Management und Organisation - Hierarchie
Wie entstand eigentlich "Hierarchie"?
Unsere Vorfahren haben jahrmillionenlang in den warmen Zonen der Erde gelebt. Es ist eines der großen Rätsel, wieso wir nicht immer noch dort sind. Es ist nicht klar, was die Menschen bewogen hat, diese schönen, warmen Gegenden um den Äquator herum zu verlassen und in den kalten Norden zu ziehen, wo sie dann erst einmal den Eiszeiten entgegengingen und diese durchzustehen hatten.
Die warmen Zonen sind dadurch gekennzeichnet, dass alles rund um die Uhr wächst. Man kann in der Fauna gleichzeitig reife Früchte und Blüten sehen. Wenn man einen großen Mangobaum hat, fallen jeden Tag vier bis fünf Kilo herunter und man kann nicht mehr verhungern. Es ist daher z.B. ungeheuer schwer, den Menschen in Afrika Vorratswirtschaft beizubringen oder längerfristig zu planen, weil sie das nie gebraucht haben.
Mit der Zeit zogen die Menschen aus in den Norden und mussten Vorratswirtschaft betreiben. Es stellte sich hier zum ersten Mal die Frage: wie lassen sich Tiere, Fleisch, bevorraten? Die Antwort: am besten lebend erhalten. Dadurch war aber die Mobilität der Menschen sehr stark eingeschränkt und man ist heute der Meinung, dass der Ackerbau und die ersten Feldfrüchte z.B. Rüben für die Schweine waren.
Man musste zu diesem Zweck an einem bestimmten Ort bleiben und es entstand etwas ganz Neues und Interessantes, nämlich Überschuss. Ein Überschuss, der getauscht werden konnte. Bei Jägern und Sammlern entstand ja nie ein Überschuss, aber Viehzüchter und Ackerbauern, die Vorratswirtschaft betreiben, hatten Überschüsse, die sie tauschen und verkaufen konnten. Dieser Tausch hat nun einen zentralen Ort. Das ist 1958 von dem Urgeschichtler Dr. Walter Christaller entdeckt worden, der mit einem Piloten mit flog und sich beklagte, dass er in den Wüsten, wo man graben sollte, nichts fand. Der Pilot meinte, da müsse er nur ihn fragen, weil man von oben noch immer die alten Verkehrswege sehen könne. Es stellte sich heraus, dass an bestimmten Stellen mehrere Flüsse zusammen kommen oder Täler münden. Wien ist z. B. so ein zentraler Ort: man hat die Donau Ost-West, die Bernsteinstraße Nord-Süd. Dort haben sich die Menschen immer schon getroffen, es entstanden an solchen zentralen Orten Marktflecken und verschiedene Dörfer. In jedem der Dörfer war man auf etwas anderes spezialisiert, obwohl es generell einen hohen Grad der Generalisierung gab. Bauern konnten sich selbst ihre Kleidung erzeugen und ihre Werkzeuge herstellen. Und doch zeichneten sich Unterschiede ab, denn nicht überall wuchs alles gleich gut und nicht überall gab es für jede Art von Vieh die idealen Bedingungen, ganz abgesehen davon, dass spezielle Ressourcen (man denke nur an das Salz in Hallstadt, das Bernstein an den Küsten etc.) sowieso nicht überall in gleichem Ausmaß vorhanden waren.
Mit der Zeit wuchs die Spezialisierung und somit auch der Trend, etwas zu tauschen.
Dort haben die Menschen etwas erfunden, was es bis dahin nie gegeben hat und wofür für uns auch kein Verhaltensmuster aus Jahrtausenden Stammesgeschichte bekannt ist: wir nennen es indirekte oder anonyme Kommunikation.
Wie entstand die indirekte Kommunikation zwischen den einzelnen Stämmen?
Die Menschen haben hier miteinander getauscht: Schweine, Schafe, Hunde, und zwar ohne sich dabei alle zu treffen. Sie hatten sozusagen miteinander zu tun gehabt, ohne sich direkt zu treffen. Dafür war es notwendig, den Horizont über das Stammesdenken hinaus zu entwickeln: Feind ist nicht nur der, der dem anderen Stamm angehört und Freund nicht nur der, der dem eigenen Stamm angehört. Hier musste unterschieden werden: Freunde können auch Handelspartner sein, die man überhaupt nicht kennt.
Um den reibungslosen Ablauf dieses Handels zu gewährleisten, entstanden dann Repräsentationssysteme: Akkumulationen von Macht und Verwaltung.
Das hat verschiedene Gründe, einer davon ist, dass es allgemein ein Problem von Organisationen ist, wie Entscheidungen zustande kommen, wenn man nicht in einer Gruppe zusammensitzt und diskutiert.
Die Repräsentationssysteme entstanden, als diese Bereich immer größer und größer wurden - es gab blühenden Handel, der Boden war auch sehr fruchtbar, die Zentren waren relativ weit verstreut, in Mesopotamien, am gelben Fluss, in Indien und auch in Europa.
