werden Sie unter anderem erfahren, dass gewisse Rechtstexte derzeit bereits nur noch im Internet authentisch kundgemacht werden. Dann geht der nähere Fokus weg vom öffentlichen Bereich über die Werbung im Internet hin zu dem immer bedeutsamer werdenden elektronischen Abschluss von Rechtsgeschäften.
Kundmachungen öffentlicher Stellen
Kundmachung von Gesetzblättern
Die Ausgabe und der Abdruck von Rechtsvorschriften in Papierform in Gesetzblättern verursachen hohe Kosten. Aus diesem Grund hat sich der Bund zur Kundmachung von Rechtsvorschriften und der Bundesgesetzblätter im Internet entschlossen. Durch das Bundesgesetzblattgesetz 2004 – BGBlG [55] , welches mit 1. Jänner 2004 in Kraft gesetzt wurde, wurde die authentische Kundmachung der Bundesgesetzblätter im Internet finalisiert.
Der Bundeskanzler gibt das Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich nunmehr im Rahmen des Rechtsinformationssystems des Bundes (RIS) heraus. Gerade der Hinweis in § 1 BGBlG „im Rahmen des Rechtsinformationssystems des Bundes“ bringt zum Ausdruck, dass die Kundmachung der im Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich zu verlautbarenden Rechtsvorschriften auf elektronische Weise erfolgt. Seit 1. Jänner 2004 sind die unter http://ris.bka.gv.at/Bgbl-Auth/ kundgemachten Bundesgesetzblätter authentisch. Für die bis zum 31. Dezember 2003 unter http://www.ris.bka.gv.at/Bgbl-Pdf/ abrufbaren Bundesgesetzblätter gilt nicht die Vermutung deren Authentizität, vielmehr sind bis zu diesem Datum die in Papierform herausgegebenen Bundesgesetzblätter authentisch.
Da die früheren zur Kundmachung von Rechtsvorschriften in Papierform herausgegebenen Gesetzblätter (Reichs-, Staats- und Bundesgesetzblatt) in großer Auflagenhöhe gedruckt wurden, ist es statistisch gesehen unwahrscheinlich, dass von einer bestimmten Gesetzblattnummer eines dieser Kundmachungsblätter einmal kein Exemplar mehr vorhanden sein wird. Die authentische Fassung einer in einem dieser Kundmachungsblätter abgedruckten Rechtsvorschrift kann damit auf Dauer und in der Regel auch ohne größere Schwierigkeiten ermittelt werden.
Die Authentizität und Integrität der im Internet kundgemachten Bundesgesetzblätter ist durch § 8 BGBlG gesetzlich gesichert. [56]
(1) Die Dokumente, die eine zu verlautbarende Rechtsvorschrift enthalten, müssen ein Format haben, das die Aufwärtskompatibilität gewährleistet. Sie müssen in einem zuverlässigen Prozess erzeugt worden und mit einer elektronischen Signatur versehen sein.
(2) Die Dokumente dürfen nach Erstellung der Signatur nicht mehr geändert und, sobald sie zur Abfrage freigegeben worden sind, auch nicht mehr gelöscht werden.
(3) Von jedem Dokument sind mindestens drei Sicherungskopien und vier beglaubigte Ausdrucke zu erstellen. Je eine Sicherungskopie und je ein beglaubigter Ausdruck sind an das Österreichische Staatsarchiv und an die Österreichische Nationalbibliothek abzuliefern und von diesen zu archivieren. Ein beglaubigter Ausdruck ist der Parlamentsbibliothek zu übermitteln.
Entsprechend § 8 Abs 1 BGBlG, müssen die Dokumente, die eine zu verlautbarende Rechtsvorschrift enthalten, ein Format haben, das die sog. Aufwärtskompatibilität gewährleistet, dh es soll sichergestellt werden, dass der Text des Dokuments ungeachtet der durch den technischen Fortschritt bedingten Weiterentwicklungen von Hard- und Software auch in Zukunft noch gelesen werden kann. Außerdem muss das Dokument mit einer elektronischen Signatur versehen werden, die auf einem qualifizierten Zertifikat beruht. Dadurch kann überprüft werden, ob ein bestimmtes Dokument mit dem zur Abfrage im Internet bereit gehaltenen Dokument übereinstimmt bzw. ob in einem solchen Dokument nachträglich Änderungen vorgenommen worden sind.
Ausdrücklich wird auch in § 8 Abs 2 BGBlG hervorgehoben, dass signierte Dokumente nicht mehr geändert und Dokumente, die zur Abfrage freigegeben worden sind, nicht mehr gelöscht werden dürfen. Dies gilt auch und gerade für den Fall, dass in der Verlautbarung enthaltene Kundmachungsfehler durch eine spätere Kundmachung berichtigt worden sind.
Durch die in § 8 Abs 3 BGBlG vorgesehenen drei Sicherungskopien sollen Vorkehrungen gegen einen möglichen Untergang sämtlicher Exemplare einer bestimmten Nummer des Bundesgesetzblattes getroffen werden.
Exkurs: Zugang zu Rechtstexten und Rechtsprechung in Österreich
Neben der authentischen Kundmachung von Bundesgesetzblättern können auch andere Daten, die nur der Information über das Recht der Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) dienen im Internet ebenfalls im Rechtsinformationssystem des Bundes (http://www.ris.bka.gv.at/UI/SiteMap.aspx) zur Abfrage bereit gehalten werden. Im Unterschied zur authentischen Kundmachung der Bundesgesetzblätter haben diese Daten keine authentische Kraft und es haftet der Bundeskanzler für deren Richtigkeit und Vollständigkeit nicht.
Praktisch haben die bloß zu Informationszwecken bereitgehaltenen Daten, etwa die in konsolidierter Fassung bereit gestellten Bundes- und Landesrechtsabfragen, jedoch einen großen Servicecharakter und sind meist gleichwertig zu den in Papierform enthaltenen Originalen. Mithilfe der Datenbank RIS hat jedermann über das Internet kostenlosen Zugang zu fast allen geltenden Rechtsvorschriften sowie zu höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Die Datenbank bietet ganz hervorragende Abfragemöglichkeiten und erleichtert die tägliche juristische Arbeit enorm. Es lohnt sich wirklich, sich mit dieser Datenbank auseinander zu setzen, da sich viele Rechtsfragen bereits durch Recherche in dieser Datenbank klären lassen.
Für den Einstieg in die Datenbank ist weder ein Benutzername noch ein Passwort erforderlich. Im Startmenü findet sich eine systematische Gliederung der Abfragemöglichkeiten. Für Zwecke dieses Studienheftes werden vor allem die Punkte „Bundesrecht – Geltende Fassung“ sowie „Judikatur der Gerichte – Judikatur Justiz (OGH, OLG, LG, BG)“ von besonderer Relevanz sein. Zu den dortigen Abfragemöglichkeiten sei Folgendes gesagt:
a) Abfrage „Bundesrecht“
In der Abfragemaske für Bundesrecht lassen sich alle geltenden Bundesgesetze sowie einzelne Paragraphen daraus im Volltext anzeigen.
Eine typische Suchabfrage für einen einzelnen Paragraphen könnte lauten:
- Kurztitel/Abkürzung: ABGB
- Paragraph: 932
- Eine allgemeine Übersicht über ein Gesetz (genauer Titel, Inkrafttreten, Novellierungen etc.) erhält man durch Abfragen des Paragraphen „0“:
- Kurztitel/Abkürzung: ABGB
- Paragraph: 0
Nach Durchführung dieser Abfragen erscheint zunächst immer eine Ergebnisliste, aus der ein oder mehrere Ergebnisse ausgewählt werden können. Im Falle der Suche nach einem Paragraph wird im Regelfall nur ein Ergebnis aufscheinen. Mehrere Ergebnisse erscheinen dann, wenn es diesen Paragraphen auch mit Buchstabenzusätzen gibt, also etwa § 364 ABGB, § 364a ABGB, § 364b ABGB und § 364c ABGB.
