Management und Organisation - Organisation: Unterschied zwischen den Versionen
(Die Seite wurde neu angelegt: „<span id="organisation-was-ist-das"></span> = „Organisation“ – was ist das? = Kreisky meinte bei einer öffentlichen Diskussion zu seinem Gesprächspartner „Lernen Sie Geschichte!“<br /> Ganz abgesehen davon, dass er als Elder Statesman sich gewisse Äußerungen leisten konnte, stecken da ein paar tiefer gehende Ideen dahinter:<br /> 1.) Es deutet auf den akademischen Gedanken hin – und die AbsolventInnen dieser Lehrveranstaltungen wollen sch…“) |
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Kreisky meinte bei einer öffentlichen Diskussion zu seinem Gesprächspartner „Lernen Sie Geschichte!“<br | Kreisky meinte bei einer öffentlichen Diskussion zu seinem Gesprächspartner „Lernen Sie Geschichte!“<br> | ||
Ganz abgesehen davon, dass er als Elder Statesman sich gewisse Äußerungen leisten konnte, stecken da ein paar tiefer gehende Ideen dahinter:<br | Ganz abgesehen davon, dass er als Elder Statesman sich gewisse Äußerungen leisten konnte, stecken da ein paar tiefer gehende Ideen dahinter:<br> | ||
1.) Es deutet auf den akademischen Gedanken hin – und die | 1.) Es deutet auf den akademischen Gedanken hin – und die Absolvent*innen dieser Lehrveranstaltungen wollen schließlich einen akademischen Titel. Daher sollten sie auch akademisch agieren bzw. denken.<br> | ||
Was bedeutet eigentlich „akademisch“? Hier braucht es einen kleinen Ausflug in die Philosophie, genauer ins alte Griechenland, so etwa vor 2.500 Jahren.<br | Was bedeutet eigentlich „akademisch“? Hier braucht es einen kleinen Ausflug in die Philosophie, genauer ins alte Griechenland, so etwa vor 2.500 Jahren.<br> | ||
Der griechische Philosoph Platon kaufte im Jahr 388 v.Chr. einen Garten am Fuße der Akropolis in Athen, der nach dem griechischen Helden Akademos benannt war. Dort pflegte er mit seinen Freunden und Kollegen herumzugehen und zu philosophieren (weil man beim Gehen rechte und linke Gehirnhälfte ausgleichen kann – daraus entstand später die „peripatetische Schule“ von Aristoteles, dem Schüler Platons). Nach einiger Zeit tauchte das Problem auf, dass man allen neu hinzukommenden Schülern immer zuerst all das erklären musste, was man gemeinsam schon ausführlich diskutiert hatte – sonst konnten sie nicht mitreden, weil ihnen das Vorwissen fehlte.<br | Der griechische Philosoph Platon kaufte im Jahr 388 v.Chr. einen Garten am Fuße der Akropolis in Athen, der nach dem griechischen Helden Akademos benannt war. Dort pflegte er mit seinen Freunden und Kollegen herumzugehen und zu philosophieren (weil man beim Gehen rechte und linke Gehirnhälfte ausgleichen kann – daraus entstand später die „peripatetische Schule“ von Aristoteles, dem Schüler Platons). Nach einiger Zeit tauchte das Problem auf, dass man allen neu hinzukommenden Schülern immer zuerst all das erklären musste, was man gemeinsam schon ausführlich diskutiert hatte – sonst konnten sie nicht mitreden, weil ihnen das Vorwissen fehlte.<br> | ||
Daher entschloss sich Platon, die wichtigsten Gedanken aufzuschreiben. Die künftigen Mitglieder der Akademie mussten diese Schriften zuerst lesen und durften erst dann mitreden. Wer sich das Wissen angeeignet hatte, bekam den Status des „Akademakoi“ (Akademikers) und war von nun an vollwertiges Mitglied der Akademie.<br | Daher entschloss sich Platon, die wichtigsten Gedanken aufzuschreiben. Die künftigen Mitglieder der Akademie mussten diese Schriften zuerst lesen und durften erst dann mitreden. Wer sich das Wissen angeeignet hatte, bekam den Status des „Akademakoi“ (Akademikers) und war von nun an vollwertiges Mitglied der Akademie.<br> | ||