Im Laufe dieser Entwicklung ist jedoch einiges passiert. Wenn wir heute an diesen Stellen graben, stellen wir fest, dass da eine dicke Kulturschichte ist, und darunter ist wieder eine andere Kulturschichte, dann kommt Sand, dann wieder eine Kulturschichte. Am Euphrat, bei einer Ausgrabung, fand man z.B. 22 Schichten. Die Kulturen sind aus vorerst unerklärlichen Gründen zugrunde gegangen: 300 Jahre waren besiedelt, 200 Jahre nicht, 400 Jahre besiedelt, 150 Jahre nicht. In Indien, Mexiko, Europa, etc.
Hier stellt sich die Frage: warum sind nun diese Kulturen entstanden und wieder zugrunde gegangen? Dazu muss noch erwähnt werden, dass diese Schichten nichts miteinander zu tun haben und es eines der großen Rätsel war, dass man in der tieferen Schichte oftmals eine höhere Kultur gefunden hat als in der oberen.
Es gibt dafür aber eine einleuchtende Erklärung: nicht alle Stämme werden gleichzeitig sesshaft, sondern "draußen" gibt es noch Jäger, die sehr bald merkten, dass es einfach praktisch ist, die Dörfer zu überfallen, und zwar am besten nach der Ernte. Aufgrund der besseren Kampfkraft nahm man den Ackerbauern alles weg, brachte sie um, konnte eine Weile ganz gut davon leben und zog dann weiter zum nächsten Dorf.
Irgendwann einmal brach dieses Gebiet zusammen: die Bauern konnten sich ja nicht mehr verteidigen, denn die hatten längst die Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet. Diese Gebiete sind durch tausende kleiner Überfälle immer wieder zugrunde gegangen, und wir wissen erst von denjenigen, die schon eine gewisse Größe erreicht hatten, denn vorher fielen sie im weiten Mesopotamien nicht auf.
Warum wurden Hierarchien entwickelt?
Am längsten haben sich die kleinen Ackerbaukulturen in den Flussoasen am Nil erhalten. Dort hatten sie ursprünglich auch keine Stadtmauern und diese ersten Kulturen waren mutterrechtliche Kulturen. Dort haben die Frauen dominiert, weil bei Ackerbau und Viehzucht die "Erzeugung" von Kindern wichtig war als Aufrechterhaltung der Produktionskraft, während die Kinder bei den Jägern Kostenfaktoren sind: sie werden erst mit 15 oder 16 Jahren produktiv und dann wiederum nur die Männer.
Gegen Übervölkerung sind Jäger sehr sensibel, weil sie nicht so viele Menschen wie ernähren können: bei den Ackerbauern und Viehzüchtern können schon kleine Kinder mit vier, fünf Jahren auf Tiere aufpassen und mehr Tiere hüten, als sie selber essen können. Diese ersten Kulturen waren also mutterrechtlicher Art und von Frauen dominiert und konnten sich auch noch nicht gut verteidigen. Sie wurden groß durch Handel und Austausch und entwickelten eine sehr starke Kultur, allerdings selten eine Schrift.
Dieses Gesellschaftsspiel - groß werden und wieder zugrunde gehen - ist einige Jahrtausende gespielt worden - bis die Menschen Hierarchien entwickelt haben. Dies ist möglicherweise die größte Erfindung in der menschlichen Geschichte. Alle anderen Erfindungen sind erst in Folge entstanden.
Wie sahen diese Hierarchien aus?
Wenn man die idealtypische Form einer Hierarchie graphisch darstellen möchte, so sieht dies folgendermaßen aus:
Diese Form wurde symbolisch manifest: die Pyramiden waren ursprünglich Stufenpyramiden, auf die man die Tiere treiben und Vorräte speichern konnte. Sie waren auf Sichtweite gebaut: bei einer war Militär stationiert und wenn Jäger angriffen, konnte diese wichtige Information mit Rauchzeichen weitergegeben werden.
Damit dieses System funktionierte, mussten allerdings einige Prinzipien eingeführt werden.
Diese Prinzipien sind auch heute noch bekannt:
1.) Das wichtigste Prinzip: die Entscheidungen sind bisher beim Tausch der Viehzüchter lokal getroffen worden, jetzt muss die Entscheidung zentral getroffen werden, d.h. wir haben hier eine
Entscheidungszentralisierung
Wenn die Jäger an verschiedenen Stellen angreifen, muss entschieden werden, was aufgegeben oder verteidigt wird.
2.) Damit aber die richtigen Entscheidungen getroffen werden können, müssen die Informationen an einem Ort zusammenkommen. Die Menschen, bei denen dies geschah, nannte man "Priester". Der eine Priester weiß, was da los ist und dort los ist, und der andere Priester weiß wiederum, was woanders los ist, und der einzige, der alles weiß, ist der "Pharao".
Pharao heißt wörtlich übersetzt "Herr der Geheimnisse".
Wir haben also zweitens eine
Wahrheits- oder Informationszentralisierung.
3.) Drittens stellt sich immer dort, wo Menschen miteinander Geschäfte abwickeln, die Frage: wer streitet mit wem immer am meisten, wo gibt es die meisten Konflikte? Zwischen Nachbarn. Und hier in diesem System gibt es erstmals die Möglichkeit, dass Nachbarn miteinander kooperieren, auch wenn sie miteinander streiten: nämlich über eine dritte Person oder über ein Zentrum.
