Management und Organisation - Das Delegationskontinuum

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Das Delegationskontinuum

Zum Schluss kommen wir noch einmal zum Thema „Führung“. Das folgende Modell hat mehrere Bedeutungen:
1.) Es ist aus meiner Sicht viel zu wenig bekannt.
2.) Es geht davon aus, dass Führungskräfte nicht alles selbst tun können – und wenn sie das doch glauben, dann sind sie in absehbarer Zeit Burnout-KanditatInnen.
3.) Es lässt sich in der Praxis anwenden: Wer in einer Management-Position ist, kann dieses Modell hernehmen und die Entscheidungen, vor denen er/sie steht, danach durchtesten. Dabei wird schnell klar, dass das Team auch eine Rolle spielt, dass es sich in gewisser Weise um komplementäre Gefäße handelt, die gemeinsam ein System bilden. Das führt im Idealfall zu einer Reflexion über die eigene Rolle, über die Rolle des Teams und in Folge zu einer gemeinsamen Analyse, wie es ist und wie es sein sollte. Und natürlich, wie man dorthin kommt, wo man sein sollte.
Das Delegationskontinuum
„Als Manager muss ich Entscheidungen treffen!“ Das ist ein weit verbreiteter Glaubenssatz. Dem stellen wir einen anderen Satz gegenüber: „Treffen Sie keine Entscheidungen, die Sie nichts angehen!“ Anders ausgedrückt: Keine, die jemand anderer (z.B. Ihr Team) besser treffen könnte.
Da dies von mehreren Faktoren abhängt (was können, dürfen und wollen die MitarbeiterInnen, um welche Situation handelt es sich), brauchen wir ein flexibles Modell. Dieses wurde vom norwegischen Gruppendynamiker Trygwe Johnstad entwickelt und in zahlreichen Gruppendynamikseminaren getestet und vielfach in der Praxis eingesetzt.

Ich habe entschieden... ...und sie sind eingeladen, mit mir zu diskutieren:
1. gar nichts 1. ob etwas gemacht werden soll.
2. dass etwas gemacht werden soll. 2. was gemacht werden soll.
3. was gemacht werden soll 3. wann, wie, wo und von wem es gemacht werden soll.
4. wann, wie, wo und von wem es gemacht werden soll. 4. meine Beweggründe für meine Entscheidung
5. alles 5. nichts, sondern nur um zu hören, welche Konsequenzen es für Sie dabei gibt
6. alles 6. gar nichts

1 repräsentiert die kooperativste Möglichkeit, da völlig offen bleibt, welche Funktionen von wem übernommen werden. Punkt 5 und 6 repräsentieren die autoritärste Form, da aufgrund der einseitigen oder gar nicht vorhandenen Kommunikation keine Möglichkeit für die Übernahme von solchen Funktionen seitens der Untergebenen vorgesehen sind.
Wichtig ist nun, dass eine Führungskraft nicht 1 lebt, wenn ihre MitarbeiterInnen zu keinerlei Selbständigkeit fähig sind. Deswegen ist dieses Modell gut als Anlass für Teamentwicklung geeignet, aber auch um den Weg für partizipativ-situative Führung zu ebnen. Dabei soll eine Führungskraft die einzelnen Mitglieder ihres Teams unterschiedlich stärken und entwickeln, so dass sie im Laufe des Prozesses immer mehr eigene Entscheidungen treffen können.
An dieses Modell angelehnt wurde das „Partizipationskontinuum“ entwickelt. Es soll anregen, den eigenen Führungsstil in Projekten zu reflektieren und weiterzuentwickeln.
In der folgenden Tabelle gibt es zuerst wieder die Spalte „Ich“, die an das Delegationskontinuum angelehnt ist. Auch die zweite Spalte folgt diesem Modell. In der dritten Spalte wird gezeigt, was aus dem jeweiligen Management-Stil entsteht und in der vierten Spalte gibt es die sich daraus ergebenden Herausforderungen.
Das Partizipationskontinuum

