Beratungstheorie - Theorien der Führung: Unterschied zwischen den Versionen

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Kontingenztheorien beschreiben nun Führungsstile in Abhängigkeit von bestimmten Situationsparametern als '''besonders erfolgreich''' (oder als nicht empfehlenswert).
Kontingenztheorien beschreiben nun Führungsstile in Abhängigkeit von bestimmten Situationsparametern als '''besonders erfolgreich''' (oder als nicht empfehlenswert).


'''Kontinuumstheorie Tannenbaum '''&''' Schmidt'''
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In der Frage nach dem erfolgreichsten Führungsstil sind hier die '''Charakteristika der Führungskraft''', die '''Charakteristika der Mitarbeiter*innen''' und die '''Charakteristika der Situation''' <u>gemeinsam</u> entscheidend.
In der Frage nach dem erfolgreichsten Führungsstil sind hier die '''Charakteristika der Führungskraft''', die '''Charakteristika der Mitarbeiter*innen''' und die '''Charakteristika der Situation''' <u>gemeinsam</u> entscheidend.


Das Kontinuumsmodell fordert seit jeher, dass eine gute Führungskraft nach kluger Analyse der Charakteristika (etwa im Rahmen einer Beratung) selbst entscheidet, welcher Stil der „richtige“ sei. Und sich demnach darin auszeichnet, souverän situativ auf der „breiten Klaviatur“ der Führungsstile spielen zu können.
Das Kontinuumsmodell fordert seit jeher, dass eine gute Führungskraft nach kluger Analyse der Charakteristika (etwa im Rahmen einer Beratung) selbst entscheidet, welcher Stil der „richtige“ sei. Und sich demnach darin auszeichnet, souverän situativ auf der „breiten Klaviatur“ der Führungsstile spielen zu können.


'''Kontingenzmodell von Fiedler'''
'''Kontingenzmodell von Fiedler'''
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<blockquote>persönliches Vertrauen und Respekt stellen die tägliche Grundlage für die gemeinsame Zielverfolgung</blockquote>
persönliches Vertrauen und Respekt stellen die tägliche Grundlage für die gemeinsame Zielverfolgung  
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<blockquote>wie spezifisch, klar sind Aufgaben und Ziele, wie vielfältig sind die Lösungsmöglichkeiten und wie sicher kann man sagen, dass eine Entscheidung die richtige war (Verifizierbarkeit)</blockquote>
wie spezifisch, klar sind Aufgaben und Ziele, wie vielfältig sind die Lösungsmöglichkeiten und wie sicher kann man sagen, dass eine Entscheidung die richtige war (Verifizierbarkeit)  
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<blockquote>Beeinflussungsmöglichkeiten, die der Führungskraft zur Verfügung stehen (Belohnung, Bestrafung).</blockquote>
Beeinflussungsmöglichkeiten, die der Führungskraft zur Verfügung stehen (Belohnung, Bestrafung).  
[[Datei:MN425 12.PNG|Die acht Situationstypen im Modell von Fiedler]]
[[Datei:MN425 12.PNG|Die acht Situationstypen im Modell von Fiedler]]



Version vom 20. Jänner 2022, 08:33 Uhr

Theorien der Führung – und Praxis der Beratung

Die folgend dargebrachten Ansätze und Theorien entsprechen in ihrer Reihung auch im Wesentlichen der historischen Abfolge. Einzelne, wie etwa die Eigenschaftsansätze, erlebten zeitversetzt eine Neuauflage (seit den 1970er Jahren), allerdings mit veränderten Vorzeichen. Einige der Theorien waren in der Realwirtschaft auch zeitgleich wirksam: gleichsam den heutigen „neuen (und alten) Trends“ im Management schlugen Ansätze wiederholt Wellen, ausgehend von berühmt gewordenen Studien, (guten oder bedauerlichen) Unternehmensbeispielen, sowie berühmten Forschergruppen.

Zur besseren Orientierung sei hier eine kurze Übersicht geboten, in Anlehnung an Jago (1982).

Universelle Theorien:

Führungsqualitäten sind immer und überall gültig und von der Situation unbeeinflusst.

Situative Theorien (Kontingenztheorien):

Das jeweilige Führungsverhalten muss auf die jeweilige Situation abgestimmt sein.

Persönlichkeitsansätze:

Stabile Eigenschaften der Person bestimmen, ob diese Führungsqualitäten hat oder nicht, bzw. erfolgreich sein wird oder nicht.

Verhaltensansätze:

Erfolgreiche Führung liegt allein im (richtigen, gekonnten) Verhalten begründet.

Hierher (Tabelle 8) können Sie immer wieder zurückblättern, um sich in den Theorien nicht zu verirren, vor allem wenn diese sehr spannend für Sie werden.


Universelle Führungstheorien Situative Führungstheorien

Persönlichkeitseigenschaften

Eigenschaften der Führungspersönlichkeit Führungspersönlichkeit im Kontext der Situation
Führungsverhalten

Interaktionsverhalten (der Führungskraft)

Situation und Verhalten wirken aufeinander wechselseitig ein

Tabelle 8: Übersicht zu Führungstheorien (nach Jago, 1982)


Eigenschaftsansätze

Bereits in der Antike (Expertenstaat Platons) gab es die Ansicht, dass manche Personen sich aufgrund ihrer Eigenschaften zur Führung eignen, andere nicht. Die starken Bilder von potenten „Führern“, von herausragenden Individuen, welche Geschichte und Gegenwart prägen, sowie Elitendenken gab es von der Antike bis herauf zum vorigen Jahrhundert.

Bei Führungstheorien um 1900 ging man ebenfalls von stabilen Persönlichkeitseigenschaften aus, wenn man denn vom „great man“ sprach. Neben Intelligenz, Dominanz, Durchsetzungskraft und dergleichen mehr wurden selbst körperliche Parameter wie Energie und Statur ins Treffen geführt, wenn es um die Suche nach dem „Erfolgsgaranten“ ging. Der „great man“ war die Antwort auf die grundsätzliche Frage, wer auf Grund welcher Eigenschaften zu einer Führungsfigur wird und wie diese Eigenschaften den Führungserfolg beeinflussen.

Das Lernen durch Erfahrung wurde in dieser Perspektivenwahl noch nicht mit ein gedacht. Empirische Studienergebnisse [1] konnten nur sehr niedrige Zusammenhänge zwischen Eigenschaften und Führungserfolg attestieren. Eigenschaften werden in unterschiedlichen Kontexten – das werden Sie sicher aus Ihrer Alltagserfahrung bestätigen – unterschiedlich wirksam oder ergeben in ihrem Zusammenspiel situativ unterschiedliche Effekte (nicht immer nur vorteilhafte für den Führungserfolg).

Nichtsdestotrotz bieten die Eigenschaftsansätze weiterhin eine teilweise Basis für Assessment-Centers und Development-Centers - in den heutigen Formen werden hier allerdings auch Verhalten und Situation in der Auswahl von Führungskräften mitberücksichtigt. Als ein Beispiel für weiterhin (wenn auch im situativen Zusammenspiel) betrachtete Persönlichkeitsfaktoren seien die „Big Five“ [2] genannt: Extraversion, emotionale Stabilität, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit sowie Offenheit für Erfahrungen.

Verhaltenstheorien

Bis zum Ende der 1940er Jahre hatte man auf Eigenschaftstheorien der Führung gebaut. Dann begann jedoch das Paradigma des „great man“ sich in all seinen Ausprägungsgraden als überholt darzustellen. Wahrscheinlich fällt dies nicht nur zufällig in jene Zeit des vorigen Jahrhunderts, in welcher es zum Fall des „Dritten Reiches“ kam. Im Rahmen der Verhaltenstheorien der Führung wandte man sich nun zunehmend dem Verhalten, den Verhaltensstilen von Führungspersonen zu.

Nun erforschte man mittels Fragebögen, Tagebuchaufzeichnungen und Interviews die Tätigkeiten von Führungspersonen, und zog Schlüsse daraus: zum Zusammenhang zwischen Verhalten und Führungserfolg.

So beinhaltet etwa die „Executive Checklist“ von Lozanta-Larsen und Parker [3] folgende, für Führungskräfte typischen Dimensionen:


Supervising,

Planning and organizing,

Decision making,

Monitoring indicators,

Controlling,

Representing,

Coordinating,

Consulting und

Administrating.


Hier fällt durchaus zu Recht auf, dass auch heute noch die Agenden von Führungskräften mehr oder minder, je nach Organisationsfaktoren, mit diesen Tätigkeitsbereichen beschrieben werden.


IOWA-Studien

Über reine Aktivitäten von Führungskräften hinaus blickte man aber auch auf Verhaltensstile, die man zur Unterscheidung von effektivem und ineffektivem Führungsverhalten heranzog. Auf Kurt Lewin, ein Forschungsgrande der 1930er und 1940er Jahre, geht die Unterscheidung zwischen demokratischem, laissez-faire und autokratischem Stil zurück.

Unter einem autokratischen Führungsstil versteht man sehr direktive Anweisungen (quasi-Befehle), es wird in den Arbeitsfluss eingegriffen, die Aufgabenzuteilung erfolgt von oben/außen, Beurteilungskriterien werden nicht immer transparent gemacht, Feedbacks erfolgen in Form von Zurechtweisung, Kritik.

Im Rahmen eines demokratischen Stils wird in der Gruppe gemeinsam mit der Führungskraft zu Zielen und Aufgaben, zur Arbeitsteilung kommuniziert und entschieden. Das selbständige Arbeiten und Transparenz im Geschehen werden von der Führung unterstützt.

Laissez-faire meint schlichtweg, dass die Arbeitsgruppe sich weitestgehend selber überlassen wird, (steuernde, beratende, beurteilende) Inputs vorsätzlich vermieden werden.

Diese Führungsstile sind auch heute noch ein allgemeiner Bestandteil von Führungswissen. Allerdings verhält es sich wie bei anderen Fragmenten zu Führungsknowhow, dass im Regelfall weder Führungskräfte noch Berater*innen dabei mitdenken, worauf sich die Theorien ursprünglich bezogen, welche Einschränkungen diese aufzeigten oder aus welcher Perspektive diese gelten könnten.


Zwei-Faktoren Führungstheorien: Ohio-State & Michigan Studien

Nach den Ergebnissen der berühmten „Ohio-State-Studiengruppe“ (Fleishman et. al., Ende der 1940er Jahre) wurden zwei sich ergänzende, zentrale Faktoren ins Treffen geführt, die für den Führungserfolg bezeichnend sind.