Die Akademie bestand insgesamt 800 Jahre lang. Ob das die Fern-FH auch schafft? Egal, es geht darum, was wir von den alten Griechen lernen können, das uns heute weiter hilft. Einen Punkt gäbe es durchaus: Lernen wir Geschichte! Versuchen wir uns das Wertvolle aus dem zu holen, was andere bereits gedacht und entwickelt haben.<br | Die Akademie bestand insgesamt 800 Jahre lang. Ob das die Fern-FH auch schafft? Egal, es geht darum, was wir von den alten Griechen lernen können, das uns heute weiter hilft. Einen Punkt gäbe es durchaus: Lernen wir Geschichte! Versuchen wir uns das Wertvolle aus dem zu holen, was andere bereits gedacht und entwickelt haben.<br> | ||
2.) Die zweite Idee besteht darin, uns die Geschichte von „Organisation“ näher anzusehen, also zu lernen, warum und wie sie entstanden ist, sich entwickelt hat. Das würde als spannenden Nebeneffekt die Erkenntnis über Möglichkeiten und Grenzen von Organisation bringen, uns sozusagen einen Rahmen liefern, innerhalb dessen wir planen, agieren... managen können. Wäre das nicht wertvoll? Platon würde leise applaudieren und sich ein Achterl Rotwein gönnen. Es ist eigentlich nicht schwer: Die Menschen haben bisher nur zwei sich grundlegend voneinander unterscheidende Organisationsformen erfunden: Hierarchie und Gruppe. Was uns heute als Kultur, Zivilisation und Fortschritt vorliegt, ist das Ergebnis von Organisation, von Hierarchie, von Funktionsspezialisierung und Arbeitsteilung. Der allenthalben ausgebrochene Zweifel an Fortschritt und Zivilisation, Technik und Spezialistentum hängt auch mit einer Hierarchie- und Organisationskrise zusammen. Wir sind heute vor Globalprobleme gestellt, denen gegenüber unsere spezialistisch organisierte Arbeitsteilung versagt. Hierarchien können sich angesichts dessen entweder einigen und vor komplexeren Aufgaben resignieren oder neue Organisationsformen ausprobieren. Interessanterweise greifen diese Versuche immer wieder auf Gruppen zurück. Eine weltgeschichtliche | 2.) Die zweite Idee besteht darin, uns die Geschichte von „Organisation“ näher anzusehen, also zu lernen, warum und wie sie entstanden ist, sich entwickelt hat. Das würde als spannenden Nebeneffekt die Erkenntnis über Möglichkeiten und Grenzen von Organisation bringen, uns sozusagen einen Rahmen liefern, innerhalb dessen wir planen, agieren... managen können. Wäre das nicht wertvoll? Platon würde leise applaudieren und sich ein Achterl Rotwein gönnen. Es ist eigentlich nicht schwer: Die Menschen haben bisher nur zwei sich grundlegend voneinander unterscheidende Organisationsformen erfunden: Hierarchie und Gruppe. Was uns heute als Kultur, Zivilisation und Fortschritt vorliegt, ist das Ergebnis von Organisation, von Hierarchie, von Funktionsspezialisierung und Arbeitsteilung. Der allenthalben ausgebrochene Zweifel an Fortschritt und Zivilisation, Technik und Spezialistentum hängt auch mit einer Hierarchie- und Organisationskrise zusammen. Wir sind heute vor Globalprobleme gestellt, denen gegenüber unsere spezialistisch organisierte Arbeitsteilung versagt. Hierarchien können sich angesichts dessen entweder einigen und vor komplexeren Aufgaben resignieren oder neue Organisationsformen ausprobieren. Interessanterweise greifen diese Versuche immer wieder auf Gruppen zurück. Eine weltgeschichtliche „Nostalgie“? Fast muss man den Eindruck haben, beobachtet man etwa den Ethnologie-Boom der letzten Jahre, wo Stammeskulturen – weitgehend unorganisiert, wenn man von geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung absieht – zu neuer Anerkennung gekommen sind.<br> | ||