D.h., wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Dieses System hat erstmals die Möglichkeit, Kooperationen herbeizuführen, ohne dass man tatsächlich miteinander konkurrieren muss. Man konnte jetzt auch Konkurrent sein, ohne einander dabei umzubringen.
Zu diesem Zweck hat das Zentrum die
Weisheitszentralisierung
Der weise König Salomon ist hier ein historisches Vorbild.
4.) Der vierte Punkt ist der wichtigste: wenn man sich die machtökonomischen Verhältnisse ansieht, so waren die ursprünglich Besitzenden die Bauern und die Dörfer, kurz gesagt: die Produzenten. Hier stellt sich die entscheidende Frage: wovon lebten die im Zentrum? Die Antwort lautet: vom Handel. Sie haben dem einen ein bisschen weniger gegeben als es wert war, vom anderen ein bisschen mehr genommen, als es wert war, und von der Differenz lebten sie. Bei den alten Griechen lässt sich das in ihren Göttern entdecken: Hermes war gleichzeitig der Gott der Kaufleute und der Diebe. Damit lebten sie nicht schlecht, aber große Sprünge waren nicht möglich. Neue Probleme traten auf: man musste Soldaten haben, man musste eine Armee aufstellen, dazu brauchte man eine Rüstungsindustrie sowie eine Infrastruktur Man musste die Rauchzeichen verstehen können, man musste eine Schrift erfinden und wenn man Bauern, Krieger und Priester hat, so braucht man Beamte, die das koordinieren. Und all die hier aufgezählten, die Krieger, die Priester, die Beamten, die produzieren nichts, die essen nur: sie stellen den so genannten nichtproduktiven Teil des Systems dar. Dieser Pharao hat nun chronisch zu wenig, denn was er abschöpfte, war nicht proportional zur Entwicklungsgeschwindigkeit des Systems. Und diese Entwicklungsgeschwindigkeit des Systems war über 10 bis 15-tausend Jahre zu langsam. Da waren die Jäger schneller und die Kultur ging zugrunde.
Irgendwann hatte der Pharao nun zu wenige Kühe für seine Beamten, Krieger und Priester und forderte von den Bauern mehr. Sobald diese sich aber weigerten, ihm mehr zu geben, hatte er nur eine Möglichkeit, das System aufrechtzuerhalten: er schickte seine Soldaten, um von den Bauern mehr herauszuholen.
Und dann war es nur ein kurzer Lernprozess in der Geschichte, dass der Pharao begriff: wenn er es sich aussuchen konnte, wie viel er ihnen wegnehmen konnte, so nahm er sich alles bis auf das Existenzminimum. Im Gegenteil, wenn die Bauern das Saatgut aufaßen, so musste der zentrale Tempel sogar mit Saatgut aushelfen, sonst gab es nächstes Jahr keinen Tribut mehr.
Es gab da also Zentren mit am Minimum lebenden Bauern, die jedoch überlebt haben. Brutaler formuliert: diejenigen, die mit zentraler Gewalt Militär auch gegen ihre eigenen Leute einsetzten, hatten in der Geschichte größere Überlebenschancen als diejenigen, die den Bauern freie Wahl über die Höhe ihres Tributs ließen.
Es musste also ein System gefunden werden, in dem Menschen Entscheidungen treffen über andere, d.h. wir haben hier eine Machtzentralisierung.
Das bedeutet, Entscheidungen treffen über andere, ohne deren Zustimmung einzuholen. Dieses System wurde dann von Hamurabi "Umradash" genannt. Das heißt auf deutsch: heilige Ordnung. Und auf griechisch: "Hierarchie". "Hieros" heißt heilig und "Arché" heißt Ordnung, auch Prinzip, Anfang oder Macht. Hamurabi zeichnete das auf und nahm als Symbol die Pyramide. Die Pagoden sind übrigens Reste dieser Pyramiden, das Zentrum ist oben in der Spitze. Jetzt sieht man, wieso diese Pyramide Symbol für dieses Modell wurde, das man beliebig groß zeichnen kann:
Das Prinzip "Herrschaft" heißt, dass die Menschen eingeteilt werden in Obertanen und Untertanen. Das war eine große Wende in der Geschichte. Die Männer sind damit an die Macht gekommen - die mutterrechtlichen Kulturen waren nicht in der Lage, sich zu verteidigen. Wir finden nur dort Reste von mutterrechtlichen Kulturen, wo keine Verteidigungsnotwendigkeit bestand, z.B. in Kreta hatten die Paläste, abgesehen davon, dass es zum Teil Totenpaläste waren, keine Mauern. In Troja aber gab es zyklopische Mauern, sie hatten Militär und mit dem Militär übernahmen die Männer die Macht und gleichzeitig gab es die Unterteilung in Obertanen und Untertanen. Und diese Einteilung der Menschen in Obertanen und Untertanen war sozusagen der Preis, der für das Überleben des Systems gezahlt wurde.
