Managementinformations- und Berichtssysteme - Implementierung: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 20. Juli 2023, 08:52 Uhr
Einführung und Implementierung von Managementinformationssystemen
Die Einführung und Implementierung eines Managementinformationssystems ist ein kritischer Prozess und stets mit einem sehr großen Projekt verbunden, das ein hohes Maß an Planung und Entscheidungen benötigt. Im Folgenden werden der Auswahlprozess, die Systementwicklung sowie die Systemeinführung beschrieben. Diese Lektion rundet mit einem Überblick über den MIS-Softwaremarkt ab.
Auswahlprozess
Im Auswahlprozess muss zu Beginn die Grundsatzentscheidung getroffen werden, ob ein MIS eingeführt werden soll. In den Lektionen 1 und 2 wurden die Vor- und Nachteile von MIS bereits detailliert diskutiert. Danach soll der Beschaffungsweg gewählt werden, wofür prinzipiell drei Varianten in Frage kommen (folgende Abbildung):
- Kundenspezifische Entwicklung: Hier wird ein MIS gemäß den Kundenbedürfnissen von Grund auf neu entwickelt (from the scratch), wobei die Entwicklung von Expert*innen durchgeführt wird. Dabei kann es sich bei den Expert*innen um interne oder externe (outsourced) Fachleute handeln.
- Benutzerentwicklung: Das System wird nicht von IT-Expert*innen, sondern von den jeweiligen Endnutzer*innen entwickelt, wofür einige Tools zur Verfügung stehen. Auf diese Art entwickelte Systeme sind meist einfachere Lösungen.
- „Off-the-shelf“-Lösung: Hier wird Standardsoftware gekauft, die den Firmenanforderungen entspricht. Es gibt auch Standardsoftware, die in eingeschränktem Maße anpassbar ist.
Die grundlegende Entscheidung ist hierbei vor allem zwischen Standardsoftware und Individualsoftware zu treffen. In der nachfolgenden Abbildung werden die Vor- und Nachteile für beide Varianten dargestellt.
Nach der grundlegenden Entscheidung über die Beschaffungsvariante der Beschaffung beginnt der Auswahlprozess selbst. Grundsätzlich besteht der Auswahlprozess aus folgenden Schritten:
- Ermittlung der Anforderungen
- Priorisierung der Anforderungen (Berücksichtigung von zukünftigen Anforderungen)
- Ermittlung von Anbieter*innen
- Anbieter und Produkte bewerten
- Ermittlung von Unsicherheitsfaktoren und Möglichkeiten, damit umzugehen
- Verhandlungen sowie Entscheidung
Systementwicklung
Nach der gründlichen Auswahl des Systems folgt die Entwicklungsphase. Die Entwicklung des Systems hängt von vielen unternehmensspezifischen Faktoren ab, wie beispielsweise von der Größe des Unternehmens, der Komplexität des Systems etc.
Trotz der Spezifika kann die Vorgehensweise grundsätzlich wie in unterer Abbildung dargestellt werden:
- Der Entwicklungsprozess für ein integriertes Informationssystem kann durch verschiedene Anlässe initiiert werden, wie beispielsweise durch die Anweisung von Führungskräften, durch Probleme mit dem vorhandenen System oder neue Geschäftsperspektiven.
- Feasibility Study: Während dieser Phase werden Alternativen analysiert und bewertet. Die Studie soll jeweils analysieren, ob die Umsetzung technisch sowie wirtschaftlich realisierbar ist. Weiters muss untersucht werden, ob die jeweilige Alternative betrieblich und organisatorisch ausführbar ist. Output dieser Phase ist ein „Feasibility Study Report“.
- Systemermittlung: In dieser Phase werden die Geschäftsanforderungen des Systems mit Hilfe von Beobachtungen und Befragungen der Endbenutzer*innen erfasst. Vorhandene Systemdokumentationen werden ebenfalls zur Analyse herangezogen. Weiters ist das Entwicklungsprojekt mit dem Personaleinsatz in den Grundzügen zu planen. Entsprechend der Erwartungen werden passende Instrumente und Methoden ausgewählt. Output dieser Phase sind Berichte zu den Benutzeranforderungen, Projektpläne, Ressourcenanforderungen, ein Personaleinsatzplan sowie eine Planung zu den eingesetzten Methoden und Instrumenten.