Will man den geltenden Text eines gesamten Gesetzes angezeigt erhalten, so ist zuerst irgendein Paragraph dieses Gesetzes abzufragen (vorzugsweise Paragraph „0“) und nach Auswahl eines Ergebnisses im dann erscheinenden Anzeigefenster rechts oben auf „Geltende Fassung“ zu klicken. Es wird sodann das ganze Gesetz angezeigt.
b) Abfrage „Judikatur der Gerichte“
In der Abfragemaske für Judikatur der Gerichte kann nach einzelnen Gerichtsentscheidungen gesucht werden. Soweit man mit einzelnen Suchworten im Volltext suchen möchte, sollte oben auch das Kästchen „ Entscheidungstexte (ET)“ angekreuzt werden, welches standardmäßig nicht ausgewählt ist. Andernfalls wird nur in den Leitsätzen gesucht.
Eine typische Suchanfrage, in der nach Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Angemessenheit einer gesetzten Nachfrist gesucht wird, könnte lauten:
- Suchworte: angemessene Nachfrist [57]
- Gerichtstyp: OGH
- Norm: § 918 ABGB
c) Sonstige Abfragemöglichkeiten
Von Interesse können auch landesrechtliche Vorschriften sein. Hierzu ist zuerst in der allgemeinen Abfragemaske unter „Landesrecht“ das betreffende Bundesland auszuwählen. Die darauffolgende Abfragemaske (die nur mehr auf das ausgewählte Bundesland beschränkt ist) unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Eher ungewöhnlich ist die Abfrage des niederösterreichischen Rechtes, da die Nummerierung der niederösterreichischen Landesgesetzblätter von jener der anderen Bundesländer und auch jener des Bundes systematisch völlig abweicht.
d) Recht der Europäischen Gemeinschaft
Auch das Recht der Europäischen Gemeinschaft ist im Internet, jedoch nicht in authentischer Fassung, zugänglich. Zugang dazu bietet etwa das EUR-Lex (http://eur-lex.europa.eu/de/index.htm). Dieses bietet ebenso wie das RIS einen kostenlosen Zugang zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union. Über das System können das Amtsblatt der Europäischen Union sowie insbesondere die Verträge, die Rechtsetzungsakte, die Rechtsprechung und die vorbereitenden Rechtsakte abgerufen werden.
Wenn Sie beispielsweise eine genaue Fundstellenangabe von Rechtsvorschriften der EU haben, dann empfiehlt sich die Abfrage über http://eur-lex.europa.eu/JOIndex.do?ihmlang=de. Auf Ihre Suchanfrage wird Ihnen dann ein Dokument in pdf-Format ausgeworfen, welches im äußeren Aufbau und Erscheinungsbild der Kundmachung jenen der Kundmachung in Papierform entspricht.
Rechtsvorschriften der EU werden ebenso wie nationale Rechtsvorschriften geändert. Mit der zuvor beschriebenen Abfragemöglichkeit können Sie zwar die einzelnen Änderungen gewissermaßen nebeneinanderliegend nachvollziehen. Praktisch für die Information über eine geltende Rechtsvorschrift ist das jedoch nicht. Auch das EUR-Lex bietet Ihnen die Möglichkeit geänderte Rechtsvorschriften in einer konsolidierten Form abzufragen, konkret über
https://eur-lex.europa.eu/advanced-search-form.html Dafür benötigen Sie jedoch gewisse Stamminformationen, insbesondere die Nummer des jeweiligen Rechtsaktes.
Sie können das beispielsweise anhand der Verordnung Nr. 1782/2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe probieren:
Die Verordnung ist im Amtsblatt unter der Fundstelle ABl L Nr 207 vom21.10.2003, Seite 1ff kundgemacht
(http://eur-lex.europa.eu/JOIndex.do?ihmlang=de).
Die zwischenzeitlich erfolgten Änderungen können Sie mit Hilfe der Verordnungsnummer „1782/2003“ in konsolidierter Fassung unter https://eur-lex.europa.eu/advanced-search-form.html abfragen.
Gerichtsdateien
Firmenbuch und Grundbuch werden schon längere Zeit nicht mehr in Papierform geführt. Beide „Bücher“ werden nun elektronisch geführt, welche auch im Wege von Internetverbindungen abgerufen werden können. Diese Abfragen sind jedoch gebührenpflichtig.
Anders verhält es sich bei der sogenannten Ediktsdatei. Die Ediktsdatei war zunächst auf Veröffentlichungen aus dem Insolvenzbereich beschränkt, Jahr für Jahr wurden aber weitere Geschäftsbereiche einbezogen. Abfragen der Ediktsdatei sind gebührenfrei. Die Ediktsdatei enthält nunmehr beispielsweise:
alle Bekanntmachungen aus dem Insolvenzverfahren (Insolvenzdatei)
Veröffentlichungen der Bezirksgerichte im Zusammenhang mit gerichtlichen Exekutionsverfahren
Versteigerung von Liegenschaften
Versteigerung von beweglichen Sachen
Bekanntmachungen aus Strafverfahren im Zusammenhang mit Gegenständen unbekannter Eigentümer
Ausschließlich und rechtsverbindlich im Internet kundgemacht werden seit 1.1.2000 Konkurse, Ausgleiche, Schuldenregulierungsverfahren (Insolvenzdatei).
Ausschließlich und rechtsverbindlich werden auch alle Veröffentlichungen, die im Zusammenhang mit gerichtlichen Versteigerungen von Liegenschaften, Eigentumswohnungen, Baurechten und Superädifikaten stehen, in der Ediktsdatei vorgenommen. Neben den Edikten sind Kurzgutachten, Bilder, Lagepläne sowie Grundrisse von den zu versteigernden Objekten zu sehen.
Gegenstände, die im Rahmen eines gerichtlichen Strafverfahrens aufgefunden wurden und deren rechtmäßiger Eigentümer nicht bekannt ist, werden in der Ediktsdatei bekannt gemacht.
Werbung im Internet
Werbung im Internet ist in zwei Erscheinungsformen möglich. Die Website-Werbung muss vom Nutzer aktiv aufgerufen werden. Bei der Emailwerbung wird der Werber gegenüber dem Nutzer aktiv tätig.
Website-Werbung
Damit für jeden Nutzer leicht erkennbar ist, von wem ein im Internet veröffentlichter Inhalt stammt, hat der Gesetzgeber für Diensteanbieter im Internet besondere Informations- und Kennzeichnungspflichten geschaffen.
Ein Diensteanbieter hat den Nutzern ständig sowie leicht und unmittelbar zugänglich folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: [58]
seinen Namen oder seine Firma;
die geografische Anschrift, unter der er niedergelassen ist;
Angaben, auf Grund deren die Nutzer mit ihm rasch und unmittelbar in Verbindung treten können, einschließlich seiner elektronischen Postadresse;
sofern vorhanden, die Firmenbuchnummer und das Firmenbuchgericht;
soweit die Tätigkeit einer behördlichen Aufsicht unterliegt, die für ihn zuständige Aufsichtsbehörde;
bei einem Diensteanbieter, der gewerbe- oder berufsrechtlichen Vorschriften unterliegt, die Kammer, den Berufsverband oder eine ähnliche Einrichtung, der er angehört, die Berufsbezeichnung und den Mitgliedstaat, in dem diese verliehen worden ist, sowie einen Hinweis auf die anwendbaren gewerbe- oder berufsrechtlichen Vorschriften und den Zugang zu diesen;
sofern vorhanden, die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.
In der Praxis werden diese Informationen meist als Impressum offen gelegt. Sofern in Diensten der Informationsgesellschaft Preise angeführt werden, sind diese so auszuzeichnen, dass sie ein durchschnittlich aufmerksamer Betrachter leicht lesen und zuordnen kann. Es muss eindeutig erkennbar sein, ob die Preise einschließlich der Umsatzsteuer sowie aller sonstigen Abgaben und Zuschläge ausgezeichnet sind (Bruttopreise) oder nicht. Darüber hinaus ist auch anzugeben, ob Versandkosten enthalten sind.