Solange das System auf Freiwilligkeit beruhte, funktionierte es nicht lang genug. Erst als es im Zwang durchgeführt wurde, funktionierte es. Besonders wichtig war das im alten Ägypten, von dort ist es auch schriftlich überliefert, da hatte man ein sehr komplexes System für die Zeit, in der die Nilschwemme kam; erstens musste man ja wissen, wann sie kam, dann mussten ganz genaue Richtlinien ausgegeben werden, wer wann wo welche Schleuse geöffnet hat, damit das Wasser richtig umgeleitet werden konnte. Da hatte es überhaupt keine Sinn, zu diskutieren, hier musste ein starkes, straffes System geschaffen werden, mit militärischer Verteidigung und mit glasklarer Organisation, die nach dem Prinzip vorgeht: Informationen im Zentrum, alle Macht im Zentrum, alle Entscheidungen im Zentrum, alle Konflikte nach oben delegiert, d.h. streiten gibt es nicht mehr: wenn zwei streiten, dann dürfen sie eigentlich nicht mehr streiten, sondern ihr Chef soll entscheiden.
Dieses System ist also unter dem Namen Hierarchie in die Geschichte eingegangen und hat sich jetzt ca. fünf- bis zehntausend Jahre bewährt. Der genaue Zeitpunkt der Erfindung ist nicht bekannt, wir wissen nur, dass es das schon vor fünftausend Jahren in Ägypten gegeben hat. Diese vier Prinzipien und dieses System gibt es bis heute in allen uns bekannten "zivilisierten Gesellschaften": in Wirtschaftsunternehmen, beim Militär, an den Universitäten und in jeder Form der Verwaltung. Es ist egal, welche Organisation man betrachtet, überall findet man die Symbole der Hierarchie: die Kirche ist ein gutes Beispiel: seine Heiligkeit der Papst hat eine große Krone, dann haben wir die Landesfürsten, die haben eine Zacke weniger in der Krone, in Folge gibt es den Adel - hier die Kardinäle, die Excellenzen, die Bischöfe, dann den Mittelbau, das geht vom Generalvikar zum Hilfskaplan und ganz unten in jedem System die Sklaven, das sind in der katholischen Kirche die Laien, "laos", das Volk.
Man kann auch die Universität nehmen: da gibt es Rektor, Magnifizenz, Spektabilität, die Dekane der Fakultäten, dann kommen die Ordinarien, dann ist der Adel zu Ende, dann geht es los mit den Privatdozenten, dann die wissenschaftlichen Hilfsassistenten, die Rolle der Sklaven haben dort die Studenten.
Man kann das gleiche natürlich auch in einem Wirtschaftsunternehmen beobachten: der Vorstandsvorsitzende, Generaldirektor, Vorstandsdirektoren, dann kommen die Bereichsleiter, dann hört der Adel auf, dann geht es vom einfachen Abteilungsleiter zum einfachen Arbeiter, der hat den Sklavenstatus in der Wirtschaft. In diesem System haben Sie auch die Superpositionsrituale, d.h. je höher sie hinaufkommen, desto gescheiter werden die Leute, desto mächtiger werden die Leute und umso wichtigere Entscheidungen treffen sie. Oben gibt es Allmacht, also Allwissenheit, Allmächtigkeit, Allgegenwart. Je weiter runter man kommt, desto blöder werden die Leute, desto weniger wissen Sie und unten ist Impotenz. Wer unten sitzt, der weiß nichts, der kann nichts, je weiter man hinaufkommt, desto mehr kriegt man bezahlt, weil desto wichtigere Tätigkeiten führt man aus, desto größer ist das Büro, desto grüner sind die Zimmerpflanzen und desto hübscher ist die Sekretärin. Man findet hier sehr strenge Reglementierungen. Das ist das Prinzip der heiligen Ordnung, der Hierarchie.
Wann gibt es Schwierigkeiten?
Heute stehen wir vor dem Problem, dass dieses System erstmals in der Geschichte in eine Krise gekommen ist. Wir müssen uns heute nach Alternativen umsehen, eine Tatsache dabei aber unbedingt im Auge behalten: es wird nicht möglich sein, die Hierarchie abzuschaffen. Die Versuche, alle Menschen über alle Probleme entscheiden zu lassen, funktionieren nicht. Hierarchie ist nämlich gleichzeitig ein System der Arbeitsteilung. Arbeitsteilung gab es zwischen denen, die Kühe und denen die Schafe erzeugt haben, und Bananen und Datteln, und Arbeitsteilung gab es auch zwischen denen, die produziert haben und denen, die zentralistisch koordiniert haben. Es gibt zwei Formen von Arbeitsteilung, nämlich vertikal und horizontal. Diese beiden Formen von Arbeitsteilung müssen erhalten bleiben. Den Unterschied zwischen peripheren und zentralen Positionen und den Unterschied zwischen peripheren Positionen untereinander kann man nicht überwinden.
Die zweite Frage, die wir stellen müssen, ist, ob dieses Obertanen- und Untertanen-Verhältnis heute noch ist. D.h., ob es tatsächlich notwendig ist, Entscheidungen zu treffen, ohne die Meinung der Betroffenen einzuholen. Man hat beobachtet, dass sich heute in manchen Punkten die hierarchischen Prinzipien umkehren, dass sie einfach nicht mehr stimmen: wenn Sie einen EDV-Spezialisten einstellen, dann kann es sein, dass der mehr von Computern versteht als sein Chef. Jetzt haben wir folgendes Problem: wenn die beiden sich streiten, dann hat der eine von der Sache her recht, der andere vom System her.