- Systemanalyse: Bei der Systemanalyse werden die Erwartungen des neuen Systems ermittelt sowie definiert, ob Teile des neuen Systems in das alte System integriert werden sollen und gegebenenfalls identifiziert, welche Teile dies sind. Zentrale Elemente sind dabei die Erhebung des IST-Zustands des Daten- und Kontrollflusses sowie die Darstellung der neuen System- und Programmfunktionen.
- Systemdesign: In dieser Phase findet die physische Entwicklung des neuen Systems statt, also die Programmierung bzw. die Entwicklung der neuen Daten- und Kontrollflüsse. Im Systemdesign werden die endgültigen Systemspezifikationen bestimmt. Es wird ein gründlicher Programmtest durchgeführt und die Mitarbeiter*innen geschult.
- Implementierung: Die letzte Phase der Entwicklung ist die Implementierung selbst. Die Programme werden installiert, Arbeitsverfahren und Geschäftsprozesse werden eingeführt, Dokumentationen werden verfasst. Nach der Implementierung soll das neue System funktionsbereit sein.
- Evaluierung und Wartung: Nach der Implementierung wird eine Evaluierung durchgeführt, ob die gesetzten Ziele erfüllt worden sind. Es ist erforderlich, die Systeme während der gesamten Laufzeit zu warten und bei Bedarf Ausbesserungen durchzuführen.
Systemeinführung
Unter der Systemeinführung eines neuen Anwendungssystems versteht man die Übergabe des Systems nach den erfolgreich durchgeführten Abnahmetests an den*die auftraggebenden Anwender*in. Gleichzeitig wird die komplette Systemdokumentation übergeben, inklusive Verfahrensbeschreibungen, Handbüchern, allen elektronisch gespeicherten Unterlagen sowie der Programmdokumentation (Programmcode und Testprotokolle).
Bei der Einführung können unterschiedliche Strategien verfolgt werden (folgende Abbildung):
- Big Bang: Eine schlagartige Einführung, bei der das gesamte alte System vollständig durch das neue System in einem Schritt ersetzt wird. Theoretisch wäre dies die „beste“ Lösung. Diese Strategie bedarf jedoch umfangreicher Tests vor der Einführung. Weiters ist diese Strategie mit einem hohen Personalaufwand in kurzem Zeitrahmen verbunden. Das Risiko einer fehlschlagenden Systemeinführung ist relativ hoch und gegebenenfalls nur äußerst kompliziert rückgängig zu machen bzw. auszubessern.
- Roll Out: In dezentralen Organisationen ist es möglich, zuerst in einigen Niederlassungen eine „Bing Bang“-artige Einführung zu realisieren und dann auf andere Niederlassungen auszuweiten. Bei dieser Strategie ist es daher möglich, entsprechend aus Pionierprojekten zu lernen. Gleichzeitig benötigt es jedoch mehr Zeit, bis das System in allen Organisationseinheiten eingeführt ist.
- Stufenweise funktionsorientierte Einführung: Zuerst wird das System in einzelnen Funktionen (Personalberechnung, Buchhaltung, Lagerwirtschaft usw.) eingeführt. Somit ist es möglich die Einführung auf kleinere Teilprojekte aufzuteilen, wobei die Laufzeiten der einzelnen Projekte kürzer sind; die Laufzeit der kompletten Einführung verlängert sich damit jedoch deutlich.
- Stufenweise prozessorientierte Einführung: Einzelne Prozesse werden durch das neue System realisiert. Dies ermöglicht, zuerst weniger kritische Prozesse zu realisieren. Mit dem Wissen aus diesen Pilotprojekten kann man sich später auf die Realisierung der Kernprozesse konzentrieren. Diese Strategie benötigt gut abgrenzbare Geschäftsprozesse, welche auf die restlichen Prozesse keinen Einfluss haben.
- Parallellauf: Das alte und das neue System laufen für einige Zeit gleichzeitig, bis die Organisation davon überzeugt ist, dass das neue System entsprechend funktioniert. Bei dieser Einführungsstrategie ist das Risiko geringer als beim „Big Bang“; die Übergangsperiode kann jedoch erhöhten Arbeit- und Personalaufwand benötigen.
