Rechtsfragen und Rechtsprobleme in der Wirtschaftsinformatik - Einführung

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Wirtschaftsinformatik und Recht – Einführung in die Thematik

Wirtschaftsinformatik und Recht haben eine große Anzahl von Berührungspunkten. Die wohl bekanntesten davon sind Datenschutz, Compliance und die in den Medien besonders stark verbreitete Kriminalität im Internet. Diese Themenkreise dominieren die Diskussion. Dabei wird oft übersehen, dass in der alltäglichen Praxis Fragen des Vertragsrechts, der Schutz geistigen Eigentums und Arbeitnehmerschutzvorschriften eine viel bedeutendere Rolle spielen. Allein jene zentrale Rolle, die zum Beispiel Outsourcing-Verträge und Service Level Agreements (SLA’s) im Betrieb von IT-Systemen aller Art einnehmen, zeigt, wie wichtig es ist, sich mit jenen Rechtsfragen auseinanderzusetzen, die den Alltag der Wirtschaftsinformatik beeinflussen.

In dieser Lehrveranstaltung werden daher folgende Themenbereiche behandelt:

  • IT-Verträge
  • E- Commerce Recht
  • Werbung, Vertragsabschluss im Web und Konsumentenschutz im Electronic Commerce
  • Arbeitnehmerschutz
  • Schutz geistigen Eigentums
  • Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
  • Datenspeicherungsrichtlinie
  • Strafrechtliche Regelungen
  • Vorratsdatenspeicherung

Fragestellungen zu diesen Themenkreisen werden in jeweils einer Lektion mit zugehörigen Übungsbeispielen zusammengefasst.

Rechtsfrage und IT

Aus den vielen gesellschaftlichen Berührungspunkten der Informationstechnologie ergeben sich auch viele rechtliche Fragen. Einkäufe in Online Shops, Wartungsverträge für IT-Systeme, Hacker- Angriffe und Datenschutz sind dafür nur einige Beispiele von sehr komplexem Themengebieten, die aus rechtlicher Sicht viele neue Problem aufwerfen, wie z.B. die Frage der Gültigkeit von Online-Bestellungen, das Problem des ausreichenden Schutzes von für unterschiedlichste Zwecke gesammelten Daten, sowie der Verwendung von Informationstechnologie für unterschiedlichste Arten von kriminellen Aktivitäten. Ein weiterer großer Themenkomplex ist die Frage der Überwachung von Telekommunikationseinrichtungen und von IT-Systemen. Im Vergleich zur Verfolgung von Straftaten hat z.B. im Internet die Prävention einen unüblich hohen Stellenwert, der wohl auch dadurch begründet ist, dass die Strafverfolgung in diesem Medium oft einen sehr hohen Aufwand bedeutet.

So ist es z.B. nötig, vor der Erstellung bzw. vor der Inbetriebnahme einer Website die Gesetzeskonformität des Vorhabens zu überprüfen. Die erste zu stellende Frage ist, welche Gesetze überhaupt anwendbar sind. Im Extremfall kann nämlich bereits das Anbieten von Information strafbar sein, wenn die Verbreitung solcher Information nach österreichischem Recht strafbar ist. Beispiele dafür sind Anleitungen zu kriminellen Handlungen, Anbieten von Information zu in Österreich verbotenem Material (Verbotsgesetz, etc.). Grundsätzlich gilt, dass eine Handlung, die nach österreichischem Recht als verboten oder als problematisch zu betrachten ist, es auch dann bleibt, wenn sie online erfolgt. Die oft verbreitete Ansicht, das Internet sein eine Art „rechtsfreier Raum“, kann damit als völliger Unsinn betrachtet werden. Gesetze, die im normalen Privat- und im Wirtschaftsleben gelten, gelten auch im Internet. Daneben gibt es allerdings noch eine ganze Reihe von speziell für den Bereich der IT geschaffenen Regelungen, deren bekanntest das Datenschutzgesetz und das E-Commerce Gesetz sind..