Dies überrascht nicht. Durch die ganze Geschichte lässt sich beobachten, dass gegen Hierarchien und Organisationen immer wieder das Gruppenprinzip aktiviert wurde. Die Geschichte der Revolutionen ist eine Geschichte von Gruppen; deshalb fiel es immer so schwer, aus Revolutionen wieder einen | Dies überrascht nicht. Durch die ganze Geschichte lässt sich beobachten, dass gegen Hierarchien und Organisationen immer wieder das Gruppenprinzip aktiviert wurde. Die Geschichte der Revolutionen ist eine Geschichte von Gruppen; deshalb fiel es immer so schwer, aus Revolutionen wieder einen „Staat“ zu bauen: Entweder blieben die Revolutionäre vor allem emotional ihren Gruppen verbunden und kämpften dann gewissermaßen gegen sich selbst und ihre eigene neue Funktion als „Staatsdiener“, oder sie werden zu solchen und polarisieren ihre ehemaligen Anhänger.<br> | ||
Von Anbeginn und grundsätzlich befinden sich Hierarchie und Gruppe in einer ständigen Gegnerschaft, die manchmal latent und befriedet ist, manchmal offen ausbricht (griffige Beispiele dafür wären etwa Abteilungsegoismus gegen Gesamtunternehmen, Familie gegen Schule, Banden gegen öffentliche Ordnung, | Von Anbeginn und grundsätzlich befinden sich Hierarchie und Gruppe in einer ständigen Gegnerschaft, die manchmal latent und befriedet ist, manchmal offen ausbricht (griffige Beispiele dafür wären etwa Abteilungsegoismus gegen Gesamtunternehmen, Familie gegen Schule, Banden gegen öffentliche Ordnung, „Freunderlwirtschaft“ und Geheimbünde gegen offizielle Strukturen). Dass auch im Projektmanagement auf das Gruppenprinzip zurückgegriffen wird, ist historisch nicht zufällig. Zugleich wissen wir, dass es trotz aller romantisch-utopischen Wünsche und Vorstellungen unmöglich ist, unsere Organisationen und Hierarchien abzuschaffen. Man kann sagen: Wo mehr als 15 Personen eine gemeinsame Aufgabe erledigen wollen oder müssen, braucht es Organisation. Da wir keine andere Organisationsform als die hierarchische kennen, läuft es stets auf ebendiese hinaus. Es wurde versucht, Unterformen bzw. Sonderformen (Stab-Linien-Organisation, Matrix-Organisation) zu erfinden, diese haben sich auch teilweise bewährt, die Grundprinzipien bleiben jedoch stets die gleichen<br> | ||
Wir sind also heute vor die Aufgabe gestellt, die Vorteile der Gruppe mit der Notwendigkeit der Hierarchie zu vereinen und zugleich mit den durch diese Vereinigung auftretenden Widersprüchen fertig zu werden. Ein wenig erinnert das an die Quadratur des Kreises, jedenfalls müssen – soll dieses Unterfangen nicht zu einer Überforderung führen – zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden; man kann Gruppe und Organisation nicht einfach additiv verbinden. Um Gruppen mit Erfolg in Organisationen zu verankern, muss man über ihre Vorteile, aber auch über ihre Grenzen Bescheid wissen, vor allem muss man auch wissen, unter welchen Bedingungen Gruppen | Wir sind also heute vor die Aufgabe gestellt, die Vorteile der Gruppe mit der Notwendigkeit der Hierarchie zu vereinen und zugleich mit den durch diese Vereinigung auftretenden Widersprüchen fertig zu werden. Ein wenig erinnert das an die Quadratur des Kreises, jedenfalls müssen – soll dieses Unterfangen nicht zu einer Überforderung führen – zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden; man kann Gruppe und Organisation nicht einfach additiv verbinden. Um Gruppen mit Erfolg in Organisationen zu verankern, muss man über ihre Vorteile, aber auch über ihre Grenzen Bescheid wissen, vor allem muss man auch wissen, unter welchen Bedingungen Gruppen „gedeihen“ und damit arbeitsfähig sind. Umgekehrt muss man sich mit Hierarchie bzw. Organisation besser auskennen und begreifen, wieso sie immer wieder „natürlicher Feind“ von Gruppen ist. | ||
<span id="menschheits--und-individualgeschichtliche-bedingungen"></span> | <span id="menschheits--und-individualgeschichtliche-bedingungen"></span> | ||