Die folgende Fallstudie der United Kingdom Passport Agency illustriert die Schwierigkeiten bei einer Systemeinführung.
FALLSTUDIE: The United Kingdom Passport Agency: The Passport Delays of Summer 1999, Press Release (National Audit Office, 1999)
Delays in issuing passports earlier this year led to much anxiety and inconvenience for members of the public hoping to travel. By June, the Passport Agency had around 565,000 applications awaiting processing. Sir John Bourn, head of the National Audit Office, reported to Parliament today on the delays at the Agency during Summer 1999.
Several factors contributed to cause the problems. The initial cause was the introduction from October 1998 of a new passport processing system in two of the Agency’s six offices – Liverpool and Newport. The new system was intended to replace an ageing computer system and to produce a more secure passport. Siemens Business Services is responsible for developing and providing the new computer system and for undertaking the initial processing of applications.
Sir John singles out:
- a failure to assess and test adequately the time needed by staff to learn and work the new passport processing system, which involved some changes in clerical and administrative processes as well as computerisation;
- insufficient contingency planning in the event that implementation of the new system might not go according to plan. Extending the pilot from Liverpool to Newport before problems were fully overcome compounded the problem; and
- a failure to communicate effectively with the public, both at a personal level in dealing with calls from the public to its telephone enquiry bureau, and more generally via the media.
The strategy adopted by the Agency in early 1999 to get through the busy season rested on its past experience that it would be able to increase output by increasing overtime and hiring casual staff. A recovery plan was agreed between the Agency and the Home Office in March, including the recruitment of extra staff. However, the Agency did not foresee the loss in public confidence, which led to a sharp increase in applications and enquiries about them, once the delays attracted publicity. This was exacerbated by a higher volume of applications for child passports than the Agency expected. Whilst the Agency took action to make up for lost production in Liverpool and Newport – in May monthly output was 619,000 compared to a peak of 564,000 in the previous year - it was not able to make up for the increase in applications. The Agency was too reliant on using routine solutions, such as staff and managers working longer and longer hours to cope.
On the cost of the problems:
Sir John estimates that the cost of the additional measures taken by the Agency to deal with the failures during the year from October 1998 will be around £12.6 million, including £6 million for additional staffing.
Total compensation paid to members of the public for missed travel and other expenses currently amounts to £161,000, but is likely to rise further. Almost 500 travel dates were missed over the period and many more people were inconvenienced. Whilst the Agency’s performance over the Summer was at or around its target of meeting 99.99 per cent of travel dates, the Home Office accepts that this target did not reflect a meaningful standard of service for the public.
The Agency has received compensation totalling £69,000 from its contractors for shortfalls in performance. The Agency has waived other compensation due from Siemens, estimated by the Agency to be worth £275,000. Initially, the waivers had been granted by the Agency to allow time for the new system to settle down. The Agency is now discussing with Siemens how the costs of the crisis are to be shared.
On the action taken to prevent the problems recurring:
The Agency now faces a decision whether and when to roll out the system to its remaining offices. The new passport processing system has yet to achieve its performance targets; but the Agency and Siemens are now considering a range of measures to improve productivity. Nonetheless, the Report records that the unit cost to the taxpayer of producing a passport would rise, in the absence of other changes, to £14 in the medium term, compared to £12 in the Agency’s business case. These costs are recovered through the passport fee, which also helps to recover the cost of some consular services provided by the Foreign and Commonwealth Office.
The Agency is also considering a number of additional measures to improve its services to the public including, for example, an expansion of its telephone enquiry service and passport issuing service to cope with demand during peak periods. These additional measures are likely to add over £3 to the cost of producing each passport, bringing the unit cost to over £17 from 2000-01.
On the lessons to be learned:
Sir John commented “this case highlights a number of important lessons which all departments and agencies delivering services to the public will wish to consider”. The Report identifies ten points, in particular, including:
- a need for proper testing of new systems before committing to live operation, in particular for staff to learn and work the system;
- a need to have realistic contingency plans in place; and
- a need, when service delivery is threatened, to have the capability to keep the public well informed.
Notes
- In June, processing times for passport applications were taking up to 50 working days. Emergency measures were introduced by the Home Office in July 1999 – including free two-year extensions to passports. Coupled with a downturn in applications, these measures helped bring maximum processing times back within the Agency’s 10 working day target by the end of August.
