IM537 - Digitale Transformation und Digitalisierung von Geschäftsprozessen - Transformation von Geschäftsmodellen
Mit der voranschreitenden Digitalisierung haben Unternehmen begonnen ihre Abläufe, Wertschöpfungsprozesse, Leistungen, Produkte etc. an die Möglichkeiten der digitalen Technologien anzupassen und ihre Position in den neu geschaffenen digitalen Ökosystemen zu finden.
Dabei können traditionelle, meist auf physische Produkte und Dienstleistungen bezogene Geschäftsmodelle effizienter gestaltet werden.
Mit digitalen Technologien kann aber nicht nur Bestehendes verbessert, sondern es können auch neue oder ungenutzte Einnahmequellen, neue Vertriebsmethoden, neue Produkte und Dienstleistungen usw. durch die Unternehmen erschlossen werden. Diese digitale Transformation der Geschäftsmodelle ist ein fortlaufender Prozess, bei dem die Entwicklung der (digitalen) Geschäftsmodellen mit der Weiterentwicklung der digitalen Technologien einhergeht und mit den sich ändernden Ansprüchen und Erwartungen der Kunden schritthalten muss.
In der Literatur finden sich zahlreiche Beiträge, wie ein Geschäftsmodell definiert oder beschrieben werden kann.
Nach Osterwalder (vgl. Osterwalder 2011) definiert und beschreibt ein Geschäftsmodell jene Prinzipien, nach welchen ein Unternehmen einen Wert aus Produkten und Dienstleistungen schafft, vermittelt und erfasst (vgl. Osterwalder 2011, weitere Definitionen siehe Schallmo 2016).
Unter Geschäftsmodellen kann die grundlegende Funktionsweise, sowie logische Zusammenhänge der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens verstanden werden.
Geschäftsmodelle definieren
- den Aufbau und die Grundlogik eines Unternehmens,
- den Nutzen für Kunden und Partner,
- die Art und Weise des Rückflusses des Nutzens (z.B. Umsätze)
Mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen versuchen sich Unternehmen gegenüber Mitbewerbern zu differenzieren. Somit muss auch implizit das Geschäftsmodell oder einzelne Elemente des Geschäftsmodell fortlaufend überprüft und gegebenenfalls angepasst werden (vgl. u.a. Schallmo 2016: 6). Zur Analyse von Geschäftsmodellen eignet sich z.B. der Business Model Canvas (vgl. Osterwalder und Pigneur (2011)), oder das magisiche Dreieck (vgl. Gassmann, Frankenberger, Csik 2014))
Das magische Dreieck beschreibt ein Geschäftsmodell anhand dem Zusammenspielt von vier Elementen
- Im Zentrum jedes Geschäftsmodells steht "der Kunde". Das Geschäftsmodell beschreibt Kundensegmente, Wünsche, Bedürfnisse und durch welche Kanäle diese etabliert werden. (Wer?)
- Jedes Geschäftsmodell verspricht Kunden und Partner, Nutzen und Mehrwert zu stiften. Die dafür erforderlichen Produkte und Dienstleistungen sind dann quasi Mittel zum Zweck. (Was?)
- Das Nutzenversprechen muss eingelöst und die dafür erforderlichen Produkte erzeugt werden. Die dafür notwendigen Prozesse, Abläufe, Ressourcen, Fähigkeiten und Partner werden in einer Wertschöpfungskette abgebildet. (Wie?)
- Jedes Geschäftsmodell beschreibt auch, wie Erträge für das Unternehmen erzielt werden können. Dabei werden auch Kostenstrukturen und die Art und Weise der Ertragsgenerierung betrachtet. (Wieviel?)
Geschäftsmodelle können anhand folgender Dimensionen beschrieben werden.