| p1cm | p 5cm | p5cm | p5cm | p5cm |
& Ich... & ...und ihr könnt: & Dabei entsteht & Herausforderungen dabei sind
& ...stelle Informationen über Projekte, Planungen oder Ergebnisse zur Verfügung. & ...es euch organisieren, wie ihr sie bekommt: technisch und organisatorisch. ...sie euch abholen, wenn ihr wollt und sie findet und die Möglichkeiten habt, sie zu bearbeiten. & Informiertheit bei denen, die Infos wollen und bereit sind, dafür einiges zu tun. & Vor allem die Seite der „Machtlosen“, die Infos sozusagen „gnadenhalber“ holen können, muss trotzdem ein Gefühl der Partizipation aufbauen können, sonst verliert sich die Motivation. Die Mächtigen können sich nie sicher sein, dass diese Form der Partizipation den Machtlosen reichen wird. Öffentlichkeit wird zum Risiko.
& ...stelle Informationen zur Verfügung und dazu die Medien, die man braucht, um sie zu rezipieren. & ...euch die Infos samt der Technik abholen und sie euch ansehen, wenn ihr wollt. & Informiertheit bei mehreren & s.o. zusätzlich: Aneignung technischer Kompetenz, Investition von Zeit und Energie, meist unbezahlt.
& ...stelle Informationen zur Verfügung und dazu die Medien, die man braucht, um sie zu rezipieren. Zusätzlich trete ich noch aktiv an euch heran und sage euch, was vorhanden ist und wie man es liest und ermuntere euch, es abzuholen. & ...auf meine Initiative reagieren und die Informationen holen. & Informiertheit bei vielen & s.o. zusätzlich: Eine Auseinandersetzung mit der anderen Seite – Formen der Kommunikation müssen aufgebaut werden, die nicht mehr nur einseitig bestimmt werden.
&...trete aktiv an euch heran, noch bevor ich eine Initiative starte und stelle euch Informationen darüber zur Verfügung.& ...die Informationen nehmen, die ich euch biete. & Informiertheit sowie ein Gefühl, sich an etwas beteiligen zu können, wenn man will. Das Partizipationsgefühl wird stärker, hat aber noch nicht an Qualität gewonnen. & s.o.
& ...trete aktiv an euch heran und stelle Informationen zur Verfügung und bitte euch, dazu Stellung zu nehmen. & ...euch die Informationen abholen und einzeln dazu Stellung nehmen.& Informiertheit, ein Beteiligungsgefühl sowie das Gefühl, selbst was zu tun. Die Qualität schein schon eine andere zu sein. & Je weiter dieser Prozess voranschreitet, umso mehr „Partizipationstäuschung“ ist notwendig, denn Entscheidungskraft ist noch sehr ungleich verteilt. Zugleich verwandelt sich die Partizipation insofern, als Machtanreicherung bei den Machtlosen passiert, mehr Öffentlichkeit muss von beiden Seiten verkraftet werden.
&...trete aktiv an euch heran und stelle Informationen zur Verfügung und bitte euch, dazu Stellung zu nehmen. Zusätzlich stelle ich eine Plattform zur Verfügung, auf der ihr euch organisieren könnt. & ...euch die Informationen abholen und euch auf der Plattform organisieren, miteinander kommunizieren und gemeinsame Meinungen bilden. & Beteiligungsgefühl, Gemeinschaftsgefühl, Gefühl einen Parteienstatus zu haben, wenngleich eher als Möglichkeit denn als Recht. & Gemeinschaft will organisiert sein. Innerhalb der Plattformen, Bürgerinitiativen etc. muss Organisation entstehen bzw. die Gruppendynamik muss gesteuert und reflektiert werden – sonst läuft man in Gefahr, sich aufzureiben, zu zerstreiten etc.
&...organisiere ein Projekt, gebe euch die Informationen, errichte die Plattform und lade euch ein, in organisierter Form an den Sitzungen teilzunehmen und eure Meinungen einzubringen. & ...in organisierter Form mittun und an den Sitzungen teilnehmen und eure Meinungen einbringen. & s.o. & s.o.