== Menschheits- und individualgeschichtliche Bedingungen == | == Menschheits- und individualgeschichtliche Bedingungen == | ||
Mehrere Millionen Jahre haben Menschen bzw. ihre Vorfahren in überschaubaren Kleingruppenformationen (Stämmen, Horden) ohne viel gegenseitige Berührung gelebt. Organisationen, Staaten, | Mehrere Millionen Jahre haben Menschen bzw. ihre Vorfahren in überschaubaren Kleingruppenformationen (Stämmen, Horden) ohne viel gegenseitige Berührung gelebt. Organisationen, Staaten, „Hochkulturen“ dagegen gibt es erst seit etwa 10.000 Jahren. Menschheitsgeschichtlich stehen einander also zwei sehr unterschiedliche Zeiträume an Verhaltensprägung gegenüber.<br> | ||
Der Zeitraum für die Entwicklung angemessener Verhaltensweisen für das Leben in Organisationen ist relativ kurz. Obwohl wir funktionale Notwendigkeiten einsehen können und auch über Organisationswissen verfügen, dürfte unser eigentliches, vor allem emotional bestimmtes Handeln und Verhalten noch weitgehend von den Prägungen der ersten, ausschließlich gruppenbezogenen Entwicklungsphase beeinflusst sein. Jedenfalls ist zu beobachten, dass wir in Kleingruppenformationen über eine stärker ausgeprägte Orientierungs- und Entscheidungssicherheit verfügen. Für Abstraktes sind wir evolutionär nicht ausgerüstet; um uns zu orientieren, brauchen wir die sinnliche Wahrnehmung. In Gruppen ist die Kommunikation von allen überschaubar, man agiert „Face to | Der Zeitraum für die Entwicklung angemessener Verhaltensweisen für das Leben in Organisationen ist relativ kurz. Obwohl wir funktionale Notwendigkeiten einsehen können und auch über Organisationswissen verfügen, dürfte unser eigentliches, vor allem emotional bestimmtes Handeln und Verhalten noch weitgehend von den Prägungen der ersten, ausschließlich gruppenbezogenen Entwicklungsphase beeinflusst sein. Jedenfalls ist zu beobachten, dass wir in Kleingruppenformationen über eine stärker ausgeprägte Orientierungs- und Entscheidungssicherheit verfügen. Für Abstraktes sind wir evolutionär nicht ausgerüstet; um uns zu orientieren, brauchen wir die sinnliche Wahrnehmung. In Gruppen ist die Kommunikation von allen überschaubar, man agiert „Face to face“. Die Möglichkeit dazu ist an eine begrenzte Zahl von Teilnehmer*innen gebunden; wo mehr als 15 Teilnehmer*innen in einem Verband zusammen sind, kann man nicht mehr von Gruppe reden. Es ist zu beobachten, dass es spätestens ab dieser Größe zu Gruppenteilungen kommt oder ein hierarchisches System etabliert wird. In Organisationen dagegen wird indirekt, das heißt über Vermittlungsinstanzen, Zwischenträger, Relaisstationen kommuniziert – eine ständige Quelle von Verunsicherung für Personen und Fehlern in der Sache, aber auch die bisher einzige Möglichkeit, eine große Menge von Menschen für ein gemeinsames Ziel zu organisieren.<br> | ||
Hinzu kommt, dass in fast allen uns bekannten Organisationen das hierarchische System dominiert, weshalb wir die Begriffe Organisation und Hierarchie oft synonym gebrauchen können. Hierarchie verteilt die Kompetenzen derart, dass die Mehrheit der Menschen mit Organisationsaufgaben wenig zu tun bekommt; in agrarisch-feudalen Systemen kann deshalb die Kleingruppenstruktur ungefährdet fortgesetzt werden ( | Hinzu kommt, dass in fast allen uns bekannten Organisationen das hierarchische System dominiert, weshalb wir die Begriffe Organisation und Hierarchie oft synonym gebrauchen können. Hierarchie verteilt die Kompetenzen derart, dass die Mehrheit der Menschen mit Organisationsaufgaben wenig zu tun bekommt; in agrarisch-feudalen Systemen kann deshalb die Kleingruppenstruktur ungefährdet fortgesetzt werden („Großfamilien“, die in Dorfgemeinschaften nebeneinander leben und erst ansatzweise Intergruppenverbindungen eingehen). Diese Situation ändert sich radikal mit der Macht der Städte und des Bürgertums sowie der „Ehe“ von Wirtschaft und Wissenschaft.<br> | ||
