Gesprächsführung, Verhandeln und Konfliktlösung - Gesamt

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Medieninhaberin (Verlegerin):
Ferdinand Porsche Fernfachhochschule GmbH
Ferdinand Porsche Ring 3
2700 Wiener Neustadt
Austria, Europe




Kurzbiographie der Autorin

FH-Dozentur 2020; Mag a. rer. soc. oec. an der Wirtschaftsuni­versität Wien 1993; Assistentin der GF im Umweltplanungsbereich bis 1998; wissenschaftliche Assistentin des Fachbereiches Personalmanagement und Organisation an der FH Wr. Neustadt bis 2001; Lektorin für betriebswirtschaftliche Themen (HRM, Org., allg. Mgt.) in deutsch- und englischsprachigen Lehrgängen der FH Wr. Neustadt; dreijähriger Aufenthalt in Pittsburgh/USA 2001 - 2004: dort wissenschaftliche Assistentin für Intellectual Capital and Knowledge Management an der Carnegie Mellon University; Work-Life-Certificate am Boston College/Boston; zertifizierte SIZEProzess® Beraterin, Scrum Master, zertifiziert für Emotionale Intelligenz (Hay Group, London) und Theorie U (MITx, Boston), Lektorin für personalwirtschaftliche Themen und Leadership an unterschiedlichen Business Schools und Fachhochschulen in Österreich seit 1997, selbstständige Unternehmensberaterin, Trainerin und Coach für Unternehmen und ihre Führungskräfte seit 1998.

Doris Perg




Gesprächsführung

„Das Gespräch ist das Vehikel, das Sie zu Ihren Gesprächspartner*innen bringt – und umgekehrt.“

Menschen sind von Natur soziale Wesen – das heißt, sie stehen in Verbindung miteinander. Wir suchen Kontakt zu anderen Menschen, möchten uns mit ihnen austauschen und verbringen unsere meiste Zeit nicht allein, sondern mit anderen, sowohl im privaten, als auch im beruflichen Bereich.

Das zentrale Instrument dazu ist die Kommunikation, die sowohl aus verbalen (sprachlichen) und non-verbalen (nicht sprachlichen) Anteilen besteht.

Aufgrund dieser allgegenwärtigen Präsenz der Kommunikation und als etwas, das wir als eines unserer ersten Fähigkeiten unseres Menschseins entwickeln, ist es umso erstaunlicher, dass gerade hier die meisten Missverständnisse und Probleme entstehen. Gerade in diesem Gebiet sind wir oft nicht oder schlecht vorbereitet (und hier geht es nicht um die Rhetorik). Es sind oft die Einflüsse der Kommunikation, die uns nicht bekannt sind und die uns Fallen stellen, seien es die Wahrnehmungsverzerrungen oder auch die Tatsache, dass nicht nur das Verhalten des Gegenübers, sondern auch unser eigenes, wesentlich die Gesprächsverläufe steuern.

Das alles wird noch bedeutungsvoller, wenn wir uns vor Augen halten, dass es gleich wichtig ist, Augenmerk auf die Kommunikation sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext zu legen. Unser Fortkommen entscheidet sich dort beträchtlich aufgrund gelungener Kommunikation mit Mitarbeiter*innen, Vorgesetzten, Kolleg*innen und sonstigen Stakeholdern.

Diese Lektion beschäftigt sich mit den Faktoren gelungener Kommunikation und nach Durcharbeitung derselben werden Sie im Wesentlichen in der Lage sein:

  • Verzweigungspunkte in der Kommunikation zu erkennen

  • gut und zugewandt zuzuhören

  • den Unterschied zwischen „paraphrasieren“ und „verbalisieren“ zu erkennen

  • über psychologische Verhaltensmerkmale und Einflussfaktoren auf das Gespräch Bescheid zu wissen

  • die unterschiedlichen Botschaften im Gespräch zu erkennen und zu steuern

  • ein schwieriges Gespräch vorbereiten zu können

  • Besonderheiten in speziellen Gesprächssituationen, wie z.B. im (schwierigen) Gespräch mit Mitarbeiter*innen oder im virtuellen Umfeld zu erkennen und erfolgreich damit umzugehen

Arten von Gesprächen

Beim Personengespräch überwiegt thematisch die persönliche Beziehung beziehungsweise die im Moment herrschende Gesprächssituation. Es ist nicht unbedingt auf ein messbares Ergebnis ausgerichtet. Beispiele dafür wären das Glückwunschgespräch, das Gespräch über Alltägliches, das Liebesgespräch oder Belobigungsgespräch.

Sachgespräche haben meist Ergebnischarakter und die Konzentration liegt eher auf der Informations- als auf der Beziehungsseite. Ein Beispiel hierfür wäre das Zielvereinbarungsgespräch.

Arten von Gesprächen

Konfliktgespräche charakterisieren sich durch die verschiedenen Standpunkte der Gesprächspartner*innen, wobei es womöglich darum geht, zu „gewinnen“ oder idealerweise eine Lösung für beide zu generieren. Oft können die Beteiligten nicht genau darstellen, wie der Konflikt entstanden ist bzw. auf welchen Ebenen er stattfindet.

Die Auseinandersetzung darüber beeinflusst in weiterer Folge in jedem Fall die Handlungen einer oder beider Seiten.

Davon getrennt zu betrachten ist die klassische Meinungsverschiedenheit, die meist auf einer sachlichen Ebene geführt werden kann, weil es dabei um unterschiedliche Ansichten und nicht um persönliche Unstimmigkeiten geht. Wenn die Beteiligten wissen, dass es dabei nur um unterschiedliche Einschätzungen geht, ist hier eine Bereinigung einfacher.

Psychohygienische Verhaltensmerkmale im Gespräch

Die hier in Folge angeführten psychohygienischen Verhaltensmerkmale sind Ergebnisse jahrlanger Forschungen in der Gesprächstherapie gepaart mit den Versuchen, diese Erkenntnisse auf die „normale“ Gesprächssituation anzuwenden.

Grundlegend ist, dass jemand etwas „verkaufen“ möchte. Das muss jetzt nicht unbedingt im streng betriebswirtschaftlichen Sinne verstanden werden. Es kann sich dabei auch um eine Meinung oder sogar um eine Hilfe handeln. Das kommt allerdings nur dann an, wenn sich das Gegenüber „angenommen“ fühlt, das heißt, dass es das Gefühl hat, in diesem Moment im einzigen Fokus des anderen zu stehen. Ohne Ablenkung.

Dieses Beispiel soll es veranschaulichen:

Mein Nachbar, Dr. J., ist ein namhafter Wirtschaftswissenschafter, ein weitgereister, gebildeter Mann, der Karrieren sowohl in der Privatwirtschaft als auch auf dem wissenschaftlichen Sektor aufweisen kann.

An einem Vormittag machte ich folgende Beobachtung: Ein Lastzug hielt vor seinem Haus, es wurden Hackschnitzel geliefert. Dr. J. bot dem Fahrer eine Erfrischung an und bald waren beide anschaulich in ein intensives Gespräch verwickelt. Nach Beendigung der Lieferung und Abfahrt des Lastzuges kam eine alte Dame, eine Bekannte von Hrn. Dr. J. vorbei spaziert. Sie wurde von Dr. J. freundlich begrüßt und ich hatte als Zuschauerin das Gefühl, dass auch zwischen diesen beiden ein intensives Gespräch entstand.

Ein paar Tage später hatte ich einen geschäftlichen Termin mit ihm und auch da führte er ein anregendes, interessantes und vor allem zugewandtes Gespräch mit mir. Ich hatte das Gefühl, dass ihm in diesem Moment nichts anderes wichtig erschien.

Dr. J. vermittelte allen drei Gesprächspartner*innen das Gefühl: „Im Augenblick gibt es für mich niemand und nichts Wichtigeres, als dich als mein*e Gesprächspartner*in und dieses Gespräch mit dir!“

Das lässt ihn zugewandt verhalten, er strahlt absoluten Fokus aus und löst so dieses angenehme und angenommene Gefühl bei seinen Gesprächspartner*innen aus.

Diese Einstellung ist grundlegend für ein gelungenes Gespräch. Im Geschäftsleben herrscht oft Zeitdruck oder unser Fokus wird durch anderwärtige Sorgen oder Stimmungen gesteuert. Hilfreich ist allerdings in solchen Situationen, die Gesprächspartner*innen auf solche Beeinträchtigungen hinzuweisen. Eventuell macht es sogar Sinn, einen anderen Gesprächszeitpunkt anzubieten. Das löst Verständnis beim Gegenüber aus und vermeidet Missverständnisse und Konfliktsituationen.

Die in der folgenden Abbildung dargestellten „psychohygienischen Verhaltensmerkmale“ stellen zusammenfassend einen Wegweiser zur positiven Einstellung zum*zur Gesprächspartner*in und somit Erfolgskriterien für eine gelungene Gesprächsführung dar – allerdings nur dann, wenn echte Überzeugung von ihrer positiven Wirkung dahinter steht und sie nicht als emotionslose, technische Instrumente gesehen werden.

Psychohygienische Verhaltensmerkmale

Wissenswertes über Kommunikation

Kommunikation ist der Sammelbegriff für das Senden und Empfangen von Botschaften. Die mitteilenden Sender*innen codieren die Botschaft in ihre persönliche Sprache und senden sie über einen Kommunikationskanal (verbal – schriftlich oder mündlich und nonverbal – durch Zeichen oder visuell) ab. Die Empfänger*innen decodieren die Botschaft ihrerseits und interpretieren sie auf ihre Weise – und oftmals anders, als die Sender*innen es gemeint hatten.

Daher resultiert das Grundgesetz der Kommunikation, welches besagt, dass die Wahrheit des*der Empfangenden jene ist, die er*sie versteht und nicht jene, die der*die Sendende abschickt.


In den letzten Jahrzehnten haben sich namhafte Wissenschaftler*innen mit den Phänomenen der Kommunikation auseinandergesetzt und verschiedene Modelle entwickelt, um das Verständnis für die Vorgänge der Kommunikation zu erhöhen und sie so effektiver, effizienter und fruchtvoller zu gestalten.

Die folgenden Kapitel stellen die wichtigsten Modelle vor.

Die 5 Axiome [1]

Das wohl bekannteste Axiom

„Man kann nicht nicht kommunizieren.“


entstand aus der Tatsache, dass sich 2 Personen, die sich wahrnehmen, auch automatisch kommunizieren – zumindest non-verbal. Störungen entstehen dann – auch wenn sprachlich keine Kommunikation stattfindet – wenn das Gegenüber ignoriert oder abgewertet wird.

„Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer stets den Ersten bestimmt.“


Der emotionale oder Beziehungsaspekt sagt aus, wie die Sendenden die Botschaft verstanden haben möchte. Der Inhaltsaspekt gibt Auskunft über das „Was“ der Mitteilung. Die Kommunikation ist dann gelungen, wenn auf beiden Ebenen Übereinstimmung und keine Verwechslung der Ebenen herrscht.

Klassisch sind hier Konflikte, die entstehen, wenn persönliche Nichtübereinstimmungen auf der Inhaltsebene ausgetragen werden, oder Sach- (=Inhalts)probleme auf die Beziehungsebene gepolt werden.


„Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktionen der Kommunikationsabläufe seitens der Partner*innen bestimmt.“


Während einer Kommunikation laufen wechselseitig Wahrnehmungen und Interpretationen. Wenn das eigene Verhalten nur mehr als Reaktion auf das Verhalten des anderen gesehen wird, bezeichnet man das als Interpunktionen. Es kann dann der ursprüngliche Grund der Kommunikation völlig in den Hintergrund geraten.


„Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler (sprachlicher) und analoger (nicht-sprachlicher) Modalitäten.“


Analog wird oft die Beziehungsebene verkörpert, digital der Inhalt. Erfolgreich ist Kommunikation dann, wenn analoge und digitale Elemente eindeutig und übereinstimmend sind.


„Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär.“


Ist eine Beziehung komplementär, so heißt das, dass sich unterschiedliche Verhaltensweisen ergänzen. (z.B. zwischen Arzt*Ärztin und Patient*in)

Strebt eine Beziehung nach Gleichheit, so ist dies eine symmetrische Kommunikation (z. B. Mitarbeiter*innen eines IT Serviceteams verstehen sich als gleichwertig.)

Meist sind beide Kommunikationsverläufe vorhanden und situativ wechselnd.

Die Betrachtung der Kommunikationsabläufe von sowohl inhaltlicher als auch beziehungstechnischer Perspektive war ausschlaggebend für weitere Arbeiten, die grundlegend für die Kommunikationsforschung waren:

Die Transaktionsanalyse [2]

In den 60er Jahren hat der amerikanische Psychiater Eric Berne die Transaktionsanalyse entwickelt. Sie verdient als immer noch sehr prominentes Kommunikationsmodell Erwähnung und ist die Grundlage vieler Kommunikationsanalysemodelle.

Grundlegend ist, dass er davon ausgeht, dass Kommunikation grundsätzlich frei und offen ist und jedes Individuum über drei Ich-Zustände verfügt, aus denen heraus er reagieren kann und das je nach Situation und Kommunikationsverlauf variierend:

Das Eltern-Ich (EL)

Der Mensch denkt, fühlt und handelt so, wie es seine Autoritätspersonen getan haben, als er noch ein Kind war. Das Verhalten ist geprägt von Normen, Vorschriften, Ge- und Verboten. Das Eltern-Ich kann fürsorglich oder kritisch sein.

Das Kindheits-Ich (K)

Der Mensch denkt, fühlt und handelt nach spontanem Empfinden, Natürlichkeit, aber auch geprägt von Ängsten und Angepasstsein und Rebellion. Dementsprechend kann das Kindheits-Ich natürlich, angepasst oder rebellisch sein.

Das Erwachsenen-Ich (ER)

Der Mensch denkt, fühlt und handelt gemäß seinen eigenen, bisher gemachten Erfahrungen. Die Handlungen sind hier meist rational und sachlich, angemessen und logisch. Handlungen aus diesem Ich-Zustand werden als „reif“ erlebt.

Untersucht man Kommunikationen vor dem Hintergrund der Transaktionsanalyse, so fällt auf, dass Aussagen, die aus dem kritischen Eltern-Ich kommen, oft die Kommunikation ins Negative kippen lassen. Dem gegenüber tendieren Aussagen aus dem Erwachsenen-Ich oft dazu, die Kommunikation positiv zu steuern.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Der Chef sagt: „Was ist denn mit dem Druck der Folder hier schon wieder schief gelaufen?“ (Position des kritischen Eltern-Ichs)

Der Mitarbeiter antwortet: „Ihnen kann man es nie recht machen!“ (Position des rebellischen Kindheits-Ichs)

oder aber als „reife“ Reaktion:

„Können wir das Problem heute Nachmittag besprechen? Ich prüfe gerade Alternativen zur Schadensbegrenzung.“ (Position des Erwachsenen-Ichs)

Das Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun – die Sender*innenseite

Das im Folgenden beschriebene Vier-Seiten-Modell macht klar, dass Sender*innen ihre Botschaften auf vier verschiedenen Ebenen, bzw. auf vier verschiedene Arten abschicken. Das heißt, unsere Kommunikation hat vier verschiedene Aspekte.

Die vierseitige Darstellung (siehe folgende Abbildung) macht ersichtlich, dass [3]

  • Klarheit eine vierseitige Angelegenheit ist.
  • in ein und derselben Nachricht viele Botschaften gleichzeitig enthalten sind.
  • die Aspekte, symbolisiert durch die gleiche Seitenlänge, gleichrangig sind.
  • in unterschiedlichen Situationen die eine oder andere überwiegen kann.
Das Vier-Seiten-Sender*innen-Modell von Schulz von Thun

Hier ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Ein*e Vorgesetze*r sagt zu seinem*seiner*ihrem*ihrer Mitarbeiter*in:

„Sie machen aber heute früh Feierabend ?!“

Man kann hier gut erkennen, dass es nach Schulz von Thun vier verschiedene Gründe geben könnte, warum der*die Vorgesetzte diese Botschaft absendet:

Auf der Sachebene ist es eher als Feststellung gedacht, dass es eben noch früh sei. Nicht mehr und nicht weniger.

Die drei anderen Ebenen schwingen eher auf paraverbaler [4] und non-verbaler Ebene. Hier möchte der*die Sender*in etwas anderes ausdrücken, als auf der Sachebene möglich wäre:

Auf der Beziehungsebene könnte vermittelt werden – ohne es direkt anzusprechen – dass er*sie es nicht ok findet, schon um diese Zeit nach Hause zu gehen.

Vielleicht möchte er*sie aber auch versteckt – durch einen Unterton - einen Appell absetzen, noch zu bleiben.

Oder er*sie traut sich nicht zu sagen, dass er*sie eigentlich auch gerne schon nach Hause möchte. Eventuell ist dies nicht angebracht – paraverbal erkennt man aber sehr wohl die versteckte Selbstaussage.


Beispiel für das Vier-Seiten-Modell

Das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun – die Empfänger*innenseite – das „4-Ohren-Modell“ 

Auch die Theorie von Schulz von Thun hat zusätzlich eine Empfänger*innenkomponente, die hier nun dargestellt wird. Die Zusammenführung der beiden Perspektiven macht die Komplexität und Störanfälligkeit von Kommunikationsprozessen deutlich.

Das 4-Ohren-Modell

Die ankommende Botschaft ist ein „Machwerk“ der Empfänger*innen. Ähnlich wie bei der Transaktionsanalyse, wo die Reaktion abhängig vom empfangenden „Ich“ ist, werden auch bei diesem Modell die Reaktionen von bestimmten „Filtern“ oder hier genannt „Ohren“ bestimmt, auf die die Botschaft trifft.

Die vom Sender*innenmodell bekannte „4-seitigkeit“ spiegelt sich im 4-Ohren-Modell wider.

In unserem Beispiel, das auf jenes des 4-Seiten-Modells aufbaut, sind die Reaktionen der Gesprächspartner*innen zu erkennen, je nachdem auf welchem „Ohr“ die Botschaften landen:

Beispiel für das 4-Ohren-Modell

Kommt die Botschaft auf dem Sachohr an, so wird die Reaktion – so Übereinstimmung auf der Sachebene herrscht – Zustimmung sein. In unserem Beispiel eventuell als kurzes „Stimmt.“

Landet sie auf dem Beziehungsohr, so könnte mit einer Rechtfertigung geantwortet werden, besonders wenn die Beziehungsebene als unausgeglichen wahrgenommen wird. In unserem Beispiel also z.B.: „Sonst arbeite ich immer länger!“

Wird die Botschaft als Appell wahrgenommen, so kann die Reaktion genau als solche ausgeführt werden – in unserem Beispiel also als stillschweigendes Da-Bleiben.

Mitleid kann eine Reaktion auf die Sendung der Selbstaussage sein – wie in unserem Beispiel durch „Das tut mir leid, dass Sie heute noch so lange arbeiten müssen.“ oä.

Offenkundig ist daher nun, wie sich Missverständnisse aufbauen, wenn die Botschaften auf anderen Ebenen ankommen als jenen, auf denen sie abgesandt wurden.

Natürlich ist zu beachten, dass jede Reaktion wieder dem 4-Seiten-Modell unterliegt.

Die praktische Verwendung des Modells liegt in der Nutzung zur Vorbereitung von schwierigen Gesprächen (siehe Kapitel 1.4.5)

Methoden zur Verbesserung der Kommunikation

Als Einleitung folgende Geschichte: [5]

„An einem Sonntagvormittag saß ich in der U-Bahn. Die Passagiere saßen still da, manche lasen Zeitung, andere waren in Gedanken versunken, einige hatten die Augen geschlossen und ruhten sich aus. Es war eine ruhige, friedvolle Szene.

Dann stieg ein Mann mit Kindern ein. Die Kleinen waren laut und ungestüm, die ganze Stimmung änderte sich abrupt.

Der Mann setzte sich neben mich und machte die Augen zu. Er nahm die Situation offenbar überhaupt nicht wahr. Die Kinder schrien herum, warfen Sachen hin und her, zerrten sogar an den Zeitungen der anderen Fahrgäste. Sie waren sehr störend. Aber der Mann neben mir unternahm nichts.

Es war schwierig, nicht davon irritiert zu sein. Ich konnte nicht fassen, dass er so teilnahmslos war, dass er die Kinder dermaßen herumtoben ließ und nichts dagegen tat, überhaupt keine Verantwortung übernahm. Es war deutlich, dass sich auch alle anderen in der U-Bahn ärgerten. Mit aus meiner Sicht ungewöhnlicher Geduld und Zurückhaltung sprach ich ihn schließlich an: „Ihre Kinder stören wirklich sehr viele Leute hier. Könnten Sie sie nicht vielleicht etwas mehr unter Kontrolle bringen?“

Der Mann hob die Augen, als ob er sich zum ersten Mal der Situation bewusst würde, und sagte leise: „Oh, Sie haben Recht, ich sollte etwas dagegen tun. Wir kommen gerade aus dem Krankenhaus, wo ihre Mutter vor einer Stunde gestorben ist. Ich weiß nicht, was ich denken soll, und die Kinder haben vermutlich auch keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollen.“

Können Sie sich vorstellen, was ich in diesem Augenblick empfand? Mein Paradigma wechselte. Plötzlich sah ich die Dinge anders, und da ich anders sah, dachte, fühlte und verhielt ich mich anders. Mein Ärger löste sich in Luft auf. Ich brauchte mich nicht aktiv bemühen, mein Verhalten unter Kontrolle zu halten. Mein Herz war voll Mitgefühl und Sympathie: „Ihre Frau ist gerade gestorben? Oh, das tut mir so leid! Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ Alles veränderte sich in diesem Augenblick.

Dies ist ein sehr plakatives Beispiel, wie innerlich ein Paradigmen [6] wechsel stattfinden kann. Man erkennt, wie sehr in der menschlichen Dimension „Sehen“ und „Sein“ verbunden sind. Was wir sehen, steht in enger Wechselwirkung zu dem, was wir sind. Und wie wir sind, so kommunizieren wir. Unser Verhalten in der Kommunikation ist Ergebnis jahrelanger Konditionierungen und Erfahrungen.

Nicht zielführendes Verhalten in der Kommunikation kann man nur ändern, wenn man seine Sicht ändert – bzw. versucht, die Sicht der Gesprächspartner*innen miteinzubeziehen.

Meine Sicht und mein Sichtwechsel in dem o.a. Beispiel war initial durch mein Sein, durch meinen Charakter, durch mein gewohntes Kommunikationsverhalten bestimmt. Es gibt sicher Leute, die auch dann, wenn sie plötzlich die tatsächliche Situation begriffen hätten, nicht mehr als einen Anflug von Schuld gespürt hätten und weiter in peinlichem Schweigen gesessen hätten. Aber sicher gibt es auch Leute, die von Anfang an einfühlsamer gewesen wären, gleich erkannt hätten, dass es sich um ein tieferes Problem handelte und früher Hilfe angeboten hätten als ich.

Paradigmen sind mächtig, weil sie die Brille sind, durch die man die Welt sieht. Die Macht eines Paradigmenwechsels ist entscheidend bei Änderungen von Verhaltensmustern, unabhängig davon, ob diese plötzlich oder als langsamer, bewusster Prozess erfolgen.

Es folgen nun ein paar Techniken und Hilfsmittel, die ermöglichen, Kommunikation erfolgreicher zu gestalten.

Das aktive bzw. partnerzentrierte Zuhören

Wie in den vorausgegangenen Kapiteln beschrieben wurde, erfolgen die Hauptstörungen in Kommunikationen dadurch, dass entweder der Inhalt der Aussage nicht vollständig und/oder nicht im Sinne der Sender*innen transportiert wird oder die paraverbalen Kommunikationsinhalte anders interpretiert werden als gewünscht.

Sachliche und emotionale Aussagen lassen sich durch einfaches Zuhören nicht immer richtig erfassen. Es bedarf daher der Technik des aktiven bzw. partnerzentrierten Zuhörens. [7] Damit können während des Gesprächsverlaufes auftretende Unklarheiten direkt ausgeräumt werden und das Verständnis sowohl auf der Sach- als auch auf der Beziehungsseite erhöht werden.

Die Dimensionen des aktiven Zuhörens

Aufbauend auf den psychohygienischen Verhaltensmerkmalen (siehe Kapitel 1.2) ist es das Ziel des aktiven Zuhörens, die Botschaft der Sender*innen möglichst exakt so bei den Empfänger*innen ankommen zu lassen, wie sie gemeint sind.