Konflikte zwischen Obertanen und Untertanen sind in dem System jedoch streng geregelt: wenn der Chef mit einem Mitarbeiter streitet, haben grundsätzlich die Obertanen recht, sie haben mehr Macht, haben mehr Weisheit, sie müssen die Entscheidungen treffen. Damit seine Entscheidungen nach unten auch durchgeführt werden, wird ein Verhältnis der Abhängigkeit installiert, da man sonst zentral getroffene Entscheidungen nicht durchführen kann.
Was passiert bei sehr großen Unternehmen (=Systemen)?
Es kann folgendes Problem auftreten: wenn das System halbwegs komplex ist und es passiert etwas, dann erzählt es der eine dem, aber nicht dem anderen und der erzählt das dem und nicht einem dritten, usw. Jetzt hat der Oberste nur einen gewissen Prozentsatz an Informationen z.B. für eine Ankaufsentscheidung oder eine Neustrukturierung. Wenn er jetzt eine Gegenmaßnahme ergreift, dann sickert die auf demselben Weg hinunter und kein Mensch dort unten erkennt mehr, dass das eine Gegenmaßnahme ist.
Die folgende Graphik zeigt so einen Fall:
Noch andere Punkte können hinzukommen: nicht nur die Fachexpertise, die z.B. bei allen verkaufsintensiven Organisationen sehr stark an der Peripherie ist, der Kundenkontakt, aber auch technisches Fachwissen sind oft nicht mehr zentralisierbar.
Wir erleben heute, dass diese Wahrheitszentralisierung überhaupt nicht möglich ist. So erzählt ein Berater aus seiner Erinnerung:
Ein Beispiel ist die Geschichte von Siemens, als sie einen zentralen Computer für die Bundespost machen wollten. Der Vorstand setzte eine Gruppe ein, die das bearbeiten sollte. Einer der Ingenieure sagte, ein zentraler Computer sei ein Blödsinn, man mache das heute mit Mikroprozessoren, dezentral vernetzt. Die sind zunächst einmal rausgeschmissen worden, weil der Abteilungsleiter sich nicht getraut hat, seinem Chef zu sagen, dass der Vorstand eine blöde Entscheidung getroffen hat. "Euer Problem ist, zu arbeiten und nicht, den Vorstand zu kritisieren." Nach einer Weile kamen sie aber darauf, dass es mit dem zentralen Computer nicht funktioniert, dann ist es in einer zweiten Welle zum Bereichsleiter gekommen, dort wurde es auch abgeblockt, weil der sich auch nicht traute, dem Vorstand zu sagen, dass sie blöd sind. In der dritten Welle, da waren schon fünfhundert Millionen verbraten, kam es auf Vorstandsebene. Und da ist es interessant, wie die reagierten. Dort saßen natürlich keine Fachleute, die hatten keine Ahnung, was Mikroprozessoren sind. Irgendeiner hatte mal vor vierzig Jahren Elektronik studiert, ist natürlich längst Politiker geworden, die sagten, wir haben jetzt schon fünfhundert Millionen Mark hineingesteckt, die wären alle verloren, wenn wir das jetzt abbrechen: "also weitermachen." Außerdem sagte noch der zuständige Verkaufsleiter, sie müssten auf jeden Fall weitermachen, weil da wäre noch mehr daran angeschlossen, nicht nur die Bundesrepublik, sondern 16 Länder wollten den zentralen Telefoncomputer kaufen, sobald er fertig ist, und die würde man alle verlieren. Daraufhin wurde weitergemacht, es ging aber nicht, weil es wirklich eine Fehlentscheidung war. Zum Schluss standen an die sechs Milliarden unterm Strich. Dann hat man natürlich den Vorstand entfernt, aber das nützt ja nichts, das Geld ist trotzdem im Eimer. Das Beispiel zeigt, dass es in großen Organisationen häufig das Problem gibt, dass sich im Mittelbereich Expertise ansammelt, die nicht mehr zentralisierbar ist und die oft durch die vielen Barrieren nicht mehr in die Entscheidungen bei den zentralen Funktionären mit einfließen kann. Ganz oben hat man nicht mehr die Möglichkeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen, es sei denn, per Losentscheid oder durch eventuelle Zufallsinformationen Ein weiteres Problem kommt noch dazu, sobald das System eine bestimmte Komplexität erreicht hat: im klassischen System, weil ja der Chef immer gescheiter sein muss als seine Mitarbeiter, und dessen Chef noch gescheiter, gibt es Beförderungen nach dem Leistungsprinzip. Auch dieses Prinzip gerät ins Wanken, wenn folgendes passiert:
Wenn man den besten Feinmechaniker zum Werkmeister einer Abteilung macht, dann muss er jetzt Arbeit einteilen, Streit schlichten, Raumpfleger einteilen, was er noch nie in seinem Leben getan hat. Lauter Sachen, die er nie gelernt hat und auch nicht kann. Und jetzt sagen alle, das ist ein miserabler Werkmeister. Er wäre gut, um Differentiale zusammenzusetzen, aber das darf er ja jetzt nicht mehr tun. Ein weiteres Beispiel: der beste Lehrer in der Schule wird Direktor. Jetzt hat er nicht mehr mit Schülern zu tun, sondern mit Lehrern. Und jetzt muss er mal probieren, Lehrer so zu behandeln, wie die Schüler. Entweder ist er ein guter Direktor, dann kommt er ins Ministerium, jetzt hat er weder mir Schülern noch mit Lehrern zu tun, sondern mit Akten. Wieder eine andere Aufgabe. Ist er gut, avanciert er, ist er blöd, bleibt er den Rest seines Lebens in diesem Job. Wenn er dann ein gewisses Maß erreicht hat, er ist z.B. Ministerialrat und zu blöd für den Job, dann ist nichts mehr zu machen. Wenn etwas passiert und er weg muss von dem Job, dann kann er natürlich nur mehr nach oben fallen, er wird Sektionschef. Das Beispiel zeigt, dass heute das Arrangement nach dem Leistungsprinzip in Hierarchien oft nicht mehr funktioniert. Noch eine weitere Schwierigkeit kommt dazu, die den Kommunikationsfluss und die Atmosphäre im System negativ beeinflussen kann: der Chef spricht mit den einzelnen Untergebenen gerne allein, im "Kammerl" sozusagen. Da alle Entscheidungen und alles Wissen bei ihm zusammenlaufen, kann er sich aussuchen, wem er was erzählt.