Individualgeschichtlich bietet sich ein ähnliches Bild. Unsere primäre Verhaltensbildung und Erziehung vollzieht sich wiederum in Kleingruppenformationen (Familie, Freundeskreis, Schulklasse, Sportverein etc.). Obwohl die Schule eigentlich die Aufgabe hätte, ins politisch-organisatorische Leben einzuführen, entzieht sie sich dieser Aufgabe und konkurriert mit den Eltern um familienähnliche Strukturen. Von institutioneller Erziehung ist weit und breit nichts zu sehen. Jugendliche treten in den „Ernst des | Individualgeschichtlich bietet sich ein ähnliches Bild. Unsere primäre Verhaltensbildung und Erziehung vollzieht sich wiederum in Kleingruppenformationen (Familie, Freundeskreis, Schulklasse, Sportverein etc.). Obwohl die Schule eigentlich die Aufgabe hätte, ins politisch-organisatorische Leben einzuführen, entzieht sie sich dieser Aufgabe und konkurriert mit den Eltern um familienähnliche Strukturen. Von institutioneller Erziehung ist weit und breit nichts zu sehen. Jugendliche treten in den „Ernst des Lebens“– und das heißt in die Wirklichkeit von Organisationen – erst ein, wenn ihre primäre, emotionale Verhaltensbildung schon weitgehend abgeschlossen ist. Der individualgeschichtliche Erwerb von Bewegungs- und Handlungssicherheiten in dieser ersten Lebensetappe bewirkt nun die Tendenz, auch das spätere Leben nach den emotionalen Mustern der Kindheit zu gestalten. Viele versuchen, Kleingruppenemotionen auf Organisationen zu übertragen – vom „Landesvater“ über die „Mutter Kirche“ bis hin zur „Freunderlwirtschaft“, die meist die Jugendbande ablöst. In einer anderen Lehrveranstaltung („Change Management“) wird noch näher auf die Gruppe eingegangen, diesmal steht die Hierarchie im Vordergrund. | ||
<span id="aufgabe-1"></span> | <span id="aufgabe-1"></span> | ||
== Aufgabe 1 == | == Aufgabe 1 == | ||
Bevor wir jedoch in die Hierarchie hinein blicken, eine kleine Reflexion über Gruppe: Setzen Sie sich in Ruhe hin und tauchen Sie in Gedanken in Ihre Vergangenheit ein: Welche Gruppen gab es in Ihrem Leben<br | Bevor wir jedoch in die Hierarchie hinein blicken, eine kleine Reflexion über Gruppe: Setzen Sie sich in Ruhe hin und tauchen Sie in Gedanken in Ihre Vergangenheit ein: Welche Gruppen gab es in Ihrem Leben<br> | ||
...in der Kindheit,<br | ...in der Kindheit,<br> | ||
...in der Ausbildungsphase,<br | ...in der Ausbildungsphase,<br> | ||
...in den ersten Berufsjahren?<br | ...in den ersten Berufsjahren?<br> | ||
Welche Rolle spielten Sie in diesen Gruppen? Waren Sie eher ein Randmitglied, eher Rädelsführer und wie ist es Ihnen dabei ergangen?<br | Welche Rolle spielten Sie in diesen Gruppen? Waren Sie eher ein Randmitglied, eher Rädelsführer und wie ist es Ihnen dabei ergangen?<br> | ||
Wie und warum haben sich diese Gruppen wieder aufgelöst? Und wenn es sie heute noch gibt: Was hat sie so stabil gemacht?<br | Wie und warum haben sich diese Gruppen wieder aufgelöst? Und wenn es sie heute noch gibt: Was hat sie so stabil gemacht?<br> | ||
Laden Sie sich das Formular aus dem Forum herunter – es ist im Word-Format.<br | Laden Sie sich das Formular aus dem Forum herunter – es ist im Word-Format.<br> | ||
Schreiben Sie Ihre Überlegungen nieder (in dieses Formular), wandeln Sie es dann in ein | Schreiben Sie Ihre Überlegungen nieder (in dieses Formular), wandeln Sie es dann in ein PDF um und stellen Sie dieses ins Forum. Vielleicht ist es ja auch spannend, Ihre Lösung mit denen der anderen zu vergleichen... |
Aktuelle Version vom 7. Juli 2023, 11:12 Uhr
„Organisation“ – was ist das?