Folgende Gefahrenpunkte, die eine Kommunikation ungünstig beeinflussen können, sollen durch diese Technik weitgehend gemildert werden:

Gefahrenpunkte während einer Kommunikation

Der Ablauf des aktiven Zuhörens ist dreistufig:

Die erste Stufe ist im Grunde etwas Selbstverständliches. Man hört dem*der Gesprächspartner*in aufmerksam zu und signalisiert das durch Blickkontakt, durch Nicken oder durch Laute - das so genannte „soziale Grunzen“.

Die zweite Stufe ist dazu da, um zu überprüfen, ob das Gehörte inhaltlich richtig verstanden wurde. Hier wird der Kern des Gehörten in eigenen Worten zusammengefasst. Diese inhaltliche Zusammenfassung nennt man „paraphrasieren“. Dies dient nicht nur zum Verständnis des Zuhörenden. Es hilft auch dem Sprechenden, seine Gedanken zu klären und eventuell auf den Punkt zu kommen.

Die dritte – die Königsstufe – des aktiven Zuhörens dient dazu, die Gefühle und Bedürfnisse des anderen zu verstehen und widerzuspiegeln. Das ist vor allem in schwierigen Gesprächen, etwa wenn es Spannungen gibt, wenn es um Kritik oder Beschwerden geht, sehr hilfreich. Dadurch kann das Gespräch konstruktiv gestaltet werden. Hier wird empathisch [8] versucht, Wünsche und Gefühle herauszuhören und jene mit eigenen Worten zu wiederholen. Diese sprachliche Zusammenfassung der wahrgenommenen Gefühle der anderen nennt man „verbalisieren“.

Paraphrasieren und verbalisieren sind die zentralen Hilfsmittel der Technik des aktiven Zuhörens, welche allerdings nicht unerheblich Zeit in Anspruch nehmen. Trotzdem überwiegen die Vorteile, allein wenn man sich bewusst macht, wie oft es schon schwer fällt, alleine nur den inhaltlichen Aspekt einer Botschaft richtig (also im Sinne der Sender*innen) zu verstehen.

Checkliste für richtiges, aktives Zuhören [9]

  1. Bin ich voll aufmerksam und blende das Außen aus?
  2. Bestehen gute äußere Bedingungen?
  3. Wie stellt sich mir der sachliche Teil der Information dar?
  4. Wie stellt sich mir der emotionale Teil der Information dar?
  5. Vermeide ich verwirrende Ergänzungen?
  6. Bin ich voll auf das Gespräch konzentriert?
  7. Schweife ich gedanklich ab?
  8. Ist mir mein*e Gesprächspartner*in in diesem Augenblick wichtig?
  9. Interpretiere ich vorsichtig?
  • Fühlt sich mein Gegenüber verstanden?
  • Öffnet sich mein Gegenüber?
  1. Überprüfe ich meine Wahrnehmungen kritisch?

  2. Paraphrasiere ich?

  3. Verbalisiere ich?

Beispiel zum Verbalisieren:

Eine Studentin erklärt einem Lektor auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden kurz vor der Diplomprüfung folgendes:

  • sie fürchte, die Zeit werde zu knapp
  • sie habe das Gefühl, sich gar nichts mehr merken zu können
  • es sei alles gerade ziemlich schlimm

Tags darauf erzählt ihr Gesprächspartner einem an der geplanten Prüfung beteiligten Lektorenkollegen, dass besagte Studentin wahrscheinlich gar nicht zur Prüfung antreten werde. Der Kollege spricht sie darauf an, worauf sie aber überrascht, ja fast entrüstet entgegnet, dass dies überhaupt nicht stimme, sie werde auf jeden Fall antreten, weil sie wolle, dass das alles nun endlich bald vorbei sei!!

Dieser Vorfall wäre anders verlaufen, wenn im ersten Gespräch rechtzeitig paraphrasiert worden wäre, d.h. wenn ihre Aussagen und die dadurch ausgelösten Wahrnehmungen des Lektors wiederholt worden wären, wie z. B.: „Sie wollen also nicht ins Examen gehen?“

Aufgabe 1: Beispiel zum Verbalisieren

Welche der Antworten auf die nachstehende Aussage ist verbalisierend:

„Meinem Chef ist es doch völlig gleichgültig, was ich denke!“

Antwortmöglichkeiten:

1. „Überbewerten Sie das Ganze nicht? Sie fühlen sich mit ihm einfach
unterlegen.“

2. „Das ist nicht recht von Ihnen, so etwas zu sagen. Ich kenne Ihren Chef, der
ist ganz anders. “

3. „Sie glauben, er nimmt Sie nicht für voll und daher sind Sie enttäuscht?“

4. „Reden Sie doch einfach mit ihm! “

Analyse der eigenen Antworttendenzen

Aufgabe 2/1: Analyse der eigenen Antworttendenzen [10]

Sie finden im Folgenden 10 Gesprächsausschnitte mit jeweils 6 verschiedenen Antwortmöglichkeiten. Stellen Sie sich die Menschen in den geschilderten Situationen vor. Nehmen Sie an, Sie kennen die sendende Person so gut, dass Sie darauf antworten könnten und überlassen Sie es Ihrer Spontanität (ohne sich darum zu kümmern, ob es eine „gute“ Antwort ist oder nicht), welche Antwort Sie geben würden und markieren Sie pro Fall Ihre Antwortnummer.

Fall Nr. 1:

„Mir scheint, ich bin noch nie vor einer so schwierigen Entscheidung gestanden. Ich hätte die Möglichkeit, in unserer neu eröffneten Filiale in Moskau das Marketing aufzubauen. Das ist sicher sehr aufregend, aber ich weiß nicht, ob ich dem gewachsen bin. Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Kann ich dann zurückkehren? Die Arbeit hier ist zwar langsam langweilig und ich habe auch nicht wirklich das Gefühl, noch gebraucht zu werden, aber dafür weiß ich, woran ich bin und es gibt keine unangenehmen Überraschungen mehr.“

  1. „Welche Aufgaben hätten Sie denn in Moskau zu lösen?“
  2. „Gerade diese Sicherheit ist in der heutigen Zeit doch so wichtig! Man hört immer wieder von Schwierigkeiten in solchen Ländern. Ich würde mein sicheres Zuhause nicht verlassen.“
  3. „In so einem Fall könnten Sie eine Probezeit vereinbaren und vertraglich festlegen. Danach könnten Sie endgültig entscheiden, ob Sie dort bleiben wollen oder nicht. Ich erkundige mich gerne für Sie. Ein ehemaliger Kollege hatte auch so eine Option in seinem Vertrag.“
  4. „Sie sind so sehr von Selbstzweifeln geplagt, dass Sie diese Chance gar nicht wahrnehmen!“
  5. „Das ist wirklich keine einfache Situation, in der Sie sich befinden: einerseits interessant, jedoch verbunden mit Ungewissheit und auf der anderen Seite das Bleiben in der monotonen, aber gewohnten Situation.“
  6. „Sich machen sich zu viele Gedanken. Mit etwas mehr Ruhe werden Sie erkennen was für Sie richtig ist.“

Fall Nr. 2:

„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll! Gestern hat mich Herr Kolbe, mein Vorgesetzter, in sein Büro gerufen; da dachte ich gleich, das kann nichts Gutes bedeuten. Na ja, als ich vor ihm stand, begann er, meine Arbeit der letzten Wochen zu loben, und er bot mir eine Teilnahme an einem Seminar an, das eigentlich nur ab Abteilungsleiterebene genehmigt wird. Ich konnte das gar nicht glauben und war verunsichert – selbstverständlich habe ich abgelehnt, der will mir auf diesem Seminar doch nur meine Grenzen zeigen!“

  1. „So eine Chance erhält man in der Regel nur einmal. Sie sollten sie nutzen, um zu zeigen, was in Ihnen steckt!“
  2. „Ich kann Ihre Verunsicherung nachvollziehen; es kommt Ihnen unwirklich vor, wenn ihr Chef sie lobt.“
  3. „Sie glauben einfach zu wenig an sich selbst und sind deshalb voreingenommen, so dass Sie hinter jedem Lob eine versteckte Kritik vermuten.“
  4. „Denken Sie einmal nach. Hat Sie wirklich schon jemand in eine angeblich günstige Lage gebracht, nur um Sie zu testen?“
  5. „Wir alle kennen dieses mulmige Gefühl, wenn der Vorgesetzte ruft und dann etwas Überraschendes vorschlägt. Sie werden lernen, damit umzugehen, glauben Sie mir.“
  6. „Da würde ich mich umhören, ob nicht schon andere vor Ihnen dieses Seminar besucht haben, obwohl sie ebenfalls die entsprechende Position nicht innehatten.“

Fall Nr. 3: 

„Ich arbeite nur noch so vor mich hin und bringe der Kanzlei kaum noch neue Mandanten. Viele meiner jüngeren Kollegen genießen inzwischen größeres Ansehen als ich. So wie bisher kann es nicht weitergehen, ich weiß jetzt nämlich ganz genau, was ich will: Ich werde meine Karriere neu beginnen, koste es, was es wolle, denn ich bin ein begabter Anwalt und habe Talent für schwierige Prozesse. Ich werde mein Ziel energetisch verfolgen und bald wieder das Sagen haben, auch wenn ich andere überfahren muss, um zu bekommen, was ich will.“

  1. „Ihr Ehrgeiz rührt nur daher, dass Sie auf Ihre jüngeren Kollegen neidisch sind, weil diese erfolgreicher und begabter sind als Sie.“
  2. „Ihnen ist klar geworden, dass sie neuen Elan für Ihre Tätigkeit aufbringen müssen, um mit den anderen gleichzuziehen.“
  3. „Welche weiteren Gründe bewegen Sie zu Ihrem Entschluss, mit allen Mitteln eine neue Karriere starten zu wollen.“
  4. „Machen Sie sich Ihren Leistungswillen und Ihr Anerkennungsbedürfnis zunutze und treten Sie entsprechend selbstsicher auf; dann werden Sie ihr Ziel problemlos erreichen.“
  5. „Übertreiben Sie es nicht mit dieser Einstellung? Sie wissen doch: Hochmut kommt vor dem Fall!“
  6. „Sie haben bestimmt schon immer gut und sorgfältig gearbeitet. Mit Ihrer neuen Motivation und etwas Geduld werden Sie mit Sicherheit Schritt für Schritt vorankommen.“

Fall Nr. 4:

„Als mir vor 2 Jahren die Stelle als Telefonistin angeboten wurde, war ich überglücklich, denn ich hatte gehofft, endlich ein paar nette Leute kennenzulernen. Aber alles ist ganz anders gekommen: Anstatt persönliche Kontakte zu knüpfen, sitze ich seitdem völlig isoliert in meinem Glaskasten. Anfangs dachte ich, dass mich die Kollegen ganz von selbst mal für ein Schwätzchen aufsuchen würden. Dem war nicht so, und ich konnte dann auch nicht mehr auf sie zugehen. Jetzt muss ich mich wohl damit abfinden, dass keiner mehr bereit ist, Interesse für mich aufzubringen. Schade, meine Arbeit würde mir dann viel mehr Spaß machen.“

  1. „Da sich Ihre anfängliche Hoffnung nicht erfüllt hat, ist Ihre Enttäuschung groß; das würde jedem so gehen. Mit etwas gutem Willen können Sie die Situation bessern, glauben Sie mir.“
  2. „Am besten wäre es für Sie, die Firma zu wechseln, um in einem neuen Kollegen von Anfang an Kontakt zu suchen. Telefonistinnen werden des Öfteren gebraucht.“
  3. „Was hindert Sie eigentlich daran, jetzt noch aktiv zu werden und in Eigeninitiative Ihre Kolleginnen anzusprechen?“
  4. „Ich kann nachvollziehen, dass Sie sich in keiner angenehmen Lage befinden. Sie fühlen sich von allen alleine gelassen und sehen im Moment keine Möglichkeit, dies zu ändern, nicht wahr?“
  5. „Sie haben es wohl nicht gelernt, sich selbst zu akzeptieren. Dadurch sind sie zu gehemmt, um auf andere zuzugehen. Möglicherweise fassen ihre Kolleginnen dies als Arroganz auf und meiden den Kontakt.“
  6. „Sie sollten versuchen, die Situation schleunigst zu ändern. Eine gute Beziehung zwischen Kolleginnen ist äußerst wertvoll für die eigene Arbeitszufriedenheit.“

Fall Nr. 5:

„Man hat mir von Anfang an übel mitgespielt! Vor 2 Jahren hat mich die Geschäftsleitung förmlich bekniet, vom Innen- in den Außendienst zu wechseln, weil ich die ideale Verkäuferin sei. Ich habe mich dann für sie ins Zeug gelegt und bin durch ganz Deutschland gereist. Klar die konnten sich die Hände reiben, schließlich habe ich in kürzester Zeit mehr Aufträge hereingeholt als jeder andere zuvor. Es war ihnen egal, dass ich mit dauernd Vorwürfe von meinem Mann anhören musste und dass mich meine Kinder mittlerweile wie eine Fremde behandeln. Und jetzt schicken sie mich einfach zurück in meine alte Abteilung und unterstellen mich noch obendrein Herrn Jösel! Danke das war’s – und die Scherben darf ich kitten…“

  1. „Es muss doch etwas vorgefallen sein. Hat Ihnen die Geschäftsleitung keine Gründe für die neue Versetzung genannt?“
  2. „Sie reagieren nur so aufgebracht, weil Sie – vorausgesetzt Sie wären damals im Innendienst geblieben – die Vorgesetzte von Herrn Jösel geworden Wären, nun aber seine Anweisungen befolgen müssen.“
  3. „Sie kommen sich ausgenutzt vor und sind enttäuscht, weil Sie in letzter Zeit für die Firma gelebt haben und sich jetzt hintergangen fühlen.“
  4. „Versuchen sie, Ihre jetzige berufliche Situation zunächst zu akzeptieren, damit Sie sich in Ruhe wieder einarbeiten können. Außerdem sollten Sie die Ihnen nun verbleibende Freizeit für gemeinsame Aktivitäten mit ihrem Mann und den Kindern nutzen.
  5. „Regen Sie sich nicht zu sehr auf. Nach einiger Zeit sehen Sie die Sache gelassener, und es wird sowohl beruflich als auch privat alles wieder ins Lot kommen.“
  6. „Versuchen Sie jetzt bloß nicht, sich zu rächen, das wäre in Ihrem Fall nicht ratsam. Sie wissen doch, dass der einfache Angestellte immer den Kürzeren zieht.“

Fall Nr. 6:

„Ich weiß genau, dass ich die Lösung für das Problem an unserer Maschine habe, damit der monatliche Ausschuss drastisch reduziert werden kann. Ich habe mein Handwerk von der Pieke auf gelernt, alle technischen Entwicklungen eingehend verfolgt und arbeite jetzt schon so lange an dieser Maschine, dass ich jede Reaktion auf Veränderungen abschätzen kann. Was mir fehlt ist die Weisungskompetenz, um die dafür notwendige Neuerungen anzuordnen. Wenn ich die von oben bekäme, würde ich sofort loslegen, und binnen kurzer Zeit würde die Firma erhebliche Kosten einsparen.“

  1. „Reichen Sie Ihren Vorschlag doch beim betrieblichen Verbesserungswesen ein, dort wird er genau geprüft und entsprechend den Einsparungen prämiert.“
  2. „Solch engagierte Mitarbeiterer lob‘ ich mir! Es ist wichtig, dass auch der ‚einfache Arbeiter‘ Kostenbewusstsein entwickelt, und ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Lösung bald umsetzen können.“
  3. „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, möchten Sie Ihre Ideen nur dann realisieren, wenn Sie auch von der Unternehmensleitung unterstütz werden, nicht wahr?“
  4. „Es wird Ihnen bestimmt noch die Gelegenheit eingeräumt, Ihre Vorstellungen umzusetzen, wenn Sie zuversichtlich bleiben. Sie können doch auf ihre Erfahrung vertrauen.“
  5. „Haben Sie denn die technische Umsetzung schon in irgendeiner Form getestet, weil Sie sich Ihrer Sache so sicher sind?“
  6. „Sie unternehmen jetzt doch nur nichts gegen den Hohen Ausschuss, weil Sie befürchten, dass Ihr Meister später die Lorbeeren erntet.“

Fall Nr. 7:

„Mit der fadenscheinigen Begründung, es müsse frischer Wind in die einzelnen Abteilungen kommen, wurde eine Neue eingestellt. Diese Frau Römer – jawohl, eine Frau haben sie mir vor die Nase gesetzt – ist frisch von der Uni und will nun alles Bewährte verändern und merkt dabei nicht, dass sie an meine Qualifikationen sowieso nicht herankommt.

Im Gegensatz zu ihr muss ich mich nicht mehr profilieren, aber wenn ich richtig loslegen würde, könnte ich sie ohne weiteres auflaufen lassen, schließlich bin ich der Erfahrene. Das wird sie schon noch merken…“

  1. „Sie sind nur so aggressiv, weil Sie es nicht verkraften, dass diese Frau ein Diplom in der Tasche hat im Gegensatz zu Ihnen.“
  2. „Ich kann ihnen nur raten, Kompromisse zu schließen und sich nicht so stark von Emotionen leiten zu lassen. Sie sollten mit Ihr ein klärendes Gespräch führen, ich vermittle gerne dabei.“
  3. „Ihre Berufs- und Lebenserfahrung kann Ihnen niemand nehmen, auch die Neue nicht, daran sollten Sie stets denken. Wenn Sie sich darauf besinnen, wird alles bald nur noch halb so schlimm erscheinen.“
  4. „Es erregt Sie, dass Frau Römer all das, was Sie in langen Jahren aufgebaut haben, in Frage stellt, sehe ich das so richtig?“
  5. „Wenn Sie jetzt Frau Römers Arbeit untergraben, ist das nicht fair. Gerade Berufsanfänger sollte man unvoreingenommen entgegentreten.“
  6. „Können sie mir denn anhand von konkreten Vorfällen schildern, wie sie zu dieser Meinung über Frau Römer kommen?“

Fall Nr. 8:

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr der Chef getobt hat, weil bei der gestrigen Präsentation beinahe unser wichtigster Kunde abgesprungen wäre. Edith war sich natürlich wie immer keiner Schuld bewusst, und stell‘ dir vor, sie hat es wieder einmal geschafft, sich so in Szene zu setzten, dass der Chef sich am Ende bei Ihr für die Rettung der Situation bedankt hat. Ich bin fast geplatzt vor Wut über ihre anmaßende Art, denn eigentlich hätte mir das Lob zugestanden. Schließlich war es meiner zündenden Idee zu verdanken, dass wir den Auftrag doch noch in letzter Minute erhalten haben. Ich verstehe einfach nicht wie unser Chef – sonst ein guter Menschenkenner – so blauäugig sein kann und nicht einsieht, dass Edith sich mit der Kreativität anderer rühmt. Aber ich schwöre dir, diese Profilierung auf meine Kosten wird jetzt ein Ende haben, ich werde ihr einen Denkzettel verpassen.“

  1. „Wie verhält sich Edith denn dem gesamten Team gegenüber, haben die anderen sich auch schon beklagt?“
  2. „Du fühlst dich jetzt hintergangen und möchtest jetzt sicherstellen, dass sie sich zum letzten Mal mit fremden Federn geschmückt hat.“
  3. „Aber mit dieser Einstellung begibst du Dich auf dieselbe Ebene wie Edith, und das führt selten zum Erfolg.“
  4. „Deine Verärgerung kommt nur daher, dass Du seit Ediths Eintritt in die Agentur beim Chef nicht mehr die Nummer Eins bist.“
  5. „Versuche doch, Dich als freie Mitarbeiterin anstellen zu lassen. In Unserer Branche ist es doch üblich, die kreative Arbeit zu Hause zu erledigen.“
  6. „Deine Reaktion ist jetzt sehr heftig, aber mit etwas Abstand und wiedergewonnener Ruhe wirst du die Situation nicht mehr ganz so dramatisch sehen.“

Fall Nr. 9:

„Wie soll das bloß weitergehen? Jetzt bekomme ich sogar schon von Lehrgangsteilnehmer mangelnde Vorbereitung vorgeworfen. Herr Kaiser ist sehr sauer auf mich, weil ich in letzter Zeit das gesetzte Ziel der Seminare nicht mehr erreiche. Dabei reiße ich mich zusammen und gebe doch wie immer mein Bestes…, aber das scheint nicht zu reichen! Vielleicht hat es ja noch nie gereicht…, und ich habe nur nicht gemerkt, dass ich führ die Durchführung von Seminaren doch nicht geeignet bin. Aber wenn dem wirklich so ist, wozu tauge ich dann überhaupt?“

  1. „Nehmen Sie sich diese Rügen nicht so sehr zu Herzen. Es waren doch schon viele Seminarteilnehmer begeistert von Ihnen und haben dies auch deutlich geäußert.“
  2. „Aufgrund Ihres geringen Selbstwertgefühles lassen Sie sich durch Negativerfahrungen zu sehr aus der Bahn werfen.“
  3. „Sie sind unglücklich, weil sie trotz ihrer Anstrengungen den Anforderungen Ihres Chefs und der Seminarteilnehmer derzeit nicht gerecht werden können.“
  4. „Aber Frau Ehrmann, jeder durchlebt Hochs und Tiefs! Man darf bei der beruflichen Krise nicht gleich sein ganzes Dasein in Frage stellen.“
  5. „Sind Sie wirklich zur Zeit schlechter vorbereitet, so dass die eingegangenen Beschwerden berechtigt sind?“
  6. „Bitten Sie doch Herrn Kaiser darum, Ihnen ein neues Seminarthema zu übertragen. Sie gehen dann bestimmt mit neuem Elan an die Vorbereitungen.“

Fall Nr. 10:

„Ich möchte mich gleich im Anschluss an meine Ausbildung weiterentwickeln, um in meinem Beruf voranzukommen. Inzwischen sind auch von den verschiedenen Instituten die angeforderten Unterlagen bei mir eingetroffen, und nun habe ich die Qual der Wahl. Ich fühle mich bei dieser Fülle von Angeboten einfach überfordert, um die richtige Auswahl für mich zu treffen, denn es gibt so vieles für mich zu beachten wie z.B. die Anerkennung des Abschlusses oder die Kosten der Maßnahme. Außerdem ist mir nicht ganz klar, welche Kurse für mein berufliches Weiterkommen hier in der Firma von Vorteil wären. Herr Ahrendt, Sie als Personalleiter haben doch Erfahrungen, könnten Sie mir nicht behilflich sein, damit ich die richtige Entscheidung treffe?“

  1. „Ihr Entschluss, direkt nach Ihrem Berufsabschluss weiterführende Kurse zu belegen, steht fest. Durch Hinzuziehen meines Rates möchten Sie sicherstellen, dass Sie den richtigen Weg einschlagen.“
  2. „Lassen Sie doch einfach Ihre Unterlagen hier. Ich werde sie durchsehen und Ihnen bald einen Vorschlag unterbreiten.“
  3. „Es ist immer sinnvoll, in solchen Fragen die Meinung eines Fachmannes einzuholen. Deshalb ist es gut, dass Sie sich an mich gewandt haben.“
  4. „Wenn Sie sich über ihre Ziele genau im Klaren wären, würde sich Ihr Auswahlproblem gar nicht erst stellen.“
  5. „Die einzelnen Angebote gegeneinander abzuwägen, ist sicherlich nicht einfach und erfordert gewisse Erfahrung. Aber keine Sorge, zusammen werden wir das geeignete für Sie finden.“
  6. „Haben Sie sich schon selbst Gedanken über die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Angebote gemacht?“

Aufgabe 2/2: Auswertung

Markieren Sie nun Ihre Antwortnummer pro Fall in der dafür vorgesehenen Tabelle im Anhang A bei Aufgabe 2, ohne sich um die Buchstaben der obersten Zeile zu kümmern und kehren Sie danach wieder an diese Stelle des Textes zurück.

Sie finden in der nachstehenden Tabelle Ihre Antworttendenz(en).

Reflektieren Sie danach Ihr Ergebnis mit den beschriebenen Kommunikationserhellern:

Im Anschluss an die Tabelle finden Sie eine Anleitung zur persönlichen Reflexion Ihres Verhaltens in Gesprächen.