In grafischer Darstellung findet man diese des Öfteren als Koordinatensystem in Form eines „Führungs-GRIDs“ vor. Sie leisten auch heute noch in Führungscoachings sowie –trainings einen inhaltlichen Beitrag oder den Hintergrund für die Entwicklungsziele:


„Consideration“: Beziehungsorientierung

gegenseitige Achtung, Respekt und Vertrauen
sensibel auf Bedürfnisse von Mitarbeiter*innen
beziehen Mitarbeiter*innen in Entscheidungen mit ein
fördern Kommunikation in der Gruppe


„Initiating Structure“: Aufgabenorientierung

Verhalten, bei dem die Führungskraft Aufgaben plant und
delegiert sowie
Arbeitsabläufe strukturiert,
um angestrebte Ziele zu erreichen


Die Ohio-Studien lieferten zutage, dass

  • die Leistung von der Höhe der Aufgabenorientierung abhängig war (starke „initiating structure“ – hohe Leistungen),
  • Beschwerden und Fluktuation (bzw. Mitarbeiter*innenzufriedenheit) von der Beziehungsorientierung abhängen (hohe „consideration“ – geringe Beschwerdenlage, geringe Fluktuation).

Folgeuntersuchungen weisen drauf hin, dass es mit zwei Faktoren wohl nicht getan sein mag, und dass die jeweils gefundenen zwei Faktoren nicht wirklich unabhängig voneinander sind. Dennoch „leben“ diese Ansätze auch heute noch weiter, als „Brillen“, die man sich in raschen Analysen, Coachings oder auch Führungstrainings „aufsetzt“, um eine erste Orientierung zu erhalten.


Das Verhaltensgitter von Blake und Mouton (Managerial Grid – Modell)

Dem Grid-Modell (siehe Abbildung 12) nach bedingt die Kombination aus Sachorientierung und Menschenorientierung, wie eine Führungskraft ihre Ziele erreicht:

  • Bei hoher Sachorientierung konzentriert sie sich auf die Aufgabenkomponenten (also production, initiating structure);
  • weist eine Führungskraft hingegen eine besonders hohe Menschenorientierung auf, so geht es ihr insbesondere um harmonische Beziehungen und zufriedene Menschen (employee, consideration).

Beide Orientierungen finden sich in einer Vielzahl von Varianten wieder. Die Autoren bieten in diesem Verhaltensgitter 81 Kombinationsvarianten, wobei sie in intensiver Beschreibung auf fünf besonders charakteristische Kombinationsformen eingehen.


Verhaltensstil 1.1:

wird als „Überlebens-Management“ bezeichnet und stellt das Minimum an sowohl Sach- als auch Menschenorientierung dar. Führungskräfte dieser Ausprägung tun gerade einmal, was unbedingt nötig ist.


Verhaltensstil 5.5:

im „Organisations-Management“ orientiert man sich am status quo und versucht den goldenen Mittelweg. Konformität, nicht auffallen und anecken, nichts „falsch“ machen sind hierfür Leitbilder.


Verhaltensstil 9.9:

im „Team-Management“ verknüpft sich eine ausgeprägte Sach- mit einer hohen Menschenorientierung. Das Management holt die Mitarbeiter*innen herein: gemeinsame Schaffensfreude und Konfliktklärung, Mitwirkung, Mitsprache und Mitverantwortung werden zum bestmöglichen Leistungserfolg ausgebaut.


Verhaltensstil 1.9:

im „Glacéhandschuh-Management“ legt man maximal Bedacht auf die Menschenorientierung, und nimmt für ein positives Arbeitsklima auch hohe Einbußen im Leistungserfolg in Kauf.


Verhaltensstil 9.1:

im „Befehl-Gehorsam-Management“ liegt das Verhältnis genau umgekehrt: das Leistungsmaximum wird mittels Macht, Autorität und Kontrolle zu erreichen versucht.


Verhaltensstil 9+9:

… 9+9 stellt einen später hinzu gefügten und im Grid nicht eingezeichneten Stil des „wohlwollenden Diktators“ dar. In patriarchalisch geführten Betrieben findet sich auch heute noch gerne die Haltung: „solange Sie tun, was ich bestimme, und solange Sie sich als kooperativ erweisen (nicht widersprechen) und funktionieren, solange haben sie es gut hier (bei mir)“.


Abbildung 12: Das Grid-Verhaltensgitter (nach Blake & Mouton, 1986, S. 28)


Wie alle bisher angeführten Theorien ist auch das Verhaltensgitter von Blake und Mouton eine „universelle Theorie“ – es fehlen sämtliche situationsbedingten Aspekte. Diese wurden hingegen in den folgend geschilderten Kontingenztheorien in den Brennpunkt gerückt.

Kontingenztheorien

Diese Theorien fußen in der Sichtweise und Erkenntnis, dass Ereignisse und Situationen einander bedingen. Demnach erlauben bisherige Fokussierungen auf Führungseigenschaften oder Führungsverhalten für sich allein keine adäquate Schilderung der Realität und gewährleisten keine kluge Empfehlung für optimale Führung.

Kontingenztheorien beschreiben nun Führungsstile in Abhängigkeit von bestimmten Situationsparametern als besonders erfolgreich (oder als nicht empfehlenswert).


Kontinuumstheorie Tannenbaum & Schmidt

Wesentliches Element dieser Führungstheorie ist der Entscheidungsspielraum, der bildlich gesprochen als „Raum“ entweder mehr von der Führungskraft, oder von der Arbeitsgruppe gehalten und bespielt wird (je mehr Entscheidungsspielraum eine Seite hat, umso weniger Raum kann/wird die andere Seite einnehmen).

Die Autor*innen tragen die graduelle Verschiebung des Entscheidungsspielraums auf ein Kontinuum zwischen den Polenautoritär“ und „demokratisch/kooperativ“ auf.

Diese bipolare Aufspannung (siehe Abbildung 13) konnte in vielen empirischen Studien bestätigt werden.

Abbildung 13: Die Kontinuums-Theorie nach Tannenbaum & Schmidt (1958, Anlehnung an Weibler, 2001, S. 300)


In der Frage nach dem erfolgreichsten Führungsstil sind hier die Charakteristika der Führungskraft, die Charakteristika der Mitarbeiter*innen und die Charakteristika der Situation gemeinsam entscheidend.

Das Kontinuumsmodell fordert seit jeher, dass eine gute Führungskraft nach kluger Analyse der Charakteristika (etwa im Rahmen einer Beratung) selbst entscheidet, welcher Stil der „richtige“ sei. Und sich demnach darin auszeichnet, souverän situativ auf der „breiten Klaviatur“ der Führungsstile spielen zu können.


Kontingenzmodell von Fiedler

Diese Kontingenztheorie stellt im Unterschied zu den anderen dieses Kapitels eine (situative) Eigenschaftstheorie dar. Es geht hier also nicht mehr um das richtige Verhalten, sondern darum, die richtigen Eigenschaften zur vorgefundenen Situation zu finden.

Im Gegensatz zu universellen Eigenschaftstheorien - der/m aufmerksamen Leser*in wird dies nicht entgangen sein - geht es hier nicht mehr um schlechte versus gute Führungspersönlichkeiten, sondern um die „situativ richtige Wahl“: wer hat den passenden Führungsstil. Die betrachteten Eigenschaften werden hier als kaum veränderbar, als stabiles Persönlichkeitsmerkmal angesehen.

Die Führungssituation, zu welcher der Führungsstil passen soll, wird nach Fiedler durch folgende Parameter gekennzeichnet (siehe Abbildung 16):

  • Führende-Geführten-Beziehung“:

persönliches Vertrauen und Respekt stellen die tägliche Grundlage für die gemeinsame Zielverfolgung 
  • Aufgabenstruktur“:

wie spezifisch, klar sind Aufgaben und Ziele, wie vielfältig sind die Lösungsmöglichkeiten und wie sicher kann man sagen, dass eine Entscheidung die richtige war (Verifizierbarkeit) 
  • Positionsmacht des/der Führenden“:

Beeinflussungsmöglichkeiten, die der Führungskraft zur Verfügung stehen (Belohnung, Bestrafung). 

Die acht Situationstypen im Modell von Fiedler

Fiedler gibt nun auch klare Empfehlungen ab, welcher Führungsstil (und damit jene Person, die diesen Stil besonders ausgeprägt hat) wann günstig sein wird:

Ein Führungsstil mit hoher Personenorientierung ist in Situationstyp IV, V & VI günstig

In allen anderen Situationen ist ein Stil mit hoher Aufgabenorientierung zu favorisieren!

Fiedler zählt zwar zu den meist zitierten Autoren im Bereich der Führungsforschung, ja man kann sogar getrost anmerken, dass die meisten Publikationen zum Ende des vorigen Jahrhunderts in diesem Bereich sich stark auf seine Erkenntnisse bezogen haben. Doch eine klare Einschränkung muss hier auch bei Fiedlers Modell unterstrichen werden: sein Modell gilt nicht für neu komponierte Arbeitsgruppen (etwa in einer Storming Phase), und klammert auch alle Effekte aus, die mit gruppendynamischen Phänomenen einhergehen. Fiedlers Modell „funktioniert“ bildlich gesprochen nur im Rahmen eines Standbildes. Zudem gibt es rege, vielfältige Kritik an seinen Ergebnissen.

In der Beratungspraxis findet dieses Modell dennoch regen Niederschlag, allerdings weniger wie bisherige Modelle in Verhaltenstrainings oder bewusstseinsstärkenden Coachings, sondern in der situativ abgestimmten Auswahl von Führungskräften (siehe Assessment-Centers).

Normatives Entscheidungsmodell

Dies ist ein guter Versuch, eine Antwort zu finden auf die Frage: „wie soll man führen, wenn es darum geht…

  • möglichst rasch
  • möglichst gute, rationale Entscheidungen zu treffen
  • welche von den Geführten auch möglichst nachhaltig mitgetragen, angenommen werden“

Anhand eines Entscheidungsbaumes findet man den situativ stimmigen Entscheidungsstil (siehe Abbildung 17). Hierfür muss man sich 7 Fragen stellen und hierbei auf ein klares „Ja“ oder „Nein“ kommen [4] , um im Entscheidungsbaum (Abbildung 17) zu einer Lösung zu finden:

  1. Ist Qualität wichtig, und eine Lösung vermutlich besser als die andere?
  2. Genügt meine Information für eine hochwertige Entscheidung?
  3. Ist das Problem strukturiert?
  4. Ist es für die Ausführung wichtig, dass die Mitarbeiter*innen die Entscheidung nachhaltig akzeptieren?
  5. Wird die Führungsentscheidung von den Mitarbeiter*innen akzeptiert werden?
  6. Besteht Commitment der Mitarbeiter*innen zu den Organisationszielen, die durch die Problemlösung erreicht werden sollen?
  7. Ist bei einer mehr oder minder gemeinsamen Entscheidung mit Konflikten zwischen den Mitarbeiter*innen zu rechnen?