Ein Diensteanbieter hat dafür zu sorgen, dass eine kommerzielle Kommunikation, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft ist oder einen solchen Dienst darstellt, klar und eindeutig
- als solche erkennbar ist,
- die natürliche oder juristische Person, die die kommerzielle Kommunikation in Auftrag gegeben hat, erkennen lässt,
- Angebote zur Absatzförderung wie etwa Zugaben und Geschenke als solche erkennen lässt und einen einfachen Zugang zu den Bedingungen für ihre Inanspruchnahme enthält sowie
- Preisausschreiben und Gewinnspiele als solche erkennen lässt und einen einfachen Zugang zu den Teilnahmebedingungen enthält.
Der Betreiber einer Internetsite hat aber auch alle sonstigen für Offline-Angebote geltenden Rechtsvorschriften zu beachten.
Werbung per Email und SMS
Wohl jeder Besitzer eines Mobiltelefons oder eines Email-Accounts war schon oftmals mit unerwünschter Werbung konfrontiert. Ein Großteil dieser Werbung erfolgt rechtswidrig, da die Zusendung einer elektronischen Post und von SMS grundsätzlich eine vorherige Einwilligung des Empfängers erfordert, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt oder - unabhängig vom Zweck der Übermittlung - an mehr als 50 Empfänger gerichtet ist.
Eine vorherige Zustimmung für die Zusendung elektronischer Post und SMS ist dann nicht notwendig, wenn
- der Absender die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat und
- diese Nachricht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt und
- der Empfänger klar und deutlich die Möglichkeit erhalten hat, eine solche Nutzung der elektronischen Kontaktinformation bei deren Erhebung und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen und
- der Empfänger die Zusendung nicht von vornherein, insbesondere nicht durch Eintragung in die von der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH) geführte sogenannte ECG-Liste https://www.rtr.at/TKP/service/ecg-liste/ECG-Liste.de.htmlabgelehnt hat.
Grundsätzlich ist die Zusendung von Werbung nur mit Zustimmung des Empfängers zulässig (opt-in Prinzip). Wenn aufgrund des Gesetzes für eine Zusendung keine Zustimmung erforderlich ist, sind auch weitere Zusendungen erlaubt, bis der Empfänger weitere Zusendungen ausdrücklich ablehnt (opt-out Prinzip).
Bei rechtswidrigen elektronischen Zusendungen kann gegen den Absender eine Verwaltungsstrafe von bis zu EUR 37.000,00 verhängt werden. [59]
Der Empfänger der Nachricht kann auch eine auf sein Eigentumsrecht gestützte, ein Mitbewerber auch eine auf das UWG-Gesetz gestützte Unterlassungsklage gegen den Absender einbringen. Da eine Vielzahl der Absender von unzulässiger elektronischer Werbung ihre Identität aber nicht offen legen, ist eine verwaltungsstrafrechtliche und zivilrechtliche Verfolgung in der Praxis mit großen Schwierigkeiten verbunden.
Elektronischer Abschluss von Rechtsgeschäften
Abgabe von elektronischen Willenserklärungen
Ein verbindlicher Vertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Die Willensübereinstimmung muss sich auf die wesentlichen Bestandteile eines Vertrages beziehen. Das Zustandekommen eines Kaufvertrages setzt beispielsweise nur die Einigung über den Kaufgegenstand und den Preis voraus.
Wenn die Willenserklärungen auf elektronischem Wege abgegeben werden, spricht man von E-Commerce. Die Willenserklärungen können dabei per email, durch Ausfüllen und Versenden von Webformularen oder durch Anklicken eines entsprechenden Buttons sowie mit mobilen Endgeräten (z.B. Mobiltelefon, PDA) über einen WAP-Dienst (Wireless Application Protocol) und in Chat-Foren abgegeben werden. Auch die Abgabe von Erklärungen in über das Internet übertragenen Gesprächen (VoIP) und Videokonferenzen wird zum E-Commerce gezählt, da dabei Sprache bzw. Bilder in Datenpakete zerlegt, gespeichert und dann über das Internet-Protokoll übertragen werden.
Rechtsgeschäftliche Willenserklärungen entfalten grundsätzlich [60] erst mit ihrem Zugang beim Empfänger Rechtswirkungen. Der Zugang ist mit der Möglichkeit des Empfängers, sich vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu verschaffen, erfolgt.
Wenn der Empfänger der elektronischen Kommunikation jedoch weder ausdrücklich noch zumindest konkludent zugestimmt hat, gilt die rechtsgeschäftliche Erklärung erst im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Kenntnisnahme (und nicht schon im Zeitpunkt der Abrufbarkeit) als zugegangen.
Dies gilt freilich nicht, wenn der Erklärungsempfänger selbst eine Handlung gesetzt hat, aufgrund derer der Erklärende darauf vertrauen durfte, dass der Empfänger mit der elektronischen Kommunikation einverstanden ist.
Wenn der Empfänger selbst eine Anfrage per Email an ein Unternehmen richtet, gibt er dadurch zu erkennen, dass er mit der Übermittlung eines Angebotes per email einverstanden ist.
Bei bestimmten Unternehmen (z.B. Betreibern von Internetportalen) kann sich das konkludente Einverständnis zur elektronischen Kommunikation aus der Branchenzugehörigkeit ergeben.
Wenn ein Unternehmen auf seiner Website eine Emailadresse bekannt gibt oder eine solche auf den Visitenkarten von Mitarbeitern aufscheint, kann darauf vertraut werden, dass dieses Unternehmen mit dem Empfang von elektronischen Willenserklärungen einverstanden ist.
Risiko von Übertragungsfehlern
Im Unterschied zur Kommunikation über Telefon oder Fax sind bei der elektronischen Kommunikation zwei Personen nicht durch eine bloße Datenleitung miteinander verbunden, sondern stehen zwischen den beiden Personen in der Übertragungskette Dritte, die die für die elektronische Kommunikation benötigten Dienste und technische Anlagen zur Verfügung stellen (z.B. Provider, Server) und die Erklärungen auf ihrem Weg vom Erklärenden zum Erklärungsempfänger speichern, verarbeiten und übertragen. Wie bei sonstigen Willenserklärungen erfolgt die Übertragung auf Risiko des Erklärenden.
Scheitert die Datenübertragung und kommt die Erklärung beim Empfänger nicht an, liegt kein rechtswirksamer Zugang der Erklärung vor. Es treten dieselben Rechtsfolgen ein, wie wenn der Erklärende gar keine Willenserklärung abgegeben hätte.
Auch durch Übermittlungsfehler des Telekommunikationsdienstes verursachte Veränderungen der Nachricht oder Verzögerungen werden dem Erklärenden zugerechnet.
Wenn die Änderung oder der Verlust der Erklärung aber erst nach dem Zugang beim Empfänger oder bei seinem Telekommunikationsdienst passiert, ist dies dem Empfänger zuzurechnen und gilt die Erklärung als zugegangen. Das gilt auch, wenn der Empfänger eine Nachricht aufgrund in seiner Sphäre liegender technischer Probleme nicht abrufen oder lesen kann.
Der Zugang von elektronischen Nachrichten ist in der Praxis nicht leicht beweisbar, da auch Empfangsbestätigungen leicht gefälscht werden können. Zur Erhöhung der Rechtssicherheit hat der Gesetzgeber eine zwingende Verpflichtung für Anbieter von elektronischen Diensten zur elektronischen Bestätigung von empfangenen Vertragserklärungen eingeführt, die zum Nachteil von Verbrauchern nicht abbedungen werden kann. [61]
Widerruf von Willenserklärungen
Empfangsbedürftige Willenserklärungen (z.B. Vertragsanbot, Annahme) können nach den allgemeinen Grundsätzen gegenüber dem nicht anwesenden Empfänger bis zum Zugang der Willenserklärung widerrufen werden. Auch bei gleichzeitigem Zugang der Willenserklärung und des Widerrufes ist dieser noch rechtzeitig.