Antwortkennung Antworttendenz
A - wertend Ihre Antworten beinhalten einen moralischen Standpunkt und ein ablehnendes oder zustimmendes Urteil über den anderen.
B - interpretierend Sie verstehen, was Sie verstehen wollen, Sie betonen, was Ihnen wichtig erscheint und Ihr Verstand sucht nach einer Erklärung. Sie tendieren zur Verzerrung und Verfremdung.
C - tröstend Ihre Antworten zielen auf Ermutigung, Beruhigung oder Kompensation. Sie empfinden Mitleid und nehmen von Dramatisierung Abstand.
D - forschend Sie bemühen sich, mehr zu erfahren und lenken das Gespräch in die Richtung, die Ihnen wichtig erscheint. Ev. haben Sie das Gefühl, Ihre Zeit zu verschwenden und wirken drängend mit allzu direkten Fragen.
E - problemlösend Sie reagieren mit Handeln und drängen zur Tat. Sie kommunizieren die Lösung, die Sie für richtig halten und warten nicht gerne ab, bis Sie mehr erfahren haben.
F - empathisch, verständnisbereit Ihre Antworten zeigen Verständnis und spiegeln Ihre Bemühungen wider, sich wirklich in die Situation des Gesprächspartners zu versetzen. Ihre Haltung, alles richtig verstehen zu wollen, ermutigt Ihren Gesprächspartner zu weiteren Aktivitäten, weil er erkennt, dass Sie ihm vorurteilsfrei zuhören können.

Die Bedeutung Ihrer dominierenden Tendenz:

Sie markiert Ihre vorherrschende Reaktion in Gesprächen. Die Übung gibt Hinweise auf Ihre Grundhaltung, wenn Sie spontan geantwortet haben. Können Sie sich mit dieser gefundenen Grundhaltung identifizieren?


Die Bedeutung Ihrer schwächeren Tendenz:

Auch sie zeigt eine Grundhaltung, die Sie eventuell vermeiden. Gehen Sie die betreffenden Fälle noch einmal durch und überlegen Sie, wieso Sie gerade diese Antwort gewählt haben.

Diese Vorgehensweise wenden Sie bitte auch auf die „isolierten“ Antworten an.

AKZEPTIEREN Sie Ihre Antworttendenz, auch wenn sie Sie womöglich beunruhigt. Diese Übung dient zur Selbstreflexion und soll Sie über die Ihnen eigenen Antworttendenzen und Ihr Gesprächsverhalten nachdenken lassen und zu einem aktiv gesteuerten Bewusstsein in Gesprächssituationen beitragen.

Erfahrungen zeigen, dass z. B. Wissenschaftler*innen eher zu „D – forschend“ neigen, während Kaufleute eher zu „E – problemlösend“ tendieren.

In Personalgesprächen wäre die Tendenz „F- verständnisbereit“ anzustreben, um so maximal mögliches Commitment [11] zu erzielen.

Die vollständige Ich-Botschaft

„Sie sollten sich dringend einmal um Ihre Englischkenntnisse kümmern!“

„Immer musst du mich unterbrechen! Könntest du nicht erstmal denken, bevor du redest?“

Fast jeder ist schon einmal mit einer solchen Art von Kommunikation konfrontiert worden. Was lösen diese Sätze aus? Sie erzeugen meist

  • Widerstand
  • Widerspruch
  • Rechtfertigung
  • Schuldgefühle

Sie wirkend verletzend, missachtend und werden manchmal als bestrafend empfunden. Sie können tief treffen. Diese Art von Kommunikation wirkt wie ein ausgestreckter Zeigefinger. Man nennt sie Du- bzw. Sie-Botschaften und sie sind weit verbreitend trotz ihrer allgemein bekannten negativen Wirkung.

Sie- bzw. Du-Botschaften kommen oft als Vorwurf an und werden oft eingeleitet mit:

  • Sie sollten mal…
  • Du bist schuld, dass…
  • Immer müssen Sie…
  • Warum tust du nicht….

Umgelegt auf die Transaktionsanalyse kommen diese Botschaften meist aus dem kritischen Eltern-Ich und treffen ins angepasste Kindheits-Ich.

Besser wäre, Botschaften weitgehend in sogenannte Ich-Botschaften zu kleiden. Sie beschreibt die eigene (Gefühls-)Wahrnehmung und löst eher

  • Betroffenheit
  • Nachdenklichkeit und
  • Bereitschaft zur Klärung

aus.

Die vollständige Ich-Botschaft zeigt symbolisch auf einen selbst und wird z.B. eingeleitet mit:

  • Es ist mir aufgefallen, dass…
  • Ich wünsche mir, …
  • Es hat mich geärgert/verletzt, dass…
  • Ich empfinde…

Die vollständige Ich-Botschaft besteht aus vier Stufen, wobei dies nicht als Korsett empfunden werden soll, sondern als Leitfaden, um eher Bereitschaft als Widerspruch zu generieren. Es ist manchmal auch unangemessen oder störend, seine Gefühle zu offenbaren, dann kann man auch den dritten Schritt auslassen.

  1. Die Situation bzw. das störende Verhalten aus eigener Sicht konkret beschreiben (Verhaltensaussage)
  2. Die Auswirkungen auf die eigene Person schildern (Wirkungsaussage)
  3. Die eigenen Gefühle ausdrücken (verbalisieren; Gefühlsaussage)
  4. Eventuell im Anschluss eigene Wünsche und Erwartungen formulieren

Hier der Versuch, die eingangs formulierten Sie/Du-Botschaften in Ich-Botschaften umzuwandeln: Lassen Sie diese Formulierungen auf sich wirken!

„Ich habe das Gefühl, dass Sie mit der englischen Sprache zum Teil etwas Schwierigkeiten haben. Könnte ich Ihnen dahingehend Unterstützung anbieten?“

„Mir ist aufgefallen, dass du mich während unseres Gespräches bereits dreimal unterbrochen hast. Ich habe dadurch Schwierigkeiten, den roten Faden in meinem Vortrag zu halten. Lass uns deine Fragen im Anschluss klären.“

ACHTUNG! Auf ein häufiges Missverständnis soll abschließend hingewiesen werden. Es gibt auch „Pseudo-Ich-Botschaften“, wie zum Beispiel:

„Ich erlebe Sie als total dominant“ oder

„Ich habe irgendwie das Gefühl, dass du sehr unsensibel bist“

Aufgabe 3: Pseudo-Ich-Botschaften

Überlegen und begründen Sie, warum diese Pseudo-Ich-Botschaften keine klassischen Ich-Botschaften sind.

Weitere Kommunikationsprozess- „Erheller“

Zusätzlich zu den oben beschriebenen Techniken gibt es noch weitere Möglichkeiten, die helfen sollen, die Kommunikationsprozesse besser zu verstehen und so die Ergebnisse der Gespräche zu verbessern – das heißt, den Zufriedenheitsgrad der Gesprächspartner*innen zu maximieren.

Hier geht es um Bewusstmachung der Vorgänge während eines Gespräches – zum Teil um bewusstes Eingreifen oder Unterbrechen. Dieses Innehalten oder die Positionsveränderungen im Verlauf beeinflussen so positiv.

Der kontrollierte Dialog

Ähnlich der Paraphrasierung fassen hier die Gesprächspartner*innen konkret den bisher besprochenen Inhalt zusammen. Allerdings ist es hier stärker erkennbar, sozusagen ein absichtlich gesetzter Punkt. Erst nach der vollständigen Klärung des bisher Gesagten, geht die Diskussion weiter. Der kontrollierte Dialog kann eingeleitet werden mit:

„Einen Moment bitte, meinen Sie damit, dass ….“ oder

„Könnten wir hier bitte kurz innehalten! Ich hätte eine Verständnisfrage!“

Der geplante Perspektivenwechsel

Anders als der eingangs beschriebene Perspektivenwechsel in der U-Bahn, welcher überraschend erfolgte, handelt es sich hier um eine Methode des Rollenspiels, wo Gesprächspartner*innen aktiv und bewusst die Position des*der anderen einnehmen bzw. wechseln. Das kann während einer Besprechung sogar gleichzeitig mit tatsächlichem Sitzplatzwechsel erfolgen, um die Wirkung zu unterstreichen. Man kann es auch methodisch – z.B. im Zuge von Teamentwicklungsmaßnahmen einsetzen: eventuell fordert man die Abteilungsleiter*innen auf, aktiv die Position der Geschäftsführung einzunehmen und aus dieser Position heraus zu kommunizieren.

Diese Maßnahme wirkt kreativitätsfördernd und augenöffnend für beide Parteien.

Feldherrenhügel

Hier nimmt man sich bewusst aus dem Kommunikationsprozess heraus und eine neutrale Position ein. Man begibt sich in die Metaposition des Gespräches und analysiert, was im Gespräch – verbal und nonverbal – gerade abläuft. Wenn man selbst eine*r der Gesprächspartner*innen ist, kann das herausfordernd – sogar ablenkend - sein. Besser ist, das Gespräch zu diesem Zweck zu unterbrechen oder es als Retrospektive einzusetzen: dann spricht man von Metakommunikation:

Metakommunikation

Hier spricht man über den Ablauf und die Art der Kommunikation selbst. Es handelt sich hierbei um die „Kommunikation über Kommunikation“. Wenn man versteht, warum ein Gespräch so gelaufen ist, wie es gelaufen ist, können mitunter Ergebnisse besser nachvollzogen werden. Funktioniert die Selbstreflexion, so können Schlüsse in Bezug auf künftig positivere Verläufe von Diskussionen gezogen werden.

Wenn gar nichts mehr geht

Das Vereinbaren einer Unterbrechung bzw. einer Auszeit, um „psychologische Luft“ zu bekommen, kann hilfreich sein, wenn die Diskussion ins Stocken gerät, sich im Kreis dreht oder vom eigentlichen Thema völlig wegbewegt und nur mehr auf der emotionalen Ebene geführt wird. Ab und zu genügen ein paar Minuten zum Luftholen und Nachdenken, damit die Diskussion wieder in erfolgreichere Bahnen gelenkt werden kann.

Falls trotzdem Konflikte entstanden sind, so ist die Beiziehung von Moderator*innen oder Mediator*innen [12] hilfreich. (siehe dazu Lektion 3)

Vorbereitung schwieriger Gespräche

Nach den grundlegenden Inputs in Bezug auf Kommunikation und den Methoden zur Verbesserung der Kommunikationsfallen soll das alles nun in der praktisch anwendbaren Technik zur Vorbereitung schwieriger Gespräche gipfeln, d.h. für ein bevorstehendes Kritik- oder Konfliktgespräch, aber etwa auch für ein umfassendes Mitarbeiter*innengespräch.

Vorab noch einmal die Rückkopplung mit dem 4-Seiten-Modell von Schulz von Thun, das einen hervorragenden Raster bietet, um alle relevanten Seiten der Kommunikation vorzubereiten und abzuwägen. Die Verwendung ist ähnlich einer Checkliste. Beantwortet man zur Gesprächsvorbereitung jede der Fragen pro Dimension, ist man für die Gesprächssituation gut gewappnet!

Vorbereitung schwieriger Gespräche anhand des 4-Seiten-Modells

Aufgabe 4: Vorbereitung einer Gesprächssituation

Wählen Sie eine bevorstehende Gesprächssituation aus Ihrem eigenen Berufsalltag und bereiten Sie diese anhand des in der oberen Abbildung dargestellten 4-Seiten-Modells schriftlich vor.

Beantworten Sie dazu jede Frage der 4 Dimensionen.

Alternativ können Sie auch eine Gesprächssituation, die bereits hinter Ihnen liegt, auswählen und so vorbereiten, als würde sie noch vor Ihnen liegen.

Nach der „statischen“ Ansicht der Gesprächsvorbereitung nach Schulz von Thun nun der „dynamische“ Ansatz – ein Leitfaden für den Ablauf von schwierigen (aber auch nicht schwierigen) Gesprächen.

Gestaltung schwieriger Gespräche

Wenn man das Gespräch führt, so geht man in anderer Reihenfolge vor. Man beginnt nicht mit dem Inhalt, sondern kümmert sich erst um die Beziehungsseite, nennt dann Thema und Argumente aus eigener Sicht (Sachinhalt, Selbstaussage), bevor das Gegenüber Gelegenheit bekommt, die Situation aus seiner Sicht darzustellen.

Am Anfang sollte die Beziehungsebene im Vordergrund stehen. Es ist zentral, gleich nach der Begrüßung für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Wenn möglich, sollte im Vorfeld auch ein geeigneter Rahmen für das Gespräch geschaffen werden, ev. ein ungestörter Raum und genug Zeit. Den Kontakt zum*zur anderen möglichst angenehm, aber mindestens neutral zu gestalten, ist in dieser Phase zentral.

Und trotzdem gilt die Faustregel: je stärker der Konflikt bzw. je schwieriger die Lage, desto schneller zur Sache kommen und den eigenen Standpunkt darstellen. Die Atmosphärengestaltung in diesem Fall nicht übertreiben!

Beim Darstellen des eigenen Standpunktes möglichst Ich-Botschaften zum Einsatz bringen, d.h. die Situation aus der eigenen Sichtweise konkret beschreiben, auf Auswirkungen hinweisen und ev. eigene Gefühle zum Ausdruck bringen.

Eine offene Frage kann das Hilfsmittel sein, den Standpunkt des*der anderen einzuholen, wie er*sie die Situation sieht. In dieser Phase ist die Anwendung der Technik des aktiven Zuhörens von Vorteil, um ihn*sie so gut wie möglich inhaltlich und emotional zu verstehen.

Anschließend folgt dann ein Dialog zur Lösungsfindung, die beiden Interessen entsprechen. Das heißt, eigene Bedürfnisse klar zu vertreten und gleichzeitig den*die Gesprächspartner*in in die Lösung mit einzubeziehen.

Abschließend geht es darum, eine möglichst passende Vereinbarung zu treffen und das Gespräch wertschätzend zu beenden.

Das Mitarbeiter*innengespräch [13]

Allgemeines

Das Jahresmitarbeiter*innengespräch (im folgenden „MA-Gespräch“) gilt in der Personalführung schon lange als das Instrument der Wahl als die Basis für Personalbeurteilung und Personalentwicklung. Besprochen wird dabei unter anderem, welche Ziele gesetzt werden und was für das kommende Jahr vorgenommen wird. Außerdem werden Stärken und Schwächen thematisiert und auch, wie die Karriere weitergehen könnte. Eventuell wird bei der Gelegenheit auch über das Gehalt verhandelt. Allerdings erfolgt dieses präferiert in einem separaten Gespräch.

Laut Umfragen wie in der Mai-Ausgabe des Personal Magazin setzen mehr als 90 Prozent der Unternehmen auf ein jährliches Gespräch als Basis für den Dialog zwischen Mitarbeiter*in und Führungskraft:

Den Anforderungsprofilen der Unternehmung stehen die Mitarbeiter*innen mit ihren individuellen Eignungsprofilen gegenüber. Dabei können sich Diskrepanzen ergeben, sei es, dass sich die Position oder die Leistungsfähigkeit der Person geändert hat. Das MA-Gespräch kann nun ein hervorragendes Instrument zur Identifikation solcher Lücken darstellen, die dann in weiterer Folge durch entsprechende PE-Maßnahmen geschlossen werden können.

Die innere Logik der Personalentwicklung

Weiters schlägt das MA-Gespräch durch seinen Bestandteil der Zielvereinbarung – über das „Führen durch Ziele“ – die Brücke zur variablen Vergütung. Dabei wird sowohl Rückschau auf erfüllte, als auch die Vorschau auf zu erfüllende Ziele in der kommenden Periode gehalten.

Die Mitarbeiter*innen bekommen so einerseits Mitspracherecht bei der Formulierung von Zielen, eigenen Interessen und Verbesserungsvorschlägen und andererseits Rückmeldungen über bisherige Leistungen.

Der Vorgesetzte erhält Gelegenheit zur Besprechung von erbrachten Leistungen und Haltungen und auch Themen, die schon länger anliegen. Weiters verschafft das MA-Gespräch Einblick in Absichten und berufliche Pläne und auch Gelegenheit zum Feedback des eigenen Führungsverhaltens bzw. Betriebsklimas.

Umriss und Hauptinhalte

Das MA-Gespräch ist ein aus dem täglichen Geschehen klar ausgekoppeltes, vorbereitetes und meist systematisch geführtes Vier-Augen-Gespräch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen. Man verfolgt damit das Ziel, einerseits eine Rückschau auf das vergangene Jahr in Bezug auf die Leistungen und die Art der Zusammenarbeit zu halten und andererseits auf die neue Periode vorauszuschauen, Ziele zu vereinbaren und Unterstützungsmaßnahmen zu erörtern.

Die Hauptinhalte sind: [14]

  1. Rückschau

    • Zufriedenheit mit der Leistung des*der Mitarbeiter*in

      Klarheit über Zuständigkeiten und Verantwortungsbereich

    • Wirksamkeit bisheriger Fördermaßnahmen

  2. Eignungsschwerpunkte des*der Mitarbeiter*in

  • Stärken, Schwächen und Lernfelder
  • Fachliche Interessen
  • Potenziale
  • Entwicklungsperspektiven
  1. Zusammenarbeit und Führung

  • Führungsverständnis des*der Vorgesetzten
  • Wechselseitige Erwartungen and die Zusammenarbeit; Spielregeln für diese Kooperation
  • Zusammenarbeit mit Kolleg*innen und anderen Personen
  • Schnittstellenproblematiken
  1. Vereinbarung über künftige Aufgaben und Kriterien für die Einschätzung der Ergebnisse

  • Mittel- und langfristige Aufgaben und Perspektiven der Organisationseinheit
  • Schwerpunktaufgaben
  • Festlegung zukünftiger Ziele und Maßstäbe für den Erfolg
  1. 'Maßnahmen zur beruflichen Weiterentwicklung'

Erfolgskriterien

Die Vorbereitung

Dieser Schritt bezieht sich auf das Vorhaben, ein MA-Gesprächssystem einzuführen.

Vor der Einführung sollte sich die Unternehmensführung genau über Ziele, Rahmenbedingungen, Rollen, Vorgangsweise, Inhalte der geplanten MA-Gespräche Gedanken machen, diese mit den Führungskräften, die die Gespräche führen abstimmen, deren Feedback einholen und dieses in einer weiteren Abstimmungsschleife integrieren. So können so weit als möglich Widerstände und Abwehrhaltungen abgefangen werden. Die umfassende Informierung aller Mitarbeiter*innen über die bevorstehende Einführung eines MA-Gesprächssystems und die Einbeziehung derer – zB bei der Erarbeitung der Führungsbeurteilung - erhöhen ebenfalls die Akzeptanz.

Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter*innen müssen den zentralen Nutzen des MA-Gesprächs verstehen und akzeptieren, damit ein derartiges System erfolgreich sein kann. Dazu müssen alle Beteiligten sorgfältig vorbereitet und eingeschult werden.

Die Implementierung muss sorgfältig durchgeführt werden, damit das „Immunsystem der Organisation“ (die Unternehmenskultur) dieses Instrument nicht wieder abstößt.

Bezugnehmend auf die Vorbereitung eines konkreten, jährlichen Gesprächstermins hat es sich bewährt, nicht erst in letzter Minute hektisch die Vorbereitungsbögen auszufüllen, sondern vielmehr Gedanken, Anregungen, Wünsche usw. über das Jahr verteilt – immer dann wenn sie auftreten – zu dokumentieren und dann kurz vorher nur mehr die quantitativen Elemente einzutragen. So kann eine Rückschau optimal genutzt werden.

Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Verwendung des MA-Gespräches als Führungsinstrument einen nicht zu vernachlässigenden Zeitaufwand bedeutet, der aber dann wiederum bei auf der anderen Seite die Führung positiv beeinflussen kann.

Die Verabredung

Termin und Zeitspanne sollte zeitgerecht vereinbart werden – mindestens eine Woche vorher. Dem Gespräch sollte ausreichend störungsfreie Zeit gewidmet werden, um einen fruchtvollen Gesprächsverlauf erzeugen zu können. Es herrscht das „Vier-Augen-Prinzip“, d.h. es findet lediglich zwischen dem*der Vorgesetzten und dem*der Mitarbeiter*in statt.

Das Gespräch

Der Hauptaugenmerk wird auf Rückblick und Vorschau gelegt, wobei es auch „erlaubt“ ist, über andere Themen zu sprechen. Allerdings sollte man sich idealerweise für Gehalts- oder Beförderungsproblematiken einen extra Folgetermin vereinbaren, um diesem Thema nicht die Oberhand im ursprünglichen MA-Gespräch zu geben.

Die Orientierung an die wesentlichen Kommunikationsprinzipien für gute Gespräche trägt wesentlich zum Erfolg bei. Die Gesprächspartner*innen sind gleichberechtigt, d.h. gegenseitiges Feedback und gleich verteilte Gesprächszeit!

Das Protokoll

Das Gesprächsprotokoll kann bereits im Laufe des Termins mitgeführt werden, wobei das Ergebnisprotokoll die vereinbarten Entwicklungs- und Fördermaßnahmen festhält. Beide Protokolle werden von beiden unterzeichnet.

Evaluierung und organisatorische Verbesserungen

Es hat sich bewährt, regelmäßig anhand von ausgewählten Kriterien den Prozess und die Struktur des MA-Gesprächssystems zu evaluieren, sei es extern oder seitens der Führungskräfte und Mitarbeiter*innen aufgrund der gemachten Erfahrungen. Die gemeinsame Reflexion der Evaluierungsergebnisse ermöglicht Rückschlüsse auf eine erfolgreiche Weiterführung und vermeidet die Erstarrung des Instrumentes.

Gesprächsformen

In den verschiedenen Phasen des Gespräches treten unterschiedliche Gesprächsformen auf, die in der Praxis natürlich nicht säuberlich zu trennen sind und auch ineinanderfließen können: [15]

Die fragende Gesprächsführung

ist die Ausgangsbasis, um zu einer gemeinsamen Sicht der Dinge zu finden. Sie signalisiert, dass man sein Gegenüber ernst nimmt und verschafft ein differenziertes Bild von den zu besprechenden Sachverhalten.

Das Feedbackgespräch

dient zur Abgleichung des Selbstbilds mit dem Fremdbild des*der Gesprächspartner*in. Es ist ein heikler Austausch. Feedbackregeln erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass der Meinungsaustausch ein vertrauensvoller und offener wird:

1. Formulieren Sie Eindrücke und konkrete Beobachtungen. Versuchen Sie zu beschreiben und verkünden Sie keine Urteile!

2. Formulieren Sie „Ich-Botschaften“, zum Beispiel: „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass ...“; „Bei mir löst das Verhalten... diese oder jene Reaktion aus.“; Vermeiden Sie negative „Seins-Aussagen“: „Sie sind unfähig ...“

3. Bringen Sie Rückmeldungen (bestimmte persönliche Eigenheiten etc.) immer in Beziehung zu konkret beobachteten Verhaltensweisen und/oder den Erwartungen, die mit der Funktion der Person verknüpft sind (bestimmte Ordnungsvorstellungen, Verhaltensmuster etc.).

4. Wenn Sie beim Gegenüber die Tendenz zur Rechtfertigung beobachten, verstärken Sie diese nicht, sondern sprechen Sie sie offen an: „Ich sehe, dass meine Rückmeldungen bei Ihnen als Vorwurf ankommen. Warum ist das so?“

5. Drängen Sie nicht darauf, dass Ihre Rückmeldungen sofort akzeptiert werden. Die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild ist immer irritierend. Lassen Sie dem*der anderen Zeit zum Verarbeiten.

6. Bedenken Sie dabei, dass Mitarbeiter*innen tendenziell dazu neigen, eigene Misserfolge eher den ungünstigen Rahmenbedingungen zuzuschreiben (z.B. Zufall, zu hochgesteckte Ziele) und Vorgesetzte dazu neigen, die Ursachen für Misserfolge in der Person der anderen zu verorten (z.B. Engagement, Kompetenzen).

