Outsourcing, Offshoring & Alliances - Betrieb

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Phase 4: Betrieb

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Dies ist zeitlich gesehen die längste Phase des Outsourcings. Ab diesem Zeitpunkt gelten die Leistungsverträge und der Outsourcer ist für die Leistungserbringung voll verantwortlich (Change of Control).

Wichtig sind am Beginn dieser Phase eine klare Festlegung der Einzelrollen und Gremien inklusive Ihrer Aufgaben und Kompetenzen. Die Organisation wird zwar je Outsourcinggegenstand etwas unterschiedlich aussehen, einige Rollen sollten aber auf jeden Fall vorhanden sein.

Eine wesentliche Rolle auf beiden Seiten ist die des Single Point of Contact. Zusätzlich gibt es normalerweise ein Betriebsführungsteam, das die Produktion auf beiden Seiten plant und abwickelt. In diesem Team ist dann auch die Funktion des operativen Controllings vertreten.

Meist ist dann auch ein Lenkungsausschuss eingerichtet, der sowohl die strategischen Aspekte der Zusammenarbeit beachtet und auch als Eskalierungsgremium im Problemfall dient. Der Lenkungsausschuss sollte mit entscheidungsbefugten Managern besetzt sein, damit im Krisenfall auch rechtzeitig Entscheidungen getroffen werden.

Betriebsphase

Der Betrieb muss möglichst rasch etabliert werden. Am Beginn sind noch häufig die Betriebshandbücher zu erstellen oder zumindest an die geänderten Bedingungen beim Outsourcer anzupassen. Wichtig ist der Aufbau einer funktionierenden und klaren Kommunikation. Hier kann es durchaus zu Änderungen der geplanten Kommunikation kommen, da die Situation oder die Kommunikationsfähigkeit der handelnden Personen falsch eingeschätzt wurden. (s. 8.12)

Das geplante Reporting und Controlling kann sich auch im ersten Jahr noch ändern. Speziell die Zeiträume und die Detailgenauigkeit kann erst im täglichen Betrieb den Erfordernissen angepasst werden.

Auch wenn das Change Management für Leistungsverträge in den Verträgen bereits vordefiniert ist, können in der Praxis kleinere Änderungen der Vorgehensweise zielführend sein. Sobald sich solche Änderungen bewährt haben, müssen Sie aber in den Leistungsverträgen nachvollzogen werden.

Generell sollte man in der Betriebsphase von Anfang an genügend Raum für kontinuierliche Verbesserungen lassen.

Single Point of Contact (SPoC)

Eines der Hauptprobleme in der Startphase ist die geänderte Kommunikation.

Ausgangssituation:

Auch wenn beim Auftraggeber bereits Werkzeuge und Verfahren für den Betrieb im Einsatz waren (Trouble Ticket System) so werden diese häufig von menschlich verständlichem Verhalten unterlaufen. Aufgrund der persönlichen Kontakte zwischen den Kunden und dem Servicepersonal im Betrieb gibt es immer wieder Versuche, die Verfahren durch Gangbeauftragung oder Direktkontakt mit den Servicemitarbeitern zu umgehen. Auch sind die Servicemitarbeiter aufgrund der persönlichen Beziehungen einem stärkeren indirektem Druck ausgesetzt, Dinge außerhalb des Systems zu erledigen.

Diese Umgehung führt zwar bei einigen Kunden zu manchmal besseren Reaktionszeiten und höheren Prioritäten. Insgesamt über das Unternehmen gesehen wird der Service dadurch allerdings schlechter.

In der neuen Situation gibt es die persönlichen informellen Kontakte zumindest am Beginn überhaupt nicht. Es erfolgt also die Servicierung genau nach dem vorliegenden Leistungsvertrag. Dies wird von den bisher privilegiert behandelten Personen als Verschlechterung empfunden.

Lösung: SpoC auf beiden Seiten

Um die Service möglichst rasch und reibungslos implementieren zu können, muss eine geordnete für beide Seiten zufriedenstellende Kommunikation aufgebaut werden. Dies geschieht meist durch die Installation eines Single Point of Contact.

Die Kommunikation von auftretenden Problemen ist ausschließlich über das Incident Management (Help Desk) abzuwickeln. Für darüber hinausgehende Probleme fungiert der SPoC als Relaisstation. Damit wird gewährleistet, dass alle Probleme dokumentiert sind und an die richtige Stelle kommuniziert werden.