Der Entscheidungsbaum nach Vroom & Yetton

Vroom und Yetton (1973) finden zu folgenden Entscheidungsstilen:

AI - Autoritäre Entscheidung 1:

Führungskraft entscheidet selbst anhand vorliegender Informationen

AII - Autoritäre Entscheidung 2:

Information wird bei den Mitarbeiter*innen eingeholt, diese werden jedoch nicht weiter informiert oder involviert. Führung entscheidet.

BI - Beratende Entscheidung 1:

ein kleiner Pool an Mitarbeiter*innen wird zu Erörterung und Konsultation einbezogen, die Entscheidung kann aber dennoch unabhängig davon von der Führung getroffen werden.

BII - Beratende Entscheidung 2:

Diskussion und Erörterung mit dem gesamten Team, Entscheidung liegt bei der Führungskraft.

GII - Gruppenentscheidung:

gemeinsame Erörterung und Diskussion sowie Entscheidung.

Studien haben gezeigt, dass die Einhaltung dieses Modells tatsächlich positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen wirkt, auch werden Entscheidungen positiver bewertet. Dennoch muss hier auch darauf hingewiesen werden, dass die so erzielten Resultate nicht immer effektiv sind.

Dieses Modell zeichnet sich demnach durch seine Klarheit und Begrenzung auf Entscheidungssituationen aus, und liefert auch sehr gute Richtlinien für eine erste Annäherung an pragmatische Unternehmenssituationen. In der Beratungspraxis findet dies Eingang in Coachings, in Führungskräfteausbildungen, Emergent Talent Programs, (Entscheidungs-)Trainings und mitunter in Development-Centers.

Und nicht zuletzt könnte man den hier geführten Term „Mitarbeiter*innen“ und „Führende*r“ auch mit „Kund*in“ und „Berater*in“ ersetzen, um das eigene Sensorium in diesem Spannungsfeld zu schärfen.

Situative Reifegradtheorie von Hersey und Blanchard

Auch bei Hersey und Blanchard (1977) finden wir jene bereits bekannten Dimensionen wieder, denen zufolge Führung sich verstärkt auf Mitarbeiter*innen oder auf Aufgaben fokussiert. Die Führung steht also in der Pflicht, sich ein stimmiges Bild der Situation zu machen und den eingesetzten Führungsstil passend zu wählen und zu gestalten. Wann ist nun welcher Akzent, welcher Stil passend?

Dies hängt hier davon ab, welchen Reifegrad Mitarbeiter*innen aufweisen: je nachdem wie ausgeprägt deren „job maturity“ und „psychological maturity“ ist, wird in der Führung ein anderer Schwerpunkt zu setzen sein:

  • Unter „job maturity“ versteht man Fertigkeiten und Wissen, welche zur erfolgreichen Bearbeitung der Jobaufgaben eingesetzt werden, wobei man sich bildlich gesprochen zwischen Neueinsteiger*in bis hin zu Fachexpert*in und Spezialist*in bewegt.
  • Mit „psychological maturity“ subsummiert man Faktoren wie Leistungsmotivation und Selbstsicherheit, die sich etwa mit zunehmender Seniorität im Arbeitsleben oder im jeweiligen Job entwickeln.

Reife Mitarbeiter*innen übernehmen demnach gerne und in verlässlicher Weise Verantwortung, arbeiten weitestgehend selbständig und orientieren sich gerne an herausfordernden, wenngleich realistischen Zielen.

Vier Reifestufen („maturity“ M1 bis M4) lassen sich wie folgt bebildern:

  • M1: Ein/e Mitarbeiter*in muss sich erst mit den eingesetzten Softwareprogrammen, typischen Arbeitsprozessen, Tagesstrukturen in einem neuen Job anfreunden, hat aber genau genommen keine große Freude daran, oder fühlt sich darin sehr unsicher, etwa die neue Firmendatenbank kennen zu lernen.
  • M2: Ein/e Mitarbeiter*in hat sich in die wesentlichen Elemente ihres Jobs eingearbeitet, kennt das Unternehmen bereits besser, ist aber noch weit von echter Performance entfernt, und strengt sich an, besser zu werden. Oder erlebt schon sehr viel Spaß an ihren Agenden, braucht aber recht häufig noch die Unterstützung von Arbeitskollegen und Vorgesetzten.
  • M3: Ein/e Mitarbeiter*in macht den Job gut. Hat aber keinen Elan, es macht ihm keine Freude. Oder er findet die neuen Projekte zwar aufregend und könnte diese auch bewältigen, zeigt sich jedoch durch das Neue und die Veränderung sehr verunsichert, ob er das auch hinbekommen wird.
  • M4: Die/der Mitarbeiter*in ist vollkommen in Job und Team integriert, bringt ihre eigene Expertise ein, und erlebt viel Spaß an ihrer Performance, sie wird auch von anderen um Rat gebeten. Die Mitarbeiterin ist in jeglicher Hinsicht autonom, fähig, und motiviert sich selbst laufend.

Gelingt die Einschätzung der Führungskraft, wird sie folgende Führungsstile und damit Akzente wählen, um den Mitarbeiter*innen in den vier unterschiedlichen Reifestufen passend zu begegnen (siehe Abbildung 18):

Reifegradmodell nach Hersey & Blanchard

In den vier Stufen sind folgende Schwerpunkte im Rahmen der Führungstätigkeit zu setzen:

„Telling“:

  • hohe Aufgabenorientierung
  • Schwerpunkt auf: diktieren, leiten oder etablieren

„Selling“

  • hohe Mitarbeiter*innen-Orientierung & hohe Aufgabenorientierung
  • Schwerpunkt auf: argumentieren, erklären, klarstellen, überzeugen

„Participating“:

  • geringere Aufgabenorientierung & sehr hohe Mitarbeiter*innen -Orientierung
  • Schwerpunkt auf: ermutigen, zusammenarbeiten, anvertrauen

„Delegating“:

  • reife Mitarbeiter*innen & hohe Fachkenntnisse & hohe Leistungsmotivation
  • Schwerpunkt auf: delegieren, beobachten, bevollmächtigen

Was dieses Modell leistet: es legt eine auch für den Führungsalltag sehr intuitive, einleuchtende Orientierung in die Hand - wiederum eine gute „Brille“.

Charismatische Führung

Bereits in den frühen 1980er Jahren lieferte House fundierte Überlegungen zur Verknüpfung von Charisma und Führung, bis zur Jahrtausendwende stimmten eine Reihe weiterer Autoren ein [5] . Führt man heute Interviews oder Befragungen in unterschiedlichen Betrieben zu „Leadership“ durch, so taucht der verstärkte Ruf nach charismatischen Leadern auf. Nicht nur Praktiker*innen sind der Ansicht, dass der Nährboden hierfür wohl einerseits darin liegt, dass über viele Jahre hinweg eine immer technischere Form der Führung gelebt wurde und in weiten Arbeitsbereichen schlichtweg die Vision und Sinnerfüllung abhandengekommen ist. Auch wird wohl in einer multimedialen Welt starker Bilder und komplexer Zusammenhänge alltäglich der Wunsch nach Erlebnisstärke und nach Vereinfachung und klarer Orientierung stärker.

Charismatische Führungskräfte geben genau das: als Modell leben sie vor, wie ein „Held“ agiert, dem man gerne was „abschaut“ ohne gleich „perfekt“ werden zu müssen. Charismatische Menschen nehmen einem auch etwas ab: die eigene Suche nach Träumen, Zielen, Sinn – man kann sich ihnen anschließen und damit an Visionen, Klarheit und Kraft teilhaben (siehe Abbildung 19).

Charismatische Führung

Die Wurzeln dafür, dass wir für charismatische Führung empfänglich sind, liegen der Verhaltensforschung nach in menschheitsgeschichtlichen Vorphasen als - ähnlich dem Tierreich - Dominanz, Stärke und Mut dafür ausschlaggebend waren, ob die Sippe überleben wird (wobei auch diese Argumentation sicher keine letztgültige Wahrheit in sich trägt und durchaus auch angefochten wird).

Nun basieren funktionale Hierarchien (wie vertikale betriebliche Führung) vielmehr auf Logik, als auf Charisma. Doch Logik allein schafft keine Hoffnung, keine Emotion. Charisma wirkt demnach, da es (insgeheim) eine Erleichterung unserer menschlichen Grundängste bietet, wie etwa: „ich bin ein niemand“, „ich kann nichts“, „ich bin allein“, „ich bin hilflos“, „ich verliere die Kontrolle und Orientierung in der Welt“ [6] .

Anders betrachtet, hat Charisma damit sehr viel mit Dynamiken des Vertrauens zu tun. Neuere Akzente der Charismatischen Führung schwenkten denn auch sehr stark zur Befassung mit Aspekten des Vertrauens um.

Als Grundsteine des Charismas kann man Vertrauen, Kompetenz und Integrität ins Treffen führen: wir vertrauen Führungspersonen, denen wir ob ihrer Fähigkeiten und ihres „Images“ zutrauen, „es zu schaffen“, dabei „echt“ zu sein und menschliche Grundwerte zu beachten und zu pflegen. Charisma kann darum auch nicht mittels optimierter Verhaltensweisen wie perfektionierter Kommunikation und Selbstpräsentation (siehe „sportliche“ Verhaltenstrainings) erreicht werden, zumindest nicht auf lange Sicht.

Charismatische Führung bereichert die bisher betrachtete, klassische aufgaben- und personenbezogene Führung um das Element der Zukunftsvisionen und damit der „Strahlkraft“. Nach House führen bestimmte Eigenschaften charismatischer Führungskräfte (leichter als sonst) zu bestimmten, für alle Seiten vorteilhaften (emotionalen) Reaktionen und Handlungen. Neben Arbeitszufriedenheit und erzielter Leistung rückt nun auch die menschliche Emotion in den Fokus, und damit der Selbstwert der Geführten sowie deren Vertrauen in die Führungskraft.

Aus der Vertrauensforschung kann hier festgehalten werden, dass Vertrauen immer mit Fragen um die Zukunft, mit Unsicherheit und Verletzbarkeit sowie freiwilliger Interaktion und „Gefolgschaft“ zu tun hat. Vertrauen verbessert die Kommunikation, Motivation und Zufriedenheit, und damit auch die Leistungsergebnisse. Besonders in veränderungsstarken Zeiten

Transaktionale Führung

Es stehen hier nachdrücklich die ökonomischen Ziele im Zentrum. Um diese (bestmöglich) zu erreichen, setzt man auf die innere, intrinsische Motivation der Mitarbeiter*innen. Motivation wird stimuliert, und Unternehmensteile sowie die einzelnen Mitarbeiter*innen auf die konkreten Ziele hin ausgerichtet.

Im Hintergrund der transaktionalen Führungskonzepte steht die Transaktionsanalyse (Eric Berne), eine psychotherapeutische Schule, die Ihre Wurzeln im Werk Sigmund Freuds findet.