7. Deklarieren Sie die Absicht, die Sie mit lhren Rückmeldungen verfolgen. Zum Beispiel: „Dies ist keine Beurteilung.“ – „Es geht mir gar nicht darum, Ihnen Vorwürfe zu machen!“ – „Ich möchte, dass wir einander in unseren Reaktionen besser verstehen.“ – „Ich möchte die Ursache für mögliche Missverständnisse beseitigen.“

8. Zeigen Sie Dankbarkeit für das, was Sie vom anderen an Feedback erfahren, auch wenn Ihnen die Botschaft zunächst nicht gefällt. Zum Beispiel: „Es hilft mir zu hören, wie Sie mich erleben. Jetzt werden mir einige Ihrer Reaktionen klarer und verständlicher.“ – „Es macht mich nachdenklich, was Sie sagen.“

9. Gehen Sie immer davon aus, dass kein Mensch eine reine objektive Sicht der Dinge hat. Jede*r gibt seine*ihre subjektiven Eindrücke wider, die immer auch viel über sich selbst aussagen. Versuchen Sie deshalb zu verstehen, warum andere so beobachten, wie sie beobachten. Zum Beispiel: „Ich sehe, dass Sie mit meiner Art, die Entscheidungsvorlagen zu korrigieren, sehr unzufrieden sind. Was stört Sie daran am meisten?“

Das Aushandlungsgespräch

ist bei der Aushandlung von Fördermaßnahmen angebracht, womit sich der*die Mitarbeitende auf strategische Ausrichtungen des Unternehmens einstellen oder für neue Aufgaben qualifizieren soll.

In vielen Unternehmungen ist der Aspekt der Zielvereinbarung im Rahmen des MA-Gesprächs in den Vordergrund gerückt. „Führen durch Ziele“ heißt es und nicht mehr Führen durch Ad-hoc-Anweisungen zur Bewältigung des Tagesgeschäftes. Die Ergebnisse des MA-Gesprächs bieten die Grundlage für eine Kopplung mit variablen Vergütungssystemen. Das Instrument der Zielvereinbarung bietet die Chance, leistungsbezogen individuelle Unterschiede zwischen einzelnen Verantwortungsträger*innen zu machen.

Exkurs: OKR [16] [17]

Im Zuge der vermehrten Wandlung von Organisationen zu immer flacheren und kollaborationsfokussierten Systemen werden die Arbeitsweisen immer adaptiver. Selbstorganisation, agile Projektmanagementmethoden, Umgang mit komplexen Umfeldern und verbreitete, echte Teamarbeit sind nur einige der aktuellen Themen, mit denen sich Unternehmen auseinandersetzen. Nur logisch, dass sich auch die Leistungsbeurteilungssysteme weiterentwickeln.

Unternehmen im Silicon Valley haben schon vor einigen Jahren ein Modell aus den 1950er Jahren, das auf das Managementinstrument „Management by Objectives“ (MBO) des österreichisch-amerikanischen Ökonomen Peter Drucker zurückgeht, aufgegriffen und modernisiert. Es ist ein Modell, das all dem Genannten gerecht werden soll. Die Methode nennt sich Objective and Key Results - kurz OKR - und wurde als erstes von Google verwendet. Der Erfolg von Google wird immer wieder mit dieser Methode in Verbindung gebracht. Google-Mitarbeiter*innen sagen darüber: „It's a way to run your life, your team or your company“-„Es ist eine Art und Weise, sein Leben, sein Team oder sein Unternehmen zu führen.“

Grundsätzlich ist zu sagen: OKR ist ein Führungsinstrument, um Unternehmensziele und persönliche Ziele regelmäßig in Einklang zu bringen. Über Andy Grove, einen der Mitgründer*innen von Intel, fand OKR den Weg zum Suchmaschinenkonzern Google.

OKR unterscheidet sich sehr von herkömmlichen Mitarbeiter*innengesprächen. Zwar werden auch hier Ziele vereinbart; viele Angestellte dürften das als „Performance Review“ kennen, in OKR sind es die Objectives.

Vereinbart werden relativ wenige Objectives, drei bis fünf reichen aus. Die Ziele sind absichtlich so ambitioniert formuliert, dass eine hundertprozentige Erfüllung kaum möglich ist. So mancher Mentalität läuft das zuwider: „Ziele müssen doch vollständig erfüllt werden!“. Aber: wirklich ambitionierte Ziele bringen uns an den Rand der Komfortzone und darüber hinaus. Auf diese Weise wird Weiterentwicklung ermöglicht.

Neu bei OKR ist, dass die Ziele in Key Results (Schlüsselergebnisse) unterteilt werden. Sie zeigen, wie der Weg bis zum Ziel aussehen soll. Jedes Ziel wird mit maximal vier messbaren Schlüsselergebnissen verknüpft.

Die Vereinbarung erfolgt quartalsweise - und zwar Top-down und Bottom-up. Also im echten Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*in. Dabei spiegeln die Ziele und die Prioritäten des Unternehmens - und damit aller Mitarbeiter*innen - wider. Eine Verbindung mit Bonuszahlungen ist nicht üblich. Besonders gewöhnungsbedürftig ist wahrscheinlich der folgende Punkt: alle Ziele und alle Schlüsselergebnisse sind für jeden in der Firma transparent, von der Geschäftsführung bis zu den Praktikant*innen.

Google, der Uranwender des OKR-Prinzips, hat die Methode immer wieder neuen Gegebenheiten angepasst. Galt bis vor einigen Jahren zum Beispiel noch die Regel, dass Google-Mitarbeiter*innen parallel an kurzfristigen und langfristigen OKR-Sets arbeiten durften, so hat der aktuelle CEO Sundar Pichai diese Zweigleisigkeit abgeschafft. Seither gibt es nur noch Quartals-Fortschrittsberichte. Manchmal können Veränderungen im Unternehmen eben auch dabei helfen, die eigenen Ziele klarer zu sehen.

E-Kommunikation

Die Entwicklung und der Einsatz neuer Medien in den letzten Jahren hat die Kommunikation in hohem Maße verändert. Man kann Bild, Sprache und Text weltweit sekundenschnell übertragen.

Die moderne Kommunikationstechnologie überschlägt sich in Neuentwicklungen. Funktionen wie Messenger Apps, Videotelefonie, online Gruppenkommunikationen, Kollaborations-Apps uvm haben eine Entwicklung ohnegleichen hinter und wahrscheinlich auch noch vor sich.

Social Media, Online Communities jeglicher Art usw. sind Möglichkeiten der weltweiten Kommunikation, die ein einzelner Mensch wahrscheinlich nicht oder nur vereinzelt in seiner Gesamtheit wahrnehmen und nutzen kann.

Die Geschwindigkeit der Übertragung, die immer mehr fortschreitende räumliche Trennung der Kommunikationspartner*innen, und das Entstehen neuer Kommunikationskulturen haben Einfluss auf die Gesprächsführung.

Geschwindigkeit der Übertragung

Durch die Möglichkeit, realtime immense Informationsmengen zu transferieren, steigen die Anforderungen an uns Menschen, diese Mengen nicht nur in ihrer Menge, sondern auch noch schneller als sonst verarbeiten zu müssen.

Schon die Filterung der auf uns einströmenden Information ist eine Herausforderung, aber gepaart mit der steigenden Erwartung, sie auch immer schneller zu bearbeiten und darauf zu reagieren, birgt so manche Schwierigkeit und ruft viele Missverständnisse hervor.

Die neue Kultur, ständig und überall erreichbar zu sein, hat unser Leben nicht immer nur erleichtert.

Räumliche Trennung der Kommunikationspartner*innen

Der Einsatz neuer Medien hat beinahe jede räumliche Einschränkung für die Datenübertragung ausgeräumt. Daten können sowohl direkt vor Ort erfasst, als auch von überall weltweit verschickt werden. Man weiß nicht mehr, ob der*die Kommunikationspartner*in gerade in Thailand oder um die Ecke sitzt.

Die Herausforderung hierbei ist der weitgehende Wegfall der non-verbalen Ausprägungen der Kommunikation. Weder Aussehen noch andere non-verbale Träger wie Gestik, Mimik oder Körperhaltung können Signale vermitteln (in eingeschränkter Form nur bei Videokonversationen).

Die eigene Vorstellungswelt der Gesprächspartner*innen bestimmt nun viel stärker das emotionale Umfeld, in dem der Sachverhalt diskutiert wird.

Kommunikationsnormen der neuen Medien

Der oben beschriebene Wegfall der non-verbalen Kommunikation und das Ansteigen der Kommunikationsgeschwindigkeiten verdrängen alteingesessene Regeln und Verhaltensnormen in der Kommunikation und werden durch Neuentwicklungen ersetzt.

„Netiquette“ [18] , Emoticons und E-tivities [19] sind Schlagworte für Versuche, non-verbale Signale mitzusenden und in den richtigen Zusammenhang zu bringen. Es entwickeln sich unterschiedliche Kulturen, was das Begrüßen, das Formulieren, das Beenden einer Kommunikation per E-mail, Messaging App oder Chatrooms betrifft.

In Unternehmen werden eigene Regeln erstellt und eingeführt, was die korrekte Verhaltensweise in Bezug auf die Instrumente der neuen Medien betrifft: Z.B.:

  • Gilt eine Nachricht ohne Anrede als unhöflich oder tut es angesichts der notwendigen Geschwindigkeit der Informationsübertragung Genüge?
  • Wie lauten Schlussformeln – werden Sie nur „nach außen“ angewandt oder auch zwischen Kolleg*innen, Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen?
  • Lässt die Dauer der Reaktionszeit auf die Wertschätzung einer Nachricht oder dessen Sender*in schließen?
  • Wieviel Reaktionszeit ist üblich?

usw.

Zum Teil – besonders unter Jugendlichen – haben sich eigene Sprachformen für die Kommunikation per Messaging App oder in Chatrooms entwickelt.

Interkulturelle Gesprächskultur

Interkulturelle Kommunikation findet dort statt, wo zwei Gesprächspartner*innen oder –gruppen, die unterschiedlich sozialisiert sind, miteinander in Kontakt treten. Interkulturelle Unterschiede müssen jetzt nicht unbedingt nur verschiedene Länder oder Rassen betreffen, es gibt sie auch zwischen Unternehmen, Konzernen, sogar Abteilungen einer Firma.

Dazu findet man folgende Definition [20]  :

„Die Verständigung zwischen zwei Personen aus deutlich verschiedenen Gruppen wird als interkulturelle Kommunikation bezeichnet, jene innerhalb einer Gruppe oder Gesellschaft als intrakulturell“.

Barrieren können neben der Sprache auch unterschiedliche Erfahrungen, Geschichten, Codierungen, Ziele und Gewohnheiten sein. Je größer die zu erwartenden Unterschiede sind, desto wichtiger ist es, das Verständnis zu sichern, um Missverständnissen vorzubeugen bzw. sie weitgehend auszuschalten.

Zum Beispiel ist der uns eigene verbreitete „liebevolle Zynismus“ in den USA nicht besonders gerne gesehen.

Wenn unterschiedliche Interpretationsmuster im non-verbalen Bereich vorliegen, kann dies zu besonders brisanten Missstimmigkeiten führen, wie zum Beispiel der in der westlichen Hemisphäre übliche Händedruck in Fernost oder im jüdischen Kulturkreis.

Aber auch körpersprachliche Gesten kleinerer Gruppen, wie zum Beispiel das „give-me-five“ der Vertriebsmannschaft, das in der Revision belächelt wird, fällt in diese Kategorie.

Diese Unterschiedlichkeiten in den Interpretationsmustern können nun leichtes Rauschen in der Kommunikationsbeziehung bewirken, aber auch zu gröberem Unverständnis führen und in Furcht und schwer gestörte Kommunikationsbeziehungen gipfeln, wenn sie nicht bewusst gemacht und dementsprechend behandelt werden.

Eine Hilfestellung dazu bieten die im Folgenden angeführten Bestandteile interkultureller Kommunikationsfähigkeit [21]  :

FREMDKULTURBEZOGENES WISSEN, das permanent aktuell gehalten sein sollte.

KNOW-HOW ÜBER KOMMUNIKATIONSPROZESSE und interkulturelle Kommunikationsherausforderungen.

TOLERANZ [22] UND EMPATHIE, um die Perspektiven fremder Kulturen zu übernehmen und die Suche nach Gemeinsamkeiten überhaupt zu ermöglichen.

Die Fähigkeit, dieses WISSEN IN INTERKULTURELLE INTERAKTIONSSTRATEGIEN ZU ÜBERSETZEN, wie das proaktive Entgegennehmen von Missverständnissen und Bereithalten von Verständigungsmedien, sowie das bewusste Vermeiden von Stereotypenbildungen [23] .

Zusammenfassung

Der Ausdruck „Gesprächsführung“ birgt in seiner Natur etwas sehr Technisches, man hat das Gefühl, es sei etwas Mechanisches und Eckiges. In Wirklichkeit aber ist die Gesprächsführung, die Kommunikation, das ursprünglichste Mittel der Verständigung, etwas Biegsames, Unvorhersehbares und wie man oft (leidvoll) erfahren kann, etwas sehr Schwieriges.

So unterschiedlich wie die Menschen sind auch deren Wege der Kommunikation. Um es annähernd verstehen zu können, ist es notwendig, sich mit den Grundzügen und Grundlagen der Kommunikation und deren Wirkungsweise auseinanderzusetzen, um dann darauffolgend doch ein wenig technisch angehauchte „Werkzeuge“ zur Verfügung zu haben, um Gespräche planen und optimieren zu können, besonders wenn sie schwieriger Natur sind.

Der Mensch und seine Tendenz, Dinge zu analysieren und eine Wissenschaft daraus zu machen, führt auch hier zu Definitionen und Einteilungen. Auch wenn Gespräche in Sach- und Personengespräche eingeteilt werden können, so ist unbestritten, dass JEDES Gespräch sowohl einen Inhaltsteil als auch einen emotionalen Anteil hat. Die Fähigkeit, diese beiden zu verstehen und auseinander zu halten bietet eine wesentliche Grundlage auf dem Weg zu wirklich fruchtvoller Kommunikation.

Es haben sich Kommunikationswissenschafter*innen Gedanken gemacht, wie Kommunikation wirkt und was Empfänger*in und Sender*in wechselseitig empfinden. Die 5 Axiome der Kommunikation oder auch die Transaktionsanalyse sind weltweit anerkannte Modelle.

Schulz von Thun teilt die Kommunikationsströme, egal ob von Empfänger*innen- oder Sender*innenseite gesehen, in 4 Abteilungen ein: Inhalt, Beziehung, Appell und Selbstaussage, um bei Bewusstmachung die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Botschaft auch so ankommt, wie sie abgesendet wurde.

Die Tatsache, dass die meisten Probleme der Menschheit auf Missverständnisse beruhen, führt zur Entwicklung von Techniken und Methoden, um diese weitgehend auszuräumen. Die Analyse des eigenen Kommunikationsverhaltens steht dabei an oberster Stelle. Mit diesem Wissen kann dann versucht werden, besser auf das Gegenüber einzugehen und so bestmögliche Übereinstimmung zu erzielen.

Wie höre ich richtig zu?

Wie verhalte ich mich gegenüber meinen Gesprächspartner*innen?

Welche Einflüsse wirken auf das Gespräch?

Wie geht es mir bei dem Gespräch?

Das sind einige der Fragen, mit denen man sich beschäftigen muss, um die Kommunikation zu verbessern. Schlagworte dazu sind Methoden wie „partnerzentriertes Zuhören“, „die vollständige Ich-Botschaft“, „Meta-Kommunikation“ und „Gesprächsplanung“. Aber auch Themen wie die neuen Medien, die in ihren Erscheinungsformen neue Herausforderungen bergen und die Globalisierung, die interkulturelle Themen aufwirft, sind stark kommunikationsbeeinflussend.

Das Mitarbeiter*innengespräch ist eines der wichtigsten strukturellen Gesprächsformen im wirtschaftlichen Bereich. Wenn die äußeren Erfolgskriterien, wie gute Planung und Vorbereitung, Dokumentation und Rahmenbedingungen passen und mit umsichtigem Einsatz von Kommunikationstechniken kombiniert werden, ist ein umfassender Nutzen für den Betrieb erkennbar.

Reflexionsfragen

Kommunikationsmodelle

Nennen und charakterisieren Sie kurz die wichtigsten Kommunikationsmodelle.

Methoden zur Verbesserung der Kommunikation

Welche Methoden führen zur Verbesserung der Kommunikation?

Charakterisierung des Mitarbeiter*innengesprächs

Charakterisieren Sie das Mitarbeiter*innengespräch in seiner typischen Ausprägung als strukturiertes Gespräch in der Unternehmensführung.

Verhandeln

Das Leben besteht aus vielen, vielen Verhandlungen, sei es im beruflichen, privaten oder gesellschaftlichen Kontext. Jeder trachtet danach, das Beste für sich und seine Lieben und/oder Mitstreiter*innen herauszuholen. Wir sind umgeben von „knappen Gütern“, sei es nun Ware, Positionen, Raum oder Zeit.

Es wird im Kleinen verhandelt, vielleicht zu Hause um einen Kinobesuch oder im Großen, wo es um Territorien, Macht und auch Menschenleben geht. Um von einem Verhandlungstisch zufrieden aufstehen zu können, und zwar sowohl das Ergebnis betreffend als auch fühlend, das Gegenüber auch zufriedenstellend behandelt und die zukünftige Beziehung nicht gefährdet zu haben, bedarf es einer nach allen Regeln der Kunst geführte Kommunikation, angereichert im Besonderen mit Verhandlungstechniken.

Sämtliche, in Lektion 1 beschriebenen Kommunikationstechniken finden in der Verhandlung ihre Berechtigung und ihren wirkungsvollen Platz. In dieser Lektion soll nun verstärkt auf Verhandlungstechnik eingegangen werden. Die Literatur ist weitläufig, aber an einem Werk kommt man nicht vorbei: am sogenannten „Harvard-Konzept“, dem Standardwerk für kooperatives Verhandeln. Die Publikation „Getting to Yes“, die 1981 von Roger Fisher und William Ury herausgegeben wurde und die zweite Edition des Jahres 1991, die von den beiden Ursprungsautoren gemeinsam mit Bruce Patton geschrieben wurde, sind Standard in der Verhandlungstechnik geworden. Die deutsche Fassung, „Das Harvard-Konzept“, wurde 2018 vollständig neu überarbeitet und neu übersetzt.

Die Tatsache, dass dieses Werk für jedermann verständlich geschrieben wurde und es möglich macht, den Prozess einer Verhandlung unabhängig von Inhalt, Mensch, Ort und Zeit, zu verstehen, ließ es zum Klassiker werden.

Es ist ein transparenter, schlüssiger, einfach anwendbarer Ansatz mit dem Ziel, einen Mehrwert für die Verhandlungspartner*innen zu erhalten bzw. zu erzielen und ist deswegen auch Grundlage dieser Lektion. [24] [25]

Das Prinzip

Lassen Sie sich bitte auf die folgende kleine Übung ein: erinnern Sie sich an eine Verhandlungssituation, in der Sie sich selbst befunden haben und rufen Sie sich die Dialoge in Erinnerung. Worüber wurde gefeilscht? Waren es Standpunkte, Positionen, die Sie verteidigt haben bzw. die Ihr Verhandlungspartner oder Ihre Verhandlungspartnerin verteidigt hat? Waren/sind Sie sich im Klaren, worum es bei der Verhandlung WIRKLICH ging? Hatten Sie das Gefühl, dass es eine sachliche Verhandlung war, wo alle Positionen klar waren und ergo klare Ergebnisse, mit denen alle zufrieden waren, daraus hervorgingen? Wenn ja, dann gratuliere ich Ihnen!!

In den meisten Fällen muss man nämlich beobachten, dass es bei Verhandlungen, egal welcher Art und welchen Ausmaßes, meist um Positionengerangel geht: jede Verhandlungspartei nimmt bestimmte Standpunkte ein, zieht dafür ins Feld und macht dann eventuell Zugeständnisse, damit ein akzeptabler Kompromiss herauskommt oder damit man „gewinnt“.

Grundsätzlich soll man dem Einnehmen von Positionen nicht ganz den Nutzen absprechen: es ist gut, der anderen Seite seinen Standpunkt aufzuzeigen in der Hoffnung, dass sie ihn auch dementsprechend versteht.

Je härter aber und je stärker man für den eigenen Standpunkt kämpft, desto starrer wird die Ausgangsposition, desto mehr wird man in der eigenen Position gefangen. Sie bildet dann eine Art Mauer und lässt den Blick auf die dahinter liegenden Sachprobleme der Partei nicht mehr zu. Eine Übereinkunft wird dann immer unwahrscheinlicher und das einzige, was man dann noch tun kann, ist zu versuchen, das eigene Gesicht zu wahren. Das Potential, das die Verhandlung in sich geborgen hätte, wird weit nicht ausgeschöpft.

Zusätzlich dazu kann Positionsgerangel sehr zeitraubend sein, da Methoden wie Täuschung, Zurückweisung, Drohen, Mauern in unterschiedlichem Ausmaß angewandt werden. Dies schlägt sich auf die Effizienz, da nicht nur Zeit, sondern damit meist auch Geld mangels keiner oder nicht zufrieden stellender Ergebnisse verschwendet wird.

Zu guter Letzt belastet das Feilschen um Positionen meist auch die Beziehungen der Verhandlungspartner*innen, es kommt Ärger und Verstimmung auf, weil entweder zu harte oder auch zu weiche Standpunkte immer das Unterwerfen des*der anderen nach sich ziehen und keine gemeinsame Lösung zulassen.

Wenn man verschiedenen Menschen die Frage stellt, wann für sie eine Verhandlungstechnik gut ist, werden mehr oder weniger immer die folgenden Antworten gegeben:

  • Sie sollte eine vernünftige Übereinkunft zustande bringen
  • Sie sollte effizient sein.
  • Sie sollte das Verhältnis zwischen den Parteien zumindest nicht zerstören, sondern vielleicht sogar verbessern.

Wenn man nun um Positionen kämpft, kommt es darauf an, ob man eher hart oder weich kämpft. Das hängt von der Persönlichkeit ab, von den bisher gemachten Erfahrungen, vom gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund usw.

Wenn man eher ein*e harte*r Kämpfer*in ist, ist das oftmals mit einem hohen Preis verbunden. Man weiß üblicherweise um die Konsequenzen auf der Beziehungsebene und versucht vielleicht durch etwas mehr Freundlichkeit im Verhandlungsstil diese zu minimieren.

Pflegt man eher einen weichen Verhandlungsstil, so ist man vorrangig um die Beziehung zum*zur Verhandlungspartner*in bemüht und man läuft Gefahr, keine vernünftigen Ergebnisse zu erzielen, sondern vielleicht aus Freundlichkeit das letzte Hemd zu verlieren.

Genau hier setzt das Harvard-Prinzip an und liefert eine Alternative - das sogenannte „sachbezogene Verhandeln“.

Der erste Schritt ist zu erkennen, dass eine Verhandlung grundsätzlich aus zwei Ebenen besteht: aus der Inhaltsebene und andererseits der Verhandlungsweise. Die Inhaltsebene betrifft den Sachgegenstand, wie Bedingungen, Preis usw., bei der zweiten Ebene geht es um die Art und Weise, WIE verhandelt werden soll, gewissermaßen um die Spielregeln.

Es geht darum, sich bewusst zu machen, dass mit jedem Schritt in der Verhandlung, nicht nur die Inhaltsebene berührt, sondern auch die Regeln des Verhandlungsablaufes. Mit diesem Bewusstsein wird man fähig zu agieren, d.h. die Verhandlungen in der Bahn zu halten oder aber auch einen Zug auslösen, der alles verändert. Man bewegt sich so aus der starren Position heraus, egal ob man tendenziell eher hart oder eher weich verhandelt.

Das sachbezogene Verhandeln beruht im Wesentlichen auf 4 Grundlagen:

Menschen: Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln

Interessen: Nicht Positionen, sondern Interessen in den Vordergrund stellen

Möglichkeiten: Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln

Kriterien: Das Ergebnis auf objektiven Entscheidungsprinzipien aufbauen

Der erste Punkt zielt auf den schon in der Lektion 1 behandelten Zugang, die Sach- von der Beziehungsebene zu trennen, ab. Die Partner*innen sollen hier nebeneinander gesehen werden, wie sie gemeinsam das Problem angehen und nicht in Konfrontation.