Das ist ein nicht unerheblicher Machtfaktor, der sich graphisch so darstellen lässt:
Dadurch, dass der Chef seine Untertanen voneinander abschirmt, schafft er Barrieren, die er zur besseren Vergatterung aller ihm Untergebenen verwenden kann. Er streut er die Saat des Misstrauens, so dass sich die Untertanen nicht gegen ihn verbünden - was ihnen sonst ja leicht fallen würde, da sie sich auf einer Hierarchieebene befinden und so direkt mit einander zu tun haben Dieses wohlgehütete Maß an Misstrauen zwischen den Untertanen gibt es in den meisten Hierarchien, es ist für den Chef sehr wichtig, weil dann die Kommunikation immer über ihn geht, dadurch wird er wichtig.
Bei den Untertanen kann das dazu führen, dass sie dem Oberen immer nur das erzählen, was er gerade hören will, denn das verschafft ihnen eine gute Position im Wettkampf, dem Chef zu gefallen.
Solche Mitarbeiter reden untereinander nur über das Wetter und spezialisieren sich alle darauf, dem Chef zu sagen, was er gerne hört.
Das ist natürlich dann kontraproduktiv, wenn der Chef auf gute und ausreichende Information über das angewiesen ist, was unter ihm vorgeht, also meistens. Das folgende Beispiel soll dieses Problem verdeutlichen:
Im deutschen Bundesumweltamt sollte eine so genannte "Schadstoffschnellauskunft" eingerichtet werden. Da hatte einer die gute Idee, dass es ungefähr tausend Schadstoffe - gefährliche Stoffe in großen Mengen - gibt. Da war es bisher so, dass durch den Einsatz der Feuerwehr oft ein großer Schaden entstanden ist, weil, die nicht wussten, um welchen Stoff es sich handelte: Sie löschten mit Wasser, wenn Sand besser gewesen wäre und umgekehrt. Die Idee war: machen wir einen Computer in jedem Polizeiauto oder jeder Feuerwehrstelle, dort geben wir die Daten ein, - es ist gelb, stinkt usw., Telefonnummer und dann gibt der Chemiker Auskunft - kurz und gut: Schadstoffschnellauskunft am Bundesumweltamt Berlin. Das wäre eine wunderbare Idee gewesen, wenn es funktioniert hätte. Der Bundesminister ordnete an, dass dies installiert werden sollte, aber der Computer funktionierte nicht, da die Programme zu kompliziert waren. Dies wurde dem Führungsgremium mitgeteilt, welches aber beschloss, das nicht weiterzugeben und meinte, es müsse trotzdem gebaut werden. Und sie gaben nach oben weiter, das Projekt würde funktionieren. Daraufhin erklärte der Minister bei der EG: wir können das. Daraufhin führte auch die EG das überall ein. Und jetzt erst kam man darauf: es geht nicht.
Ein klassischer Fall, wo die Hierarchie nicht wusste, was los ist. Niemand traute sich, die Wahrheit zu sagen. Es geht heute viel Zeit und Geld verloren, weil die Hierarchien nicht mehr funktionieren. In diesem Fall war es wiederum auch das Problem des mangelnden Feed-back. Feed-back gibt es in der Hierarchie nur vom Obertanen zum Untertanen, der sagt dem einen alles, was er sich denkt, aber nicht zurück, was aber viel wichtiger wäre. Dieses Feed-back gibt es in Hierarchien nicht, bzw. nur sehr eingeschränkt oder unter hohem Risiko. Die Folge ist letztendlich die, dass alle Errungenschaften der Hierarchie nicht mehr stimmen: die Wahrheitszentralisierung, die Weisheitszentralisierung, daher auch nicht mehr die Entscheidungszentralisierung und weil blöde Entscheidungen getroffen werden, stimmt auch die Machtzentralisierung nicht mehr.