Um den Kern von transaktionaler Führung besser zu verstehen, werfen wir einen Seitenblick in die Grundanschauungen der Transaktionsanalyse:

  • Die Menschen sind in Ordnung und von Grund auf gut.
  • Jeder kann „Denken“.
  • Jeder Mensch entscheidet selbst über sein Schicksal und kann seine (bisher/ bereits gefällten) Entscheidungen auch ändern.

Die Fundamente transaktionaler Psychotherapie, Gesprächsformen (Coaching) sind demzufolge:

  • Die Grundlage für jede Arbeit ist ein Vertrag.
  • Die Kommunikation ist frei und offen.

Dies lässt sich direkt in den Arbeitskontext überführen. Hierbei fällt zu früheren Führungskonzepten auf, wie stark hier die Eigenständigkeit, Mündigkeit aller Mitarbeiter*innen, und vor allem das Medium der gemeinsamen Kommunikation hervorgehoben wird.

Wesentlicher Bestandteil der transaktionalen Führungsansätze sind psychologische Motivationstheorien - Führung optimiert, indem sie sich diese Erkenntnisse zunutze macht. Motivierte Mitarbeiter*innen tragen mehr von sich aus zu den Unternehmenszielen bei und erbringen auch herausragende Leistungen. Wie oben beschrieben sprechen wir hier von fähigen, mündigen Mitarbeiter*innen, die „von Haus aus“ nach intrinsischer Motivation streben. Im Brennpunkt der Führungstätigkeit steht folglich die Frage, wie man intrinsische Motivation stimulieren kann oder aber nicht verhindert: dieses „aus sich selbst heraus“ Antrieb und Freude finden bei der Arbeit.

Dies gelingt durch Kommunikation über und von konkreten Zielen, sowie durch Transparenz zu den Firmen-, Abteilungs- und Arbeitsgruppenzielen.

Peter Drucker [7] hat mit „Management by Objectives“ eine Variante transaktionaler Führung geprägt: Unternehmensziele werden in Unterziele aufgespannt, diese als Individualziele mit jedem/r einzelnen Mitarbeiter*in besprochen. Wesentlich hierbei ist, dass die besprochenen Ziele bestimmten Qualitätskriterien entsprechen (siehe „smarte“ Ziele im Kapitel II) und auch persönliche Ziele des/r Mitarbeiters/in mit einbinden, wie etwa eine bestimmte Fortbildung, Spezialisierung in der Arbeit, Lebensgestaltung. Besonders daran ist, dass diese Zielvereinbarung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*innen denn auch einen quasi zusätzlichen Arbeitsvertrag darstellt, der oft auch an Prämien und Boni und damit zusätzlich an extrinsische Motivatoren gekoppelt ist. Denn für eine Transaktion (z.B. Leistung) bekommt man eine andere zurück (Anerkennung, Geld, Spielraum, Beförderung etc.). Die Zielvereinbarung prägt und richtet den Alltag der Mitarbeiter*innen maßgeblich aus. In der Vereinbarung wird eine beidseitige Gewinnsituation angepeilt: auf der einen Seite sollen die klassischen Erwartungen eines Unternehmens an seine Angestellten bedacht werden, auf der anderen Seite die Mitarbeiter*innen -Erwartungen nach Orientierung, Klarheit und Zielen - aber auch nach Mündigkeit und Eigenständigkeit. Entscheidungs- und Handlungsspielräume werden hier ebenso gemeinsam festgehalten, wie Zeitpunkte, zu denen man sich bisherige Ergebnisse gemeinsam anschauen will. Hier kommen dann transparente Zielerreichungskriterien zur Anwendung, Ziele können zudem in unterschiedlichen Graden erreicht werden.

Führen mittels Zielvereinbarungen zeigt sich letztlich jedoch erst dann, wenn es als sich wiederholender Prozess gelebt wird - der immer wieder Räume für die zielgerichtete gemeinsame Betrachtung und Neuausrichtung sowie Vereinbarung bereithält und kultiviert. Dies erlaubt einerseits ein besseres Monitoring durch die Führung, aber auch durch Mitarbeiter*innen selber, und damit zu gemeinsam bestimmten Korrekturen am Weg, womit Lernen jederzeit möglich ist.

Unter dem Begriff „Management by Exceptions“ finden wir einen weiteren Mosaikstein transaktionaler Führung: die Führungskraft greift nur in schweren Ausnahmefällen ein, und weist direktiv an, was zu tun ist. Dieses Eingreifen ist an vorbestimmte Sollgrößen im System gebunden, und kann nicht einfach aus Gutdünken der Führung spontan beschlossen werden.

Transaktionales Führen

Aus Metastudien (siehe Kirchler) weiß man, dass diese transaktionalen Managementansätze (siehe Abbildung 20) sehr wohl einen nachweislich starken positiven Einfluss ausüben auf die Kooperationsqualität, die Arbeitsatmosphäre, das Engagement der Mitarbeiter*innen, sowie auf die Zielerreichungsqualität und Leistungskennziffern der Unternehmen.

Im Zentrum der transaktionalen Führung steht also einerseits das Rationalitätsprinzip (Unternehmensziele erreichen) und das Prinzip der Reziprozität, der Wechselseitigkeit („geben und bekommen“). Transaktional Führen ist somit das „Management von Tauschgeschäften und der Fähigkeit, Ergebnisse unter Kontrolle von Strukturen und Prozessen zu erzielen“ (S.469, Kirchler). Verhandlung spielt hier eine wesentliche Rolle.

Niederschlag findet dieser Ansatz nicht nur im heutigen breiten Führungsalltag, sondern auch im „leadership branding“, der markenorientierten Unternehmens- und Mitarbeiter*innenführung. Trainings gewährleisten, dass Mitarbeiter*innen und Führungskräfte diesem Ansatz optimiert folgen können. Dies geschieht etwa durch Managementtrainings zum Zielvereinbarungsgespräch, oder zur professionellen Definition von (Unter-) Zielen. Auf die gegebenen Werte aufbauend, finden auch Workshops zur Optimierung der eigenen Arbeitsgestaltung, Coachings zum Selbstmanagement und dergleichen ihren beraterischen Einsatz.

Auch im Design von optimalen Informationssystemen und Kommunikations-systemen (transparente operationale Ziele, Ist/Soll/Prüfgrößen, Zeitpunkte, Reports etc.) im Betrieb finden wir die Leistung externer Beratung wieder. Denn ohne entsprechendes Kontroll- und Berichtwesen lässt sich diese Führungsform nicht umsetzen.

Transformationale Führung

Dieser Begriff geht auf die späten 1970er Jahre und auf Burns [8] zurück.

Im Brennpunkt transformationaler Führung steht:

wenn eine oder mehrere Personen einander derart verpflichtet sind, so dass Führende und Geführte sich gegenseitig zu höheren Ebenen der Motivation und Moralität heben[9] .

Sehr oft wird transformationale Führung in einem Atemzug mit charismatischer Führung oder auch mit visionärer Führung genannt und behandelt, in beiden Ansätzen geht es schließlich darum, dass Führung Werte und Sinn vermittelt. Und dass Führung eine Modellfunktion erfüllt, indem die Führungskraft in ihrem Handeln eine starke Vision zum Ausdruck bringt und damit den Untergebenen Inspiration und Motivation schenkt.

Transformationale Führung will, im Einklang mit dem Terminus, verändern, entwickeln, folgende Faktoren auf eine höhere Stufe bringen:

Werte, Bedürfnisse, Einstellungen, Sichtweisen, Handlungsweisen.

Und ist damit ein Gegenakzent zu Kennzahlengetriebenheit, zu stark geregelter, fast schon technokratischer Führung.

Transformationale Führung visiert umso mehr die menschliche Emotion an, und erreicht ihre Ziele über die psychologische Wirkung der Identifikation und Projektion.

Dies schafft sie nur über das Vertrauen und damit über die Beziehung, nicht über direkte Kontrolle. Mitarbeiter*innen identifizieren sich gerne und stark mit einer charismatischen Persönlichkeit in der Führung. Über den persönlichen, emotional positiv erleben Kontakt mit dieser identifizieren sie sich sehr stark mit der vorgelebten Unternehmensvision. Positiv erlebten Führungspersonen wird auch noch mehr an wertvollen Eigenschaften und Fähigkeiten zugeschrieben, Mitarbeiter*innen „projizieren“ auf Ihre Vorgesetzten.

Die Führungskraft wirkt transformativ indem sie auf vier Ebenen wirkt (siehe Neuberger [10] , [11] ):

  • Charisma:

„man vertraut mir (als Führung) und eifert meinem Beispiel (meinen „bigger-than-life-issues“nach)

  • Inspiration:

„… schaffe ich, indem ich mit Bildern, Symbolen und emotionellen Appellen kommuniziere. Dadurch mache ich die angestrebten Ziele bewusst und bringe diese in die Köpfe und Herzen meiner Mitarbeiter*innen. Die von mir getragene Vision hat viel Erstrebenswertes in sich, dem wir Menschen gerne entgegenlaufen.“

  • Intellektuelle Stimulation:

„So treibe ich Veränderung im Kleinen wie Großen an: ich gebe meinen Leuten Mut, es anders anzugehen, eine andere Perspektive einzunehmen, mit bisherigen Gewohnheiten und Prozessen zu brechen. Wir stellen auch bisherige Werte unserer Organisation konstruktiv in Frage“.

  • Individualisierte Wertschätzung:

„Ich gehe mit jedem anders um, achte jedoch auf Fairness. Ich kümmere mich darum, dass meine Leute die gestellten Herausforderungen effektiv bewältigen können“.

Transformationales Führen (siehe Abbildung 21) bringt nachvollziehbarerweise höheres Commitment, Engagement, und besonders in Kombination mit transaktionalen Führungsakzenten auch um ein gutes Stück höhere Leistungswerte im Unternehmen. Wie Kirchler und Rodler (2002) hervor streichen, stimuliert transformationale Führung insbesondere die Motivation. Transformationale Führer schaffen, dass ihre Untergebenen „…do more than they originally intended and often even more than they thought possible [12] “.

Und damit „federt“ transformationale Führung besonders in massiven Umbruchzeiten, in Change-Phasen (Merging Phasen) die natürlich aufkommenden Ängste, Unsicherheiten und Orientierungslosigkeit gut ab. In Abbildung 21 sieht man, wie transaktionale Führung „ en détail“ wirksam wird.

Transformationale Führung, nach Bass

Warnungen an Leader, die betont transformational führen, könnte man wie folgt formulieren, und damit auf die Bruchbereiche dieses Ansatzes hinweisen (siehe auch Neuberger):

  • Lass dich auch mal beurteilen und hinterfragen

  • Gib der Vielfalt in deinem Team Raum, und stelle die zentralen Werte und Einstellungen nicht als absolut in den Raum

  • Bedenke, was im Unternehmen geschehen soll, wenn Du als zentrale Person ausfallen solltest

  • Beachte auch, dass der Einsatz deiner Mitarbeiter*innen nicht zu blindem und quasi religiösem Eifer wird!