Der zweite Punkt zielt auf die Vermeidung der oben beschriebenen Effekte des Positionsgerangels ab. Den freien Blick auf die wirklichen Interessen der Verhandlungspartner*innen möglich machen, statt faule Kompromisse einzugehen, ist hier zentral.

Punkt 3 empfiehlt, sich selbst unter Druck Zeit zu nehmen oder zu schaffen, um sämtliche Alternativen einer Lösungsfindung erwägen zu können. Manchmal gibt es sogar mehrere Lösungsvarianten, die man unter Zeitdruck und Zwang gar nicht gesehen hätte. Wahlmöglichkeiten erhöhen den gegenseitigen Nutzen.

Wo Interesse gegen Interesse steht, sind Willkür und unfaire Verhaltensweisen nicht weit. Punkt 4 impliziert, dass das Anwenden von fairen Maßstäben, die unabhängig vom Willen der Verhandlungsparteien sind. Das hat zur Folge, dass keiner „nachgeben“ muss, weil sich beide beruhigt der Allgemeingültigkeit von Fairness unterwerfen kann. Diese Maßstäbe können sein: Marktwerte, Sitten, Normen, Werte, Expert*innenmeinungen usw.

Die nachfolgende Tabelle fasst die Grundwerte des sachbezogenen Verhandelns im Vergleich zu einem harten oder einem weichen Verhandlungsstil zusammen: [26]

Problem

Welche Rolle würden Sie im Feilschen um Positionen übernehmen?

Lösung

Ändern Sie das Spiel – Verhandeln Sie sachbezogen

Weich Hart Sachbezogen
Die Teilnehmenden an der Verhandlung sind fast freundschaftlich verbunden Die Teilnehmenden sind Gegner*innen Teilnehmende wollen das Problem lösen
Ziel: Übereinkunft mit der Gegenseite Ziel: Sieg über die Gegenseite Ziel: vernünftiges, effizient und gütlich erreichtes Ergebnis, das für alle passt
Konzessionen werden zur Verbesserung der Beziehung gemacht Konzessionen werden als Voraussetzung der Beziehungen gefordert Menschen und Probleme werden getrennt behandelt
Weiche Einstellung zu Menschen und Problemen Harte Einstellung zu Menschen und Problemen Weich zu den Menschen, hart in der Sache
Vertrauen zu den anderen Misstrauen gegenüber den anderen Unabhängig von Vertrauen oder Misstrauen vorgehen
Bereitwillige Änderung der Position Beharren auf der eigenen Position Konzentration auf Interessen, nicht auf Positionen
Angebote werden unterbreitet Drohungen erfolgen Interessen erkundet
Die Verhandlungslinie wird offen gelegt Die Verhandlungslinie bleibt verdeckt „Verhandlungslinie“ vermeiden
Einseitige Zugeständnisse werden um der Übereinkunft willen in Kauf genommen Einseitige Vorteile werden als Preis für die Übereinkunft gefordert Möglichkeiten für gegenseitigen Nutzen suchen
Suche nach der einzigen Antwort, die die anderen akzeptieren Suche nach der einzigen Antwort, die ICH akzeptiere Unterschiedliche Wahlmöglichkeiten suchen; erst danach entscheiden
Bestehen auf einer Übereinkunft Bestehen auf der eigenen Position Bestehen auf objektiven Kriterien
Willenskämpfe werden vermieden Der Willenskampf muss gewonnen werden Ein Ergebnis unabhängig von jeweiligen Willen zu erreichen suchen
Starkem Druck wird nachgegeben Starker Druck wird ausgeübt Vernunft anwenden und der Vernunft gegenüber offen sein; nur sachlichen Argumenten und nicht irgendwelchem Druck nachgeben

Verhalten in Verhandlungen

Menschen: getrennte Behandlung von Menschen und Problemen

Eine der schwierigsten Übungen im Verhandlungsprozess ist die Trennung der Sachebene und der persönlichen Beziehung. Man möchte selbst als emotionales Wesen, getragen von Gefühlen, Grundeinstellungen und Werten gesehen werden und sollte sich daher bewusst machen, dass auch die Verhandlungspartner*innen, wie schwierig auch die Situation sein sollte, keine abstrakten Wesen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut sind.

Dieser Aspekt kann beim Verhandeln sowohl nutzen als auch stören (siehe auch Lektion 1 – das „4-Seiten-Modell“). Wenn die Emotionen positiver Natur sind und man es schafft, eine Verbundenheit herzustellen, die auf Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung, Verständnis und Respekt aufgebaut ist, dann wirken diese Einstellungen meist dahingehend, dass der*die Verhandlungspartner*in aufgeschlossener wird und selbst auch die Interessen seines Gegenübers wahrnimmt.

Handelt es sich aber um Menschen, die ängstlich, frustriert oder leicht beleidigt sind, dann wird ihr Ich leicht erschüttert und es besteht die Gefahr, dass die Projektion dieser Gefühle auf andere zu Missverständnissen und negativen Eindrücken führt, die dann die Verhandlungen beeinträchtigen können.

Die Wichtigkeit der Trennung von Sachinhalten und persönlichen Beziehungen wird dann klar, wenn man sich bewusst ist, dass ein noch so komplexer Diskussionsinhalt, die (vielleicht schon langjährige und gute) Beziehung auf keinen Fall stören soll. Wenn so ein Fall vorliegt, fällt es plötzlich leicht, beides zu trennen und sich dementsprechend auf das Gespräch vorzubereiten.

Man denke nur an langjährige Kund*innen- und Geschäftsbeziehungen oder auch Freundschaften oder Ehen.

„Empathie“ ist auch hier das Zauberwort und die Schlüsselfähigkeit im Verhandeln.

Kümmern Sie sich um das „Problem Mensch“ – und zwar nicht nur um jene Ihrer Verhandlungspartner*innen, sondern auch um ihre eigenen:

  • Wenn die Vorstellungen nicht genau sind, suchen Sie nach Präzisierung
  • Wenn die Emotionen hochgehen, finden Sie Möglichkeiten zum Abbau
  • Gibt es Missverständnisse, erhellen Sie die Kommunikation (siehe Lektion 1)

Vorstellungen

Differenzen und Wahrheiten existieren in den Köpfen der Menschen und sind hochgradig subjektiv. Ängste, Hoffnungen, seien sie nun realistisch oder unrealistisch und sonstige Gedanken „was wirklich dahinter steckt“ („hidden agenda“), sind wahrscheinlich für andere nie ganz er- und begreifbar. Und doch kann man versuchen, so viel wie möglich von den Vorstellungen der anderen zu verstehen und versuchen, sich in deren Lage zu versetzen und so deren Gefühle zu erahnen. Das kann mitunter sogar bewirken, dass sich ihre eigene Sicht verändert.

Eine häufige Falle ist die Ableitung von Absichten aus eigenen Befürchtungen. Lassen Sie folgendes Beispiel auf sich wirken:

„Ein Mann und eine Frau trafen sich in einer Bar. Er bot ihr später an, sie heimzubringen. Er nahm ungewöhnliche Wege und behauptete, es seien Abkürzungen.

So brachte er sie derart in so kurzer Zeit nach Hause, dass sie sogar noch die 10-Uhr-Nachrichten sehen konnte.“

Warum überrascht uns dieser Schluss? Weil unsere Befürchtungen uns eventuell zu schlimmen Annahmen verleitet haben.

Vorsicht bei Schuldzuweisungen an Personen, wenn sie eine Sache betreffen:

„Sie sind total unzuverlässig. Das von Ihnen gewartete Gerät ist schon wieder kaputt!“

Dies ist eine Du/Sie-Botschaft, die Verteidigung und Widerspruch auslöst. Wenn man die Unzufriedenheit mit der Sache von der Person trennt, mit der man spricht, hört sich das weit kooperativer an:

„Das Gerät, das wir bei Ihnen zur Wartung hatten, ist schon wieder kaputt. Könnten Sie mir einen Vorschlag machen, damit nicht wieder ein Ausfall passiert?“

Eine der wirksamsten Möglichkeiten, die Vorstellungen der Gegenseite zu ändern, ist, wenn man das Verhalten unerwartet ändert. Wenn man z.B. weiß oder ahnt, dass die Gegenseite die Vorstellung hat, man manipuliere Informationen, wäre es ein überraschendes Verhalten, wenn man seine Bücher öffnen und Zugang zu sämtlichen, die Verhandlung betreffenden Informationen gewährt.

Als weiteres wirksames Mittel hat sich die Beteiligung der Gegenseite am Ergebnis erwiesen. Es erhöht die Akzeptanz, wenn man nicht alles fertig ausgearbeitet und gefeilt präsentiert bekommt, sondern gefragt wird, wie man seinen Vorstellungen gemäß eine Lösung formulieren würde. Z. B. wird ein*e Assistent*in mit mehr Freude Ordnung halten, wenn er*sie selbst in die Organisation des Ablagesystems miteingebunden wird.

Wenn es dann noch geschafft wird, die eigenen Vorschläge mit dem Wertesystem des Gegenübers abzustimmen und so jedermanns „Gesicht zu wahren“, sind alle Weichen auf Erfolg gestellt – zumindest im Hinblick auf die Vorstellungen! Dabei geht es nicht darum, wer „gewonnen“ oder „verloren“ hat, sondern ob das Ergebnis im Einklang mit den Grundsätzen und dem Image der Partner*innen steht.

Emotionen

Gefühle sind machtvoll. Oft machtvoller als Worte. Gefühle lösen Gefühle aus und beeinflussen oft unbemerkt die Verhandlung – manchmal, bis es zu spät ist.

Es macht daher Sinn, sich seiner Emotionen und deren der Verhandlungspartner*innen bewusst zu werden. Haben Sie sich schon einmal während eines Gespräches beobachtet?

Aufgabe 5: Gespräch in nächster Zukunft

Wählen Sie ein Gespräch in nächster Zukunft aus. Beobachten Sie Ihre eigenen Gefühle, schreiben Sie sie auf und vergleichen Sie es mit den Gefühlen, die Sie eigentlich haben wollten/sollten. Decken sie sich?

Dann machen Sie das Gleiche für die Gegenseite. Beobachten Sie, schreiben Sie auf, was Sie glauben, das die Gegenseite fühlt und fragen Sie sie nachher, ob sich dies mit dem tatsächlich Gefühlten deckt.

Fragen Sie sich, warum Sie diese Gefühle haben bzw. warum die Gegenseite diese Gefühle haben könnte. Welche Einflüsse könnte es auf diese Gefühle geben?

Wenn es irgendwie möglich ist, während der Verhandlung die Gefühle zu verbalisieren, ist es danach oft einfacher, sich der Sache zuzuwenden.

Es macht Sinn, die anderen dabei zu unterstützen, ihren Gefühlen Luft zu geben. Besonders bei negativen Gefühlen verschafft es seelische Erleichterung. Wenn man dem*der anderen gestattet, Dampf abzulassen und dabei seine eigenen Emotionen kontrolliert, sind die Chancen groß, dass die Verhandlung wesentlich ungestörter stattfindet. Man sollte nur dann unterbrechen, wenn es ausfällig oder zu direkten Angriffen kommt.

Beeindruckende Wirkung haben auch kleine Gesten, wie ein (vielleicht unerwartetes) Händeschütteln, ein kleines Geschenk oder auch nur ein Lächeln oder eine Entschuldigung.

Interessen: Konzentration auf Interessen, nicht Positionen

Zwei Schwestern streiten um eine Orange. Jede will sie ganz haben und vertritt vehement ihre Position. Jede will gewinnen und die Orange haben. Es wird stundenlang gestritten. Da kommt der Vater zur Tür herein und fragt: „Maria, was willst du denn mit der Orange machen?“ „Ich möchte den Saft trinken.“ sagt sie. „Und du, Erika?“ „Ich möchte die Schale zum Kuchen backen.“

Daraufhin schält der Vater die Orange, gibt die Schale Erika und presst den Saft für Maria.

Ein klassisches Beispiel zur Erklärung, was es heißt, wenn um Positionen gestritten wird, ohne jemals nach den dahinter liegenden Interessen gefragt zu haben.

Interessen sind (meist verborgene) Wünsche und Sorgen, die Gründe, die einen Dinge tun und entscheiden lassen.

Positionen sind Standpunkte, zu denen man sich bewusst entschieden hat und meist entschieden vertritt.

Versucht man nun, die Interessen und nicht die Positionen in Einklang zu bringen, so hat das mehr als einen Vorteil:

Es kann meist jedes Interesse durch mehrere Positionen befriedigt werden. Es passiert oft, dass Menschen die ungünstigste Position einnehmen und die Alternativen nicht sehen, die sich aufmachen würden, wenn sie ihre Interessen offen darlegen würden.

Man findet meist mehrere übereinstimmende Interessen, auch wenn die Positionen gegensätzlich erscheinen.

Bevor man sich mit der Frage auseinandersetzt, wie man am besten zu den Interessen der Partner*innen vorstößt, ist es wichtig zu wissen, was grundsätzlich alle Menschen motiviert – die menschlichen Grundbedürfnisse – hier dargestellt in der klassischen Bedürfnispyramide nach Maslow (folgende Abbildung).

Oftmals hat man das Gefühl, dass bei Verhandlungen rein finanzielle Interessen dahinter stehen und trotzdem können sie Vorwand sein - für dahinter stehende Beweggründe, wie z. B. wirtschaftliche Absicherung oder auch Anerkennung.

Weiters ist die Erkenntnis hilfreich, dass beide Seiten, auch wenn sie nur aus zwei Personen bestehen, vielfältige Interessen haben. Sei es nun aus ihrer eigenen Person heraus, oder weil es Hintermänner*frauen oder andere Einflüsse gibt, deren Interessen auch vertreten werden wollen.

Die Bedürfnispyramide nach Maslow

Um diese Interessen herauszufinden, ist die einfache Frage „Warum?“ jene, die am ehesten zum Ziel führt. Dabei ist zu beachten, nicht nach Rechtfertigung einer Position zu fragen, sondern nach Gründen, Hoffnungen, Ängsten oder Wünschen:

„Aus welchen Gründen möchten Sie denn gerne diese Informationen haben?“

Es macht zum Teil auch Sinn, „warum nicht?“ zu fragen, um herauszufinden, warum ein Lösungsvorschlag nicht in Frage kommt, welche Interessen dafür im Wege stehen.

Die wertschätzenden Fragestellungen nach den Interessen der Partner*innen hat neben der Informationsbeschaffung auch noch den Effekt, dass aufgrund der Würdigung der Gegenseite Ihre eigenen Interessen auch große Chancen haben, mindestens genauso gewürdigt zu werden.

Die Erstellung einer Liste der eigenen Interessen vor der Verhandlung anzufertigen, hat so manchen Vorteil. Man kann sie gewichten und in eine Reihenfolge bringen, ordnen und (aus)sortieren und sicher gehen, dass man (auf) nichts vergessen hat. Die Überlegungen, auf welche Art und Weise man über die eigenen Interessen sprechen möchte, verringert die Gefahr, sich in Positionskämpfe zu verwickeln.

Zusätzlich dazu sind Interessen immer eher zukunfts-, als vergangenheitsorientiert, was den Vorteil hat, dass man weniger Gefahr läuft, sich über Vergangenes und damit ev. Irrelevantes zu streiten. Die Formulierung eines Zieles und die Konversation darüber birgt wesentlich mehr positive Energie.

Das Harvard-Prinzip bringt es auf den Punkt:

„Zwei Verhandlungspartner*innen, von denen jede*r seine*ihre Interessen mit aller Härte vertritt, in der Position jedoch flexibel bleibt, stimulieren gegenseitig ihre Kreativität beim Nachdenken über eine Lösung, die für beide vorteilhaft ist.“ [27]

Möglichkeiten: Entwicklung von Optionen zum beiderseitigen Vorteil

Erinnern wir uns an das Beispiel mit dem Streit über die Orange. Angenommen, die Schwestern hätten einfach die Orange halbiert, dann hätte Maria nur den Saft der halben und Erika nur die Schale der halben Orange gehabt, obwohl es eine Option gegeben hätte, jeder das Ganze des Gewünschten zu geben.

Die beiden hatten sich keinerlei zusätzliche Optionen überlegt.

Viele Verhandlungen „lassen Geld liegen“, weil keine Zeit oder kein Wille da war, über zusätzliche Möglichkeiten nachzudenken.

Es gibt 4 Haupthindernisse, die die Entwicklung von Entscheidungsmöglichkeiten behindern:

vorschnelles Urteil

Wenn man in einer gespannten Situation einer Verhandlung steckt, dann ist die Gefahr groß, dass die Kreativität leidet. Es könnten sich aber auch Ängste und Befürchtungen breit machen, mit einer spontanen anderen Option nicht ernst genommen zu werden oder noch schlimmere Konsequenzen erleiden zu müssen.

Unter Druck ist der kritische Sinn geschwächt und erlaubt meist keine passenden, kreativen Einfälle. Druckt lässt einen mitunter vorschnell urteilen, ohne über andere Optionen nachdenken zu können.

Suche nach der „richtigen“ Lösung

Viele Menschen sehen einen Prozess zur Entwicklung von Alternativen überhaupt nicht als Teil eines Verhandlungsprozesses. Ihr Blick ist zwang- und tunnelhaft auf DIE richtige Lösung gerichtet, oft aus Angst, dass eine ausufernde Diskussion alles verzögert und durcheinander bringt.

  Annahme, dass der „Kuchen“ begrenzt sei

Wenn die Verhandlungspartner*innen die Verhandlungssituation als Entweder/Oder begreifen, so bleibt wenig Platz für Kreativität und Wahlmöglichkeiten. An dieser Stelle eine Weisheit, die Wahrheit birgt:

„Wissen und Liebe sind zwei Dinge, die sich vermehren, wenn man sie teilt.“ [28]

Vorstellung, dass andere ihre Probleme selbst lösen sollen

Es hat in einer Verhandlungs- oder Konfliktsituation zum Teil etwas Verräterisches an sich, wenn man über Möglichkeiten nachdenkt, die auch die anderen befriedigen. Man spürt Widerwillen, den Standpunkt der anderen anzuerkennen, geschweige denn, auch noch für sie Lösungen zu finden.

Und dennoch erweitert man ungemein den Horizont, wenn beide Seiten ihre Kreativität zusammenlegen und sie für beide Parteien nutzbar machen.

Grundlegendes zur kreativen Entwicklung von Wahlmöglichkeiten

  1. Der Entwicklungsprozess von Optionen muss vom Beurteilungsprozess derselben abgekoppelt sein.

  2. Ziel muss es sein, viele Optionen zu sammeln, statt nach der einen richtigen zu suchen.

  3. Ausschau nach Vorteilen für alle ist zentral.

  4. Es müssen Vorschläge entwickelt werden, die anderen die Entscheidung erleichtern.

Brainstorming

Der Klassiker der kreativen Entwicklungsmethoden kann ohne weiteres auch in der Verhandlungstechnik im Vorfeld angewandt werden.

Um über Dinge nachdenken zu können, die noch gar nicht bewusst in den Köpfen sind, ist es ratsam eine gute, bunte Mischung von Teilnehmer*innen zusammenzustellen. Es macht sogar Sinn, Leute um die Teilnahme an so einer kreativen Entwicklungssitzung zu bitten, die mit dem Problem gar nichts oder nur sehr peripher zu tun haben. Damit ist die Chance größer, schräge und andersartige Sichtweisen zu bekommen, aus denen vielleicht etwas völlig Neues entstehen kann.

Die Sitzung sollte zeitlich und örtlich von den Verhandlungen getrennt sein und in einem möglichst informellen Rahmen stattfinden. Die Sitzordnung sollte so angeordnet sein, dass die Leute nebeneinander sitzen können. Ein Gegenüber fördert immer den Dialog und könnte in Argumentieren ausarten.

Grundregel ist es, quasi im Feuerwerksverfahren Ideen auszusprechen, die einem gerade durch den Kopf gehen, ohne jeglichen Anspruch auf Durchführbarkeit, Güte, Neuheit und dgl. Es darf im Brainstormingprozess niemals Kritik oder Bewertung ausgesprochen werden, um den kreativen Fluss nicht zu behindern. Niemand muss so Angst haben, als schräger Vogel und Irrealist dazustehen. So wird eine maximale Trennung von Entwicklung und Bewertung garantiert.

Ein*e Moderator*in bekommt die Aufgabe sicherzustellen, dass die Regeln eingehalten und alle Ideen dokumentiert werden.

Nach der Brainstorming-Phase kann das Verbot der Bewertung nun gelockert werden, um die aussichtsreichsten Ideen nach Meinung der Gruppe markieren zu können. Achtung! Es ist hier noch nicht die Entscheidungsphase erreicht!

Darauf folgend wird nach Wegen gesucht, die markierten Ideen noch weiter zu verbessern, realistisch zu machen und so attraktiv wie möglich zu gestalten. Daran anschließend werden die Ideen gewichtet.

Dieses Bukett an Ideen nimmt man dann mit in die Entscheidungsphase, nämlich in die anstehende Verhandlung, um sie sachbezogen zu verhandeln.

Unter gewissen Umständen ist es eventuell möglich, ein Brainstorming mit der Gegenseite durchzuführen. Es sei allerdings auf die Gefahr hingewiesen, dass vertrauliche Informationen vorschnell herausrutschen oder Äußerungen als Vorentscheidung gesehen werden könnten.

Der Vorteil ist, dass dadurch Ideen produziert werden können, die den Interessen aller Beteiligten angenähert sind. Weiters kann die Atmosphäre einer gemeinsamen Problemlösung beziehungsfördernd wirken.

Das Kreisdiagramm

Das Kreisdiagramm ist eine Optionsentwicklungsmethode, die streng nach vier aufeinander folgenden Schritten verläuft. Dadurch sollen gute Ideen wiederum neue, andere Ideen hervorbringen. Zentral ist das Pendeln zwischen Besonderem und Allgemeinem.

Der erste Schritt bezieht sich auf die Beschreibung eines bestimmten Problems. Was ist falsch? Welche Symptome treten durch das Problem auf? Welche unerwünschten Tatsachen stehen einer erwünschten Situation gegenüber?

Der zweite Schritt bezieht sich auf die Analyse eines bestimmten Problems. Es wird diagnostiziert und die Symptome, warum es zum Problem geworden ist, werden aufgelistet; ebenso die Ursachen, Fehlendes und Hindernisse, warum es noch zu keiner Problemlösung gekommen ist.

Der dritte Schritt überlegt sich ein mögliches Vorgehen, dazu passende Strategien oder Rezepte. Dies ist der kreativste Schritt.

Der vierte Schritt schließlich beschäftigt sich wieder konkreter mit der Durchführbarkeit. Was könnte getan werden? Hier werden einzelne Schritte überlegt, die getan werden müssten, um den gewünschten Zustand zu erreichen bzw. das Problem zu lösen.

Das Kreisdiagramm

Eine Ausweitung des Kreativitätspotentials des Kreisdiagramms findet statt, wenn sich mehrere Personen Gedanken in dieser Schrittabfolge machen und dann über die verschiedenen Ergebnisse diskutieren.

Das World Café [29]

 . . . ist eine zugleich einfache und sehr wirkungsvolle Methode, um eine mittlere oder große Gruppe von Menschen in ein sinnvolles Gespräch miteinander zu bringen, zu einem gemeinsamen Thema das kollektive Wissen und die kollektive Intelligenz zutage zu fördern und dabei auch den Spirit der Gruppe zu revitalisieren.

Ein World Café ist sinnvoll, wenn

  • das Wissen und die Intelligenz vieler für ein komplexes Thema genutzt werden sollen
  • man will, dass “alle mit allen reden” und “alle zusammen denken”
  • die gemeinsame Sicht aller zu einem Thema oder einer Frage deutlich werden soll
  • ein Input von außen in einer Gruppe sinnvoll verarbeitet werden soll    
  • Die Methode des World Café fußt auf der zentralen Bedeutung des Gesprächs zwischen Menschen. Durch diese Gespräche findet intensiver Austausch zu einer Frage statt, es werden Realitäten neu interpretiert und Netze von Verbindungen geknüpft. Zukunft entsteht so – übrigens in jeder Organisation und überhaupt - aus einem Gewebe von Gesprächen.

Beim World Café werden Fragen diskutiert. In unterschiedlichen Gruppen und eventuell in einer bestimmten Reihenfolge von Fragen diskutieren alle über alle Fragen und tragen ihre Erkenntnisse zusammen.