Man sagt nicht bei einer Entscheidung, sie wäre ein Blödsinn, sondern merkt das erst im Zuge der Durchführung. Da kann dem einzelnen auf seinem Posten nichts mehr passieren, denn er hat ja Dienst nach Vorschrift ausgeführt.
Das ist ein gefährliches Phänomen in modernen Hierarchien. Das führt zu einem weiteren Problem: Es ist heute in den Hierarchien ein großes Maß an Widerstandspotential bei den Untertanen vorhanden, da sich die Probleme auf das Individuum auswirken: man lässt den Chef einfahren, man lässt einen ganzen Bereich einfahren, gibt falsche Informationen und die oben wissen überhaupt nicht mehr, was unten los ist. Und wenn sie doch einmal etwas entscheiden, wird es sabotiert. Es geht hier wahnsinnig viel Geld verloren, weil es in der Hierarchie versickert. Dies gilt genauso für die Deutsche Bank wie auch für das sowjetische Staatssystem oder die kleine Gemeindeverwaltung.
Es gilt hier aber: je größer und komplizierter das System, umso gehäufter treten die oben besprochenen Probleme auf.
Was kann man gegen die Probleme tun?
Es kann nicht das Ziel sein, die Hierarchie abzuschaffen, sondern Methoden und Strategien zu entwickeln, sie über Verbesserungen und Infragestellen wieder arbeitsfähig zu machen.
Ein dahingehender Ansatz wurde in der Gruppendynamik entwickelt: Das ist der Versuch, im kleinen Kreis dieses Herrschaftsprinzip außer Kraft zu setzen. Herrschaft heißt, dass die Menschen eigentlich nicht als Menschen genommen werden, sondern als Mittel, was sie natürlich auch sind. Man kann nicht wirtschaften, wenn man die Menschen nicht als Mittel einsetzt. Dies geschieht in Hierarchien jedoch ohne deren Zustimmung.
Wir können an dieser Stelle die Formel aufstellen:
Die Sozialstruktur funktioniert umso besser, je höher der Zustimmungsgrad der Mitglieder ist. Wenn es gelingt, die Leute dazu zu bringen, dass sie die Arbeit gern machen, dass sie sie freiwillig machen, dass sie Informationen hergeben, so nennt man das "Motivation". Informationen hergeben ist eine Sache des Vertrauens. Das erste Zeichen des Misstrauens ist der Entzug von Informationen. Wenn der Unternehmer sagt: bei uns sind das Problem die Informationen, keiner sagt dem anderen etwas - dann weiß man, dort gibt es Misstrauen und keine Anerkennung.
Zustimmung oder Vertrauen gibt es jedoch nur im Zustand der Interdependenz. Wenn man konterdependent ist, zweifelt man, ob der Chef überhaupt Recht hat. Dependenz ist auch kein Vertrauen, sie ist sozusagen blinde Abhängigkeit, wobei hier das große Problem ist: Dependenz hat einen Sinn bei Kindern - ein hierarchisches System besteht darin, dass erwachsene Menschen zu Kindern gemacht werden. Das Muster zwischen Chef und Mitarbeitern ist das zwischen Eltern und Kindern. Denn nur dort ist es ja richtig, dass der Vater alles weiß und entscheidet und das Kind alles tun muss.
Im Betrieb ist es nicht im Sinn des Systems, dass der Kreditfachmann einer Bank sich von der Geschäftsleitung sagen lassen muss, was er zu tun hat, denn der versteht ja viel mehr von der Sache.
Hier funktioniert das klassische, hierarchische Prinzip nicht mehr und wir brauchen daher neue Modelle. Neue Modelle bedeutet, dass diejenigen, die zusammenarbeiten müssen und unterschiedliche Expertisen haben, zueinander in einem interdependenten Verhältnis stehen.
Wie sieht die moderne Hierarchie der Zukunft aus?
Wir nehmen einmal an, ein Unternehmen besteht aus verschiedenen Gruppen. Diese Gruppen müssen eine Leistung erbringen. Es gibt nur noch ganz wenige Leistungen - sowohl im Produktionsbetrieb, als auch im Dienstleistungsbetrieb - die ein Einzelner noch machen kann.
Das ist heute eine Sache eines Teams, so wie auch vor Ort in der Produktion Qualität eine Sache des Teams ist.
Das sind Entscheidungen, die von mehreren getroffen werden müssen - so kann für eine komplexe Aufgabe (es gibt heute fast nur mehr komplexe Aufgaben im Bereich größerer Organisationen) die notwendige Mindestmenge an Kompetenz, Information und Wissen in die Entscheidung einfließen.
Die Teams herzustellen, ist jetzt Aufgabe des Vorgesetzten. Die neue Führungskraft des nächsten Jahrhunderts wird nicht mehr eine sein, die alles weiß und Entscheidungen trifft, das geht gar nicht mehr, sondern eine, die über die Instrumente verfügt, die notwendig sind, um in Gruppen so zu intervenieren, dass die Gruppen ihre Arbeit tun können.
Der "Hauptjob" für einen Vorgesetzten wird sein, Gruppendynamik zu betreiben, also Gruppenprozesse richtig zu diagnostizieren und richtig zu steuern, und nicht mehr richtige Entscheidungen zu treffen. Das geht gar nicht mehr, weil heute Entscheidungen so stark vernetzt sind.