Insgesamt findet man durch viele Metaanalysen gesichert ein „gutes Zeugnis“ für transformationale Führung punkto Performance und Zufriedenheit aber auch punkto Effektivität, Motivation sowie Commitment. Und dies für nahezu alle Organisationsformen und Bereiche (Forschung, Schule, Verkauf, Finanz, Militär, Umweltschutz, Regierung, Kirche etc.)!!!

Im Forschungsprojekt „Globe“ wurden seit 1991 in 62 Ländern, von 170 Forscher*innen insgesamt 17.300 Manager*innen in 951 Organisationen befragt: Transformational-charismatische Führung stellt weltweit DIE erwünschte Art von Führung dar, und wird als universell und als effektiv erachtet. [13]

Symbolische Führung

Wir Menschen leben in einem Universum der Bedeutungen, der Symbole; Bilder treiben und bestimmen unser Denken, Fühlen, Entscheiden, Handeln. Wir produzieren und verändern Symbole in unseren Begegnungen, in unseren Interaktionen. Beispiele für Symbole [14] sind etwa Rituale, Statussymbole, Architektur, Moden, Geschichten, Glaubenssätze, „Höf“lichkeiten (im Sinne von Verhaltenscodes, wie man isst, sich bewegt, spricht etc.).

Führung an sich ist demnach auch ein Symbol, auf das wir uns einigen, und dem wir zuschreiben, dass es „so“ zu sinnvollem Arbeiten in Unternehmen kommt. Führungskräfte sind ebenfalls Symbole – als Modell.

Symbolische Führung (siehe Abbildung 22) bringt Symbole ins Spiel, und nutzt bestehende Symbole, um eine Wirkung bei den Untergebenen zu erzielen. Letztlich wirkt dieser Führungsansatz, indem interpretiert wird. Wirksame „Symbole“, also Sinnbilder, sind auch (finanzielle) Anreize, Regeln, Inhalte. Im direkten Führen steuert die Führungskraft, dass all diese Symbole „richtig“ interpretiert werden, dass alles für den Einzelnen und im Rahmen des Unternehmens „Sinn macht“.

Symbolisches Management

Dies schafft man neben der alltäglichen, bildstarken Kommunikation auch durch strategisch gesetztes Visualisieren von Unternehmensgrundsätzen, Leitbildern, Mission, Vision. Oder durch die Sensibilität, wann, wo, wie man was kommuniziert, denn dies wird eine andere Bedeutung, ein anderes Symbol, einen anderen Sinn vermitteln (etwa die Umstrukturierung im Betrieb, Kurzarbeit etc.).

Letztlich geht es hier darum, dass Bedeutungen, Sinn das Handeln beeinflussen und bestimmen, und Handlungen gewisse Bedeutungen, einen bestimmten Sinn zugeschrieben bekommen. Als optimal wird hier gesehen, wenn Aktionen das bedeuten, was in die Sinnbilder des Unternehmens passt - und dies auch bei allen klar angekommen und präsent ist.

Dem/r werten LeserIn wird nicht entgangen sein, dass diese Perspektive etwa fast schon „abgehobenes“ an sich hat, die individuelle Beziehung ebenso zu einem abstrakten Wert, eben einem Symbol verändert.

De facto kann man sich aus Beratersicht wohl am ehesten vorstellen, dass symbolische Führung ein guter Akzent in Umbruchsituationen darstellen kann, vor allem in der eigenen (Führungs-, Betriebs-, Prozess-) Analyse. Zur innerbetrieblichen Orientierung in Krisen tragen Überlegungen zu Symbolen sicher etwas bei - wie etwa: „wofür steht das“, „was macht das mit dem System“, „welches Symbol muss raus, uminterpretiert werden, neu dazu kommen“ etc…

Schwierig wird die „zackige“ Umsetzung symbolischer Führung, wenn Symbole im Unternehmen auch in Subkulturen identisch interpretiert werden sollen: wie etwa von externen aber integrierten Dienstleister*innen, Lehrlingsgruppen, oder ausgelagerten satellitären Einheiten (siehe Indien, Pakistan). Wir sprechen hier letztlich von Themen der Firmenkultur, des kulturellen Führens.

Systemische Führung

Systemisches Führen baut im Wesentlichen auf den Erkenntnissen der neueren Systemtheorie [15] auf. Hier sind Organisationen (Unternehmen, Vereine, Institutionen etc.) soziale Systeme, die aus Kommunikationsakten bestehen. Kommunikationsakte stehen somit im Fokus, nicht (so sehr) die natürlichen Personen als Mitglieder. Nun können soziale Systeme nicht selbst denken oder sprechen, also Kommunikationsakte erbringen. Dies schaffen sie über die „psychischen Systeme“ der Mitglieder. Psychische Systeme ihrerseits bestehen vereinfacht gesagt, aus Gedanken. Soziale Systeme (siehe Unternehmen) sind also mit psychischen/ Bewusstseinssystemen (Mitarbeiter*innen) eng verkoppelt, sie beeinflussen einander, während sie „Kommunikationsakte setzen“ oder „denken“.

Führung schafft bewusst Ordnung durch Strukturen, innerhalb welcher Selbstorganisation stattfinden kann. Mitarbeiter*innen organisieren sich in organischer (und nicht in Reißbrett-) Form ständig selbst, wenn sie Mehrwert produzieren, um Leistung zu generieren. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle, nicht nur rationale Ursachen-Wirkungs-Elemente.

Führung hat in den Bereich der Selbstorganisation kaum oder in jedem Fall weniger Einfluss, als die MitarbeiterInnen selbst es haben. Die Systeme sind gekoppelt, aber selbständig – siehe Abbildung 23.

Ein Versuch Systemische Führung grafisch darzustellen

Systemisches Führen trägt demnach viel Sensibilität, Respekt für das System, für die Menschen darin, und für die Kultur in diesem System in sich. Wenn es etwa zu auffallenden Verhaltensweisen bei Mitarbeiter*innen kommt, dann wird das nicht auf der Ebene der echten Person gesehen, sondern diese Person ist quasi „Symptomträger*in“, stellvertretend für das System. Es wird also vordergründig immer darum gehen zu hinterfragen, was im gesamten System dazu geführt hat. Ebenso misst man auch „abwegigen“ Mustern im System ihren eigenen Sinn und Wert bei:

Gerüchte etwa sind nicht ein Persönlichkeits- oder Kommunikationsproblem einzelner Rädelsführer, sondern ein Ventil, das Sinn macht, indem es eine Balance herstellt zwischen den Dingen die offen gesagt werden und den Tabus - den explizit nicht offen kommunizierten Dingen.

Ein Beispiel ist auch, wie häufig in Unternehmen die IT-Abteilung zum Buhmann wird, stellvertretend für alle möglichen Unzulänglichkeiten des Gesamtsystems. Systemische Führung würde hier mit Sicherheit andere Wege gehen, um dieses Thema konstruktiv zu lösen, als klassische Führung mit betriebswirtschaftlichem Fokus.

Führungskräfte greifen darum nur mit besonderer Achtsamkeit „führend“ in ihr System ein, und nehmen stark darauf bedacht:

  • … Anpassung und selbständige Entwicklung („Evolution“) im System und des Systems zu ermöglichen und zu fördern (denn es gibt keine Entwicklung abseits des Systems und kein System ohne Anpassung und Evolution)
  • … das System mit Respekt zu behandeln
  • … Extreme Erscheinungen zu tarieren, zu moderieren
  • … keine endgültigen Lösungen finden zu wollen
  • … laufende Dynamiken und Prozesse am Leben zu halten
  • … mit Unklarheiten, Unterschieden, Mehrdeutigkeiten konstruktiv zu leben
  • … Potentiale, Chancen zu schaffen und zu pflegen
  • … Probleme zu identifizieren und zu lösen

Folgt man Luhmann´s Grundsätzen, so wirft die neuere Systemtheorie ein wesentlich anderes Licht auf ein Unternehmen: es befindet sich in einem ständigen Ereignislauf, dessen Ausgang stets unbestimmt bleibt. Hier setzen etwa Führungsperspektiven an, denen zu folge die Führung eines Unternehmens letztlich eine Illusion bleibt, und nur funktioniert, weil man das System dies glauben lässt, und weil man sich das selber bzw. das System einem dies glaubt. Etliche Aussagen gegenwärtiger Wirtschaftsmagnaten bestätigen diesen Blickwinkel als einen sehr angebrachten und aufschlussreichen, direkt aus deren Alltagspraxis.

Spezielle Systemische Führungsansätze

In den letzten 10 Jahren beobachtet man eine fast durchgängige Annäherung der Beratungszunft an Systemisches Gedankengut.

Zumeist wird hier „systemisch“ jedoch in vager Form als „ganzheitlich“ verstanden. Aus Sicht des Autors hält sich der Wiener Ansatz am stringentesten an die zugrunde gelegte Systemtheorie Luhmann´s [16] [17] .

Berater*innen und Berater*innengruppen wie Daniel Pinnow in Hamburg [18] , Roswita Königswieser [19] in Wien oder Malik in St. Gallen veröffentlichen – auch als Businessstrategie in Richtung USP - stetig neue Werke zu eigenständig weiterentwickelter, oder umgeformter, angereicherter Systemischer Führungstheorie und Organisationstheorie.

Diese stellen aus Sicht des Autors zwar wertvolle Leistungen dar, sind jedoch mit einem weit kritischeren Auge zu betrachten, als es jene Weiterentwicklungen benötigen, die von – nicht businessgetriebenen – Forschungsstätten stammen.

[Exkurs: Erinnern Sie sich kurz an charismatische Führung, Expert*innen- und Identifikationsmacht: legen Sie dies mal um auf eine differenzierte Blickweise zu allfälligen „Starautor*innen“ der Managementliteratur].

Im Brennpunkt dieser Ansätze steht jedoch immer der Respekt vor dem System (und seinen Teilen):

  • Den Blick auf das Ganze zu behalten
  • Die Führung ist Teil des Systems (des Ganzen)
  • Anregungen schaffen und nicht befehlen
  • Nicht Lenken sondern Lernen steht im Brennpunkt

Damit werden System, Team und der Einzelne gleichermaßen im Auge behalten. Betrachtung erfolgt nie nur aus einer Perspektive (Berater*in, Führende etc.) sondern aus möglichst vielen Blickwinkeln, von innen und von außen. Ziel ist stets, Entwicklung anzuregen und zu pflegen.

Da man das komplexe System Unternehmen nicht wirklich verstehen, kontrollieren und organisieren wird können, versucht systemisches Führen dem gerecht zu werden, indem es die Selbstorganisationsprozesse in Gang bringt oder im Laufen hält (mancherorts auch als Selbstheilung beschrieben).