& ...organisiere ein Projekt, gebe euch die Informationen, errichte die Plattform und lade euch ein, in organisierter Form an den Sitzungen teilzunehmen und eure Meinungen einzubringen. Zusätzlich gibt es für euch ein aufschiebendes Veto gegen unsere Entscheidungen. & ...in organisierter Form mittun und an den Sitzungen teilnehmen und eure Meinungen einbringen. Ihr könnt ein Veto einlegen.& s.o. plus Gefühl, auf Entscheidungen in begrenztem Maße einwirken zu können. Eine erste Form der Abhängigkeit voneinander und somit von der Qualität der Kooperation und Kommunikation entsteht. & Wer von dem Veto übermäßig Gebrauch macht, wird scheitern – wer es nie tut, auch. Die Gegenseitig aufkeimende Abhängigkeit muss von beiden Seiten bewältigt werden. Der organisatorische Aufwand auf beiden Seiten steigt, man muss die Entscheidungen der anderen Seite versuchen zu antizipieren und entsprechend Einfluss darauf nehmen.
& ...organisiere ein Projekt, schlage eine gemeinsame Infrastruktur vor und baue mit euch gemeinsam eine solche auf. Dann bringe ich die Ideen für das Projekt ein und entwickle eine gemeinsame Vorgehensweise. Ich zahle die Infrastruktur sowie die meisten Projektkosten. & ...mitarbeiten an der Infrastruktur und der Organisation. Ihr könnt meine Ideen ergänzen und am Projekt mitarbeiten. Kosten, die ein gewisses Budget übersteigen, müsst ihr selbst finanzieren. & s.o. plus Gefühl, mitzuarbeiten Die „echte“ Mitarbeit erzeugt eine neue Qualität, in der auch die „Mächtigen“ erste Selbstzweifel entdecken und anfangen, ihre eigene Situation zu reflektieren. & Von beiden Seiten sind jetzt große Ressourcen gefragt. Budgetfragen tauchen auf beiden Seiten auf. Die Kooperation muss reflektiert werden, da sie selbst zum Thema wird.
& ...baue gemeinsam mit euch ein Projekt auf, stelle all meine Daten sowie eine gewisse Manpower zur Verfügung. Ich zahle die Infrastruktur und meine eigenen Projektkosten. Ich finanziere das Ergebnis und entscheide, was davon wie umgesetzt wird. & ...mit mir gemeinsam das Projekt aufbauen, eure Daten sowie Manpower zur Verfügung stellen und eure Projektkosten zu tragen. & Partizipationsgefühl in der Art, dass man Teil der Gesamtentwicklung ist und auch verantwortlich dafür. Erste Ansätze der Partnerschaft entstehen, Nachhaltigkeit und über das Projekt hinausragende Kooperationsgedanken entstehen. & Beide Teile müssen einander ernst nehmen, meist mehr, als sie bereit sind zu akzeptieren. Frust und Enttäuschung während des Prozesses sind zu verkraften und zu reflektieren. Externe Begleiter müssen mit einbezogen und gesteuert werden. Mehrere Ebenen der Einigung werden notwendig.
& ...baue alles gemeinsam mit euch auf, trage meinen Teil an den Kosten und entscheide gemeinsam mit euch, was umgesetzt wird. Die Umsetzung zahle ich. & ...mit mir das Projekt aufbauen und durchziehen. Ihr entscheidet mit, was davon wie umgesetzt wird. & s.o. plus das Gefühl der Partnerschaft in begrenztem Rahmen & Echte Partnerschaft entsteht und verlangt von allen Beteiligten, damit zurecht zu kommen.
& ...schlage ein Projekt vor bzw. hänge mich an einen von euren Vorschlägen an, ziehe es mit euch gemeinsam durch, zahle meinen Teil, entscheide mit, was wie umgesetzt wird und trage meinen Teil der Umsetzungskosten & ...eigene Projektvorschläge einzubringen, mit mir das Projekt aufzubauen, mit mir zu entscheiden, was wie umgesetzt wird und euren Teil der Umsetzungskosten selbst zu tragen. & Gefühl echter Partnerschaft: Gleichwertigkeit, Vertrauen etc. & Die „neue Macht“ muss von Seiten der ursprünglich Machtlosen bewältigt werden. Die Mächtigen müssen die Kraft der Partnerschaft erkennen und sich selbst ebenso weiterentwickeln.


Aufgabe 10

Eine kurze Abschlussreflexion geht sich noch aus: Nehmen Sie eine Führungssituation aus Ihrer eigenen Vergangenheit – an der Sie als Führungskraft oder MitarbeiterIn beteiligt waren. Wo war sie angesiedelt – bei 1 oder bei 12 oder dazwischen?
Jetzt versuchen Sie, diese Situation in auf zwei andere Modelle zu übertragen (wenn sie bei 3 war, dann wählen Sie z.B. 1 und 10). Beschreiben Sie, wie das Projekt dann anders gelaufen wäre.
Danach gönnen Sie sich einen guten Schluck, denn Sie haben ihn sich verdient.