- The United Kingdom Passport Agency was established as an Executive Agency of the Home Office in April 1991. Its main aim is to provide passport services for British nationals in the United Kingdom promptly and economically. In 1998-99, the Agency employed an average of almost 1,800 staff in its passport offices in Belfast, Glasgow, Liverpool, London, Newport and Peterborough. The Agency’s financial objective is to recover, via the passport fee, the full cost of passport services; the full cost includes the cost of non-fee bearing consular services provided by the Foreign and Commonwealth Office to UK citizens abroad. In 1998-99 full costs were £93.6 million, including expenditure by the Agency of £57.6 million, and the Agency’s income totalled £89.6 million, leading to a shortfall of £4 million.
Der ERP-Softwaremarkt
Der ERP-Softwaremarkt lässt sich grundsätzlich in zwei große Bereiche teilen. Den einen Teil des Markts bedienen kommerzielle Softwareanbieter*innen; zum anderen gibt es sogenannte Open Source Software.
Im letzten Jahrzehnt war der ERP-Softwaremarkt von einer großen Konsolidierungswelle gezeichnet. Daraus entstanden nunmehr fünf große ERP-Hersteller, die mehr als 50% des Markts beherrschen. Der führende Hersteller ist SAP, mit weltweit fast 30% Marktanteil (untere Abbildung). Da SAP ein deutsches Großunternehmen ist, ist der Marktanteil im deutschsprachigen Raum sogar wesentlich höher. Zweitgrößter Anbieter ist Oracle mit 10,2% Marktanteil, gefolgt von der Sage Group mit 7,4%. Microsoft Dynamics hält 3,7% Marktanteil inne und SSA Global Technologies 2,8%.
Neben den Systemen dieser marktdominanten Hersteller gibt es mittlerweile bereits eine große Auswahl an alternativen ERP-Anwendungen, wie beispielsweise Open Source Software (OSS).
Die wichtigste Eigenschaft einer Open Source Software ist der freigegebene Quellcode. Mit einer sogenannten Open Source Lizenz darf damit jeder am Code Veränderungen vornehmen, solange die Änderungen des Codes ebenfalls freigegeben werden. Diese Methode führt dazu, dass nicht nur eine kleine geschlossene Entwicklergruppe an der Software arbeitet; vielmehr kann sich jeder, der daran interessiert ist, an der Softwareentwicklung beteiligen. Durch die Zusammenarbeit von motivierten Spezialist*innen kann damit oft ein gutes Ergebnis erzielt werden.
Insbesondere zeigt sich OSS für bereichsspezifische Softwaresysteme besser einsetzbar als Standardsoftware, da die hierfür notwendigen Änderungen einfacher zu implementieren sind. Für komplexe ERP-Systeme hat kommerzielle Software nach wie vor Vorteile gegenüber OSS; in einigen industrie- oder themenspezifischen Bereichen zeigt sich die einfache Adaptierbarkeit jedoch als ein großer Vorteil von OSS gegenüber kommerziellen ERP-Systemen.
Obwohl OSS selbst meist kostenlos oder sehr kostengünstig zur Verfügung steht, muss beachtet werden, dass bei der Einführung eines Systems auch weitere Kostenfaktoren zu berücksichtigen sind. Hierzu zählen beispielsweise Kosten für die Beratung, Hardwareerweiterung, Wartung, Einschulung von Mitarbeiter*innen etc. In Summe kann gesagt werden, dass die Einführung einer OSS zumeist kostengünstiger ist als die einer kommerziellen Software, aber bestimmt nicht kostenfrei.
Die bedeutendsten Open Source-ERP-Anwendungen sind aktuell Opentaps, Compiere, ERP5, OpenMFG sowie OpenPro. Nachfolgende Abbildung gibt einen kurzen Überblick über diese Anwendungen.
Unabhängig davon, ob sich ein Unternehmen für eine kommerzielle oder für eine Open Source Software entscheidet, sind entsprechende Lizenzen notwendig, um das erworbene System an allen benötigten Arbeitsstellen (Arbeitsplätzen) benutzen zu können. In der Praxis gibt es hierfür verschiedene Software-Lizenzmodelle. Man unterscheidet prinzipiell folgende vier Modelltypen:
- nutzerbezogene Modelle,
- wertbezogene Modelle,
- zeitbezogene Modelle sowie
- infrastrukturbezogene Modelle.