Die Kontaktperson soll beide Unternehmen kennen, alle Prozesse einigermaßen verstehen, die Leistungsverträge gut kennen und am Beginn auch im Tagesgeschäft mitwirken. Diese Person ist spätestens bei der Due Diligence Phase in das Projekt einzubinden, da er dann nicht nur den Vertragstext sondern auch die Gründe warum es dazu gekommen ist kennt. (Geist des Vertrages)

Spezialfall IT Support

Der Auftraggeber muss die Betriebsprozesse des Auftragnehmers zumindest verstehen.

Fast alle großen Anbieter sind ISO 20000 zertifiziert. Das heißt, sie wickeln den Betrieb nach ITIL (IT Infrastructure Library) Definitionen ab. In ITIL sind die wesentlichen Betriebsprozesse beschrieben. Die untenstehende Abbildung 16 zeigt die nach ITIL V2 definierten Betriebsprozesse. Obwohl es inzwischen bereits ITIL V3 gibt sind noch viele Unternehmen nach dem älteren Standard organisiert. Deshalb wurde die Darstellung vom Autor gewählt.

Prozessmodell für den Betrieb (nach ITIL 2)

Monitoring, Reporting und Controlling

Art und Häufigkeit des Reportings sollte weitgehend bereits im Vertrag vereinbart werden. Reporting zeigt im Nachhinein den Grad der Erfüllung der Service Levels und auch ihre tendenzielle Entwicklung. Zum Unterschied vom Monitoring ist das Reporting vergangenheitsorientiert. Es dient nicht dazu im Fehlerfall sofort Maßnahmen treffen zu können, sondern ist ein Instrument für einen Lenkungsausschuss der eher langfristige Maßnahmen oder auch Vertragsmodifikationen beschließen kann..

Controlling ist hingegen wesentlich weiter gefasst als Reporting.

Cloud Controlling:

Das Controlling sollte dabei folgende Aspekte berücksichtigen:

  1. Einhaltung der vereinbarten funktionalen Leistungen.

  2. Einhaltung der vereinbarten rechtlichen Rahmenbedingungen (Datenschutz, Sicherheitsbestimmungen, etc.)

  3. Rechnungscontrolling:
    Stimmen die abgerechneten Mengen mit den genutzten Mengen überein? Wurden die vereinbarten Preismodelle berücksichtigt?

  4. Anbieterbewertung:
    Eigentumsverhältnisse, wirtschaftliches Rating, ev. Benchmarks

Aktivität Ergebnis, Themen

Überprüfen auf strategischer Ebene

Controller

Validierte Strategien, Prozesse, Strukturen, Zielerreichung, Koordination, Kulturintegration und Abgleich, IT-Plattform, Managementsysteme, Know How Transfer, Kundenorientierung, Ressourcen, Kosten,

Win/Win-Konstellation

Überprüfen auf operativer Ebene

Betriebsverantwortlicher (AG), SPoC

Schnittstellen Management, SLA’s, Qualität, Trouble Shooting, Weiterbildung, Budget, Qualitätsaudits, Know How Transfer, Frühwarnsysteme, Prozesskosten, Eskalationsverfahren, Zielvereinbarung pro Mitarbeiter, Kommunikation

Tabelle 12: Controlling - Hauptaktivitäten

Der Betriebsverantwortliche des Auftraggebers hat gemeinsam mit dem SPoC die Steuerung des Outsourcers in seiner Verantwortung. Er muss darauf achten, dass die vereinbarte Qualität eingehalten wird, entscheidet gemeinsam mit dem Outsourcer über Sofortmaßnahmen, überwacht die Prozesskosten und veranlasst Qualitätsaudits.

Der Controller (auf beiden Seiten) hat eher strategische Aufgaben. Er prüft ob die Prozesse noch gültig sind, überprüft in erster Instanz die Zielerreichung, achtet darauf ob genügend qualifizierte Ressourcen zur Verfügung stehen, überwacht die Kostenentwicklung und ist auch bei geplanten Änderungen der IT-Plattformen oder der Managementsysteme rechtzeitig einzubinden.