Virtuelle Führung

Forscher*innen wie Ewald Scherm [20] und Stefan Süß gingen in den letzten zehn Jahren auf Bedingungen und Einflussfaktoren zu Führung und Kooperation in virtuellen Organisationen, virtuellen Teams und Strukturen ein.

Virtuelle Zusammenarbeit setzt auf den Merkmalen

  • herkömmlicher Teamarbeit auf,
  • weiters auf delokalisierten und dezentralen Arbeitsplätzen,
  • sowie auf dem Einsatz elektronischer Kommunikationskanäle.

Ausgehend von struktureller Führung, innerhalb welcher Führungskräfte „interaktiv führen“ sprechen diese Autoren Räume an, die ein virtuelles Zusatzangebot oder die Basis für vielerlei Projektarbeiten darstellen: email, Videokonferenzen, Intranetlösungen und Kooperationssoftware stellen die Grundsäulen. Die sogenannte „Mediarichness“ kann ein Vorteil im instrumentellen Sinn sein, aber auch zu Diffusität führen!

Virtuelle Teams sind aus Berater*innensicht eine wahre „Augenweide“, und waren in den letzten zehn Jahren stetig leichter zu empfehlen, zu implementieren. Denn virtuelle Teams stehen für überregionale Verfügbarkeit, und man kann viel zielgesetzter und zeitweise sogar weltweit recruiten, also nach den besten Leuten suchen. Unschlagbar ist auch, dass virtuelle Teams sehr erweiterte Spielräume und damit Attraktion für den Menschen und „Humus für Performance“ bieten:

  • erweiterte Spielräume bezogen etwa auf Arbeitszeiten - und damit auch Pausengestaltung: denken Sie an unterschiedliche Biorhythmen, familiäre Hintergründe wie Kinder, welche für alle vorteilhaften weiteren Rahmenbedingungen hier spielbar sind)
  • erweiterte Spielräume auch in der Handlung und Ausführung (Arbeitsteilung wird hier zeitweise komplett neu „erfunden“, Rollen gelebt und verschoben, Kooperation neu definiert- etwa im gemeinsamen Echtzeitbearbeiten von Mindmaps, technischen Zeichnungen etc.)
  • weitere Räume in der Entscheidung
  • rasche Reaktionsfähigkeit und Schlagkraft
  • die mitunter enorme Kostenersparnis gefällt dem Kundensystem verständlicherweise auch, wenn man allein schon an Reisespesen denkt.

Gehen wir als Berater*in in Systemen mit virtueller Führung zu „Werk“, so werden folgende Fragen für uns (und für die beratene Führung) wesentlich:

  • wo steht die Gruppe im Prozess der Vertrauensfindung?
  • wie kann opportunistisches Verhalten sanktioniert werden?
  • Verfügen die Mitarbeiter*innen über ein diskretes Ausmaß an Selbstführung?
  • Kann ein laufender intensiver Informationsaustausch stattfinden?

Grundlegend bleibt auch hier, dass die Führungsposition prinzipiell anerkannt sein muss („ja es braucht einen Führer in unserem Team“), und dass man per „Management by Exceptions“ vorgehen kann, also bei sozialen, persönlichen Grenzen oder bei Kompetenzgrenzen direktiv eingreifen kann.

Auch hier setzt die Beratungsleistung oft an, wenn im Team oder bei Einzelnen oder der Führungskraft nicht klar ist, wie unter welchen Bedingungen auch hier „klare Töne und Anweisungen“ Raum haben, und was und wieweit Selbstführung geht. Letztlich finden hierzu sehr häufig Klausuren statt – zur gemeinsamen Erstellung von Richtlinien und Grenzen, von Vereinbarungen mit sich selbst und den anderen. Und es finden oft auch rein technisch-strukturelle Beratungsrunden statt, in denen dem verwendeten (IT)Werkzeug auf den Puls gefühlt wird, ob dieses eigentlich erfüllt, was die Leute brauchen, und ob das Team das auch als gemeinsames „Prozesswissen“ parat hat. Denn sehr oft fällt das Ganze relativ „einfachen“ Unkenntnissen zum Opfer, und da es alles Experten sind, traut sich auch kaum jemand zu, sein Gesicht wegen Nichtigkeiten zu verlieren; etwa indem man nachfrägt, wie die Firewall denn nun wirklich zu konfigurieren sei, damit das auch sicher klappt etc..

Was sind nun Hindernisse und Fallstricke in virtuellen (Führungs-) Settings?

Im Rahmen von Coachings oder Supervisionen lassen sich Führungskräfte gerne dabei unterstützen, wie sie es bei ihren virtuellen Teams schaffen sollen Beziehungspflege zu leisten und im Team zu ermöglichen. Beziehungen werden beruflich-virtuell mehrheitlich gar nicht gepflegt (außer durch eingestreute „Emoticons“); in jedem Fall ist die persönliche Beziehung zueinander unersetzbar und unerlässlich – im Team und mit der Führung. Denn nur hier kommt es zu echten Effekten der Motivation, der gemeinsamen Integration und Identifikation.

Hierzu finden beraterseitig Methoden Eingang wie:

  • das Coaching der Führungskraft und der Einzelnen (Kommunikation danach ausrichten, dass Beziehung auch virtuell spürbar wird),
  • Teamcoaching vor allem regelmäßig (monatlich, im Quartal) in realer persönlicher Begegnung
  • Design und Begleitung von Incentives und Gruppenerfahrungen, Abenteuerelementen mit Fokus auf emotionaler Kommunikation.

Neue Herausforderungen für die Teams und Führung, und somit Einsatzbereiche für BeraterInnen stellen hier jedoch auch folgende Themen dar:

  • Erreichbarkeit und zeitliche Verzerrung [21] , [22]

siehe Tag-Wachrythmen bei interkontinentaler Kooperation, und daraus entstehende Leistungsvorteile für einzelne,

  • latente Missverständnisse

die keinen Klärungsraum finden oder gar nicht an die Wahrnehmungsschwelle gelangen,

  • Abhängigkeit von technischen Lösungen

Umgang in der Person damit, Psychohygiene, Aggressionsabfuhr, Burnout, aber auch IT-orientierte Expert*innenberatung, Optimierung in der Handhabung

  • aufkommender Produktionsdruck

denken Sie an „Ping-pongmails“, Arbeitsketten schaukeln sich hier gerne zu sonst unerreichten und „verrückten“ Geschwindigkeiten auf, die Qualität oder zumindest die Nachhaltigkeit bleibt auf der Strecke)

  • und die Frage der Informationstransparenz

wer hat welche Infos, wer schaut zu, an wen wird zusätzlich reportet: dies kann nur mit vertrauensvoller individueller Kommunikation den geeigneten strukturellen Lösungen zugeführt werden.

Neue und stets veränderte Herausforderungen an Mitarbeiter*innen und Führung stellen sich hier im Bereich der Soft Skills (wie Moderationsfähigkeit), aber auch im Bereich der Handhabung neuer Softwarelösungen. Kulturelle Dimensionen wie etwa die Vorliebe und Tabus im Umgang mit Kommunikationsmitteln müssen hier ebenso mitberücksichtigt werden: dies reicht von der Vorliebe für SMS oder email versus Telefonie, bis hin zu kontinental unterschiedlichen Höflichkeitsformen im Umgang hiermit.

Zentral ist hier der fehlende Raum für nonverbale, informelle Kommunikation, in dem authentische Anerkennung und spontane Aufmunterung geschehen können.

Am Ende des Tages wird der Ansatz zur virtuellen Führung als gute Ergänzung zu interaktionistischer Führung gesehen, wenn es um formalisierbare und strukturierte Führungsaufgaben geht, die man sogar besonders effektiv medial tätigen kann.

Beratungstätigkeiten fokussieren am Hintergrund dieses Ansatzes auf Trainings zum Teambuilding für virtuelle Teams und deren Führung, auf der Entwicklung von Fertigkeiten und Fähigkeiten im Umgang mit medialen Kanälen, auf der teils ebenso virtuellen Supervision und damit Team- und Fallbesprechung, oder auf der Beratung zur stimmigen Wahl von Produkten.

In den unterschiedlichen Teamentwicklungsphasen kommt es zu unterschiedlichen Formaten der Beratung, wie zu Workshops mit dem Ziel des Vertrauensaufbaus oder der Visionserneuerung – als gruppendynamische outdoor- oder indoor-Trainings, zur Einigung über Prozessrichtlinien, Freiheitsgrade, sozialen Umgang, zur Klärung und Harmonisierung von Erwartungen, zur Motivation und Identifikation mit Team und Unternehmen. Im Spezialfall von Mergers und Joint Ventures liegen im virtuellen Kooperationsbereich noch umfassendere Herausforderungen, die es wahrzunehmen und zu begleiten gilt; leider greifen gerade hier nur sehr wenige Unternehmen auf professionelle externe Begleitung zurück. Erlebnisstarke Incentives runden die Palette ab.

Verteilte & Geteilte Führung

Verteilte Führung / „Distributed Leadership“ (Barry, 1991) und geteilte Führung / „Shared Leadership“ weisen keine starke Abgrenzung zueinander auf, und finden auch stets sehr ähnliche Folgen für die Unternehmensperformance.

Durch Forschungsarbeiten wie etwa von Pearce [23] finden sich verdichtete Hinweise darauf, dass Shared Leadership zur Effektivität von Teams einen wesentlicheren Beitrag leistet, als dies eine alleinige noch so gute Führungskraft könnte.

Innerhalb von hochprofessionellen Teams kommt es aus dieser Sichtweise zu Nachfrage- und Angebotssituationen, auf welche jedes Teammitglied mit seinen Ressourcen und damit auch Fähigkeiten antwortet. Führung wird hier also weitergereicht, und „auf jeden in unterschiedlicher Weise zu unterschiedlichen Zeitpunkten zurückgegriffen[24] .

Zusammenarbeit, Koordination und Innovation sind in solchen Teams weitaus höher als in rein vertikal, also hierarchisch-traditionell geführten Teams [25] . Auch der Zusammenhalt und damit die Leistungsfähigkeit sowie die Stärke der gemeinsamen Vision gewinnen in diesem verteilten Führungsmodell enorm an Stärke. Allerdings weisen Studien auch darauf hin, dass verteilte Führung allein so ist wie eine Schwalbe, die noch keinen Sommer macht: die Mischung aus verteilter Führung und einer koordinierten Vergabe dieser Führungsanteile scheint sich als die beste Variante heraus zu stellen [26] .

Im Umfeld von Kleinunternehmen oder Einpersonenunternehmen (EPU), die sich informell oder formal mit anderen zusammenschließen und auch marktorientiert darstellen, können diese Effekte besonders stark zum Vorschein treten. In diesen Bereichen kann Beratung in nächster Zukunft auch besonderen Raum finden - immerhin stellen Kleinunternehmen und EPU´s den Löwenanteil der heimischen Wirtschaft, und die Förderungsleistungen in diesem Bereich schnellen hier seit wenigen Jahren fulminant empor.