Die folgende Tabelle veranschaulicht diese Lizenzmodelle mit ausgewählten Beispielen aus der Praxis.
Software-Lizenzmodelle (vgl. Krcmar, 2005)
Modelltyp | Primäre Bezugsgröße | Ausgewählte Beispiele für Lizenzmodelle in der Praxis |
Primär nutzerbezogene Modelle | Anzahl der Nutzer*innen |
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Primär wertbezogene Modelle | z.B. Personalbestand oder Herstellungskosten der verkauften Produkte |
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Primär zeitbezogene Modelle | Dauer der Nutzung |
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Primär infrastrukturbezogene Modelle | Ausmaß der Nutzung der genutzten Infrastruktur |
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Welches Lizenzmodell geeignet ist, hängt vom jeweiligen Verwendungszweck ab. Dieser sollte daher unbedingt bei der Auswahl eines Lizenzmodells berücksichtigt werden. Die folgende Abbildung stellt zu berücksichtigende Kriterien sowie entsprechend geeignete Lizenzmodelle in Relation.
Zusammenfassung
Es gibt grundsätzlich drei verschiedene Beschaffungsvarianten für Managementinformationssysteme: die kundenspezifische Entwicklung, die Benutzerentwicklung sowie den Ankauf einer „Off-the-shelf“-Lösung (Standardsoftware). Im Entscheidungsprozess sind die unternehmensspezifischen Anforderungen zu berücksichtigten sowie alle Vor- und Nachteile abzuwägen.
Nach der Auswahl des Systems folgt die Systementwicklungsphase. Die Ausgestaltung dieser Phase hängt einerseits von der Beschaffungsvariante ab, andererseits auch von vielen anderen unternehmensspezifischen Faktoren wie beispielsweise von der Größe des Unternehmens oder der Komplexität des Systems. Die Phasen der Systementwicklung durchlaufen die Feasibility Study, die Systemermittlung, die Systemanalyse, das Systemdesign, die Implementierung sowie die Evaluierung und Wartung.
Unter Systemeinführung versteht man die Übergabe eines Systems an den*die auftraggebenden Anwender*in nach den erfolgreich durchgeführten Abnahmetests. Hierbei können unterschiedliche Strategien verfolgt werden: eine schlagartige Einführung des neuen Gesamtsystems als Big Bang, die Einführung in einzelnen Niederlassungen mit einem langsamen Roll Out, eine stufenweise funktionsorientierte Einführung, eine stufenweise prozessorientierte Einführung sowie den temporären Parallellauf von Alt- und Neusystem.
Der ERP-Softwaremarkt lässt sich grundsätzlich in zwei große Bereiche teilen: kommerzielle Software und Open Source Software. Am kommerziellen Softwaremarkt gibt es fünf große ERP-Hersteller mit marktbeherrschender Stellung. Diese sind: SAP, Oracle, Sage Group, Microsoft Dynamics sowie SSA Global Technologies. Open Source Software hat durch viele ihrer Vorteile am Markt an Bedeutung gewonnen. Die bedeutendsten Open Source-ERP-Anwendungen sind aktuell Opentaps, Compiere, ERP5, OpenMFG sowie OpenPro. Bei der Kostenkalkulation muss beachtet werden, dass nicht nur die Kosten für die Software selbst zu tragen kommen, sondern auch Kosten für Beratung, Hardwareerweiterung, Einschulung der Mitarbeiter*innen etc. zu berücksichtigen sind.
Im Wesentlichen lassen sich vier grundsätzliche Software-Lizenzmodelle unterscheiden: nutzerbezogene Modelle, wertbezogene Modelle, zeitbezogene Modelle sowie infrastrukturbezogene Modelle.
Wiederholungsfragen/Übungen
Welche Methoden zur Auswahl bei der Beschaffung eines MIS kennen Sie?
Was ist Standardsoftware? Welche Vor- und Nachteile hat Standardsoftware?
Was ist Individualsoftware? Welche Vor- und Nachteile hat Individualsoftware?
Welche Grundschritte sind im Auswahlprozess zur Beschaffung eines MIS zu durchlaufen?