Kreisky meinte bei einer öffentlichen Diskussion zu seinem Gesprächspartner „Lernen Sie Geschichte!“
Ganz abgesehen davon, dass er als Elder Statesman sich gewisse Äußerungen leisten konnte, stecken da ein paar tiefer gehende Ideen dahinter:
1.) Es deutet auf den akademischen Gedanken hin – und die Absolvent*innen dieser Lehrveranstaltungen wollen schließlich einen akademischen Titel. Daher sollten sie auch akademisch agieren bzw. denken.
Was bedeutet eigentlich „akademisch“? Hier braucht es einen kleinen Ausflug in die Philosophie, genauer ins alte Griechenland, so etwa vor 2.500 Jahren.
Der griechische Philosoph Platon kaufte im Jahr 388 v.Chr. einen Garten am Fuße der Akropolis in Athen, der nach dem griechischen Helden Akademos benannt war. Dort pflegte er mit seinen Freunden und Kollegen herumzugehen und zu philosophieren (weil man beim Gehen rechte und linke Gehirnhälfte ausgleichen kann – daraus entstand später die „peripatetische Schule“ von Aristoteles, dem Schüler Platons). Nach einiger Zeit tauchte das Problem auf, dass man allen neu hinzukommenden Schülern immer zuerst all das erklären musste, was man gemeinsam schon ausführlich diskutiert hatte – sonst konnten sie nicht mitreden, weil ihnen das Vorwissen fehlte.
Daher entschloss sich Platon, die wichtigsten Gedanken aufzuschreiben. Die künftigen Mitglieder der Akademie mussten diese Schriften zuerst lesen und durften erst dann mitreden. Wer sich das Wissen angeeignet hatte, bekam den Status des „Akademakoi“ (Akademikers) und war von nun an vollwertiges Mitglied der Akademie.
Die Akademie bestand insgesamt 800 Jahre lang. Ob das die Fern-FH auch schafft? Egal, es geht darum, was wir von den alten Griechen lernen können, das uns heute weiter hilft. Einen Punkt gäbe es durchaus: Lernen wir Geschichte! Versuchen wir uns das Wertvolle aus dem zu holen, was andere bereits gedacht und entwickelt haben.
2.) Die zweite Idee besteht darin, uns die Geschichte von „Organisation“ näher anzusehen, also zu lernen, warum und wie sie entstanden ist, sich entwickelt hat. Das würde als spannenden Nebeneffekt die Erkenntnis über Möglichkeiten und Grenzen von Organisation bringen, uns sozusagen einen Rahmen liefern, innerhalb dessen wir planen, agieren... managen können. Wäre das nicht wertvoll? Platon würde leise applaudieren und sich ein Achterl Rotwein gönnen. Es ist eigentlich nicht schwer: Die Menschen haben bisher nur zwei sich grundlegend voneinander unterscheidende Organisationsformen erfunden: Hierarchie und Gruppe. Was uns heute als Kultur, Zivilisation und Fortschritt vorliegt, ist das Ergebnis von Organisation, von Hierarchie, von Funktionsspezialisierung und Arbeitsteilung. Der allenthalben ausgebrochene Zweifel an Fortschritt und Zivilisation, Technik und Spezialistentum hängt auch mit einer Hierarchie- und Organisationskrise zusammen. Wir sind heute vor Globalprobleme gestellt, denen gegenüber unsere spezialistisch organisierte Arbeitsteilung versagt. Hierarchien können sich angesichts dessen entweder einigen und vor komplexeren Aufgaben resignieren oder neue Organisationsformen ausprobieren. Interessanterweise greifen diese Versuche immer wieder auf Gruppen zurück. Eine weltgeschichtliche „Nostalgie“? Fast muss man den Eindruck haben, beobachtet man etwa den Ethnologie-Boom der letzten Jahre, wo Stammeskulturen – weitgehend unorganisiert, wenn man von geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung absieht – zu neuer Anerkennung gekommen sind.