Hierbei sei an dieser Stelle kritisch zur Diskussion gestellt: der überwiegende Großteil der Beratungsdienstleistungen in Österreich, aber auch in der gesamten EU werden mittlerweile in geförderter Form konsumiert, teilweise geht es auch eher um den richtigen „Topf“ und weniger leicht um die „richtige Beratung“. Ferner: was macht das mit „Beratung“, wenn man sich diese nicht mehr aus der eigenen Tasche leisten will, kann, soll, muss?

Letztlich orientiert sich dieses Führungskonzept an autonomen, verstreuten, selbständigen, selbstorganisierten Subsystemen. Der Vollständigkeit halber sei hier auch darauf hingewiesen, dass dieses Führungsmodell bereits in den frühen 1950er und dann 1990er Jahren angeklungen war, als Produktionsmodelle wie die „Fraktale Fabrik“ [27] oder Just-in-Time-Production und Lean-Production Einzug in die Unternehmen weltweit hielten.

Eine Führungskraft sollte diesen Erkenntnissen zufolge ihre Führerschaft mit anderen vertrauenswürdigen Mitarbeiter*innen teilen, um Ressourcen und Entscheidungsrechte besser im Team zu verteilen.

Erfolgskriterien sind:

  • Als wesentlich für den Erfolg stellt sich auch hier heraus, dass jede Führungsperson – ob im Shared oder im Distributed Modus – auch sich selber als Führer sehen muss.
  • In der verteilten Form müssen gruppendynamische Effekte (Neid, Missgunst, Konkurrenz) klar analysiert werden, um den positiven Leistungseffekt durch kluge Verteilung und Kommunikation auch heben zu können.
  • Geteilte – also Shared Leadership zeigt sich zwar als der verteilten Form prinzipiell überlegen. Allerdings werden beide Formen auch in unterschiedlichen Betriebsphasen und Unternehmensteilen, sowie selbstverständlich in unterschiedlichen Branchen und Sektoren unterschiedlich möglich oder wünschenswert sein.

Da die geteilte sowie verteilte Führung sehr hohe Ansprüche an alle Beteiligten setzen, kommt der Beratung in vielfältiger Weise eine wichtige Rolle zu: Unterstützung bei der Auswahl von Führungspersonen, beim Erstellen von Zeitdesigns, bei der Fassung gemeinsamer Sichtweisen und damit Begegnung von emotionalen Faktoren in Gruppenworkshops oder speziellen T-Gruppen, die klare Trennung und Konzeption was in vertikaler und was in ge-/verteilter Führung geschehen soll, bis hin zu Sensibilisierungstrainings für die spezielle – oft auch virtuell ablaufende – Kommunikation. Aber auch die Beratung zu Instrumenten, die eine verteilte oder geteilte Führung im Alltag umsetzbar, transparent oder nachvollziehbar machen.

Die Moderation von speziellen Klausuren mit beraterischem Input zur Optimierung des Führungs-Geführtensystems auf inhaltlicher wie auf Beziehungsebene stellen weitere beraterische Interventionen dar.

Selbstführung

Vorläufer der Selbstführung sind die Erkenntnisse von Karl E. Weick zur „Selbstorganisation“.

Wodurch erhöht sich die Freude von Mitarbeiter*innen an ihrer Arbeit und Aufgabe, und an deren Performance?

Indem man ihnen Räume zur „Führung ihrer selbst“ überlässt, sie zu Proaktivität und Initiative stimuliert, ihnen Selbstmotivation ermöglicht, ihnen die Chance gibt „Project-Ownership“ („das ist mein Baby“) zu erleben. Wir sprechen dann von individueller Selbstführung.

Ursprünglich als Selbstmanagement (-Theorie [28] ) beschrieben, fokussierte man vorerst auf Verhaltensweisen und deren Optimierung zum Erfolg: wie setzt sich ein/e Mitarbeiter*in oder eine Führungskraft selbst Ziele, wie belohnt und bestraft sie sich, wie läuft Selbstbeobachtung ab, und was tun sie – und was davon ist unter welchen Umständen erfolgreich. Mittels Coachings und Trainings zum Selbstmanagement wird auch heute an diesem Angelpunkt daran gearbeitet, das (Selbst-) Bewusstsein bei Mitarbeiter*innen und bei Führungspersonen auszubauen. Über die Selbstbelohnung findet man zur Wahrnehmung der eigenen Kompetenz, zu Sinn und zu Selbstkontrolle. Später wurden dann auch die mentalen Denkmuster mit in die Selbstführung, und damit in Coachings und Trainings mit einbezogen: welche Sichtweise macht Sinn, ist konstruktiv, und welche Gedankenmuster wirken destruktiv, schmälern Klarheit und Ergebnisstärke. Und wie gelingt es positiv, Verantwortung und kluge Organisation (Zeit-, Ressourcenmanagement) in der eigenen Arbeit zu leisten.

Beratend bedient man sich diverser Methoden, wie etwa Visualisierungen oder sogenannter narrativer Techniken: Geschichten erzählen und diese konstruktiv verändern, womit sich auch Haltungen und Denkmuster ändern. Die Arbeit an mentalen Dimensionen der Selbstführung zeigt, dass damit sich ebenso emotionale Anteile zum Positiven verändern: man hat mehr Enthusiasmus, bessere Laune, ist man auch weniger nervös [29] .

Selbstführung (siehe Tabelle 7) ist letztlich eine Motivationstheorie (VIE-Theorie, Erwartungs-mal-Wert-Theorien [30] ), wobei die Motivation durch Verhaltensstrategien und durch mentale Strategien beeinflusst wird. Vertrauen und Selbstwirksamkeit zählen zu den wesentlichen Wirkfaktoren, die - wie man gut nachvollziehen kann – auf den Leistungserfolg auch im Beruf wirken. Im Kern guter Selbstführung steckt also immer die fortwährende, achtsame und realistische Pflege des Vertrauens in sich selbst und in die Wirksamkeit der eigenen Aktionen.

Tabelle 7: Individuelle Selbstführung (in Projektteams) (Martin Haberstroh S.18)

Manz (1983) „We suggest specific strategies for managing our own behavior. These strategies are especially suited for motivating and leading ourselves in the face of difficult and, at least in the short-run, unappealing but necessary tasks” (S.16)
Manz (1986)

“This work generally reflects the view that behaviors are not performed for their intrinsic value but because of their necessity or because of what the performer will receive for his/her performance.” (S.588)

“Here, self-leadership is conceptualized ad a comprehensive self-influence perspective that concerns leading oneself toward performance of naturally motivating tasks as well as managing oneself to do work that must be done but is not naturally rewarding.” (S.589)

Houghton & Neck (2002) “Simply stated, self-leadership is a process through which people influence themselves to achieve the self-direction and self-motivation necessary to behave and perform in desirable ways.” (S.672)

Dies unterstützen Berater*innen etwa durch Unterweisung in mentalen Versenkungs- und Meditationsformen (Autogenes Training, Fokussierungstraining, Jacobson´sche Muskelrelaxation etc.) und durch Hinführung zum Selbstcoaching durch strategische Fragen. Jedoch auch das Vertrauen in uns selbst vermag á la longue nicht ohne die Anderen, die Feedbacks zustande kommen: hier wird etwa 360° Feedback als Methode wertvoll, oder der/die Berater*in als wertvoller Spiegel und Feedbackgeber*in.

Folgende Dimensionen sind in der Optimierung der Selbstführungskompetenz wichtig, wenn es auch um den Kontext geht - also um die erfolgreiche Beeinflussung der Umwelt, damit das Team gute Erfolge erbringt:

  • Informations-/Feedbacksuche,
  • Unterbrechungskontrolle (also Umgang mit Unterbrechungen, Störungen),
  • sowie Risikowahrnehmung und Risikokommunikation.

Eine Orientierung beim Selbstcoaching, zur eigenen Arbeit an mehreren Dimensionen der Selbstführung geben die folgenden drei Bereiche:

  • Wie führe ich selbst mein Aufgabenerfüllungsverhalten? Hierbei sind sowohl meine Erfüllungsarbeiten auf gedanklich-kognitiver Ebene als auch auf physischer Verhaltensebene gemeint: allgemeines, „klassisches“ Selbstmanagement also.
  • Wie führe ich selbst meine gedanklichen Muster: es soll in Richtung positiv, konstruktiv und realistisch gehen. Vom Hindernisdenken zum Chancendenken und Möglichkeitsdenken. „Sollen“ und „Wollen“ finden hier zueinander.
  • Wie führe ich selbst mein intrinsisches Motivationsverhalten, wie schaffe ich mir selbst ein angenehmes Arbeitserleben?

Der Erfolg von Team-Selbstführung hängt stark von den Aufgaben ab, die ein Team zu leisten hat: bei konzeptuellen, stark mentalen Aufgaben wirkt sich die Selbstführung des Teams (ohne externe Führung) leistungsstärkend und ergebnisstärkend aus, hingegen negativ wenn das Team schlichtweg optimales Verhalten zu erbringen hat (Service, Koordination von Friedenstruppen vor Ort, Schweißarbeiten an Reaktorkühlsystemen etc.). Wenn es in einem Unternehmen um das Pro oder Contra „Team-Selbstführung“ (und deren Grenzen) geht, so führt man als zugezogener (interner oder externer) Berater zu folgenden Fragen:

  • welchen Wert haben die Teamziele (für den Einzelnen)
  • welchen Beitrag kann das Teammitglied für das Gruppenergebnis leisten,
  • wie stehen die Erwartungen nach Wechselseitigkeit
  • ist das Team eine funktionale Einheit oder eine cross-funktionale Einheit (die mehrere Expertisen zusammenbringt)?

Teamselbstführung schafft Vorteile bei funktionalen Einheiten, bei hoher Wechselseitigkeit, möglichem Beitrag des Einzelnen zum Teamergebnis, und wenn die Teamziele für jeden im Team einen hohen Eigenwert haben.

Dies könnte man sich bildhaft an einem professionellen Basketball- oder Fußballteam vergegenwärtigen. Das Gegenteil hierzu wäre etwa so manche UNO-Hilfstruppenkonstellation samt Einflechtung verschiedener NPO´s und NGO´s. Eigenartigerweise ist im ersten Beispiel aus dem Sportbereich stets eine klare Außenführung artikuliert und festgelegt, obwohl das Team sich im Wesentlichen selbst führen wird. Im zweiten Bild, im Hilfseinsatzfall ist zumeist lange unklar, wer überhaupt wie dabei ist, Verantwortung übernimmt, wie Informationen fließen, wo Koordination zusammenläuft, und es sind neben vielen Sprachen auch Kulturen und Berufsfelder zusammengewürfelt. Es bräuchte also per definitionem eine klare Führung und keine Teamselbstführung. Dennoch scheinen solche Zusammenstellungen immer „aus sich selbst laufen“ zu müssen. Woran diese ja dann im Regelfall auch (inoffiziell) scheitern.