Dimension |
Inhalte |
Kunde |
Diese Dimension beschreibt, welche Kundensegmente das Unternehmen über welche Kanäle ansprechen möchte. Betrachtet werden dabei u.a. Kundenbedürfnisse und -anforderungen, Konsumgewohnheiten und Konsumabsichten. Diese Dimension umfasst auch die Kundenbeziehungen und die unterschiedlichen Kanäle, um mit Kunden in Kontakt zu kommen. z.B. Vertriebsstrukturen, Verkaufsstellen, diverse Werbekanäle, Serviceanlaufstellen etc. |
Nutzen |
Diese Dimension beschreibt, welche Leistung eines Produkts oder einer Dienstleistung dem Kunden angeboten wird. Für den Kunden soll ein Mehrwert generiert werden (Nutzenversprechen). |
Wertschöpfung |
Diese Dimension beschreibt, auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln die Produkte oder Dienstleistungen erzeugt werden. Sie umfasst die für die Erbringung benötigten Ressourcen und Fähigkeiten, sowie Abläufe und Prozesse eines Unternehmens (Wertschöpfungsketten, Prozesslandkarten) |
Partner |
Ähnlich zur Dimension der Kunden, beschreibt diese Dimension welche Partnerbeziehungen und Kanäle zu Partnern des Unternehmens benötigt werden. |
Finanz |
Diese Dimension beschreibt, wie in dem Modell Umsätze bzw. Erträge generiert werden sollen und welche Kosten für die Leistungen anfallen werden. Es steht das Ertragsmodell und die Kostenstruktur im Mittelpunkt.. |
(orientiert an Gassmann et al. 2013, Schallmo 2016)
Etwas genauer und detaillierte kann ein Geschäftsmodell mittels des Business Model Canvas (BMC) betrachtet werden. Das Business Modell Canvas umfasst eine größere Anzahl an Geschäftsmodellelementen und hat damit einen höheren Detaillierungsgrad. Ein BMC eignet sich gut für die Erarbeitung von neuen und Bearbeitung bestehender Geschäftsmodell im Rahmen von Workshops.
Das Business Model Canvas unterteilt jedes Geschäftsmodell in neun Elemente.
Im Zentrum des Business Model Canvas steht das Wert- oder Nutzenversprechen (Value Proposition).
Rechts davon wird auf der wertschaffenden Seite beschrieben, wie die Werte und der Nutzen für Kunden und das Unternehmen geschaffen werden. Auf der linken Seite des BMC wird beschrieben, welche Mittel ein Unternehmen für erfolgreiche Leistungserbringung und Umsetzung des Geschäftsmodells benötigt.
Das Nutzenversprechen wird beschrieben in dem analysiert wird, was das Unternehmen im Vergleich zu anderen besser kann, welches Problem für Kunden gelöst werden kann oder warum Kunden die Leistung gerade bei diesem Unternehmen in Anspruch nehmen sollen.
Bei der Beschreibung der Kundengruppen (Customer Segments) und Zielgruppen kann z.B. nach demographischen Gesichtspunkten, Einkaufsbedürfnissen oder -verhalten, etc. segmentiert werden.
Es folgt die Beschreibung der Kanäle (Channels), über die die Kunden(-segmente) erreicht werden sollen. Bei den Kanälen werden auch möglichst viele Berührungspunkte zwischen Kunden und dem Nutzenversprechen beschrieben. Eine gute Methode für diese Beschreibung ist eine Customer Journey bzw. das Customer Journey Mapping.
Das Element der Kanäle hat im Rahmen einer digitalen Transformation große strategische Relevanz, da durch digitale Technologien neue Kanäle erschlossen oder bestehende Kanäle angepasst werden können.
Neben den Kanälen wird die Kundenbeziehung (Customer Relationship) bzw. die Kundenbindungsstrategie beschrieben.
Im Element der Einnahmequellen (Revenue Streams) wird beschrieben, durch welche Einnahmequellen und mit welchen Modellen das Unternehmen Erlöse generieren wird.
Beispiele dafür sind u.a. Einmaliger Produktverkauf, Abonnements Provisionen, Lizenzmodelle etc.
Auf der linken Seite des Business Model Canvas werden die Partnerschaften, Schlüsselaktivitäten (Abläufe) und -ressourcen, sowie die Kostenstruktur beschrieben.
Bei den Partnerschaften (Key Partners) handelt es sich um (strategische) Partner, welche für das Geschäftsmodell wichtig sind. Partnerschaften sind für ein Geschäftsmodell wichtig wenn z.B. ohne sie das Nutzenversprechen nicht erbracht werden kann, durch sie Ressourcen und KnowHow bereit gestellt werden, durch sie neue Kundensegmente erschlossen werden können etc. Das können beispielsweise Zulieferer, Technologiepartner, Beteiligungen, Vertriebspartner uvm. sein.
Die Schlüsselressourcen (Key Resources) sind jene erfolgskritischen Ressourcen, die für das erfolgreiche umsetzend des Geschäftsmodells benötigt werden. Dazu zählen z.B. Belegschaft, Infrastruktur, Technologie, Kapital, aber auch KnowHow, Fähigkeiten, Lizenzen usw.