Bei der elektronischen Kommunikation ist aufgrund des fast gleichzeitigen Zugangs der Erklärung beim Empfänger der rechtszeitige Widerruf faktisch kaum möglich. Ein Widerruf einer elektronischen Willenserklärung ist aber dann noch möglich, wenn der Empfänger sich aufgrund seiner Geschäftszeiten erst gleichzeitig mit dem Zugang des Widerrufes Kenntnis von der zuvor bei ihm eingelangten Willenserklärung verschaffen kann. Wenn beispielsweise die Mitarbeiter eines Versandhauses nur von Montag bis Freitag arbeiten, kann eine am Samstag elektronisch übermittelte Willenserklärung noch bis zum Arbeitsbeginn am Montag elektronisch widerrufen werden. Der Empfänger kann sich nämlich frühestens am Montag bei Arbeitsbeginn Kenntnis vom Inhalt der Willenserklärung (Anbot, Vertragsannahme) und gleichzeitig vom Widerruf der Willenserklärung verschaffen.
Die vorgenannten Überlegungen sind für Verbraucher kaum relevant, da diesen ohnehin ein gesetzliches Rücktrittsrecht von 14 Werktagen für alle im Fernabsatz sowie außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge ohne Angabe von Gründen zusteht. [62]
Allgemeine Geschäftsbedingungen im E-Commerce
Auch im E-Business möchten Unternehmen aus denselben Gründen wie im sonstigen Geschäftsverkehr eine Vielzahl von gleichartigen Verträgen oft nur unter Anwendung der von ihnen selbst verfassten allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) schließen.
Damit AGB Bestandteil eines Vertrages werden, muss deren Anwendung ausdrücklich oder konkludent spätestens beim Vertragsabschluss vereinbart werden. Für die konkludente Vereinbarung der AGB genügt ein deutlich erkennbarer Hinweis, dass der Anbieter nur bereit ist, zu seinen AGB Verträge zu schließen und dass für den Kunden die Möglichkeit besteht, die AGB vor Abgabe seiner Willenserklärung vollständig zu lesen. Besteht diese Möglichkeit und nimmt der Kunde die AGB jedoch nicht zur Kenntnis, gelten diese dennoch.
Die AGB müssen in derselben Sprache abgefasst sein, in der das Bestellformular und das Angebot auf der Website selbst verfasst ist. Der Anbieter muss die AGB im elektronischen Geschäftsverkehr auch so zur Verfügung stellen, dass der Kunde diese speichern oder ausdrucken kann.
Bezüglich der Inhalts- und Geltungskontrolle sind dieselben Bestimmungen wie auf AGB im offline-Geschäftsverkehr anzuwenden.
Wiederholungsfragen
- Welche Rechtsvorschriften werden mit verbindlicher Kraft im Internet kundgemacht?
- Welche Inhalte sind im RIS zu veröffentlichen?
- Kommt der Kundmachung von Rechtsvorschriften im ABl authentische Wirkung zu?
- Welche Gerichtsdateien werden elektronisch geführt?
- Nennen Sie Beispiele für ausschließliche und rechtsverbindliche Veröffentlichungen in Gerichtsdateien.
- Wann ist eine vorherige Zustimmung für die Zusendung elektronischer Post und SMS nicht notwendig?
- Beschreiben Sie das opt-in und opt-out Prinzip.
- Wann spricht man von E-Commerce?
Lösungen
- Bundesgesetzblätter, seit Jänner 2004.
- Zum einen sind das die Bundesgesetzblätter mit authentischer Wirkung seit Jänner 2004. Zum anderen auch Inhalte zu Informationszwecken, denen jedoch keine rechtsverbindliche Wirkung zukommt, wie beispielsweise Kundmachungen von Landesgesetzen, veröffentlichte Rechtsprechung, konsolidiertes Bundesrecht usw.
- Nein.
- Etwa Firmenbuch, Grundbuch und Ediktsdatei.
- Kundmachungen von Konkursen, Ausgleichen und Schuldenregulierungsverfahren in der Insolvenzdatei; In der Ediktsdatei werden alle Veröffentlichungen, die im Zusammenhang mit gerichtlichen Versteigerungen von Liegenschaften, Eigentumswohnungen, Baurechten und Superädifikaten stehen, vorgenommen.
- Wenn Kontaktinformation iZm Verkauf oder Dienstleistung an Kunden erhalten wurden; Wenn der Empfänger die evidente Möglichkeit hatte, Zusendungen bei der Erhebung von Kontaktinformation kostenfrei und problemlos abzulehnen; Wenn der Empfänger nicht in der ECG-Liste eingetragen ist.
- Grundsätzlich ist die Zusendung von Werbung nur mit Zustimmung des Empfängers zulässig (opt-in Prinzip). Wenn aufgrund des Gesetzes für eine Zusendung keine Zustimmung erforderlich ist, sind auch weitere Zusendungen erlaubt, bis der Empfänger weitere Zusendungen ausdrücklich ablehnt (opt-out Prinzip).
- Wenn rechtsgeschäftliche Willenserklärungen auf elektronischem Weg abgegeben werden können.
Aktuelle Entwicklungen
des Datenschutzrechts
Die Datenschutz-Grundverordnung [63] (vollständiger Titel: Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG) ist seit dem 25. Mai 2018 die Grundlage des allgemeinen Datenschutzrechts in der EU und Österreich https://www.dsb.gv.at/dam/jcr:5fc3b77f-d546-4609-aca0-e34035979549/DSGVO%20Leitfaden.pdf
Im Gegensatz zur alten Datenschutzrichtlinie ist die Datenschutz-Grundverordnung (kurz DSGVO) in Österreich unmittelbar anwendbar, sie enthält jedoch zahlreiche Öffnungsklauseln und lässt dem nationalen Gesetzgeber gewisse Spielräume. Zur Durchführung dieser Öffnungsklauseln und Spielräume wurden in Österreich (neben Anpassungen in zahlreichen Materiengesetzen) zwei Novellen des Datenschutzgesetzes (das „Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018“ und das „Datenschutz-Deregulierungs-Gesetz 2018“) beschlossen.
Das Datenschutzgesetz (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF., ist das geltende österreichische Datenschutzgesetz und ergänzt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Das Datenschutzgesetz wurde durch das Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 120/2017, stark verändert. Der Titel lautet nicht mehr "Datenschutzgesetz 2000" (DSG 2000), sondern nur noch "Datenschutzgesetz" (DSG). Die Änderungen sind sehr umfangreich, sodass fast alle Verweise auf Bestimmungen des DSG 2000 keine Gültigkeit mehr haben.
§ 1 des DSG ist als Verfassungsbestimmung ausgestaltet. Darin ist das Grundrecht auf Datenschutz normiert:
§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind.
Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen
1. das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden;
2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.
(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs. 3 sind nur unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig.
Die DSGVO und das DSG regeln insbesondere den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und den freien Datenverkehr.
Es gibt 7 allgemeine Grundsätze, die in der DSGVO normiert wurden:
- Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten Art. 5 DSGVO (Treu und Glauben, Rechtmäßigkeit, Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit, Speicherbegrenzung, Integrität und Vertraulichkeit) und Rechenschaftspflicht
- Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten
- Bedingungen für die Einwilligung
- Bedingungen für die Einwilligung eines Kindes in Bezug auf Dienste der Informationsgesellschaft
- Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten
- Verarbeitung von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verfolgung
- Verarbeitung, für die eine Identifizierung der betroffenen Person nicht erforderlich ist
Grundsätzlich dürfen Daten demnach nur nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verwendet werden. Der Zweck der Datenverwendung muss festgelegt, eindeutig und rechtmäßig sein. Zweck und Inhalt der Datenanwendung müssen von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sein.