Beschreiben Sie die Phasen der Systementwicklung. Erläutern Sie kurz jeden Schritt!
Welche grundsätzlichen Strategien zur Systemeinführung gibt es?
Beschreiben Sie kurz die Passport-Agency Fallstudie und das gezogene Fazit!
Nennen Sie die wesentlichen großen ERP-Hersteller!
Was ist Open Source Software? Welche Vor- und Nachteile hat Open Source Software?
Welche Softwarelizenzmodelle kennen Sie?
Lösungen
Wiederholungsaufgabe4-1:
Kundenspezifische Entwicklung (intern oder extern): Ein MIS wird gemäß den Kundenbedürfnissen von Grund auf neu entwickelt, wobei die Entwicklung von (internen oder externen) Expert*innen durchgeführt wird.
Benutzerentwicklung: Das System wird nicht von IT-Expert*innen, sondern von den jeweiligen Endnutzer*innen entwickelt. Zur Entwicklung stehen dabei einige Tools zu Verfügung. Auf diese Art entwickelte Systeme sind zumeist einfachere Lösungen.
„Off-the-shelf“-Lösung (Standard oder Zugeschnitten): Es wird Standardsoftware gekauft, die den Firmenanforderungen entspricht. Es gibt auch Standardsoftware, die in eingeschränktem Maße anpassbar ist.
Wiederholungsaufgabe4-2:
Standardsoftware ist eine standardisierte „Off-the-shelf“-Lösung, die als Gesamtpaket entweder kommerziell oder auch als Open Source Software angeboten wird.
- Vorteile von Standardsoftware:
- Kostengünstiger als Eigenentwicklung
- Sofort verfügbar
- Qualität vor dem Kauf überprüfbar
- Vielfältige Nebenleistungen mitgeliefert
- Referenzprozesse inbegriffen
- Nachteile von Standardsoftware:
- Unflexibel für individuelle Anforderungen
- Zeit- und kostenintensive Adaption
- Hoher Bedarf an Hardware-Ressourcen
- Überflüssige Funktionalitäten miterworben
- Abhängigkeit von dem*der Hersteller*in
- Unfreiwilliges Outsourcing des Knowhows
- Anpassung der Unternehmensprozesse an Software
Wiederholungsaufgabe4-3:
Individualsoftware wird individuell anhand der Kundenbedürfnisse entwickelt.
- Vorteile von Individualsoftware:
- An individuelle Anforderungen angepasst
- Kein Knowhow-Verlust
- Keine Anpassung des Unternehmens an die Software
- Keine Abhängigkeit von dem*der Hersteller*in
- Nachteile von Individualsoftware:
- Sehr kostenintensiv
- Sehr zeitaufwendig
- Eigene Entwicklungsabteilung notwendig
- Keine Qualitätsgarantie
- Keine Updates
Wiederholungsaufgabe4-4:
Der Auswahlprozess besteht aus folgenden Schritten:
- Ermittlung der Anforderungen
- Priorisierung der Anforderungen (Berücksichtigung von zukünftigen Anforderungen)
- Ermittlung von Anbieter*innen
- Anbieter und Produkte bewerten
- Ermittlung von Unsicherheitsfaktoren und Möglichkeiten, wie damit umzugehen ist
- Verhandlungen sowie Entscheidung
Wiederholungsaufgabe4-5:
Der Entwicklungsprozess für ein integriertes Informationssystem kann durch verschiedene Anlässe initiiert werden, wie beispielsweise durch die Anweisung von Führungskräften, durch Probleme mit dem vorhandenen System oder neue Geschäftsperspektiven.
- Feasibility Study: Während dieser Phase werden Alternativen in Hinblick auf technische sowie wirtschaftliche Realisierbarkeit analysiert und bewertet. Weiters muss untersucht werden, ob die jeweilige Alternative betrieblich und organisatorisch ausführbar ist. Output dieser Phase ist ein „Feasibility Study Report“.
- Systemermittlung: In dieser Phase werden die Geschäftsanforderungen des Systems mit Hilfe von Beobachtungen und Befragungen der Endbenutzer*innen erfasst. Vorhandene Systemdokumentationen werden ebenfalls zur Analyse herangezogen. Output dieser Phase sind Berichte zu den Benutzeranforderungen, Projektpläne, Ressourcenanforderungen, ein Personaleinsatzplan sowie eine Planung zu den eingesetzten Methoden und Instrumenten.