Dies überrascht nicht. Durch die ganze Geschichte lässt sich beobachten, dass gegen Hierarchien und Organisationen immer wieder das Gruppenprinzip aktiviert wurde. Die Geschichte der Revolutionen ist eine Geschichte von Gruppen; deshalb fiel es immer so schwer, aus Revolutionen wieder einen „Staat“ zu bauen: Entweder blieben die Revolutionäre vor allem emotional ihren Gruppen verbunden und kämpften dann gewissermaßen gegen sich selbst und ihre eigene neue Funktion als „Staatsdiener“, oder sie werden zu solchen und polarisieren ihre ehemaligen Anhänger.
Von Anbeginn und grundsätzlich befinden sich Hierarchie und Gruppe in einer ständigen Gegnerschaft, die manchmal latent und befriedet ist, manchmal offen ausbricht (griffige Beispiele dafür wären etwa Abteilungsegoismus gegen Gesamtunternehmen, Familie gegen Schule, Banden gegen öffentliche Ordnung, „Freunderlwirtschaft“ und Geheimbünde gegen offizielle Strukturen). Dass auch im Projektmanagement auf das Gruppenprinzip zurückgegriffen wird, ist historisch nicht zufällig. Zugleich wissen wir, dass es trotz aller romantisch-utopischen Wünsche und Vorstellungen unmöglich ist, unsere Organisationen und Hierarchien abzuschaffen. Man kann sagen: Wo mehr als 15 Personen eine gemeinsame Aufgabe erledigen wollen oder müssen, braucht es Organisation. Da wir keine andere Organisationsform als die hierarchische kennen, läuft es stets auf ebendiese hinaus. Es wurde versucht, Unterformen bzw. Sonderformen (Stab-Linien-Organisation, Matrix-Organisation) zu erfinden, diese haben sich auch teilweise bewährt, die Grundprinzipien bleiben jedoch stets die gleichen
Wir sind also heute vor die Aufgabe gestellt, die Vorteile der Gruppe mit der Notwendigkeit der Hierarchie zu vereinen und zugleich mit den durch diese Vereinigung auftretenden Widersprüchen fertig zu werden. Ein wenig erinnert das an die Quadratur des Kreises, jedenfalls müssen – soll dieses Unterfangen nicht zu einer Überforderung führen – zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden; man kann Gruppe und Organisation nicht einfach additiv verbinden. Um Gruppen mit Erfolg in Organisationen zu verankern, muss man über ihre Vorteile, aber auch über ihre Grenzen Bescheid wissen, vor allem muss man auch wissen, unter welchen Bedingungen Gruppen „gedeihen“ und damit arbeitsfähig sind. Umgekehrt muss man sich mit Hierarchie bzw. Organisation besser auskennen und begreifen, wieso sie immer wieder „natürlicher Feind“ von Gruppen ist.
Menschheits- und individualgeschichtliche Bedingungen
Mehrere Millionen Jahre haben Menschen bzw. ihre Vorfahren in überschaubaren Kleingruppenformationen (Stämmen, Horden) ohne viel gegenseitige Berührung gelebt. Organisationen, Staaten, „Hochkulturen“ dagegen gibt es erst seit etwa 10.000 Jahren. Menschheitsgeschichtlich stehen einander also zwei sehr unterschiedliche Zeiträume an Verhaltensprägung gegenüber.