Das World Café macht die gemeinsame Antwort aller Teilnehmer*innen aus diesen Fragen sichtbar. Auch wenn es in der Regel nicht darum geht, Maßnahmen zu erarbeiten, können doch schon in dieser Phase neue Handlungsmöglichkeiten erkannt werden.

Das Setting eines World Cafés ist sehr informell. Leitidee ist die entspannte Atmosphäre eines Straßencafés, in dem sich Menschen zwanglos unterhalten. Die Teilnehmer*innen sitzen in kleinen Gruppen an Tischen. Die zwanglose Atmosphäre und die kleinen Gruppen bewirken, dass alle beginnen, sich füreinander zu interessieren und sich wirklich zuzuhören. Sie verteidigen keine Positionen, sondern lassen sich auf ihre Gegenüber ein. Eine Person verbleibt während allen Runden an ein und demselben Tisch, während die übrigen nach 20 Minuten den Tisch wechseln. Die Gruppen sollten nach Möglichkeit immer wieder neu gemischt werden. Alle Gedanken werden auf eine „Papiertischdecke“ geschrieben und verbleiben am selben Tisch. Die folgende Gruppe kann dann daran anknüpfen.

An jedem dieser Thementische verbleibt ein*e Tischherr*dame, ohne sich inhaltlich einzubinden. Seine*ihre Aufgabe ist es vielmehr, darauf zu achten, dass die Ideen auch zu Papier gebracht werden und dass eventuell abschweifende Diskussionen wieder „eingefangen“ werden.

Nach Beendigung des aktiven Teiles des World Cafés werden die Informationen geclustert und dem Ziel des Workshops entsprechend an die Teilnehmer*innen zurückgespielt. Danach wird Raum für Diskussionen und Adjustierungen gelassen.

Als Ergebnisse werden gemeinsam mit den Teilnehmer*innen einige Hauptanliegen formuliert und festgeschrieben.

Kriterien: die Anwendung neutraler Beurteilungskriterien

Die Konfrontation mit widerstreitenden Interessen und Forderungen nach Zugeständnissen ist zentral in der Welt der Verhandlungen. Meist basieren diese Forderungen auf dem persönlichen Willen der Verhandlungsparteien. Will man nun nur seinen Willen durchsetzen, der auf subjektiven Kriterien aufgebaut ist, kann man nicht unbedingt mit einer für alle zufrieden stellenden Lösung rechnen. Dann geht es nur ums Gewinnen.

Der Weg aus dieser Sackgasse ist die Umlenkung des subjektiven Willens auf eine unabhängige Basis bestehend aus objektiven Kriterien. Wenn man sich z. B. mit einer Versicherung über eine Entschädigung für ein Auto streitet, weil die Versicherung offensichtlich versucht, sie so gering wie möglich zu halten, so ist es ratsam, sich auf Rechtsnormen und allgemeingültige Regeln in Bezug auf Entschädigungszahlungen zu stützen. So wird der Druck aus der Verhandlung genommen, die Objektivität wird maximiert und die Wahrscheinlichkeit, am Ende zu einem fairen Ergebnis zu gelangen, steigt.

Nehmen wir mal an, dass im obigen Fall der Entschädigungszahlung der gesetzliche Rahmen Entscheidungsspielräume offen lässt. Im Sinne des dritten Grundmerkmales des sachbezogenen Verhandelns, möglichst viele Optionen zu entwickeln (siehe Kap. 2.4), sollte man verschiedene Maßstäbe im vorhinein überlegen, wie z.B.:

  • Neuwert minus Abnutzung
  • Verkaufswert
  • Wiederbeschaffungswert

Die hierzu passenden neutralen Beurteilungskriterien, die in die Verhandlung mitgenommen werden sollten, wären z. B.:

  • Marktwert
  • Frühere Vergleichsfälle
  • Wissenschaftliche Gutachten
  • Mögliche Gerichtsurteile
  • Kriterien von Sachverständigen

Unabdingbar ist, dass diese objektiven Kriterien unabhängig vom Willen der Verhandlungsparteien sind, d.h. am besten gesetzlich oder allgemein gültig ethisch legitimiert und auch praktisch anwendbar.

Um objektive Kriterien in die Verhandlung einbringen zu können, ist die entschiedene Festlegung, die Objektivität anzunehmen und gleichzeitig in der Verwendung der Kriterien flexibel zu bleiben, zentral.

Die Umlenkung eines Streitfalles auf die Suche nach objektiven Kriterien hat schon so manchen Druck aus einer festgefahrenen Verhandlungssituation genommen. Die Frage als Reaktion auf eine Forderung, wie denn diese zustande gekommen sei, macht die Möglichkeit auf, sich gemeinsam auf die Suche nach Objektivität zu begeben. Das impliziert natürlich, dass es nicht die eigenen Kriterien sein müssen, die zur Anwendung kommen. Jede*r Verhandlungspartner*in kann ebenso mit einer Auswahl in das Gespräch gehen. Dann sollte es das Ziel sein, jenes Kriterium zu finden, dass für beide fair und daher akzeptabel ist. Sollte das bilateral nicht möglich sein, so empfiehlt es sich, eine dritte Person hinzuzuziehen, wo sich im Vorfeld darüber geeinigt wird, deren Entscheidung über das fairste Kriterium dann anzunehmen.

Zusätzlich zu den drei vorangegangenen Grundhaltungen des sachbezogenen Verhandelns verleiht die Stütze auf objektive Kriterien zusätzlich Macht durch Legitimation und es fällt leichter, keinesfalls subjektivem Druck nachzugeben. Man sollte sich nur vernünftigen Prinzipien unterwerfen. Das machtvollste Element ist, um nicht mehr zu bitten, als das was objektiv und fair ist.

Im Anschluss ein sehr plakatives Beispiel zum Verständnis, wie sachbezogenes Verhandeln ablaufen könnte:

Versicherungsvertreter (VV):

„Wir haben Ihren Fall geprüft und sind zu der Entscheidung gekommen, dass Ihre Polizze den Unfall deckt. Sie bekommen eine Entschädigung von € 8.500,--„

Hr. Meier (M):

„Wie sind Sie auf diese Summe gekommen?“

VV: „Das entspricht der Höhe, auf die wir Ihren Wagen schätzen.“

M: „Das verstehe ich, aber nach welchen Kriterien setzen Sie diese Höhe üblicherweise fest? Können Sie mir sagen, wo ich für den Preis einen vergleichbaren Wagen kaufen kann?“

VV: „Wie viel wollen Sie den an Entschädigung?“

M: „Genau so viel, wie die Polizei es vorsieht. Ich habe einen Wagen gefunden, der meinem früheren entspricht, und der € 9.500,-- kostet.“ Inklusive aller Gebühren und Steuern sind das über € 10.000,--.“

VV: „€ 10.000,--! Das ist zu viel!“

M: „Ich fordere nicht € 10.000,-- oder € 9.500,-- oder € 8.500,--, sondern eine faire Entscheidung. Sind Sie der Meinung, dass es nur fair ist, wenn ich genug bekomme, um den Wagen zu ersetzen?“

VV: „Einverstanden. Ich biete Ihnen € 9.000,-- an. Das ist das Höchste, was ich Ihnen geben kann. Das entspricht den Gepflogenheiten der Versicherung.“

M: „Nach welchen Kriterien berechnet die Versicherung das?“

VV: „Schauen Sie, das ist absolut die oberste Grenze. Nehmen Sie es oder lassen Sie es.“

M: „Ich weiß nicht genau, ob € 9.000,-- fair sind. Ich kenne mich da nicht aus. Ich verstehe Ihre Position, wenn Sie an die Gepflogenheiten Ihrer Firma gebunden sind, aber solange Sie mir nicht objektiv sagen können, warum gerade diese Summe berechtigt ist, werde ich wohl die Sache doch vor Gericht weiterverfolgen. Vielleicht sollten wir es aber noch einmal durchsehen und einen weiteren Gesprächstermin ausmachen?“

VV: stimmt zu

VV: „Hr. Meier, ich habe heute eine Anzeige in der Zeitung gefunden, ein Auto wie Ihr früheres, für € 8.700,--„

M: „Aha, wie viele Kilometer hat er?“

VV: „73.000. Warum?“

M: „Meiner hatte erst 24.000. Welcher Wertminderung entspricht das in Ihren Richtlinien?“
VV: „Mal sehen. € 450,--.

M: „Nehmen wir Ihre € 8.700,-- als Grundpreis, dann macht das nun € 9.150,--. Steht etwas über ein Radio?“

VV: „Nein.“

M: „Was macht das nach Ihren Richtlinien aus?“

VV: „€125,--„

M: „Klimaanlage?“

Eine Stunde später kam Hr. Meier mit einem Scheck über € 10.250,-- aus der Versicherungsanstalt heraus.

Zusammenfassung

Die Verhandlung ist eine allgegenwärtige, zutiefst menschliche Erscheinungsform des Gespräches, sowohl in beruflicher, gesellschaftspolitischer und privater Hinsicht. Schon die Kinder lernen schnell zu verhandeln und sei es nur um einen Bissen Schokolade oder um ein paar Minuten Fernsehzeit.

Was ist nun das Geheimnis erfolgreicher Verhandlungen? Was macht einen zum*zur besten Verhandler*in?

Sind es Übung oder Taktiken, Schlüsselwörter oder psychologische Reizungen beim Gegenüber, die einen eine Verhandlung „gewinnen“ lassen?

Sämtliche ernstzunehmende Arbeiten auf diesem Gebiet gipfeln im sogenannten „Harvard-Prinzip“, das von den amerikanischen Wissenschaftlern Fisher, Ury und Patton bereits Anfang des letzten Jahrhunderts entwickelt und seitdem immer wieder verfeinert wurde.

Kurz erklärt geht es darum, sich bewusst zu machen, dass es beim Verhandeln sicher in Sackgassen endet, wenn man nur um Standpunkte und Positionen feilscht und um den eigenen Vorteil kämpft. Sichtweisen und unerkannte Möglichkeiten bleiben im Dunkeln und im schlimmsten Fall werden auch die emotionalen Beziehungen der Gesprächspartner*innen zerstört.

Das „Harvard-Prinzip“ empfiehlt das sogenannte „sachbezogene Verhandeln“, d.h. die Trennung von Inhaltsebene und Verhandlungsprozess ist hier zentral. Es stützt sich dabei auf 4 Grundprinzipien:

  1. Menschen und Probleme getrennt voneinander betrachten, d.h. weitgehend versuchen, die inhaltliche Sachebene von der emotionalen Ebene getrennt voneinander zu behandeln, um so gegenseitig negative Einflüsse zu verhindern. Kooperation, nicht Konfrontation zur Lösungsfindung ist hier das Schlagwort.

  2. Konzentration auf Interessen, nicht Positionen, d.h. der Versuch, die Sicht auf die wirklichen Interessen der Gesprächspartner*innen freizulegen, um eventuell faule Kompromisse zu vermeiden und sogar noch bessere Lösungen zu finden, als anfangs angenommen wurde.

  3. Entwicklung von Optionen zum beiderseitigen Vorteil, d.h. auch unter Druck sich es sich nicht nehmen zu lassen, noch mehr Alternativen zu suchen und sich Wahlmöglichkeiten offen zu lassen, um die Lösungsfindung zu optimieren.

  4. Heranziehung von neutralen Beurteilungskriterien, um Willkür weitgehend einzudämmen. Die Anwendung von allgemeingültig fairen Maßstäben garantiert beiden Parteien die Wahrung ihrer Gesichter. Faire Verhaltensweisen sind so die Folge.

Reflexionsfragen

Welche Elemente zeichnen eine Verhandlung aus?

Vier Elemente des Harvard-Prinzips

Beschreiben Sie kurz jedes der vier Elemente des sachbezogenen Verhandelns des Harvard-Prinzips.

Konfliktlösung

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden zu deinen Worten;

Achte auf deine Worte, denn sie werden zu deinen Taten;

Achte auf deine Taten, denn sie werden zu deinem Charakter;

Achte auf deinen Charakter, denn er wird zu deinem Schicksal.“ [30]

Sind Konflikte etwas Schicksalhaftes, dem man ausgeliefert ist oder sind es schwierige Situationen, an denen man geistig und seelisch wachsen kann, so man sich ihnen, so gut es geht, stellt?

Dieser Frage widmet sich diese Lektion. Sie soll Hintergrundinformationen über das Thema „Konflikte“ liefern und in praktischen Ansätzen gipfeln, wie man Konflikten begegnen kann, damit sie beendet oder gewendet werden können.

Nach Durcharbeitung dieser Lektion sollten Sie in der Lage sein:

  • zu erkennen, was ein Konflikt ist und dessen Erscheinungsformen

  • die Eskalationsstufen von Konflikten zu bestimmen

  • Vor-, Nachteile und Verschärfungsmodi von Konflikten zu erkennen

  • Werkzeuge zu deren Lösung anzuwenden

Begriffsbestimmung

Confligere“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „zusammenstoßen“. Das impliziert Energie und es braucht immer mindestens zwei dazu. Eine Abweichung dazu sind die sogenannten „psychischen Konflikte“, die wir mit uns selbst austragen:

Wir fernsehen, obwohl wir uns eigentlich vorgenommen haben, zu lernen. Wenn wir uns entscheiden, den Fernseher abzudrehen, einige Seiten durcharbeiten und dann wieder fernsehen, haben wir den Konflikt gewonnen. Falls wir allerdings mit schlechtem Gewissen weiter fernsehen, leiden wir mehr oder weniger unter diesem psychischen Konflikt.

Diese psychischen Konflikte gibt es in privaten und beruflichen Kontexten. Die vorliegende Lektion befasst sich mit den sozialen Konflikten zwischen Individuen, die von den folgenden Faktoren gekennzeichnet sind [31]  :


Mindestens 2 Personen agieren in einer Situation

Das heißt, mit anderen im Konflikt zu stehen, impliziert, dass die andere Partei schuld bzw. zumindest daran beteiligt sei, analog zu dem Motto, dass alleine streiten (außer bei psychischen Konflikten) nicht möglich ist.

Jede Partei verfolgt eigene Ziele und Interessen

Obwohl man in einem Konflikt meist der Meinung ist, dass die anderen einen schlicht und ergreifend ärgern möchten, so ist es dennoch möglich, dass sie einfach „nur“ eigene Interessen und Ziele verfolgen.

Die Parteien sind voneinander abhängig

Einerseits entstehen keine Konflikte, wenn zwei Menschen in einer Situation nicht voneinander abhängig sind, andererseits eskalieren Konflikte umso schneller, je größer die Abhängigkeit und je kleiner der Handlungsspielraum ist:

Es existiert ein Handlungsspielraum, in dem Parteien eigene Entscheidungen treffen können

Zum Beispiel werden wir uns während eines Staus weniger über das direkt vor uns fahrende Auto ärgern, da wir wissen, dass es dem*der Lenker*in genauso geht wie uns. Da gibt es keine Wahl, keinen eigenen Handlungsspielraum.

Diese Faktoren lassen die Machtspiele erkennen, deren sich Konflikte bedienen, das Ausspielen von Abhängigkeiten und Handlungsspielräumen.

Arten von Konflikten

Dieses Kapitel soll auf einige zentrale Unterschiede zwischen Konflikten hinweisen. Die Literatur bietet unzählige Einteilungsformen. Die wichtigsten und gängigsten wurden hier zusammengefasst mit der Intention zu helfen, die Entstehung von Konflikten besser zu verstehen und auch geeignete Werkzeuge zu deren Lösung zu finden und auszuwählen.

Zielkonflikte

Menschen, im privaten oder beruflichen Kontext, verfolgen unterschiedliche, konkurrierende Ziele, die daher nicht miteinander vereinbar sind.

Möchte zum Beispiel eine Abteilungsleiterin ihre Mannschaft zu herausfordernden Leistungen bewegen, die vermehrten Einsatz benötigen, während aber gerade mehrere ihrer Mitarbeiter*innen zurückstecken möchten, um sich mehr auf ihr Privatleben zu konzentrieren. Oder,

der Vertriebschef möchte die Lieferzeit für seine Kund*innen reduzieren, was aber die Lagerkosten erheblich ansteigen ließe und daher in Konflikt mit den Vorgaben der Lagerleitung treten würde. Oder,

der Ehemann möchte im Urlaub gerne ausgedehnte Bergtouren machen, während die Ehefrau einen Entspannungsurlaub am Meer anpeilt.

Methodenkonflikte

Hier sind die Ziele übereinstimmend, aber es herrscht Uneinigkeit über die Wege zur Zielerreichung.

Nach der Fertigstellung einer umfassenden Corporate Identity möchte die Geschäftsführung, dass bei jedem Kund*innengespräch die neuen Broschüren übergeben werden. Die Abteilungsleiter*innen finden das übertrieben und möchten selbst entscheiden, wann es passend ist, den Kund*innen die Broschüren zukommen zu lassen. Oder,

die Eltern möchten gerne zu Fuß den Berg erklimmen, die Kinder möchten mit der Zahnradbahn fahren.

Wertekonflikte

Hier stehen verlangte Handlungen im Konflikt mit den Werten des Betroffenen.

Zum Beispiel wird von einem Projektleiter einer Eventagentur verlangt, einen neuen Geschäftszweig, der sich mit der Veranstaltung von „Scheidungsparties“ beschäftigt, aufzuziehen. Der Projektleiter ist aber tief katholisch und lehnt Scheidungen von Grund auf ab. Oder,

in einer Abteilung wird vor dem Abschluss eines Projektes für einen bestimmten Zeitraum Mehrarbeit an Samstagen verlangt. Mehrere Mitarbeiter*innen wehren sich, weil sie an Samstagen immer ehrenamtliche Tätigkeiten verrichten.

Bewertungs- bzw. Beurteilungskonflikte

Die Parteien kommen in ihren Überlegungen zwar zu ähnlichen Schlüssen, bewerten diese Ergebnisse bzw. Auftretenswahrscheinlichkeiten aber unterschiedlich.

Zwei Forscher, die am gleichen Projekt arbeiten, bewerten die Eintretungswahrscheinlichkeiten von bestimmten Features während der Versuchsreihe unterschiedlich hoch und zusätzlich deren Wichtigkeit auf den Fortschritt der Untersuchung unterschiedlich stark.

Rollenkonflikte

Das Eingespanntsein einer Person in unterschiedliche Erwartungshaltungen, die aus verschiedenen Rollen resultieren, nennt man Rollenkonflikte.

Die typische „Sandwichfunktion“ einer Führungskraft kann hier als Beispiel angeführt werden, wo sie gleichzeitig Vorgesetzte*r, Mitarbeiter*in und Kolleg*in ist und in alle Richtungen möglichst erwartungsgerecht handeln möchte.

Verteilungskonflikte

entstehen bei der Vergabe von Unteilbarem, sei es ein Arbeitsbereich, eine Führungsposition, ein Themengebiet, eine Rolle oder Ähnlichem. Der Gewinn des einen bedeutet den Verlust des anderen.

Wirkung von Konflikten

Sei es ein Krieg oder ein relativ kleiner Streit zwischen zwei Freund*innen, man hat das Gefühl, dass Spannungen und Reibungen in unserer Zeit im Steigen begriffen sind und vor allem die Menschen diesen Situationen relativ hilflos gegenüberstehen. Die Folge davon ist, dass auch Organisationen in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen nicht ausreichend für die konstruktive Bearbeitung bzw. Vermeidung von Konflikten ausgestattet sind.

Konfliktscheu oder streitlustig?

Oftmals kann man bei Menschen zwei Extremhaltungen in Konfliktsituationen beobachten: sie sind entweder konfliktscheu oder streitlustig:

konfliktscheu streitlustig
Persönliche Haltung Fluchttendenz:

Die Person räumt das Feld;
Wertet sich selbst ab;
Ordnet eigene Interessen denen der anderen unter;

Aggressionstendenz:

Die Person verletzt und beleidigt;
Ist egozentrisch und verfolgt nur eigene Interessen;
Ist draufgängerisch und überheblich

Organisationskultur Eher formeller Umgang;

Distanzfördernde Strukturen und Prozesse;
Systemmacht durch Normen und Positionen ist vorrangig;

Eher informeller Umgang;

Konfrontationsfördernde Strukturen und Prozesse;
Persönliche Macht ist vorrangig;

Wirkung in der Gemeinschaft „Kalte Konflikte“; [32]

energielähmend;
statisch und schwerfällig;
Tod durch Erstarren;

„Heiße Konflikte“; [33]

hektisch und überdynamisch;
oberflächlich; Tod durch Anarchie - Selbstauflösung

Treten diese Phänomene in der Gemeinschaft auf, so kann die konfliktscheue Haltung zu Konfliktunterdrückung führen, die in der Folge erstarrend wirkt und Freude, Kreativität und Lebendigkeit verschwinden lässt.

Ist die streitlustige Haltung vorherrschend und über alles heftig gestritten, so kann dies jegliche Gemeinsamkeit zerstören.

Es sei darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier angeführten Beschreibungen um einseitige Ausprägungen handelt, die selten in dieser reinen Form auftreten.

Da Konflikte immer menschenoriginär sind, wäre die Methode zur Besserung im ersten Schritt die Steigerung der persönlichen Konfliktfähigkeit, welche aus den folgenden Komponenten besteht: [34]

  • Frühe und deutliche Wahrnehmung von Konfliktphänomenen in einem selbst bzw. in Ihrer Umgebung;
  • Verständnis, welche Mechanismen zur Intensivierung von Konflikten und deren Verstrickung beitragen;
  • Anwendung von vielfältigen Methoden, um das eigene Anliegen zum Ausdruck zu bringen ohne die Situation wesentlich zu verschlimmern;
  • Anwendung von Mitteln und Wegen, die zur Klärung von Standpunkten und Situationen beitragen;
  • Erkennen von eigenen Grenzen, was Wissen und Können betrifft und daher zur Beiziehung von Hilfe von außen führen sollte;

Ein ansteigender Grad an Konfliktfähigkeit der Menschen in einer Organisation oder Gruppe führt gleichzeitig zu einem Ansteigen der „Konfliktfestigkeit“ derselben. Das heißt, die Gemeinschaft ist fähig, Diskrepanzen konstruktiv zu bearbeiten, damit sie nicht entscheidungsblockierend oder zerstörerisch wirken. Ähnlich wie bei Maschinen mit geringer „Störanfälligkeit“ mit der gleichzeitigen Möglichkeit, sie nach Beseitigung einer doch auftretenden Störung, sie wieder in Bewegung setzen zu können.

Das Problem bei vielen Gruppierungen, sei es nun privater oder beruflicher Natur ist, dass sie nur bei „Sonne“ gut funktionieren – bei Änderung der Wetterlage werden sie schnell schwer beschädigt oder brechen gar zusammen.

Im Folgenden werden vergleichend die Grundannahmen der beiden extremen Konflikthaltungen zu jenen der Konfliktfähigkeit angeführt [35]  :

konfliktscheu konfliktfähig streitlustig
„Konflikte kosten nur Kraft – Hände weg davon!“ „Aggressionen sind Energie – positiv umleiten!“ „Konflikte steigern meine Vitalität!“
„Offene Konflikte zerstören vieles unnötig!“ „Konflikte helfen, sich von Überkommenem zu lösen!“ „Nur aus Chaos entsteht Neues!“
„Konflikte vertiefen nur die Gegensätze, die im Grunde nicht lösbar sind!“ „Unterschiede sind lebensnotwendig, das Arbeiten an Differenzen bereichert!“ „Konsens ist Illusion – der Krieg ist Vater aller Dinge!“

Vorteile und Nachteile von Konflikten 

Eng verbunden mit den genannten Grundhaltungen sind nun die positiven bzw. negativen Auswirkungen von Konflikten. Ob ein Mensch eher konfliktscheu oder streitlustig ist, hängt ganz von seinem Charakter, von seinen Lebenserfahrungen, seiner Erziehung und seinem gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Umfeld ab. Dementsprechend zeigt es sich auch, ob jemand einem Konflikt hoffnungsvoll oder ängstlich gegenübersteht.

Die folgende Abbildung ist eine Auflistung von möglichen Gefahren und Nutzen von Konflikten für zwischenmenschliche Beziehungen, wobei vorab darauf hingewiesen wird, dass dies nicht allgemeingültig ist, sondern vielmehr abhängt von:

  • der Situation, in der sich die Gemeinschaft vor dem Konflikt befindet und
  • von der Heftigkeit, in der eine Haltung praktiziert wird.