In der Entsendung von relativ selbstgeführten Teams wird unter anderem wichtig sein, deren Beziehungsbasis gestärkt und stimuliert zu haben. Diese liefert die Basis, um im „Alleinlauf“ dann nicht an Beziehungskonflikten zu erstarren. Zugleich stellt dies die Basis bei erfolgreichen Außen(mission)teams dafür, dass diese an sachlichen, an Aufgabenkonflikten sogar noch in Teamperformance und Teamzufriedenheit wachsen!

Hier kommen wesentliche Beratungspotentiale im Aufbau einer offenen, klaren Teamkultur in Spiel, welche persönlichen Angriffen wenig Raum bietet, sondern hingegen auf humorvolle Weise Verbindlichkeit, Wert und Sinnwahrnehmung stärkt, wie auch das einfache von Du-zu-Du.

Dahinter stellt man effiziente Anleitungen in der Selbstführung für die einzelnen Mitglieder (Personal Training, Coaching). Denn eine starke individuelle Selbstführung bringt auch mehr Wahrnehmung für den Wert der eigenen Beiträge, mehr Stolz dafür (um nicht zu sagen der Glaube unersetzbar für die Teamgesamtleistung zu sein), und damit wird der Einzelne mehr proaktiven Beitrag in die Gruppenziele führen – und sich an entsprechender Stelle sogar zurücknehmen.

Authentische Führung

Inhaltlich steht authentische Führung im Regelfall aufs engste verknüpft mit ethischen Themen, mit Nachhaltigkeit und moralischer Akzeptanz der Lösungen.

Luthans und Avolio definierten 2003 authentische Führung wie folgt:

“…authentic leadership development is a process that draws from both positive psychological capacities and a highly developed organizational context, which results in both greater self-awareness and self-regulated positive behaviors on the part of leaders and associates, fostering positive self-development. The authentic leader is confident, hopeful, optimistic, resilient, transparent, moral/ethical, future oriented, and gives priority to developing associates to be leaders. The authentic leader is true to him/herself and the exhibited behavior positively transforms associates into leaders themselves.” (Luthans & Avolio, 2003, S.243)

Walumbwa, Avolio und Gardner [31] zeigen Zusammenhänge und Unterschiede von authentischer Führung und „great man“, „charismatischer Führung“ und ähnlichen Ansätzen auf.

Woraus setzt sich nun authentische Führung im Wesentlichen zusammen, was sind die Kernfaktoren:

  • Ausgewogene Selbst-Bewusstheit
  • Fähigkeit zu objektiver Informationsverarbeitung (ohne dass Selbstschutz, Verleugnung etc. verzerren)
  • Authentisches Tun: nicht Belohnungsgetrieben, sondern kohärent mit dem eigenen Bewusstsein seiner selbst und der gegenwärtigen Situation. Die Suche nach dieser Kohärenz, Stimmigkeit zwischen „mir“, der Situation und dem Ziel zeichnet authentisches Tun aus.
  • Beziehungsorientierung, stimmige Nähe, Offenheit
  • Hohe ethische Standards – Moral

Im Zentrum authentischer Führung steht die Moral - und damit die moralische Persönlichkeitsentwicklung der Führungskraft.

Für die Beratungsseite steht damit die Herausforderung, Führungskräfte, aufkommende Talente in eine wahrhaftige, aufrichtige Entwicklung zu begleiten – und sich damit wohl mehr und mehr in gesprächstherapeutische Methoden im Einsatzbereich „Selbsterfahrung“ zu bewegen. Es geht hier zentral um die Bereiche Selbstbewusstsein und Selbstregulation. Und damit um Themen wie Mut, Hoffnung finden und geben, Selbstvertrauen, Ehrlichkeit, moralische Größe – im Alltag extrahiert, konfrontiert. Gern nimmt man hier das „story telling“, das Geschichte(n) über mich selber erzählen zu Hilfe, um Bewusstheit zu stärken: „was macht mich aus, wer bin ich, wofür stehe ich, wofür gehe ich“.

Berater*innen sind evtl. auch mal dazu aufgefordert, diese Entwicklung zu fordern, durch starke Gruppendynamiken anzuheizen, um „in vivo“ authentisches Verhalten heraus zu fordern. Denn letztlich zeigt sich unter Druck und Stress, was aufgesetzt und was authentisch stabil ist – etwa in besonderen Assessment Centers. Neben speziellen Feedbackformen (360°) zur Vertiefung der Selbstbewusstheit, setzen Berater*innen auch Mentoring-Programme ein, um zu mehr Selbstbewusstheit, zu ausgewogener Informationsverarbeitung, zu authentischem Tun und zu besserer Beziehungsorientierung zu verhelfen. Mentor*innen können hierbei in der Firma aber auch in einem anderen Bereich oder Unternehmen gefunden werden.

Soll die Beziehungskomponente bei einer Führungskraft gestärkt werden, so wird auch gerne mal zum Mittel gegriffen, diese positional einfach für eine Zeitlang mit Kolleg*innen aus einfachen Jobhierarchien wechseln zu lassen. So geht dann eben auch der Vorstand eine Woche im Jahr Post austragen oder Waren schlichten.

In Tabelle 8 finden sich noch einmal in übersichtlicher Weise zusammengefasst, soeben besprochene, und mögliche Strategien zur Stärkung von Authentischer Leadership in ihren Wirkfaktoren.

Tabelle 8: Strategien zur Stärkung (in) Authentischer Führung (nach Illies, 2005, S.389).

Authentic leadership component Selection criteria Developmental interventions
Self awareness

Positive self concept

Emotional intelligence

Multisource feedback
Unbiased processing

Integrity

Learning goal orientation

Assessment centers
Authentic behaviour

Self monitoring

Self-esteem

Coaching / mentoring

Behavioral role modeling

Relational authenticity

Past positive relationships

Past behaviour interview

Upward feedback

Leader-member exchange

training

Mittlerweile wird beraterseitig auch schon eifrig mit dem „ALQ“ dem „Authentic Leadership Questionnaire“ gearbeitet [32] . Es dient in Unternehmen Prozessen der „Ausbildung“ und (Coaching)Begleitung und setzt per se auf der Ebene FührendeR-Geführter an: es ist eine Form der Selbst- und Fremdbeschreibung, in der auch der (die) Untergebenen (und Kolleg*innen) eine Beschreibung, ein Feedback abgeben. Hierbei bewegen sich die Beschreibungen entlang der vier Kernfaktoren authentischer Führung.

Aus der Perspektive eines Organisationsentwicklers kommen beratend zu „Authentischer Führung“ letztlich alle Ebenen in einem Unternehmen ins Spiel, denn Authentic Leadership muss überall da verankert sein: in der Einzelperspektive, in der Zweierbeziehung (FührendeR - Geführte), auf Teamebene und auf Organisationsebene (siehe Tabelle 9).

Tabelle 9: Authentische Führung auf mehreren Ebenen (nach Yammarino et.al. 2008, S.698)

Level of analysis View of authentic leadership (AL) Comparable leadership view
Leader - individual authentic leader” style, individual differences, treat followers similarly Pragmatic leadership
Leader-follower-dyad authentic dyad”, balanced relationships, one-to-one-connections Individualized leadership (s.
Group/team authentic team”, AL as shared model, followers see AL similarly Shared leadership
Organization authentic organization”, AL as philosophy/managerial values in organization Strategic leadership

Insbesondere im Rahmen von CSR, also Corporate Social Responsibility Projekten in Unternehmen werden Moral, ethisches Denken und Verhalten, Visionsstärke und effiziente pragmatische Schlagkraft von zentraler Bedeutung. In den folgenden Abbildung 24 und Abbildung 25 wird grafisch noch deutlicher veranschaulicht, auf welchen Ebenen Beratung ansetzen kann und wird, um Unternehmen dabei zu unterstützen, Authentische Führung zu integrieren.

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In der (langfristigen) Umsetzung solcher CSR-Themen stützt man sich firmenintern neben verlässlichen Strukturen auch gerne auf starke Opinion Leader, um die (CSR) Vision der nachhaltigen, ethisch korrekten Betriebsführung im ganzen Unternehmen zu integrieren: diese Opinion Leader sind im Regelfall nichts anderes, als authentische Leader – formelle oder informelle – die andere zu authentischem Denken, Streben und Verhalten animieren (siehe Abbildung 25).

Konzeptrahmen für die Entwicklung von authentischer Führung


In diesem Kapitel zu Authentic Leadership konnte ein Stück weiter über die bisherigen Erläuterungen und Bebilderungen hinaus aufgezeigt werden, in welche Richtung auch breiter angelegte Beratungsdienste in Bezug auf Führung fruchtbar werden. Dieser Führungsakzent eignet sich ganz besonders durch seine Kernaussagen dazu, denn diese verlangen geradezu nach einer breiten Implementierung. Dies entspricht nun den neuesten Trends in der Führungsberatung, wenn es um ganzheitliche, obgleich nicht immer „echt systemische“ Interventionen und Entwicklungsbegleitungen geht.

Führungsberatung ruht heute auf dem Bewusstsein, immer auch Organisationsberatung zu sein, oder zumindest indirekt bestimmt auch Interventionen in die Organisation hinein zu setzen.

  1. Hogg, 2001; Gebert und Rosenstiel, 2002
  2. Allport & Odbert, 1936; s.a. Saum-Aldehoff, 2007
  3. Nach Kirchler, 2005, S.430
  4. In Anlehnung an Kirchler, S. 454
  5. Max Weber, 1972
  6. Riemann, 2003
  7. Peter Drucker, 1998
  8. Burns, 1978, zitiert nach Bass & Steyrer, 1995
  9. Burns, ebenda, S. 19, zitiert nach Bass & Steyrer, 1995
  10. Neuberger, 2002
  11. Bass & Riggio, 2006
  12. Bass & Avolio, 1994, S. 3
  13. Javidan et.al., 2004
  14. Neuberger,2002
  15. Luhmann, 1984
  16. Luhmann, 1984
  17. Luhmann, 2000
  18. Pinnow, 2008
  19. Königswieser, 2004
  20. Scherm, 2000 & Scherm, 2002
  21. Balasz, 2003
  22. Maznevski, 2000
  23. Ensleya, Pearson, Pearce, 2003
  24. Ebenda, S.333
  25. Manz & Sims, 1989
  26. Mehra, 2006
  27. Warnecke, 1996
  28. Manz & Sims, 1980
  29. Konradt, Andreßen, Ellwart, 2009
  30. Vroom, 1964
  31. Walumbwa, Avolio, & Gardner, 2008
  32. Walumbwa, Avolio, Gardner, Wernsing & Peterson, 2008