Eine Weiterverwendung von Daten für einen anderen Zweck ist nicht zulässig.
Weiters müssen die Daten für den Zweck wesentlich sein und dürfen im Umfang nicht über den Zweck hinausgehen. Sie müssen sachlich richtig sein und müssen erforderlichenfalls berichtigt oder aktualisiert werden. Schließlich dürfen Daten auch nicht länger, als es für die Erreichung des Zwecks erforderlich ist, gespeichert werden.
Daten dürfen nur dann übermittelt werden, wenn sie rechtmäßig verarbeitet worden sind, und wenn die Übermittlung zu einem zulässigen Zweck an jemanden erfolgt, der diese Daten rechtmäßig verarbeiten darf.
Überdies dürfen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen desjenigen, auf den sich die Daten beziehen, nicht verletzt werden.
Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn
- zulässigerweise veröffentlichte Daten oder indirekt personenbezogene Daten verwendet werden,
- eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht,
- der Betroffene der Verwendung seiner Daten zugestimmt hat, wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist und die Unzulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten bewirkt, oder
- lebenswichtige Interessen des Betroffenen (zB seine medizinische Behandlung) die Verwendung erfordern, oder
- für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe ist, oder
- die Daten durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe verwendet werden, oder
- die Datenverwendung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen eines Dritten erforderlich ist, oder
- die Datenverwendung zur Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung zwischen Auftraggeber und Betroffenem erforderlich ist oder
- die Datenverwendung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde notwendig ist und die Daten rechtmäßig ermittelt wurden, oder
- die Datenverwendung ausschließlich die Ausübung einer öffentlichen Funktion durch den Betroffenen zum Gegenstand hat, oder
- die Datenverwendung im Katastrophenfall, soweit dies zur Hilfeleistung für die von der Katastrophe unmittelbar betroffenen Personen, zur Auffindung und Identifizierung von Abgängigen und Verstorbenen und zur Information von Angehörigen notwendig ist.
Einem noch strengeren Schutz unterliegen die sogenannten sensiblen Daten. Dazu gehören die Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben. Durch Verwendung solcher Daten werden schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen in der Regel verletzt, es sei denn, dass
- der Betroffene die Daten offenkundig selbst öffentlich gemacht hat, oder
- die Daten in nur indirekt personenbezogener Form verwendet werden, oder
- sich die Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung aus gesetzlichen Vorschriften ergibt, soweit diese der Wahrung eines wichtigen öffentlichen Interesses dienen, oder
- die Verwendung durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Amtshilfe geschieht, oder
- Daten verwendet werden, die ausschließlich die Ausübung einer öffentlichen Funktion durch den Betroffenen zum Gegenstand haben, oder
- Der Betroffene seine Zustimmung zur Verwendung der Daten ausdrücklich erteilt hat, wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist und die Unzulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten bewirkt, oder
- die Verarbeitung oder Übermittlung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen des Betroffenen notwendig ist und seine Zustimmung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, oder
- die Verwendung der Daten zur Wahrung lebenswichtiger Interessen eines anderen notwendig ist, oder
- die Verwendung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde notwendig ist und die Daten rechtmäßig ermittelt wurden oder
- die Verwendung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des Auftraggebers auf dem Gebiet des Arbeits- oder Dienstrechts Rechnung zu tragen, und sie nach besonderen Rechtsvorschriften zulässig ist, wobei die dem Betriebsrat nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zustehenden Befugnisse im Hinblick auf die Datenverwendung unberührt bleiben oder
- die Daten zum Zweck der Gesundheitsvorsorge, der medizinischen Diagnostik, der Gesundheitsversorgung oder -behandlung oder für die Verwaltung von Gesundheitsdiensten erforderlich ist, und die Verwendung dieser Daten durch ärztliches Personal oder sonstige Personen erfolgt, die einer entsprechenden Geheimhaltungspflicht unterliegen oder
- nicht auf Gewinn gerichtete Vereinigungen mit politischem, philosophischem, religiösem oder gewerkschaftlichem Tätigkeitszweck Daten, die Rückschlüsse auf die politische Meinung oder weltanschauliche Überzeugung natürlicher Personen zulassen, im Rahmen ihrer erlaubten Tätigkeit verarbeiten und es sich hierbei um Daten von Mitgliedern, Förderern oder sonstigen Personen handelt, die regelmäßig ihr Interesse für den Tätigkeitszweck der Vereinigung bekundet haben; diese Daten dürfen, sofern sich aus gesetzlichen Vorschriften nichts anderes ergibt, nur mit Zustimmung der Betroffenen an Dritte weitergegeben werden.
Es besteht daher kein Zweifel daran, dass ein Unternehmer personenbezogene Daten seiner Kunden speichern und verarbeiten darf, soweit dies für die Geschäftsbeziehung erforderlich ist.
Fraglich ist aber, ob ein Unternehmen seine Kundendaten gegen Entgelt anderen Unternehmen zur Verfügung stellen darf, damit das andere Unternehmen diese Daten dann für die Bewerbung eigener Produkte und Dienstleistungen verwendet.
Direktmarketing
Die Tätigkeit als Mittler zwischen Inhabern und Nutzern von Kunden- und Interessentendateien (Listbroking [64] ) ist den Adressverlagen und Direktmarketingunternehmen [65] vorbehalten.
Jene Gewerbetreibenden sind berechtigt, für ihre Tätigkeiten personenbezogene Daten aus öffentlich zugänglichen Informationen, durch Befragung der betroffenen Personen, aus Kunden- und Interessentendateisystemen Dritter oder aus Marketingdateisystemen anderer Adressverlage und Direktmarketingunternehmen zu ermitteln, soweit dies unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die Vorbereitung und Durchführung von Marketingaktionen Dritter einschließlich der Gestaltung und des Versands für Werbemitteln oder das Listbroking erforderlich und zulässig ist.
Soweit besondere Kategorien personenbezogener Daten betroffen sind, dürfen diese von den genannten Gewerbetreibenden verarbeitet werden, sofern ein ausdrückliches Einverständnis der betroffenen Person zur Verarbeitung dieser Daten für Marketingzwecke Dritter vorliegt. Die Ermittlung und Weiterverarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten aus Kunden- und Interessentendateisystemen Dritter auf Grund eines solchen Einverständnisses ist nur im nachgenannten Umfang und nur soweit zulässig, als der Inhaber des Dateisystems gegenüber dem Gewerbetreibenden schriftlich unbedenklich erklärt hat, dass die betroffenen Personen mit der Verarbeitung ihrer Daten für Marketingzwecke Dritter ausdrücklich einverstanden waren. Strafrechtlich relevante Daten dürfen von Gewerbetreibenden für Marketingzwecke nur oder bei Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung verarbeitet werden.
Soweit keine Einwilligung der betroffenen Personen zur Übermittlung ihrer Daten für Marketingzwecke Dritter vorliegt, dürfen die Gewerbetreibenden aus einem Kunden- und Interessentendateisystem eines Dritten nur die folgenden Daten ermitteln:
1. Namen,
2. Geschlecht,
3. Titel,
4. akademischer Grad,
5. Anschrift,
6. Geburtsdatum,
7. Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung und
8. Zugehörigkeit der betroffenen Person zu diesem Kunden- und Interessentendateisystem
Voraussetzung hierfür ist – soweit nicht die strengeren Bestimmungen über die Einwilligung Anwendung finden –, dass der Inhaber des Dateisystems dem Gewerbetreibenden gegenüber schriftlich unbedenklich erklärt hat, dass die betroffenen Personen in geeigneter Weise über die Möglichkeit informiert wurden, die Übermittlung ihrer Daten für Marketingzwecke Dritter zu untersagen, und dass keine Untersagung erfolgt ist.