Exkurs: Ausprägungen von Merkmalen/Eigenschaften

Verschiedene Grade von Ausprägungen von Merkmalen bzw. Eigenschaften können unterschiedlich positiv bzw. negativ wirken, z. B. die Eigenschaft „Flexibilität“ führt bei maximaler Ausprägung zu chaotischem Verhalten, bei minimaler Ausprägung zu Erstarrung.

Merkmalsausprägungen am Beispiel „Flexibilität“

Das heißt:

  • Bei einseitiger oder übertriebener Ausprägung werden Extreme gebildet.
  • Wenn eine Ausprägung anfangs hilfreich gewirkt hat, so kann sie bei unmäßiger Verstärkung neue Probleme aufwerfen.
  • Eine Ausprägung kann in einer Situation problemhaft, in einer anderen aber durchaus problemlösend wirken.

Mit diesem Wissen über die Wirkungsweise von Merkmalsausprägungen sind die folgenden Ausführungen über Vor- und Nachteile von Konflikten zu lesen [36]  :

Situation Ein Konflikt könnte der Vorteil bringen, dass .. Ein Konflikt könnte die Gefahr bergen, dass ..
In der Gemeinschaft/Organisation bestehen diffuse Standpunkte. ... endlich klare Positionen eingenommen werden. ... sich übertriebene und erstarrte Standpunkte bilden.
Menschen zeigen bei Auseinandersetzungen kein Profil. ... Personen deutlich sichtbar und spürbar sind. ... Menschen extreme und fanatische Züge zeigen.
Das Gemeinschaftsleben ist lustlos. ... es zu intensiven Emotionen kommt und Energie geweckt wird. ... Emotionen überwiegen und zu Unsachlichkeit führen.
Bestehende Strukturen sind erstarrt und wirken behindernd. ... starre Formen radikal aufgelöst werden. ... jegliche Form zerstört wird und Chaos und Anarchie bleiben bzw. um sich greifen.
Alte Denkgewohnheiten sind tief verwurzelt. ... alte Prinzipien und Gewohnheiten hinterfragt werden. ... totale Verunsicherung auftritt und jeder Halt verloren geht.
Bestehende Machtstrukturen unterdrücken Innovationen. ... es zu Machtwechsel und Erneuerungen kommt. ... Macht und Gegenmacht einander zerstören.

Konfliktphasen

Es gibt unterschiedliche Einteilungen betreffend Konfliktphasen, mir erscheint jene nach Glasl am deutlichsten und ausführlichsten [37] .

Der Nutzen, den man hat, wenn man über die verschiedenen Phasen Bescheid weiß, ist, dass man

  • weitere unerwünschte Eskalationsphasen verhindern kann.
  • den Konflikt bewusst weiter eskalieren lassen kann.
  • aufgrund der Erkenntnis der Stufe und der Tatsache, dass man die Probleme selbst nicht mehr im Griff hat, Hilfe von außen suchen kann.

Die Grundfrage, die zuerst gestellt werden muss, ist, ob die betroffenen Personen einen Konflikt haben oder der Konflikt die Personen „hat“. Solange die Personen einen Konflikt haben, besitzen sie noch Selbstkontrolle und Selbstführung, das heißt, sie haben das Geschehen (noch) im Griff.

Falls die Situation kippt, und Selbstkontrolle und –führung verloren gehen, dann handeln die Personen fremdgesteuert, eigene Ziele und Verhaltensmöglichkeiten werden eingeschränkt:

Macht des Konflikt

Die untere zeigt im Überblick die neun Eskalationsstufen nach Glasl [38]  :

In der Verstärkungsstufe kommt es immer häufiger zu Kommunikationsstörungen und Verkrampfungen. Die Gespräche drehen sich im Kreis, es gibt kaum mehr nennenswerte Ergebnisse. Entscheidungen werden in Frage gestellt, Diskussionen laufen zum Teil chaotisch ab.

In der Stufe „Debatte und Polemik“ wird der eigene Standpunkt immer wichtiger – wird fast gleichrangig mit der inhaltlichen Auseinandersetzung. Die unterschiedlichen Meinungen sorgen immer weniger für Kreativität und Aufbruch, stattdessen greift Polarisierung um sich. Es wird nach Schwächen und Fehlern gesucht und als Kampfmittel eingesetzt:

  • die Diskussion wird auf Themen gelenkt, in denen man sich sicher und überlegen fühlt
  • Argumente werden gesucht, um die Gegenpartei seelisch-emotional zu verunsichern; Ober- und Untertöne sind im Missklang; Argumente und Gegenargumente erfolgen im Ping-Pong-Stil. Es wird polemisiert und versucht, zu imponieren und Unbeteiligte auf die eigene Seite zu ziehen
  • Zeitliche Abfolgen werden mit kausalen Verknüpfungen (absichtlich) verwechselt und als Kampfmittel eingesetzt (in dieser Stufe sind die Erklärungsmodelle der Transaktionsanalyse besonders sichtbar – siehe Lektion 1)

Wenn die Stufe „Taten statt Worte“ erreicht ist, dann ist man der Meinung, dass Diskussionen nur mehr verwirren und nur mehr Taten das Geschehen beeinflussen können. Der Argwohn steigt und es wird vermehrt auf die Diskrepanz zwischen verbalem und non-verbalem Ausdrucksverhalten geachtet. Cliquenbildung, Parteiergreifung, interner Gruppendruck und Konformitätsdruck [39] sind Phänomene dieser Phase.

Der seelische Abstand der Konfliktparteien beginnt in der Phase „Images und Koalitionen“ dramatisch zuzunehmen. (Positive) Eigenbilder und (negative) Fremdbilder werden entworfen und stark fixiert. Der psychologische Effekt der „selbsterfüllenden Prophezeiung“ [40] greift hier, ohne dass die Parteien durchschauen, dass sie sich damit in extreme Rollen drängen, die sie eigentlich gerade bekämpfen. Es werden „paradoxe Beziehungen“ hergestellt, das heißt, das „Feindbild“ wird bewusst in der Nähe behalten, um es bekämpfen bzw. als Blitzableiter verwenden zu können.

Die Phase „Gesichtsverlust“ ist sehr „enttäuschend“. Man meint, die wahren Absichten der Gegner*innen zu durchschauen. Es werden nur noch die gefährlichen Seiten gesehen, mögliche positive Anschauungen werden ausgefiltert oder verdrängt.


Eskalationsstufen nach Glasl

1.Verstärkung 2.Debatte, Polemik 3.Taten statt Worte 4.Images und Koalitionen 5.Gesichtsverlust 6. Drohstrategien 7.Begrenzte Vernichtung 8.Zersplitterung 9.Gemeinsam in den Abgrund

Standpunkte ver-

härten zuweilen und prallen aufeinander

Polarisieren im Denken, Fühlen, Wollen Reden hilft nicht mehr – also Taten! Strategie der vollendeten Tatsachen Stereotype Images, Klischees bezüglich Wissen und Können, Imagekampagnen. Gerüchte Öffentliche und direkte persönliche Angriffe – moralische Integrität geht verloren Spirale von Drohung und Gegendrohung Denken bewegt sich nur noch in „Ding – Kategorien“ Den Zusammenbruch des feindlichen Systems bewirken Kein Weg mehr zurück
Zeitweilige Ausrutscher und Verkrampfung Schwarz-Weiß-Denken Diskrepanzen zwischen verbalem und non-verbalem Verhalten, Nonverbales dominiert Parteien manövrieren einander in negative Rollen und bekämpfen diese

Inszenierte Demaskierungs-aktionen als Ritual: „Entlarvung führt zu Enttäuschung“,

Aha Erlebnis ?

Droh – Dreieck: Entsprechung von Forderung/ Bestrafung/ Strafmöglichkeit; Glaubwürdigkeit durch Proportionalität Keinerlei menschliche Qualitäten mehr gültig Vitale Systemfaktoren oder Organe zerstören, dadurch das System unsteuerbar machen Totale Konfrontation
Bewusstsein der bestehenden Spannung bewirkt Krampf Taktiken: So tun, als ob rational argumentiert würde; verbale Gewalt Fehldeutung der Taten Werben um Anhänger, Bedarf an Stütze aus Schwäche

Bild: Engel – Teufel

Doppelgänger

Selbstbindungsaktivitäten („Stolperdrähte“) Begrenzte Zerstörungen als „passende Antwort“ (Vermeiden von überproportionalen Gegenschlägen) Abschnüren der „Frontkämpfer von ihrem Hinterland“ Vernichtung des Feindes zum Preis der Selbstvernichtung
Überzeugung herrscht vor, Spannung sei durch Gespräch lösbar Reden zur Tribüne: Über Dritte Punkte gewinnen Pessimistische Erwartung aus Misstrauen bewirkt Konflikt-beschleunigung Selbsterfüllende Prophezeiung durch Fixierung auf Bilder Ekel, ausstoßen, verbannen Sich selbst in Handlungszwang manövrieren, Verlust der Initiative Umkehren der Werte und Tugenden ins Gegenteil: Relativ kleiner Schaden wird als „Gewinn“ betrachtet Gänzliche Zerstörung: physisch – materiell (wirtschaftlich) und / oder seelisch – sozial und / oder geistig Lust an Selbstvernichtung – wenn nur der Feind zugrunde geht!
Noch keine Starren Parteien und Lager Zeitliche Gruppierungen bilden sich um Standpunkte herum Gruppenhaut, Meinungsdruck, „Gleich und gleich gesellt sich gern“, Rollenkristallisation Verdecktes schwer nachweisbares Reizen, Sticheln, Ärgern Verlust der Außenwahrnehmung, Isolation in „Echo – Höhle“ Stress gesteigert durch Ultimata und Gegenultimata, Scherenwirkung



Bereitschaft mit einem Untergang auch die Umgebung bzw. Nachkommen nachhaltig zu schädigen


Diskrepanz Oberton-Unterton Einfühlungs-vermögen geht ganz verloren Doppelte Bindung durch paradoxe Aufträge Ideologie, Werte, Prinzipien! Beschleunigung





Kampf um Überlegenheit

(TA-Modell)



Rehabilitierung angestrebt





Bei großflächigen Konflikten ist es diese Phase, in der die „Dämonisierung“ von Menschen oder ganzer Gruppen stattfindet. Dieser Schritt der Eskalation drückt sich immer in radikaler und schonungsloser Sprache aus, Personen oder Gruppen werden ausgestoßen und/oder ignoriert. Die Gegenpartei sinniert über Gegenangriff, um den Ruf zu wahren beziehungsweise zurück zu gewinnen.

Falls noch keine Mittel und Wege zur Konfliktlösung gefunden wurden, tritt der Konflikt in die Phase „Drohstrategien und Erpressung“ ein. Die Parteien möchten einander zum Nachgeben zwingen. Es werden negative Sanktionen angedroht, vor dem Hintergrund, diese auch tatsächlich wahr zu machen, sollte der*die Gegner*in nicht nachgeben wollen. Die bedrohte Partei entscheidet, ob sie die Drohung ernst nimmt. In dieser Phase bestimmen Drohungen und Gegendrohungen die Situation. Der Zeitdruck steigt, Folgen von Drohungen und Erpressungen greifen um sich, Über-Reaktionen treten auf und der Konflikt zieht immer größere Kreise.

Ab der Stufe „Begrenzte Vernichtungsschläge“ werden Drohungen in Taten umgesetzt. Es herrscht das Bewusstsein, dass es nichts mehr zu gewinnen gibt, außer der Tatsache, dass der Verlust der gegnerischen Seite größer sein soll, als der eigene. Schadenfreude, List und Lüge sind an der Tagesordnung, bevor in der nächsten Stufe „Zersplitterung“ das wirtschaftliche, materielle, psychische und/oder geistige Dasein des*der Gegner*in vernichtet werden soll. Bei einer Organisation wäre das zum Beispiel der Angriff auf Systeme, wie Qualitätskontrolle, Zeitkontrolle, Kostenkontrolle usw. Es sollen wichtige Funktionen lahm gelegt werden, um die Regenerierung des Feindes zu verhindern.

In der letzten Stufe sehen die Parteien keinen Weg mehr zurück. Die Konfrontation zielt auf die Vernichtung der Gegner*innen, im Notfall wird auch die Selbstvernichtung nicht gescheut.

Mittel und Wege zur Konfliktlösung

Der Startpunkt auf dem Weg zur Konfliktlösung liegt in der Fähigkeit, Konflikte überhaupt zu erkennen bzw. zu erspüren. Wie man in den vorhergegangenen Kapiteln gesehen hat, beginnen Konflikte selten mit einem Knall, sondern bahnen sich allmählich an und steigern sich in Stufensprüngen.

Grundsätzlich ist in der Anfangsphase beziehungsweise auch zur Konfliktvorbeugung der Einsatz der im Kapitel 1.2 behandelten psychohygienischen Verhaltensmerkmale von Vorteil, da es sich empfiehlt, rasch nach der Wahrnehmung eines Konfliktes mit dem Gegenüber darüber zu sprechen.

Das zentrale Element eines solchen Gespräches sollten die Ich-Botschaften sein (vgl. Kap. 1.4.3), da sie zuverlässig dafür sorgen, nicht ein Verhalten oder eine Eigenschaft meines Gegenübers anzuprangern und damit womöglich gleich den Konflikt anzuheizen. Zusätzlich dazu kann die Methode des „aktiven Zuhörens“ positive Ergebnisse und Verstärkungen bieten. Auch die aktive Trennung von Sach- und Beziehungsebene verbunden mit verbalisieren und paraphrasieren leistet hier gute

Dienste.

Das heißt, dass sämtliche Methoden zur Kommunikationsverbesserung, wie sie in Lektion 1 beschrieben sind, hier zur Konfliktvermeidung bzw. -lösung einen beträchtlichen Anteil an positivem Weiterkommen bieten können.

Zur Übung zur Konflikterkennung empfiehlt Glasl folgende Fragenkaskade: [41]

  1. Welche Hauptmerkmale eines Konfliktes sind für mich direkt erkennbar? Worauf gibt es klare Hinweise?

  2. Bei welchen Punkten bin ich mir nicht sicher und muss Vermutungen anstellen? Schreiben Sie die Vermutungen klar nieder.

  3. Überprüfen Sie die Situation nochmals: was spricht für, was gegen Ihre Vermutungen? Fallen Ihnen jetzt noch weitere Symptome auf?

  4. Versuchen Sie, Prognosen zu machen. Wie könnte der Konflikt weitergehen? Welche Alternativen gibt es? Was wären mögliche Folgen des Konfliktverlaufes?

  5. Stellen Sie Überlegungen über die Eskalationsstufe an, in der sich der Konflikt gerade befinden könnte.

  6. Ist der Konflikt noch in der Phase, in der die Parteien einen Konflikt haben oder hat der Konflikt bereits die Kontrolle übernommen? (vgl. Abb. 15 in Kap. 3.4)

Wenn man sich so in der Konflikterkennung übt und fähig wird, bereits schwache Signale zu orten, kann man schon die ersten Mittel einsetzen und Wege beschreiten, dem aufkeimenden Konflikt zu begegnen.

Aufgabe 6: Konfliktanalyse

Wählen Sie einen Artikel aus einem Medium Ihrer Wahl aus, der einen Konflikt zum Thema hat.

Lesen Sie diesen aufmerksam durch und analysieren Sie den Konflikt schriftlich anhand der oben angeführten sechsteiligen Fragenkaskade zur Konflikterkennung nach Glasl.

Selbsthilfe und gegenseitige Hilfe („Nachbarschaftshilfe“)

Analog zur Abbildung 16 argumentiert Glasl [42] , dass in den ersten drei Eskalationsstufen durch Zuhilfenahme von den hier im folgenden beschriebenen Methoden der Selbsthilfe bzw. „Nachbarschaftshilfe“ Lösungen gefunden werden können, dann aber eine klare Grenzziehung erfolgt.

In den darüberhinausgehenden Stufen ist professionelle Hilfe von außen gefragt, wie Prozessberatung und -begleitung, Vermittlungsmethoden bis zu Schiedsverfahren und endlich Machteingriffe.

Sämtliche Kommunikationserheller beschrieben in Lektion 1 sind klassische Instrumente der Selbsthilfe und sind sowohl bei Konflikten in der Zweierbeziehung als auch in der Gruppe anwendbar.

Sehr wirkungsvoll kann auch die Methode des „Konsenses über die unerwünschte Zukunft“ [43] sein. Mit dem Vermitteln meiner Grenzziehung, über welches Stadium ich auf keinen Fall den Konflikt kommen lassen möchte, kommuniziere ich, wie wichtig es mir ist, die Situation nicht abdriften zu lassen. Z.B.: „Ich möchte keinesfalls, dass dieser Konflikt die gute Beziehung unserer Unternehmen zerstört“.

Auch die Methode der „Prolepsis“ [44] kann einer Eskalation so manchen Wind aus den Segeln nehmen. Hier versucht man, Einwände bevor sie kommen, abzufangen, zu diskutieren und ihn so zu entschärfen. Eine dementsprechende Formulierung könnte folgendermaßen lauten: „Es wäre möglich, dass Sie hier einwenden, dass….“.

Grundsätzlich ist es bei sämtlichen Methoden absolut notwendig, dass man fähig und willig ist, Gefühle auszusprechen und mit den Gefühlen anderer umzugehen. In Gruppen, wo die Stimmung laufend konfliktgeladen ist, herrscht oftmals eine Kultur, wo es nicht möglich oder üblich ist, wertschätzend Gefühle zu thematisieren. Die Schaffung einer Kultur, wo dies möglich ist, wäre ein erster Schritt in Richtung Konfliktvermeidung bzw. -lösung.

Wenn es leichter fällt, Befindlichkeiten schriftlich statt mündlich auszudrücken, dann kann man die Methode des „rollierenden Tagebuches“ [45] anwenden. Dabei werden Gesprächsrunden unterbrochen, um reihum schriftlich Eindrücke des bisher Gesprochenen und Erwartungen des weiteren Gesprächsverlaufes anonym niederzuschreiben. Die Ergebnisse werden dann laut vorgelesen, um Hinweise auf vorliegende Spannungen oder Irritationen zu erhalten.

Foren für Problemmeldungen einzurichten, sind bewährte Methoden in Organisationen, um Konflikte bzw. Konfliktpotentiale zu orten: Ombudsmänner bzw. -frauen, Vertrauenskreise oder auch Konflikt-Coaches können diese Funktion übernehmen.

Es sei an dieser Stelle hingewiesen, dass jede Führungskraft die Konfliktortung, -vermeidung und -bewältigung als zentrales Element ihrer täglichen Führungsarbeit sehen sollte. Nicht nur das Mitarbeiter*innengespräch in seiner strukturierten Form, auch die alltägliche Kommunikation sollte konfliktvermeidende Elemente enthalten und die Möglichkeit bieten, aufkeimende Konflikte zu bearbeiten und nicht eskalieren zu lassen.

Unter „Nachbarschaftshilfe“ ist die Beiziehung von unbeteiligten Dritten zu verstehen, die nicht als professionelle Konfliktberater ausgebildet sind. Voraussetzungen dafür sind, dass die Konfliktparteien zu diesen Personen Vertrauen fassen und jene fähig sind, als kollegiale Dritte Kenntnis über Kommunikationsmechanismen und deren Möglichkeiten haben.

Das können Führungskräfte genauso sein, wie Kolleg*innen, unbeteiligte Partner*innen oder sonstige Personen, die sich bereit erklären, konflikterhellend zu agieren und die eine oder andere oben genannte Methodik anzuleiten oder anzuregen.

Immer aber ist es oberstes Gebot, ein Auge auf mögliche Grenzüberschreitungen durch Selbst- oder Nachbarschaftshilfe zu haben.

Konfliktgespräche

Egal, ob man an einem Konflikt direkt oder „nur“ indirekt beteiligt ist: das Konfliktgespräch stellt die Königsdisziplin der schwierigen Gespräche dar. Einleitend ist auf die Methodik der Vorbereitung von schwierigen Gesprächen nach dem 4-Seiten-Modell von Schulz von Thun (Kap. 1.4.5) und das Stufenmodell der Gesprächsvorbereitung hinzuweisen.

Auch die Bewusstmachung, ob das Gespräch „auf Augenhöhe“ (z.B. Kolleg*in) stattfinden wird, oder Rahmenbedingungen oder Einflüsse herrschen, die das Gegenüber bildlich nach „oben“ (z. B. Vorgesetzte*r, Respektsperson) oder „unten“ (z. B. Mitarbeiter*in, Kind) transferieren, ist wesentlich.

Sei es nun, dass man Kritik (fair) äußern möchte, dass ein für das Gegenüber unangenehmes Anliegen platziert werden muss, dass schlechte Nachrichten überbracht werden müssen oder ganz allgemein schwierige Themen, verbunden mit der Gefahr, beträchtlichen Einfluss auf Emotionen zu nehmen, angesprochen werden müssen – die sorgfältige Vorbereitung und Besinnung auf kommunikationserhellende Methoden tragen wesentlich zum Erfolg bei.

Positiv wirkt nachweislich die Übung in schwierigen Gesprächen. Man wird mit verschiedenen Techniken vertraut, kann ihre Wirkung einschätzen, die eigene Selbstbehauptung steigern und zusätzlich dazu stärken Erfolge den Rücken für kommende Ereignisse.

Schlichtungsgespräche

Das klassische Schlichtungsgespräch wird von Personen geführt, die in einem anstehenden Konflikt nicht oder „nur“ indirekt beteiligt sind. Sie fungieren als eine Art „Zwischeninstanz“, die zum gegenseitigen Verständnis der Gegenparteien und somit zur Konfliktbehebung führen soll.

Dabei werden in zwei getrennten Vier-Augen-Gesprächen mit den Konfliktbeteiligten erst Fragen zur Entstehung, der aktuellen Situation des Konfliktes und zur zukünftigen Situation geklärt.

Falls es nach diesen Gesprächen nicht möglich ist, dass die beiden Konfliktpartner*innen direkt miteinander reden, findet das dritte Gespräch mit allen dreien, nach klarer Terminvereinbarung, statt.

Zu Beginn findet die Klärung über die Rolle der Schlichtungsperson und die Rahmenbedingungen des Gespräches statt:

  • Die Schlichtungsperson agiert allparteilich.
  • Das Gespräch sollte sehr eng geführt werden – also nach dem Bild eines gleichseitigen Dreiecks.
  • Die beiden Konfliktparteien sprechen nicht direkt miteinander, sondern ausschließlich mit der Schlichtungsperson, um die Gefahr einer Eskalation so deutlich zu verringern.
  • Wenn mit einem der beiden gesprochen wird, dreht man sich dieser Person voll und ganz zu, sodass der*die andere Konfliktbeteiligte ein Stück außen vor bleibt und zuhören kann.
  • Die Schlichtungsperson bestimmt die Länge der Redezeiten.
  • Das Gespräch wird so lange geführt, bis es zu einem befriedigenden Ergebnis geführt hat. Es soll weder unterbrochen, noch vertagt werden.

In weiterer Folge erläutert jeder der Konfliktpartner*innen seine*ihre Sichtweise im Zweiergespräch mit der Schlichtungsperson in abwechselnder Reihenfolge. Fokus ist, die verschiedenen Sichtweisen, deren Subjektivitätsgrad ja sehr hoch ist, zu verstehen. Wenn die Inhaltsebene klar und verständlich wird, sollte man auf die Beziehungsebene übergehen und nach den wechselseitigen Gefühlen fragen.