Der Zeitraum für die Entwicklung angemessener Verhaltensweisen für das Leben in Organisationen ist relativ kurz. Obwohl wir funktionale Notwendigkeiten einsehen können und auch über Organisationswissen verfügen, dürfte unser eigentliches, vor allem emotional bestimmtes Handeln und Verhalten noch weitgehend von den Prägungen der ersten, ausschließlich gruppenbezogenen Entwicklungsphase beeinflusst sein. Jedenfalls ist zu beobachten, dass wir in Kleingruppenformationen über eine stärker ausgeprägte Orientierungs- und Entscheidungssicherheit verfügen. Für Abstraktes sind wir evolutionär nicht ausgerüstet; um uns zu orientieren, brauchen wir die sinnliche Wahrnehmung. In Gruppen ist die Kommunikation von allen überschaubar, man agiert „Face to face“. Die Möglichkeit dazu ist an eine begrenzte Zahl von Teilnehmer*innen gebunden; wo mehr als 15 Teilnehmer*innen in einem Verband zusammen sind, kann man nicht mehr von Gruppe reden. Es ist zu beobachten, dass es spätestens ab dieser Größe zu Gruppenteilungen kommt oder ein hierarchisches System etabliert wird. In Organisationen dagegen wird indirekt, das heißt über Vermittlungsinstanzen, Zwischenträger, Relaisstationen kommuniziert – eine ständige Quelle von Verunsicherung für Personen und Fehlern in der Sache, aber auch die bisher einzige Möglichkeit, eine große Menge von Menschen für ein gemeinsames Ziel zu organisieren.
Hinzu kommt, dass in fast allen uns bekannten Organisationen das hierarchische System dominiert, weshalb wir die Begriffe Organisation und Hierarchie oft synonym gebrauchen können. Hierarchie verteilt die Kompetenzen derart, dass die Mehrheit der Menschen mit Organisationsaufgaben wenig zu tun bekommt; in agrarisch-feudalen Systemen kann deshalb die Kleingruppenstruktur ungefährdet fortgesetzt werden („Großfamilien“, die in Dorfgemeinschaften nebeneinander leben und erst ansatzweise Intergruppenverbindungen eingehen). Diese Situation ändert sich radikal mit der Macht der Städte und des Bürgertums sowie der „Ehe“ von Wirtschaft und Wissenschaft.
Individualgeschichtlich bietet sich ein ähnliches Bild. Unsere primäre Verhaltensbildung und Erziehung vollzieht sich wiederum in Kleingruppenformationen (Familie, Freundeskreis, Schulklasse, Sportverein etc.). Obwohl die Schule eigentlich die Aufgabe hätte, ins politisch-organisatorische Leben einzuführen, entzieht sie sich dieser Aufgabe und konkurriert mit den Eltern um familienähnliche Strukturen. Von institutioneller Erziehung ist weit und breit nichts zu sehen. Jugendliche treten in den „Ernst des Lebens“– und das heißt in die Wirklichkeit von Organisationen – erst ein, wenn ihre primäre, emotionale Verhaltensbildung schon weitgehend abgeschlossen ist. Der individualgeschichtliche Erwerb von Bewegungs- und Handlungssicherheiten in dieser ersten Lebensetappe bewirkt nun die Tendenz, auch das spätere Leben nach den emotionalen Mustern der Kindheit zu gestalten. Viele versuchen, Kleingruppenemotionen auf Organisationen zu übertragen – vom „Landesvater“ über die „Mutter Kirche“ bis hin zur „Freunderlwirtschaft“, die meist die Jugendbande ablöst. In einer anderen Lehrveranstaltung („Change Management“) wird noch näher auf die Gruppe eingegangen, diesmal steht die Hierarchie im Vordergrund.
Aufgabe 1
Bevor wir jedoch in die Hierarchie hinein blicken, eine kleine Reflexion über Gruppe: Setzen Sie sich in Ruhe hin und tauchen Sie in Gedanken in Ihre Vergangenheit ein: Welche Gruppen gab es in Ihrem Leben
...in der Kindheit,
...in der Ausbildungsphase,
...in den ersten Berufsjahren?
Welche Rolle spielten Sie in diesen Gruppen? Waren Sie eher ein Randmitglied, eher Rädelsführer und wie ist es Ihnen dabei ergangen?
Wie und warum haben sich diese Gruppen wieder aufgelöst? Und wenn es sie heute noch gibt: Was hat sie so stabil gemacht?
Laden Sie sich das Formular aus dem Forum herunter – es ist im Word-Format.
Schreiben Sie Ihre Überlegungen nieder (in dieses Formular), wandeln Sie es dann in ein PDF um und stellen Sie dieses ins Forum. Vielleicht ist es ja auch spannend, Ihre Lösung mit denen der anderen zu vergleichen...