Die Gewerbetreibenden dürfen für Marketingzwecke erhobene Marketinginformationen und -klassifikationen, die namentlich bestimmten Personen auf Grund von Marketinganalyseverfahren zugeschrieben werden, nur für Marketingzwecke verwenden und sie insbesondere an Dritte nur dann übermitteln, wenn diese unbedenklich erklären, dass sie diese Analyseergebnisse ausschließlich für Marketingzwecke verwenden werden.
Die betroffene Person kann jederzeit Auskunft verlangen, welche Daten über sie gespeichert sind, woher diese Daten stammen und wozu sie verwendet werden. Die Auskunft ist längstens binnen 8 Wochen zu erteilen. Eine Auskunft pro Jahr ist unentgeltlich zu erteilen. Bei Verletzung des Auskunftsrechtes kann eine Beschwerde [66] bei der Datenschutzkommission eingebracht werden.
Da die betroffene Person jederzeit die Verwendung ihrer Daten für Marketingzwecke untersagen kann, hat sie gegenüber Adressverlagen und Direktmarketingunternehmen einen Anspruch auf Löschung ihrer Daten. Die Löschung hat unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von einem Monat zu erfolgen.
Kommt ein Adressverlag und Direktmarketingunternehmen einem Löschungsbegehren nicht fristgerecht nach, kann der Anspruch auf dem Zivilrechtsweg [67] geltend gemacht werden.
E-Commerce
Das ECG [68] regelt einen rechtlichen Rahmen für bestimmte Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs. Es behandelt die Zulassung von Diensteanbietern, deren Informationspflichten, den Abschluss von Verträgen, die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern, das Herkunftslandprinzip und die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten im elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehr.
Auch die für das ECG Pate stehende E-Commerce-RL [69] wurde weder zwischenzeitlich geändert noch sind entsprechende Novellen in Aussicht.
Zur Bewertung der Umsetzung, der Anwendung und der Auswirkungen der E‑Commerce-RL liegt ein Bericht der Europäischen Kommission vor. Demzufolge hat die RL eine positive Wirkung auf den stetig zunehmenden elektronischen Geschäftsverkehr in Europa gehabt.
Die Umsetzung E-Commerce-RL war danach in den Mitgliedstaaten im Allgemeinen zufriedenstellend. Mit Ausnahme der Niederlande haben die Mitgliedstaaten beschlossen, die Richtlinie durch ein horizontales Gesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr umzusetzen, um einen möglichst klaren nationalen Rahmen zu schaffen. Einige Mitgliedstaaten haben in ihren innerstaatlichen Gesetzen zusätzliche Elemente aufgenommen, die nicht in der Richtlinie enthalten waren (wie etwa Verantwortlichkeit der Anbieter von Querverweisen (Links) und Suchmaschinen, Verfahren der Meldung und der Entfernung illegaler Inhalte, Anforderungen in Bezug auf die Eintragung von Diensteanbietern, Filterung, Verschlüsselung und Speicherung von Daten). Der Bericht hebt auch hervor, dass es durch die Richtlinie offenbar gelungen ist, die Zahl der Klagen vor Gericht und damit die Rechtsunsicherheiten insbesondere in Bezug auf die Verantwortlichkeit der Internet-Diensteanbieter zu verringern. Anscheinend hat die Richtlinie also erfolgreich zur Schaffung eines Rechtsrahmen beigetragen, der den Diensten der Informationsgesellschaft angemessen ist.
Bei allfälligen Nachfolgemaßnahmen zur E-Commerce-RL hat die Europäische Kommission ua in Aussicht gestellt, dass
- eine ordnungsgemäße Anwendung der Richtlinie gewährleistet wird;
- die Verwaltungszusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten gefördert wird;
- die Unternehmen und Bürger besser informiert und sensibilisiert werden.
des Steuerrechts: Ausblick
Um der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung zu tragen, wurde mit Wirkung vom 01.01.2020 eine Digitalsteuer eingeführt werden. Wie in verschiedenen anderen EU-Mitgliedstaaten soll mit dem Digitalsteuergesetz 2020 (DiStG 2020) [70] auch ein Beitrag zur Steigerung der Steuergerechtigkeit geleistet werden. Dabei sollen bestimmte Dienstleistungen der „digital economy“ mit Österreichbezug steuerlich erfasst werden. Der Vorschlag orientiert sich auch am Digital-Advertising-Tax-Vorschlag, der im März 2019 auf EU-Ebene nicht die Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten erzielen konnte. Die bisherige Werbeabgabe gemäß Werbeabgabegesetz 2000 erfasste bisher nur „klassische“ Werbung in Printmedien, Rundfunk und Fernsehen, auf Plakaten wie auch die sonstige Duldung der Benutzung von Flächen und Räumen zu Werbezwecken. Mit der Digitalsteuer soll nunmehr auch Onlinewerbung erfasst werden. Ziel des DiStG 2020 ist auch eine möglichst unkomplizierte Pauschalbesteuerung mit automatisierten Verfahren. Um möglichst flexibel auf neue Entwicklungen und Erfahrungen im Bereich der „digital economy“ reagieren zu können, soll der Bundesminister für Finanzen ermächtigt werden, im Verordnungsweg entsprechende Anpassungen vorzunehmen.
Der Beschluss des Digitalsteuergesetzes 2020 bringt eine 5%-ige Steuer auf Online-Werbeumsätze im Inland (sogenannte Digitalsteuer) mit sich. Unternehmen, die einen weltweiten Umsatz iHv mindestens EUR 750 Mio bzw einen jährlichen Umsatz aus Onlinewerbeleistungen iHv mindestens EUR 25 Mio generieren, sind hiervon betroffen. Die Einführung der Digitalsteuer stellt eine innerstaatliche Reaktion auf die Nicht-Einführung der digitalen Betriebsstätte auf europäischer Ebene dar.
Gleichzeitig bringt das AbgÄG 2020 [71] Änderungen im Umsatzsteuergesetz (UStG), wie die Streichung der Umsatzsteuerbefreiung für die Einfuhr von Kleinsendungen unter einem Wert von EUR 22, Sonderregelungen für den Einfuhr-Versandhandel bei Waren, deren Einzelwert je Sendung EUR 150 nicht übersteigt sowie detaillierte Aufzeichnungspflichten für Online-Versandhändler, mit sich.
Darüber hinaus wird das EU-Meldepflichtgesetz neu eingeführt. Dieses zielt darauf ab, potenziell aggressive, grenzüberschreitende Steuermodelle zu unterbinden bzw gegen Steuervermeidung sowie -hinterziehung vorzugehen.
Wiederholungsfragen
- Welche Nachfolgerregelung folgte auf die Datenschutzrichtlinie?
- Welchen wesentlichen Unterschied birgt die Neuregelung im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit?
- Nennen Sie drei Grundsätze der DSGVO.
- Unter welchen Voraussetzungen dürfen personenbezogene Daten von Gewerbetreibenden verarbeitet werden?
- Innerhalb welcher Frist sind die Daten von Betroffenen zu löschen, wenn diese die Nutzung untersagen? Welche Option besteht bei Nichtlöschung?
- Was wird mit ECG abgekürzt und welche Regelungen beinhaltet dieses Gesetz?
- Welche Rechtsfolgen sind mit der künftigen Einführung des Digitalsteuergesetz 2020 verbunden?
Lösungen
- Auf die Datenschutzrichtlinie folgte die Datenschutz-Grundverordnung (kurz DSGVO).
- Im Gegensatz zur alten Datenschutzrichtlinie ist die Datenschutz-Grundverordnung (kurz DSGVO) in Österreich unmittelbar anwendbar, sie enthält jedoch zahlreiche Öffnungsklauseln und lässt dem nationalen Gesetzgeber gewisse Spielräume.