Nachdem die Sichtweisen klar sind, kann in die Annäherungsphase übergegangen werden. Es sollte nun wesentlich entkrampfter und entspannter sein. Danach schließt die Lösungsphase an, in der man mit lösungsorientierten Fragetechniken [46] arbeiten kann, wie z.B. „Was ist denn bisher gut gelaufen? Was möchten Sie denn gerne beibehalten?“, um die positiven Seiten hervorzukehren und als Basis für weitere Lösungen nutzen zu können. Weiters können Fragen, wie: „Stellen Sie sich vor, Ihr Problem wäre über Nacht weggezaubert – was wäre dann morgen für Sie anders?“

Diese Fragetechniken bewirken eine Umkehr im Denken. Sie bringen die Leute zum Nachdenken, weil nicht so schnell geantwortet werden kann, wie bei den uns üblicherweise bekannten Fragetechniken. Es ist ein Unterschied, ob ich frage: „Was haben denn ihre Mitarbeiter*innen dazu zu sagen?“ oder ob ich frage: „Woran werden denn Ihre Mitarbeiter*innen erkennen, dass Sie eine gute Führungskraft sind?“ [47]

Stellt man sich ein Bild eines beschwerlichen Wanderweges vor, auf dem man sich befindet und man sich gerade etwas entmutigt fühlt, den Gipfel auch wirklich zu erreichen, so kann der lösungsorientierte Ansatz folgendermaßen unterstützen:

Würdigung der bisherigen Leistung (wertschätzendes Feedback)

Er lässt die Wanderer sich vorstellen, wie es sein wird, wenn sie schon auf dem Gipfel wären und das Panorama und das stolze Gefühl genießen könnten (Ziel- und Zukunftsfragen)

Überlegung, was wohl die anderen sagen, wenn sie von ihrem Erfolg erzählen (zirkuläre Fragen)

Einschätzung, wie weit sie schon gekommen sind (Skalenfragen)

Hilfreiche Unterstützung, auf Erfolge bei ähnlichen Wanderungen zu schauen (erfolgreiche Ausnahme)

Sich die Ressourcen, die sie noch haben, ins Gedächtnis zu rufen (Ressourcenfragen)

Unterteilung des Weges in überschaubare Etappen, sodass der nächste Schritt entspannt getan werden kann (der nächste Schritt)

Weglenkung der Aufmerksamkeit von den Schmerzen zu anderen Dingen, um das Ziel (leichter) erreichen zu können. (Defokussierung)

Die Lösungsphase sollte die Schlichtungsperson unter das Motto stellen:

„Es ist wichtiger, Fragen stellen zu können, als auf alles eine Antwort zu wissen“. [48]

Es kann auch passieren, dass die Konfliktpartner*innen nach der Annäherungsphase und einer erfolgreichen Anleitung zur Lösungsfindung lieber direkt miteinander sprechen möchten. Das sollte zugelassen werden, aber nicht ohne auf die damit einhergehende Rollenänderung der Schlichtungsperson hinzuweisen: ab nun ist Zurückhaltung angesagt und vor allem keine Einmischung bei der Lösungsfindung. Die Aufgabe der beiden Parteien ist es nun, selbst das zarte Pflänzchen der Annäherung weiter zu pflegen.

Das Schlichtungsgespräch sollte nicht beendet werden, ohne konkrete, weitere Schritte festgelegt zu haben – sowohl für die Lösungsfindung in dieser konkreten Situation, aber auch eventuell für die zukünftige Vermeidung des Wiederauftretens.

Professionelle Hilfe

Ab Stufe 4 der Eskalation empfiehlt Glasl Beratung bzw. Begleitung durch externe professionelle Berater*innen oder Mediator*innen [49] . Das können verschiedene Ansätze der Konfliktbegleitung oder des Konfliktmanagements sein oder auch Varianten der modernen Mediation.

Die Auswahl von externen Begleiter*innen

Im Folgenden sind Hilfestellungen für die Auswahl von externen Begleiter*innen eines Konfliktes dargestellt. Eine der wichtigsten Komponenten für eine erfolgreiche externe Begleitung ist die „stimmige Chemie“ zwischen Konfliktparteien gegenüber den Externen. Ein Kennenlerngespräch kann dies abklopfen. Außer man hat schon Erfahrung in der Zusammenarbeit oder kennt sich von anderen Anlässen her. Selbst eine Empfehlung birgt keine 100%ige Garantie, denn was für den einen gepasst hat, muss nicht unbedingt für den anderen passen.

Grundsatz ist auf jeden Fall, dass beide Konfliktparteien zustimmen, überhaupt externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dieses Agreement kann schon schwierig sein, besonders wenn sie sich schon auf einer fortgeschrittenen Eskalationsstufe bewegen. Da wird oft externe Hilfe erstmal vehement abgelehnt. Um für Akzeptanz einer externen Begleitung zu „werben“, macht es Sinn, eine Kontakt- oder Resonanzgruppe zu bilden, welche dann auch, bei positiver Entscheidung, den Kontakt der Konfliktparteien mit den Externen in geordnete Bahnen lenkt: [50]

  1. Jede Konfliktpartei delegiert autonom zwei Personen in die Gruppe.
  2. Als Entsandte werden solche Personen gewählt, die schon Anzeichen einer Vermittlungsbereitschaft gezeigt haben und als solche anerkannt sind, unabhängig davon, ob sie inhaltlich extreme Standpunkte einnehmen oder nicht.
  3. Die Resonanzgruppe ist kein Entscheidungsorgan, sondern dient nur zur Kommunikation und als Partner*innen für die Externen.
  4. Die Mitglieder der Kontaktgruppe ermöglichen den Externen den Zugang zu ihrer Konfliktpartei.
  5. Offiziell abzugebende Informationen werden vor der Freigabe von den Kontaktgruppen mit den eigenen Parteien abgestimmt.
  6. Die Kontaktgruppe überprüft mit den künftigen, externen Begleiter*innen deren Vorschläge, ob sie überhaupt durchführbar sind.
  7. Die Kontaktgruppe bereitet das Abstimmungsverfahren vor, mit dem über den Auftrag an die Externen entschieden werden soll.
  8. Die Kontaktgruppe hat eine „Ombudsmann*fraufunktion“ und dient daher als Anlaufstelle für Beschwerden bezogen auf den Schlichtungsprozess.

Bevor es nun zu einem konkreten Auftrag für eine externe Beratung bzw. Begleitung kommt, sollte folgende Checkliste dabei helfen, alle wichtigen Punkte abzuklären, um Klarheit zu schaffen und Offenheit zu gewährleisten. Mögliche auftretende Störungen im Konfliktberatungsprozess sollten dadurch weitgehend verhindert werden, um auch hier einen möglichen Konflikt über die Konfliktlösung zu vermeiden. [51]

  1. Rollendefinition: sowohl die Rollen der Externen, als auch der Konfliktparteien werden im Vorhinein festgelegt. Die zu übernehmenden Aktivitäten durch die Konfliktparteien werden beschrieben und die Externen legen darüber hinaus fest, welche Rollen bzw. Aktivitäten sie NICHT übernehmen werden.

  2. Entwickeln von Spielregeln während des Konfliktlösungsprozesses

  3. Bekanntgabe von

  4. ethischen Prinzipien der Externen und verbindliche Erklärung, diese auch einzuhalten.

  5. Festlegung eines Beschwerdeverfahrens und eventuellen Sanktionen, falls die Externen gegen Spielregeln und/oder ethische Prinzipien verstoßen sollten.

  6. Vorgehensplan in Etappen mit genau beschriebenen Meilensteinen, wann was erreicht werden soll (kann manchmal nur vage beschrieben werden).

  7. Art der Bewertung der erreichten Zwischenergebnisse bzw. Entscheidungsverfahren über ein darauf aufbauendes Fortfahren der Beratung und ein eventuelles Ausstiegsszenario.

Meditation

Mediation ist einer der wichtigsten professionellen Konfliktlösungsbegleitungen. Sie ist eine gute Alternative, wenn die Selbsthilfe oder Nachbarschaftshilfe nicht mehr greift und man aber den Rechtsweg (noch) nicht beschreiten möchte.

Die Mediation unterliegt dem Prinzip des Empowerments. Das heißt, den Konfliktparteien werden keine Lösungsmöglichkeiten präsentiert, sondern sie werden zur Eigenverantwortung angeregt und bei der kooperativen Lösungsentwicklung unterstützt, um möglichst Win-Win-Situationen zu erzielen.

Sie setzt auf Gewaltfreiheit und Vernunft und ist in erster Linie dazu da, Kommunikationsbarrieren auszuräumen und den Weg für kreative Lösungsansätze frei zu machen.

Mediator*innen sind Profis im Konfliktmanagement und methodisch darauf geschult, eine klare Sicht auf die Dinge zu bekommen und so eine gemeinsame Ausrichtung für beide Konfliktparteien zu ermöglichen.

Im Laufe der Mediation kann es immer wieder zu heftigen Emotionsausbrüchen kommen, die darauf hinweisen, dass man einen wichtigen, sensiblen Punkt getroffen hat. Mediator*innen können mit diesen Emotionen umgehen und lenken diese Energien in richtige Bahnen.

Mediator*innen sind durch einen Ehrencode verpflichtet, bestimmte Haltungen einzunehmen und zu leben:

  • Sie müssen allparteilich sein, d.h. sich gleichermaßen in alle Konfliktparteien einzufühlen.
  • Sie müssen überparteilich sein, d.h. die Interessen und Bedürfnisse der Stakeholder [52] berücksichtigen.
  • Sie müssen transparteilich sein, d.h. sie verschaffen sich gleichen Zugang zu allen Konfliktparteien, um eine Öffnung zu erwirken.
  • Sie müssen unparteilich sein, d.h. sie verfolgen keinerlei Eigeninteressen mit der Lösung. Ihr einziges Ziel ist, die Mediation erfolgreich durchzuführen.
  • Sie müssen neutral sein, d.h. sie garantieren unbedingte Gleichbehandlung der Konfliktparteien und dürfen keine Methoden anwenden, die eine Partei begünstigen oder benachteiligen würde.

Die folgende Tabelle zeigt anschaulich die verschiedenen Ausprägungen der Aktivitäten der Mediatoren und der Konfliktparteien: [53]

Die Mediatoren … … und die Konfliktparteien …
… schlagen Verhaltensregeln bzw. -prinzipien vor … akzeptieren und vereinbaren Verhaltensregeln / -prinzipien
… stellen Methoden für Kommunikation und Problemlösung zur Verfügung … akzeptieren angebotene Methoden der Kommunikation und Problemlösung und führen sie aus
… steuern den Gesprächsverlauf … geben den Mediator*innen die Autorität zur Steuerung des Verlaufs und respektieren deren Eingriffe
… haben Verantwortung für den Gesprächsverlauf, aber keine inhaltliche Ergebnisverantwortung … haben Ergebnisverantwortung
… suggerieren keine inhaltlichen Problemlösungen … suchen und finden selbst Lösungen für ihre Probleme
… signalisieren und reflektieren Störungen in der Kommunikation … stellen sich den signalisierten Störungen und nehmen an der Reflektion aktiv teil
… fassen zusammen, zu welchen Themen bereits Konsens und zu welchen noch Differenzen bestehen … überprüfen die Zusammenfassung der Konsens– und Differenzpunkte
… stehen beratend für Fragen zur Verfügung, die sich während der Umsetzung ergeben können … setzen die vereinbarten Lösungen eigenständig um
… unterstützen den Gesprächsverlauf durch Visualisierungen … überprüfen und korrigieren die Visualisierungen der Mediator*innen
… schlagen Formulierungen für die Schlussvereinbarung vor und berücksichtigen die Änderungsvorschläge der Konfliktpartner … überprüfen und verbessern die Formulierungen für die Änderungsvorschläge und unterfertigen die gemeinsam gefundenen Ergebnisse

Weitere Techniken der professionellen Hilfe

Die Prozessberatung lenkt den Blick auf eingefahrene Muster, sei es im Verhalten oder in der Rollenverteilung und bietet so eine Möglichkeit zu deren Auflösung. Wenn tiefer eingreifende Ansätze von Nöten sind, weil viel Misstrauen, Angst und erschüttertes Vertrauen bearbeitet werden muss, nennt man die Prozessberatung „sozial-therapeutisch“.

Um die eigene Selbststeuerung zurück zu gewinnen, bietet sich die GRIT-Methode [54] (Osgood 1966) an. Sie arbeitet mit einseitigen Beiträgen zum schrittweisen Abbau von Spannungen und wirkt hochgradig vertrauensbildend.

Rückblickend darf es nicht verwundern, dass die Kommunikation die Urquelle des Verständnisses zwischen Menschen, aber auch der Missverständnisse ist.

Rückblickend darf es nicht verwundern, wenn eine Studie besagt, dass 99 % der Flugzeugabstürze aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten passiert sind.

Rückblickend darf es nicht verwundert, dass auch wenn wir uns als Opfer sehen und reaktiv verhalten, es doch dann auch wir sind, die durch Verhaltensänderung proaktiv beträchtliche Wendungen zum Positiven bewirken können.

Zum Abschluss ist es ein Spruch von J.W. Goethe, der es auf den Punkt bringt:

„Behandle die Menschen so als wären sie, was sie sein sollten und

du hilfst ihnen zu werden, was sie sein können.“

Zusammenfassung

Konflikte sind an der Tagesordnung. Man braucht nur die Zeitungen aufzuschlagen oder sich nur sein berufliches und privates Umfeld anzusehen – sie sind überall und beeinflussen unser Leben beträchtlich.

Was kann man tun, um Konflikte zu lösen bzw. noch besser, sie von vornherein, zu vermeiden?

Auch hier ist der erste Schritt jener, sich Wissen über die Phänomene und Grundlagen über das Konfliktgeschehen anzueignen. Schon die unterschiedlichen Arten von Konflikten können zum besseren Verständnis beitragen. Es macht einen großen Unterschied, ob zum Beispiel Uneinigkeit über die zur erreichenden Ziele herrscht oder „nur“ über die Methodik, wodurch man zu einem grundsätzlich übereinstimmenden Ziel gelangt. Es macht weiters einen großen Unterschied, ob es um verschiedene grundlegende Werteinstellungen oder „nur“ um Bewertungen geht.

Die zweite wichtige Erkenntnis ist jene zu verstehen, welche Wirkung Konflikte haben können, hier auch wieder je nach Einstellung verschieden. Ist ein*e Gesprächspartner*in eher als konfliktscheu oder als streitlustig einzuschätzen?

Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass Konflikte nicht immer negativ sein müssen, sondern auch manchmal wichtige Veränderungen einleiten können bzw. Altlasten aufbrechen und Platz für Neues schaffen können.

Wenn es um die Konfliktlösung geht, dann sind die Eskalationsstufen in einem Konfliktverlauf wesentlich, um die richtige Lösungsmethode zu finden. Steht man eher am Anfang und hat man den Konflikt „im Griff“ ist es eventuell möglich, selbst einzugreifen und eine weitere Eskalation zu verhindern bzw. den Konflikt zu lösen. „Kippt“ aber die Situation und man sieht sich damit konfrontiert, dass man von dem Konflikt bereits eingenommen wurde, so steigt der Grad der persönlichen Hilflosigkeit und man sollte sich Hilfe von außen holen. Das kann durch Außenstehende passieren, die einfach durch ihren externen Status helfen können oder aber durch Professionist*innen, die speziell in Konfliktlösung ausgebildet sind und gezielt unterschiedliche Methoden einsetzen. Die Palette reicht vom moderierten Streitgespräch über Prozessberatung, Mediation bis zum Schiedsgericht.

Grundsätzlich sei nicht vergessen, dass, egal, ob es sich um ein privates Gespräch, eine Verhandlung oder um ein schwerwiegendes Konfliktgespräch handelt, die grundlegenden Kommunikationserheller immer helfend wirken und das Eingehen auf die Gesprächspartner*innen zentral für eine fruchtbringende Gesprächsführung ist.

Reflexionsfragen

Konfliktlösungstechniken und -hilfestellungen

Beschreiben Sie, welche Konfliktlösungstechniken bzw. -hilfestellungen Glasl im Hinblick auf die von ihm beschriebenen Eskalationsstufen empfiehlt.

Konflikte

1. Überlegen Sie, zu welcher Grundhaltung Sie selbst gegenüber Konflikten tendieren.

2. Beschreiben Sie drei aus den sechs beschriebenen Konfliktarten.

Erklärungen zu den Aufgaben

Aufgabe 1: Beispiel zum Verbalisieren:

Antwort 1: Keine annehmbare Antwort, da die Aussage analysiert wird, bevor richtiges Verständnis überprüft wurde.

Antwort 2: Keine annehmbare Antwort, da ihm das Recht auf eine eigene Meinung bzw. auf eigene Gefühle abgesprochen wird.

Antwort 3: Passende Antwort, da die Gefühlslage mit eigenen Worten wiedergegeben wird.

Antwort 4: Keine annehmbare Antwort, eher ein billiger Rat.

Aufgabe 2: Analyse der eigenen Antworttendenzen

Markieren Sie nun Ihre Antwortnummer pro Fall in dieser Tabelle, ohne sich um die Buchstaben der obersten Zeile zu kümmern:

A B C D E F
Fall 1 2 4 6 1 3 5
Fall 2 1 3 5 4 6 2
Fall 3 5 1 6 3 4 2
Fall 4 6 5 1 3 2 4
Fall 5 6 2 5 1 4 3
Fall 6 2 6 4 5 1 3
Fall 7 5 1 3 6 2 4
Fall 8 3 4 6 1 5 2
Fall 9 4 2 1 5 6 3
Fall 10 3 4 5 6 2 1
Häufigkeit summarisch _ mal







Nun markieren Sie jenen Buchstaben, in dessen Spalte Sie am häufigsten geantwortet haben: dominierende Spalte

Nun markieren Sie jenen Buchstaben, in dessen Spalte Sie am seltensten geantwortet haben: schwächere Spalte

Und schließlich betrachten Sie die „isolierten“ Fälle, d.s. Antworten, die allein in einer Spalte stehen bzw. eine geringe Häufigkeit aufweisen (1 bis 2 mal)

Mit diesen Informationen kehren Sie bitte wieder in den Text des Studienheftes zurück (Ende des 10. Falles).

Aufgabe 3: Pseudo-Ich-Botschaften

Diese Botschaften beginnen zwar mit dem Wort „Ich“, werden aber dann von einer Aussage gefolgt, die wie ein ausgestreckter Zeigefinger wirkt, also eine verkappte Sie/Du-Botschaft darstellt.


Individuell zu lösen:

Aufgabe 4: Vorbereitung einer Gesprächssituation

Aufgabe 5: Gespräch in nächster Zukunft

Aufgabe 6: Konfliktanalyse

  1. Watzlawick/Beavin/Jackson 1969, S. 50 ff
  2. Berne 1070
  3. Heinrich/Schmidt 2002, S. 232. zit. Schulz v. Thun 1991, S 13 ff.
  4. Bezeichnet die Sprechweise: Melodie, Klang, Tempo, Lautstärke, Pausen
  5. Vgl. Covey, 2004, S. 39 ff
  6. Das Wort Paradigma kommt aus dem Griechischen, ursprünglich ein wissenschaftlicher Begriff, er wird heute verwendet, um ein Modell, eine Theorie, eine Wahrnehmung, Annahme oder Bezugsrahmen zu bezeichnen. Vgl. Covey, 2004, S 32
  7. In Folge wird der Begriff des „aktiven Zuhörens“ präferiert, da er eher Teil des alltäglichen Wortschatzes ist.
  8. Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt eines anderen hineinversetzen zu können und sich für diese auch zu interessieren.
  9. Vgl. Crisand, 2007, S. 30
  10. Vgl. Crisand, 2007, S. 43 ff
  11. Engl. Engagement, Verbindlichkeit, Verpflichtung, Zustimmung
  12. Siehe auch Kapitel 3.5.2
  13. Vgl. Heimerl/Krendelsberger/Perg, 2008, S. 82 ff

  14. Nagel/Oswald/Wimmer 2005, S. 14 ff
  15. Nagel/Oswald/Wimmer 2005, S. 22f
  16. https://www.golem.de/news/okr-statt-mitarbeitergespraech-wir-muessen-reden-1908-142431.html
  17. https://www.handelsblatt.com/karriere/the_shift/okr-methode-ziele-und-schluesselergebnisse-die-neuen-wunderwaffen-moderner-fuehrungskraefte/22965862.html?ticket=ST-1178511-9mj1nkAK27TzeXHOiD6e-ap3
  18. Synonym für Verhaltensregeln im www
  19. Vlg. Salmon, Gilly, 2002
  20. Kasper/Mayrhofer, 2002, S. 238, zit Apeltauer, 1997, S. 17
  21. Kasper/Mayrhofer, 2002, S. 240, zit Knapp, 1997, S. 199
  22. Erkennen und wertschätzender Umgang mit Unterschiedlichkeit und Relativität von Einzelpersonen und Systemen
  23. Stereotyp: kommt aus dem Griechischen und wird für gleich bleibende bzw. häufig vorkommende Muster verwendet. Es steht in engem Zusammenhang mit Klischee und Vorurteil und wird in der Kommunikation als eigene Ausprägung einer Wahrnehmungsverzerrung geführt.
  24. Vgl., Fisher, Ury, Patton, 1991
  25. Vgl. Fisher, Ury, Patton, 2004
  26. Fisher, Ury, Patton, 2004, S.36/37
  27. Fisher, Ury, Patton, 2004, S. 89
  28. Autor unbekannt
  29. Vgl. Perg, 2006
  30. Talmud, Das Buch jüdischer Weisheit
  31. Vgl. Höher/Höher, 2000
  32. Kalte Konflikte sind durch eher subtiles Vorgehen geprägt, vor allem dadurch, dass Menschen sabotieren, blockieren, verzögern und verschleppen. Meist ist das Verhalten eher destruktiv; Gegner*innen werden mehr geschädigt, als überzeugt. Entsprechend sind die beteiligten Parteien häufig frustriert und desillusioniert. Die direkte Konfrontation weicht der Sabotage, der bevorzugten Form von Aggression im kalten Konflikt. Die Parallelen zum "Kalten Krieg" liegen auf der Hand.
    Um kalte Konflikte zu lösen, gilt es in der Regel erst einmal, den Konflikt sichtbar zu machen, an den Tag zu bringen. Erst dann können Sie überhaupt herausfinden, worum es in dem Konflikt geht und was die Ursachen für das sabotierende Verhalten ist. Interessant ist für die Konfliktlösung in diesem Fall auch die Vorgeschichte des Konflikts zu kennen - dies ist bei kalten Konflikten besonders wichtig, da kalte Konflikte häufig das Resultat von nicht oder unbefriedigend gelösten ehemals heißen Konflikten sind. (www.soft-skills.com, Abrufdatum 16.7.09)
  33. Heiße Konflikte sind dadurch gekennzeichnet, dass diese offen und sichtbar ausgetragen werden. Die beteiligten Parteien sind von ihren Standpunkten in der Regel dermaßen überzeugt oder die Sache ist ihnen so wichtig, dass sie direkt und ohne subtiles Blockieren o.Ä. im Hintergrund versuchen, die jeweils andere Partei zu überzeugen.
    Heiße Konflikte haben somit den Vorteil, dass sie erkennbar und damit auch leichter zu handhaben und zu lösen sind. Typisch ist ein hohes emotionales Engagement der beteiligten Parteien und die daraus häufig resultierende Blindheit für Unzulänglichkeiten des eigenen Standpunkts und der eigenen Argumentation. Die eigene Wahrnehmung wird kaum mehr überprüft und der eigene Standpunkt wie auch die eigenen Motive, die dahinter liegen, werden kaum mehr hinterfragt.
    (www.soft-skills.com, Abrufdatum 16.7.2009)
  34. Vgl. Glasl, 2008, S. 10
  35. Vgl. Glasl 2008, S. 13
  36. Vgl. Glasl, 2008, S. 14
  37. Vgl. Glasl, 2008
  38. Glasl 2008, S.120/121
  39. Angleichungen von Meinungen und Standpunkten
  40. Watzlawick, 1978: „Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ist eine Annahme oder Voraussage, die rein aus der Tatsache heraus, dass sie gemacht wurde, das angenommene, erwartete, oder vorhergesagte Ereignis zur Wirklichkeit werden lässt und so ihre eigene 'Richtigkeit' bestätigt.“
  41. Vgl. Glasl, 2008, S. 123 ff
  42. Vgl. Glasl, 2008 und 2004
  43. Vgl. Glasl 2004
  44. Griech.: „Vorwegnahme eines möglichen Arguments“
  45. Vgl. Glasl 2008, S. 135
  46. Vgl. Stobbe, 2008
  47. Zirkuläre Fragestellung
  48. Von James Thurber
  49. Vgl. Glasl, 2004, S. 176 ff
  50. Vgl. Glasl, 2004, S. 461 ff
  51. Vlg. Glasl, 2008, S. 178
  52. Anspruchs- bzw. Interessensgruppen
  53. Vgl. Glasl, 2008, S. 181
  54. Graduated and Recprocated Initiatives in Tension-reduction