- Systemanalyse: Bei der Systemanalyse werden die Erwartungen des neuen Systems ermittelt sowie definiert, ob Teile des neuen Systems in das alte System integriert werden sollen und gegebenenfalls identifiziert, welche Teile dies sind. Zentrale Elemente sind dabei die Erhebung des IST-Zustands des Daten- und Kontrollflusses sowie die Darstellung der neuen System- und Programmfunktionen.
- Systemdesign: In dieser Phase findet die physische Entwicklung des neuen Systems statt, also die Programmierung bzw. die Entwicklung der neuen Daten- und Kontrollflüsse. Im Systemdesign werden die endgültigen Systemspezifikationen bestimmt. Es wird ein gründlicher Programmtest durchgeführt und die Mitarbeiter*innen geschult.
- Implementierung: Die letzte Phase der Entwicklung ist die Implementierung selbst. Die Programme werden installiert, Arbeitsverfahren und Geschäftsprozesse werden eingeführt, Dokumentationen werden verfasst. Nach der Implementierung soll das neue System funktionsbereit sein.
- Evaluierung und Wartung: Nach der Implementierung wird eine Evaluierung durchgeführt, ob die gesetzten Ziele erfüllt worden sind. Es ist erforderlich, die Systeme während der gesamten Laufzeit zu warten und bei Bedarf Ausbesserungen durchzuführen.
Wiederholungsaufgabe4-6:
Bei der Einführung können unterschiedliche Strategien verfolgt werden (Abb. 30):
- Big Bang: Einw schlagartige Einführung, bei der das gesamte alte System vollständig durch das neue System in einem Schritt ersetzt wird. Theoretisch wäre dies die „beste“ Lösung. Diese Strategie bedarf jedoch umfangreicher Tests vor der Einführung. Weiters ist diese Strategie mit einem hohen Personalaufwand in kurzem Zeitrahmen verbunden. Das Risiko einer fehlschlagenden Systemeinführung ist relativ hoch und gegebenenfalls nur äußerst kompliziert rückgängig zu machen bzw. auszubessern.
- Roll Out: In dezentralen Organisationen ist es möglich, zuerst in einigen Niederlassungen eine „Bing Bang“-artige Einführung zu realisieren und dann auf andere Niederlassungen auszuweiten. Bei dieser Strategie ist es daher möglich, entsprechend aus Pionierprojekten zu lernen. Gleichzeitig benötigt es jedoch mehr Zeit, bis das System in allen Organisationseinheiten eingeführt ist.
- Stufenweise funktionsorientierte Einführung: Zuerst wird das System in einzelnen Funktionen (Personalberechnung, Buchhaltung, Lagerwirtschaft usw.) eingeführt. Somit ist es möglich die Einführung auf kleinere Teilprojekte aufzuteilen, wobei die Laufzeiten der einzelnen Projekte kürzer sind; die Laufzeit der kompletten Einführung verlängert sich damit jedoch deutlich.
- Stufenweise prozessorientierte Einführung: Einzelne Prozesse werden durch das neues System realisiert. Dies ermöglicht, zuerst weniger kritische Prozesse zu realisieren. Mit dem Wissen aus diesen Pilotprojekten kann man sich später auf die Realisierung der Kernprozesse konzentrieren. Diese Strategie benötigt gut abgrenzbare Geschäftsprozesse, welche auf die restlichen Prozesse keinen Einfluss haben.
- Parallellauf: Das alte und das neue System laufen für einige Zeit gleichzeitig, bis die Organisation davon überzeugt ist, dass das neue System entsprechend funktioniert. Bei dieser Einführungsstrategie ist das Risiko geringer als beim „Big Bang“; die Übergangsperiode kann jedoch erhöhten Arbeit- und Personalaufwand benötigen.
Wiederholungsaufgabe4-7:
Die United Kingdom Passport Agency war mit einer katastrophalen Verzögerung in der Ausstellung von Pässen konfrontiert. Die Ursachen dieses Problems sind vielfältig.