Unter Schlüsselaktivitäten oder Kernprozesse (Key Activities) fallen alle Vorgänge, die besonders wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung des Geschäftsmodells sind. Im Zentrum der Betrachtung stehen dabei jene Abläufe, Prozesse und Aktivitäten die benötigt werden, um in den Elementen auf der rechten Seite des Business Model Canvas erfolgreicher und besser zu werden. z.B. Nutzen für Kunden und Partner erhöhen, Kundensegmente erschließen bzw. Kundenbeziehungen pflegen, Kanäle erweitern usw.
Das Element Kostenstruktur (Cost Structure) beschreibt die wesentlichen Ausgaben, Kostentreiber und Kostenblöcke im Unternehmen. Darunter fallen beispielsweise Personalkosten, Betriebskosten, Kosten für Einkauf, Entwicklungskosten usw.
Beide Methoden "magisches Dreieck" und "Business Model Canvas" eignen sich recht gut, um Geschäftsmodelle darzustellen, zu analysieren und neu zu entwickeln. Obwohl beide einen unterschiedlichen Detailierungsgrad haben, können die Dimensionen des "magischen Dreiecks" über die Elemente des Business Model Canvas gelegt werden.
Durch die voranschreitende Digitalisierung werden traditionelle, auf physische Produkte oder Dienstleistungen orientierte Geschäftsmodelle effizienter, aber sie werden nicht zu digitalen Geschäftsmodellen.
Eine Anpassung eines bestehenden, traditionellen Geschäftsmodells um digitale Bestandteile (beispielsweise Ergänzung um einen Online-Shop im stationären Handel) ist ein erster Schritt am Weg der digitalen Transformation, aber kein digitales Geschäftsmodell. Denn erst wenn auch wertschöpfende Aktivitäten auf digitalen Technologien basieren, können Geschäftsmodelle als digital bezeichnet werden (Appelfeller/Feldmann 2018: 9).
Digitale Geschäftsmodelle werden dann als solche bezeichnet, wenn das Kernwesen der zugrunde liegenden Geschäftsprozesse durch digitale Technologien unterstützt wird, sowie die wertschöpfenden Aktivitäten auf digitalen Technologien basieren (Pflaum/Schulz 2019: 8).
Physische Produkte, Prozesse und unternehmensinterne Abläufe werden zunehmend digitalisiert und das ermöglicht Kollaboration und Vernetzung, was zu rascheren Entscheidungen, Zeiteinsparungen und damit höhere Effizienz führen kann. Digitale Technologien und deren Vernetzung erlauben beispielsweise auch die Verfolgung von Produkten, sowie die Analyse des Nutzungsverhaltens.
Daten aus sozialen Netzwerken z. B. Tweets, Posts können hinsichtlich der Kundenzufriedenheit und -bedürfnissen analysiert werden.
Kundendaten können auch genutzt werden, um das Kaufverhalten zu analysieren und eine gezieltere Ansprache von Zielgruppen zu ermöglichen.
Daten von Sensoren und deren Vernetzung können herangezogen werden, um den Lebenszyklus von Geräten zu überwachen, Logistik zu verbessern, Infrastrukturen besser zu verwalten etc.
Die Analyse von Transaktionsdaten (beim Online-Shopping, Wertpapierhandel, Handel mit digitalen Assets, Banktransaktionen usw.) kann beispielsweise Aufschluss über Konsumverhalten und -vorlieben, aber auch Risikoeinstellung und Bonität geben.
Digitale Transformation von Geschäftsmodellen kann einzelne Geschäftsmodellelemente, das gesamte Geschäftsmodell, Wertschöpfungsketten sowie unterschiedliche Akteure in einem Wertschöpfungsnetzwerk betreffen.
Das bedeutet, dass einerseits bereits vorhandene Geschäftsmodelle verändert werden können (z.B. Entwicklung "smarter" Produkte und Vertrieb durch digitale Shops), anderseits aber auch komplett neue Geschäftsmodelle entstehen können (z.B. Handel mit Daten und Datenanalysen).
Nach Gassmann (Gassmann et al. 2017: 23) basieren rund 90 Prozent der transformierten, innovativen Geschäftsmodelle auf bereits vorhandenen Geschäftsmodellen.
Die folgende Tabelle soll beispielhaft zeigen, wie die digitale Transformation auf alle Dimensionen eines Geschäftsmodells einwirkt.
Kunde |
|
Nutzen |
|
Wertschöpfung |
|
Partner |
|
Finanz |
|
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an verschiedenen Arten von digitalen Geschäftsmodellen, die im Folgenden auszugsweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit kurz vorgestellt werden sollen.