Kriterien zur Bewertung des ON

In der Betriebsphase sollte der Outsourcer in regelmäßigen Abständen (zumindest jährlich) von den Kunden und Kontaktpersonen bewertet werden. Bewertungskriterien können sein:

  • Termingetreue Leistungserbringung

  • Qualität der Leistung

  • Kostentransparenz

  • Flexibilität

  • Fachkompetenz

  • Sozialkompetenz

  • Innovation

  • Einbezug des Outsourcinggebers

  • Rasche Informationsvermittlung

  • Kundenorientierung

Change Management in der Betriebsphase

Die in den Leistungsverträgen vereinbarten Leistungen können sich während der Betriebsphase durchaus ändern. Meist sind es Zusatzwünsche des Kunden oder auch gänzlich neue Projekte, die der Kunde mit dem Outsourcer gemeinsam durchführen möchte.

Beispiele für Projekte oder Änderungswünsche, die nach einem RZ-Outsourcing während der Betriebsphase anfallen könnten sind:

  • WAN – Bandbreitenänderung

  • Einführung von VoIP

  • Einbindung von mobilen Usern

  • Einführung eines Supply Chain Management

  • Erhöhte Security – Anforderungen

  • Anpassung an die Marktpreise für die vereinbarten Leistungen

  • Geänderte Ansprechpartner

Bei Erfüllung dieser Wünsche ändert sich natürlich auch der monatliche Preis der Leistung. So ist es durchaus üblich, dass nach halber Laufzeit des Vertrages bereits 50% der Kosten für ursprünglich nicht vereinbarte Leistungen anfallen (siehe auch Abbildung 17). Dies ist nicht auf schlechte Planung zurückzuführen sondern zeigt, dass das partnerschaftliche Verhältnis gut funktioniert.

Entwicklung des Auftragsvolumens über die Vertragszeit

Cloud spezifische Aktivitäten

Zum Unterschied zu herkömmlichen Outsourcingmodellen wird man bei Cloud Projekten regelmäßige Datensicherungskopien anfertigen, um im Falle von Totalverlust der Daten oder Insolvenz des Cloud Betreibers zumindest mit Altdaten weiterarbeiten zu können.

Es sollte auch laufend geprüft werden, ob die Daten lesbar, und in gebräuchliche Formate konvertierbar sind.

Change Management bei Vertragsende

Die Outsourcingverträge haben immer eine mehrjährige Vertragszeit.

Es ist im Interesse des Auftraggebers, sich die Möglichkeit eines Anbieterwechsels oder einer Rücknahme des Outsourcings offenzuhalten. Dies funktioniert erfahrungsgemäß nur dann ohne große Probleme, wenn die Bedingungen bei Vertragsende bereits bei den Vertragsverhandlungen angesprochen wurden und auch im Vertrag Ihren Niederschlag fanden.

Nach Ablauf der Vertragslaufzeit bzw. rechtzeitig davor überprüft der Auftraggeber folgende Punkte:

  • Werden für die nächsten Jahre andere Services oderandere Mengengerüste benötigt als in der Vergangenheit?

  • Haben sich die Marktpreise für die bezogenen Leistungen wesentlich verändert?

  • Gibt es inzwischen neue ernstzunehmende Anbieter am Markt?

  • Benötigen die Leistungsinhalte und Serviceziele eine Anpassung?

  • Können bestimmte Funktionen oder Services inzwischen besser intern erbracht werden?

Manche dieser Punkte lassen sich bei guten Verträgen auch während der Laufzeit modifizieren. Die Verhandlungsposition ist allerdings kurz vor Ablauf des Vertrages wesentlich besser.

Es ist deshalb üblich die Services nach Ablauf der Vertragszeit neu auszuschreiben. Wenn das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gut war, kann davon ausgegangen werden, dass der bisherige Partner wieder zur Angebotslegung eingeladen wird. Er wird aufgrund seiner intensiven Detailkenntnis durchaus höhere Chancen als neue Mitbewerber haben.

Sollte der bisherige Partner aber nicht mehr anbieten oder nicht mehr den Zuschlag erhalten, ist es für den Auftraggeber sehr wichtig, folgende Punkte bereits im Vertrag inkludiert zu haben:

  • Mitwirkung des bisherigen Partners beim Wechsel zum neuen Partner. Hierbei müssen sowohl der Umfang in Manntagen als auch die Qualifikation der Mitwirkenden definiert sein.

  • Herausgabe aller erforderlichen Unterlagen und Aufzeichnungen. Es sind dies die Betriebshandbücher, gemeinsam entwickelte Jobs, Programmadaptierungen aber auch Logfiles.

Nur wenn dies ausreichend definiert war, bleibt der Auftraggeber Herr seiner Entscheidungen.