Ein neues Passbearbeitungssystem wurde in zwei von sechs Büros eingesetzt. Dieses neue System sollte das veraltete Computersystem ersetzen und sichere Pässe produzieren. Fehler dabei waren:
- Die Zeit für die Einschulung von Mitarbeiter*innen für das neue System wurde schlecht bzw. gar nicht beurteilt.
- Die Implementierungsphase wurde zu kurz bemessen. Eine Verlängerung der Pilotphase im ersten Büro hätte verhindern können, dass das System im zweiten Büro eingeführt wurde, bevor die großen Probleme behoben werden konnten.
- Über die (Fehl-)Vorgänge wurde nicht ausreichend mit der Öffentlichkeit kommuniziert.
Die fehlende Kommunikation mit der Öffentlichkeit führte dazu, dass die Zahl der Anträge und Anfragen extrem anstieg, wofür die Antragsstelle nicht gerüstet war. Das Anzahl der Anträge für Kinderpässe war beträchtlich höher als geplant.
Die Antragsstelle setzte zu sehr auf die bislang üblichen Routinelösungen (z.B. Überstunden), die dem Problem jedoch nicht mehr entgegenwirken konnten.
Die Kosten der Probleme waren verheerend.
Gezeichnet von diesen Problemen musste die Antragstelle entscheiden, ob und wann das System auch in den anderen Büros eingeführt werden sollte.
Fazit:
- Neue Systeme müssen angemessen getestet werden, bevor sie in den Live-Betrieb gehen. Das Personal muss entsprechend darauf vorbereitet werden und mit dem System vertraut sein.
- Die Kontingentpläne müssen realistisch prognostiziert werden.
- Wenn es Lieferprobleme gibt, muss die Öffentlichkeit entsprechend informiert werden (können), um einer Verstärkung des Problems entgegenzuwirken.
Wiederholungsaufgabe4-8:
Der größte Hersteller mit knapp 30% Marktanteil ist das deutsche Großunternehmen SAP. Zweitgrößter Anbieter ist Oracle, gefolgt von der Sage Group. Microsoft Dynamics und SSA Global Technologies zählen ebenfalls zu den großen ERP-Herstellern.
Wiederholungsaufgabe4-9:
Die wichtigste Eigenschaft einer Open Source Software ist der freigegebene Quellcode. Mit einer sogenannten Open Source Lizenz darf damit jeder am Code Veränderungen vornehmen, solange die Änderungen des Codes ebenfalls freigegeben werden. Somit kann sich jeder, der daran interessiert ist, an der Softwareentwicklung beteiligen.
Obwohl OSS selbst meist kostenlos oder sehr kostengünstig zur Verfügung steht, muss beachtet werden, dass bei der Einführung eines Systems auch weitere Kostenfaktoren zu berücksichtigen sind. Hierzu zählen beispielsweise Kosten für die Beratung, Hardwareerweiterung, Wartung, Einschulung von Mitarbeitern etc. In Summe kann gesagt werden, dass die Einführung einer OSS zumeist kostengünstiger ist als die einer kommerziellen Software, aber bestimmt nicht kostenfrei.
- Vorteile von OSS:
- Kostengünstig
- Einfache Adaptierbarkeit
- Insbesondere zeigt sich OSS für bereichsspezifische Softwaresysteme besser einsetzbar als Standardsoftware, da die hierfür notwendigen Änderungen einfacher zu implementieren sind.
- Durch die Zusammenarbeit von motivierten Spezialisten kann damit oft ein gutes Ergebnis erzielt werden.
- In einigen industrie- oder themenspezifischen Bereichen zeigt sich die einfache Adaptierbarkeit jedoch als ein großer Vorteil von OSS gegenüber kommerziellen ERP-Systemen.
- Nachteile von OSS:
- Für komplexe ERP-Systeme hat kommerzielle Software nach wie vor Vorteile gegenüber OSS.
- Keine Qualitätsgarantie
- Kaum Service
Wiederholungsaufgabe4-10:
- Nutzerbezogene Modelle (z.B. Lizenzkosten je nach Anzahl der Nutzer)
- Wertbezogene Modelle (z.B. Personalbestand als Bezugsgröße)
- Zeitbezogene Modelle (z.B. Subskription)
- Infrastrukturbezogene Modelle (z.B. Pro-Device-Lizenz)