Wenn man heute ein guter Motorenspezialist oder ein guter Thermodynamiker ist, so befähigt das überhaupt nicht mehr, eine Abteilung zu führen, weil da sind noch Personalfragen, Finanzfragen, Repräsentationspflichten u.s.w. Hier müssen vor Ort Gruppen gebildet werden und diese Gruppen müssen reif sein, d.h. ein interdependentes Verhältnis haben.
Ein Gruppe funktionsfähig zu machen, ist keine leichte Aufgabe und erfordert außerdem noch eine Menge Zeit: die Gruppe muss zueinander finden, Abhängigkeiten, Sympathien und Widerstände bearbeiten, bevor sie arbeitsfähig wird.
Diese Gruppen entsenden jetzt bestimmte Repräsentanten in Führungsgremien. Hier sind die Gruppen vertreten. Und hier gilt dann genau dasselbe: Der Personalbereich eines größeren Unternehmens ist z.B. so ein Führungsgremium, in dem die Interessen der Gruppen vertreten werden.
In jedem Fall ist es so, dass die Zeit, die eine Gruppe braucht, um sich einzuarbeiten und gruppeninterne Prozesse und Mechanismen zu entwickeln, die ihr eine Erfolg versprechende Arbeitsbasis verschaffen, nie verlorene Zeit ist. Die Potenz, die in einer gut funktionierenden Gruppe vorhanden ist, ist genau diejenige, die die Hierarchie verloren hat.
Hier gibt es jetzt einen anderen Nachteil: Gruppen können ein Eigenleben entwickeln und versuchen, sich dann von Hierarchien nichts mehr dreinreden lassen. Um das zu verhindern, müssen entsprechende Mittel entwickelt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, die einzelnen Führungsgremien in einem Führungskreis zu koordinieren. Dort muss es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen denen geben, die zentral den Willen der Peripherie repräsentieren: die müssen ihre Interessen dort wieder finden, das Gefühl haben, dort sind die Leute, die das, was ich will, repräsentieren: als Motorbauer, als Verkäufer, als Qualitätssicherer, als Kreditmann. Umgekehrt müssen die an der Peripherie das, was zentral beschlossen wird, auch durchführen.
Ein spannendes Modell finden Sie in der nächsten Lektion: die Soziokratie.
Was bleibt zu tun?
Die Hierarchie, so könnte man es heute formulieren, leidet unter Verstopfung. Es geht nur von oben nach unten - oft nicht einmal mehr das - es geht aber nicht von unten nach oben. Hier müsste es in den neuen Systemen einen Austausch der Willensbildung von unten und oben oder zwischen zentral und peripher geben.
Hier muss man entflechten: man wird andere Prinzipien der Arbeitsteilung und auch der Leistungsmessung und -zuweisung finden müssen, es wird auch der Run auf die zentralen Positionen wegfallen, weil die nicht mehr so erstrebenswert sind. Die Mittel, um in neuen Systemen, in denen Gruppen ihren Platz haben, arbeiten zu können, sind Analyse von Prozessen, also Diagnose sowie Intervention. Diese Prozesse und Analysen müssen, damit sie erfolgreich sein können, im System selbst stattfinden, d.h. sie dürfen nicht von außen angesetzt werden und müssen außerdem ständig weiterentwickelt werden. Man kann nicht unabhängig von den Betroffenen eine Diagnose stellen. Es ist dieses Wissen über Gruppenprozesse auch nicht mehr zentralisierbar, man kann die Methoden der Hierarchie hier nicht mehr anwenden. Es ist nicht mehr so, dass der Oberste am besten versteht, was in der Gruppe los ist, sondern am besten verstehen das die Betroffenen selber und mit denen muss man das bearbeiten.
Das heißt, man muss Erkenntnisse rückkoppeln und dann gemeinsam entscheiden.
Details zu diesem Themenkreis finden Sie in:
Gerhard Schwarz, "Die Heilige Ordnung der Männer", VS-Verlag, 5. Auflage Dieses Papier wurde anhand einer Mitschrift eines Vortrages über Hierarchie und Organisation von Univ.Doz. Dr. Gerhard Schwarz anlässlich eines Gruppendynamikkurses in Rhode, Deutschland, erstellt.
Aufgabe 2
Suchen Sie aus Ihrer Umgebung zwei Unternehmen – ein streng nach klassischer Hierarchie funktionierendes und eines, in dem Gruppenstrukturen eine größere Rolle spielen. Vergleichen Sie die beiden und erarbeiten Sie folgende Punkte:
1.) Welche der erwähnten Schwächen erkennen Sie in den beiden Unternehmen?
2.) Welche Erfahrungen haben Sie schon gemacht – wann und wie haben diese Schwächen schon in Ihrem Berufsleben eine Rolle gespielt?
3.) Nach welchen Prinzipien hat „Aufstieg“ in Ihrem Leben bisher funktioniert und wie ist es Ihnen damit ergangen?
4.) Bei welcher Gelegenheit und warum waren Sie schon auf Hierarchie wütend?
5.) ...und wann haben Sie die Hierarchie und ihre Gesetzmäßigkeiten für sich nützen, ausnützen können?