- (1) Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten Art. 5 DSGVO (Treu und Glauben, Rechtmäßigkeit, Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit, Speicherbegrenzung, Integrität und Vertraulichkeit, )Rechenschaftspflicht; (2) Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten (3) Bedingungen für die Einwilligung (4) Bedingungen für die Einwilligung eines Kindes in Bezug auf Dienste der Informationsgesellschaft (5) Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (6) Verarbeitung von personenbezogener Daten über strafrechtliche Verfolgung (7) Verarbeitung, für die eine Identifizierung der betroffenen Person nicht erforderlich ist.
- Bei ausdrücklichem Einverständnis der betroffenen Person zur Verarbeitung ihrer Daten für Marketingzwecke Dritter.
- Da die betroffene Person jederzeit die Verwendung ihrer Daten für Marketingzwecke untersagen kann, hat sie gegenüber Adressverlagen und Direktmarketingunternehmen einen Anspruch auf Löschung ihrer Daten. Die Löschung hat unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von einem Monat zu erfolgen.Kommt ein Adressverlag und Direktmarketingunternehmen einem Löschungsbegehren nicht fristgerecht nach, kann der Anspruch auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht werden.
- Damit wird das E-Commerce-Gesetz abgekürzt. Dieses bietet einen rechtlichen Rahmen für bestimmte Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs.
- Ziel des DiStG 2020 ist auch eine möglichst unkomplizierte Pauschalbesteuerung mit automatisierten Verfahren. Um möglichst flexibel auf neue Entwicklungen und Erfahrungen im Bereich der „digital economy“ reagieren zu können, soll der Bundesminister für Finanzen ermächtigt werden, im Verordnungsweg entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Der Beschluss des Digitalsteuergesetzes 2020 bringt eine 5%-ige Steuer auf Online-Werbeumsätze im Inland (sogenannte Digitalsteuer) mit sich.
Bydlinski, Grundzüge des Privatrechts, 2020, 11. Auflage;
Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 2020, 6. Auflage; zitiert als [Autor] in KBB, § ..., Rz ...;
Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht, Band I, 2018, 15. Auflage;
Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II, 2015, 14. Auflage;
Holzhammer/Roth, Bürgerliches Recht mit Internationalem Privatrecht, 2004, 6. Auflage;
Zöchling-Jud/Aspöck, Internationales Privatrecht, 2015, 3. Auflage.
- ↑ Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz), BGBl Nr 304/1978, zuletzt geändert durch Bundesgesetz, BGBl I Nr 72/2019.
- ↑ Zur historischen Entwicklung des Internationale Privatrechts siehe etwa Zöchling-Jud/Aspöck, Internationales Privatrecht.
- ↑ Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz), BGBl Nr 304/1978, zuletzt geändert durch Bundesgesetz, BGBl I Nr 72/2019.
- ↑ Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980.
- ↑ Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 17. Juni 2008
- ↑ Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 11. Juli 2007.
- ↑ Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts vom 20. Dezember 2010.
- ↑ Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 04.07.2012.
- ↑ Die Begriffe der Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft beziehen sich auf Menschen, die zu einem Staat in einer besonderen Rechtsbeziehung stehen. Dabei ist der Begriff der Staatsangehörigkeit ein völkerrechtlicher und ein im internationalen Kontext der gebräuchlicher. Der Begriff der Staatsbürgerschaft ist ein Begriff der sich aus dem österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz ergibt und der im Wesentlichen „österreichische Staatsangehörige“ erfasst. In Rechtsvorschriften werden daher Österreicher regelmäßig als (österreichische) Staatsbürger und beispielsweise Italiener als (italienische) Staatsangehörige bezeichnet.
- ↑ Das zentrale für Österreich geltende internationale Übereinkommen ist Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, (= Genfer Flüchtlingskonvention – GFK). Danach ist als Flüchtling insbesondere anzusehen, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren. Obzwar solche Flüchtlinge an sich (meist) eine Staatsangehörigkeit aufweisen, ist es ihnen aufgrund der in ihrem Heimatstaat gegen sie bestehenden Verfolgungsgefahr nicht zumutbar sich dem Schutz des Heimatstaates zu unterstellen. Diese Wertung übernimmt das IPR-Gesetz und bestimmt das Personalstatut von Flüchtlingen nach dem Recht des Staates ihres Wohnsitzes, mangels eines solchen nach dem Recht des Staates ihres Aufenthaltes.
- ↑ Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht.
- ↑ Für Österreich regelt § 16 ABGB: „Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet.“
- ↑ Für Österreich gilt entsprechend den §§ 22f ABGB, dass bis zu seiner Geburt ein bereits Gezeugter – der Nasciturus – bedingt und beschränkt rechtsfähig ist. Seine Rechtsfähigkeit ist bedingt durch seine spätere Lebendgeburt. Und insoweit beschränkt, dass es nur um seine Rechte, nicht jedoch Pflichten, geht. Diese sog. Teilrechtsfähigkeit beginnt ab der Verschmelzung von Samen und Eizelle, sodass grundsätzlich bereits ein in vitro fertilisierter Embryo unter diese Einschränkung geschützt ist. Siehe dazu Koch in KBB, §§ 22-23.
- ↑ So ist etwa auch die Verleihung von Teilrechtsfähigkeit denkbar. Darunter versteht man im Unterschied zur Vollrechtsfähigkeit, dass einer Person von Vornherein nur einzelne Rechte und Pflichten zugewiesen sind.
- ↑ Die Geschäftsfähigkeit ist die rechtliche Fähigkeit sich durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln zu berechtigen oder zu verpflichten. Das 2. ErwSchG brachte Änderungen bzgl der Handlungsfähigkeit, speziell der Geschäftsfähigkeit, und einige Erneuerungen und neue Definitionen mit sich, die über Umformulierungen hinausgehen. Vgl hierzu § 24 ABGB.
- ↑ Die Deliktsfähigkeit erfasst die Fähigkeit aus eigenem rechtswidrigen Verhalten schadenersatzpflichtig zu werden.
- ↑ Siehe etwas Holzhammer/Roth, Bürgerliches Recht mit Internationalem Privatrecht, 432f.
- ↑ Gewillkürte Stellvertretung ist eine freiwillig durch Rechtsgeschäft zwischen Geschäftsherrn (dem Vertretenen) und Stellvertreter (dem Vertreter) eingeräumte Vertretungsmacht (Vollmacht). Siehe dazu die §§ 1002ff ABGB. Das zivilrechtliche Institut der gewillkürten Stellvertretung begründet im Außenverhältnis, also gegenüber Dritten, die Befugnis des Vertreters für den Geschäftsherrn zu handeln und unmittelbar den Geschäftsherrn (und nicht sich selbst) rechtsgeschäftlich zu berechtigen und zu verpflichten. Im Außenverhältnis – und nur dieses regelt die Stellvertretung – ist die Stellvertretung ein rechtliches Dürfen. Davon ist das Innenverhältnis, also das Verhältnis zwischen Vertreter und Geschäftsherrn zu unterscheiden. Im Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem kann ein Auftrag, eine Ermächtigung oder eine andere rechtliche Beziehung, etwa ein Dienstvertrag vorliegen. Aus dem Innenverhältnis kann sich für den Vertreter auch ein rechtliches Müssen ableiten lassen. Die Regelung des § 49 IPR-G knüpft wiederum an den Fall der grenzüberschreitenden gewillkürter Stellvertretung, somit an das Außenverhältnis an.
- ↑ Unter Schuldverhältnissen versteht man die Summe der zwischen konkreten Parteien bestehenden Rechte und Pflichten. Haben diese Rechte und Pflichten ihre Grundlage in gesetzlichen Regelungen, dann spricht man von gesetzlichen Schuldverhältnissen (zB: Bereicherungsrecht, Schadenersatzrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Gläubigeranfechtung). Entstehen diese Rechte und Pflichten aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarung, dann spricht man von vertraglichen Schuldverhältnissen (zB Kauf, Tausch, Schenkung, Verwahrungsvertrag, Leihe, Darlehen, Auftrag, Trödelvertrag, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag).
- ↑ Das EVÜ wurde am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegt und betraf das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und dem Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof. Es war ein völkerrechtlicher Vertrag, dessen Unterzeichnung jedoch lediglich den Mitgliedsstaaten der damaligen Europäischen (Wirtschafts-)Gemeinschaft offen stand. Österreich trat diesem Vertrag später bei (siehe BGBl III Nr 166/1998). Anlässlich der Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages beschloss der Nationalrat, dass dieses Übereinkommen durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist. Die Transformation erfolgte dann durch die Regelung des § 53 Abs 2 IPR-G (idF BGBl I Nr 18/1999) welche besagt, dass das EVÜ „unmittelbar anzuwenden ist“.
- ↑ BGBl Nr 138/1961.
- ↑ BGBl Nr 225/1985 zuletzt geändert durch BGBl III Nr 107/2021.
- ↑ BGBl Nr 286/1961 idF BGBl III Nr 87/2000.
- ↑ RGBl Nr 33/1913.
- ↑ BGBl Nr 204/1966 idF BGBl Nr 247/1979.
- ↑ BGBl Nr 289/1932.
- ↑ BGBl Nr 47/1959.
- ↑ BGBl Nr 96/1988,
- ↑ Verordnung Nr 593/2008 vom 17. Juni 2009 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl L Nr 177 vom 4.7.2008, 6ff.
- ↑ Verordnung Nr 864/2007 vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl L Nr 199 vom 31.7.2007, 40ff.
- ↑ Zöchling-Jud/Aspöck, Internationales Privatrecht3.
- ↑ Siehe dazu die Begründung des Vorschlages für eine Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), KOM (2005) 650 endgültig, vom 15.12.2005, 3.
- ↑ Der Begriff des Vertragsstatuts steht für das auf den Vertrag anzuwendende Recht.
unterliegen dabei insbesondere Haftungshöchstgrenze, Ersatzfähigkeit materieller und ideeller Schäden sowie die Form der Wiedergutmachung. - ↑ Erlöschensarten können beispielsweise ein Vergleich, ein Anerkenntnis, ein Verzicht oder Schulderlass oder eine Kündigung sein.
- ↑ Rechtsakte sind nichtig, wenn sie derart mit Mängeln behaftet sind, dass sie von Anfang an keinerlei Rechtswirkungen entfalten. Je nach der Schwere der Mängel mit denen der Rechtsakt behaftet ist, ist zwischen absoluter und relativer Nichtigkeit zu unterscheiden. Bei relativ nichtigen Rechtsakten muss die Mangelhaftigkeit geltend gemacht werden, wodurch der Rechtsakt in weiterer Folge beseitigt werden kann.
- ↑ Bei reinen Inlandssachverhalten ist eine Rechtswahlmöglichkeit lediglich hinsichtlich der nicht-zwingenden Rechtsvorschriften eröffnet – oder maW – können lediglich die dispositiven Rechtsvorschriften „abgewählt“ werden. Siehe dazu Art 3 Abs 3 Rom I-VO, der lautet: „Sind alle anderen Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt der Rechtswahl in einem anderen als demjenigen Staat belegen, dessen Recht gewählt wurde, so berührt die Rechtswahl der Parteien nicht die Anwendung derjenigen Bestimmungen des Rechts dieses anderen Staates, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann.“.
- ↑ Siehe dazu etwa § 863 ABGB.
- ↑ Etwa ein grundbücherlich einverleibtes Pfandrecht an einer Liegenschaft.
- ↑ Der Franchisevertrag ist kein gesetzlich geregelter Vertragstypus; er beruht auf dem Prinzip der Vertragsfreiheit. Beim Franchising stellt regelmäßig ein Franchisegeber einem Franchisenehmer die Nutzung eines Geschäftskonzeptes gegen Entgelt zur Verfügung. Bei den verschiedenen Franchisekonzepten können etwa Produktionsfranchising, wo die die Produktion und der Absatz einer bestimmten Warengruppe oder einzelner Waren Teil des Franchisevertrages ist, oder Vertriebsfranchising unterschieden werden.
- ↑ Vgl etwa in Österreich das Konsumentenschutzgesetz.
- ↑ Gemäß Art 7 Abs 3 Rom I-VO ist die Rechtswahlmöglichkeit auf folgende Möglichkeiten beschränkt:
- ↑ Zur Zession siehe allgemein §§ 1192ff ABGB sowie Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 (2015) 535ff.
- ↑ Siehe § 1346 Abs 2 ABGB.
- ↑ Siehe § 2 Notariatsordnung (NO), RGBl Nr 75/1871 zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl I Nr 86/2021.
- ↑ RV 322 BlgNR 24. GP, Erl zu Z 2 (§ 35).
- ↑ Zur vertragscharakteristischen Leistung siehe Grundsatz der freien Rechtswahl.
- ↑ Siehe etwa die Begründung des Vorschlages für eine Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM (2003) 427 endgültig, vom 22.07.2003, 5ff.
- ↑ Im Prinzip handhabt die Rom II-VO also genauso wie die Rom I‑VO die Frage, was denn nun gelten soll, wenn auf einen Sachverhalt mit Auslandsbeziehung sowohl die Kollisionsregeln der jeweiligen Rom-VO oder eines internationalen Übereinkommens einschlägig wären. Zur Rom I-VO siehe die Ausführungen unter Beförderungsverträge
- ↑ Siehe den 11. Erwägungsgrund der Rom II-VO.
- ↑ In diesem Zusammenhang regelt etwa Art 2 Rom II-VO den Begriff des Schadens und hält fest, dass der Begriff des Schadens im Sinne der Verordnung sämtliche Folgen einer unerlaubten Handlung, einer ungerechtfertigten Bereicherung, einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen umfasst.
- ↑ Siehe den 21. Erwägungsgrund der Rom II-VO.
- ↑ Zöchling-Jud/Aspöck, Internationales Privatrecht.
- ↑ Siehe den 24. Erwägungsgrund der Rom II-VO.
- ↑ Siehe § 1 Urheberrechtsgesetz.
- ↑ Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004, BGBl I Nr 100/2003, RV 93 sowie AB 243 BlgNR 22. GP.
- ↑ § 8 BGBlG lautet:
- ↑ Besser wäre hier eine maskierte Suche mit „Nachfrist angemess*“, da in diesem Fall jede Deklination des Wortes „angemessen“ gefunden wird.
- ↑ Siehe § 5 Abs 1 E-Commerce-Gesetz.
- ↑ § 109 Abs 3 TKG.
- ↑ Es gibt auch nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen, die den Erklärenden bereits mit der Abgabe binden (z.B. Auslobung).
- ↑ § 10 Abs 2 E-Commerce-Gesetz.
- ↑ § 11 Abs 1 Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz.
- ↑ Verordnung (EU) 2016/679 abrufbar als PDF-Dokument unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0679&from=DE.
- ↑ Listbroker (Adressbroker) sind Unternehmen beziehungsweise Makler, die Adressen von Unternehmen und Privatpersonen verleihen oder verkaufen. Ein Listbroker verfügt über Marktkenntnisse und vielfältige Kontakte zu Unternehmen, die bereit sind, ihren Adressbestand für Werbezwecke zur Verfügung zu stellen.
- ↑ § 151 GewO
- ↑ § 31 DSG 2000
- ↑ § 32 DSG
- ↑ Bundesgesetz, mit dem bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt werden (E-Commerce-Gesetz - ECG), BGBl I Nr 152/2001; zuletzt geändert durch BGBl I Nr 148/2020.
- ↑ Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl L Nr 178 vom 17.Juli 2000, S. 1.
- ↑ Digitalsteuergesetz 2020 (DiStG 2020), StF: BGBl. I Nr. 91/2019
- ↑ Abgabenänderungsgesetz 2020 – AbgÄG 2020, BGBl. I Nr. 91/2019