Gültigkeit des Rechts im Internet

Von der Frage der Gültigkeit des Rechts zu unterscheiden ist seine Anwendung im Internet. Diese stellt vor allem dadurch ein Problem dar, dass das Internet per definitionem ein internationales Netzwerk ist. Für Bereich wie den Electronic Commerce gilt daher das Gebot, sich nur in jenen geographischen Räumen zu bewegen, in denen erstens das dort geltende Recht bekannt ist und in denen zweitens davon ausgegangen werden kann, dass es auch entsprechend angewendet wird, z.B. bei der Verfolgung von Betrüger*innen im Internet. Recht wird noch immer als nationales Recht verstanden und seine Anwendung erfolgt daher durch die jeweiligen nationalen Behörden. Soweit internationale Übereinkommen die Anwendung absichern, ist das kein Problem. Das beste Beispiel dafür ist die Vorreiterrolle der Europäischen Union in den Bereichen Datenschutz (Europäische Datenschutzrichtlinie) und gegenseitiger Unterstützung bei der Strafverfolgung (Schengen und Europol). Diese enge Kooperation der Mitgliedsstaaten schafft auch die Basis für die Etablierung eines gemeinsamen europäischen Marktes, von dem auch der Electronic Commerce profitiert.

Unterschiedliche Rechtsgebiete

Es gibt im österreichischen Recht prinzipiell die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht. Zum Bereich des öffentlichen Rechts gehören all jene Bereiche, die ein „hoheitliches Handeln“ des Staates erfordern, wie z.B. das Strafrecht oder das Verwaltungsrecht. Zum Bereich des Privatrechts gehören alle übrigen Bereiche, wie z.B. das Zivilrecht und das Handelsrecht. In der Wirtschaftsinformatik spielen beide Bereiche eine große Rolle, denn es müssen sowohl die Rechtsverhältnisse zwischen den beteiligten Parteien eingehalten werden, als auch Vorschriften des öffentlichen Rechts berücksichtigt werden.

Eine weitere typische Situation, in der sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Fragen auftreten, ist die Erstellung von IT-Verträgen. Ist etwa die in Form eines Werkvertrags zu entwickelnde Software für eine illegale Verwendung bestimmt (Peer to Peer Music Filesharing) oder ist das zu erstellende Produkt selbst illegal (Tool zum Anfertigen von Raubkopien), ist damit auch der Werkvertrag selbst ungültig. Ein weiteres aus rechtlicher Sicht sehr interessantes Problem stellen mögliche Exportbeschränkungen dar. Ein Produkt, das in Österreich problemlos entwickelt und vertreiben werden kann, kann z.B. für den Export in bestimmte Länder gesperrt sein (z.B. aufgrund von UNO-Sanktionen).

Vorgangsweise bei der Analyse eines Sachverhalts

Prinzipiell kann bei der Analyse eines Sachverhalts nach folgendem Prinzip vorgegangen werden:

Soll für den Fall möglicher zukünftiger Probleme Vorsorge getroffen werden?

  • Welches Problem könnte in der Zukunft auftauchen?

  • Welche gesetzlichen Regelungen gibt es dafür (etwa Gewährleistung)?

  • Gib es die Möglichkeit, abweichend vom Gesetz eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zu treffen?

  • Ist ein Problem bereits aufgetreten, z.B. eine Gesetzesübertretung oder ein Schadensfall)?
  • Welches Problem liegt vor?

  • Welche gesetzlichen Regelungen sind anwendbar (Strafrecht oder Privatrecht)?

  • Wenn es sich um eine privatrechtliche Fragestellung handelt: Ist in einem existierenden Vertrag zwischen den beteiligten Parteien eine Lösung vorgesehen?

Übungsbeispiele 

Übungsbeispiel 1.1:

Welche Rechtsfragen ergeben sich aus folgender Situation?

Ein Schüler im Alter von 13 Jahren kauft in einem Online Shop einen iPod und zahlt ohne Wissen seiner Eltern mit der Kreditkarte des Vaters. Der iPod wird auf dem Postweg versendet und trifft beschädigt ein. Die Enttäuschung des Schülers über den defekten iPod ist groß, ebenso das Erstaunen des Vaters, als er die monatliche Kreditkartenabrechnung erhält.


Übungsbeispiel 1.2:

Anwendbarkeit „traditionellen“ Rechts im Internet

Auf einer Website werden Anleitungen zur Beschaffung illegaler Drogen angeboten. Um die Anzahl der Hits auf der eigenen Website zu erhöhen, wird von einer österreichischen Website im Rahmen eines Link Exchanges ein Link auf diese Website gesetzt. Warum ist es in Österreich strafbar, diesen Link zu setzen? Gegen welche Gesetze wird hier verstoßen?


Übungsbeispiel 1.3:

Welche Bereiche des Öffentlichen Rechts und des Privatrechts sind relevant?

In nachweisbar betrügerischer Absicht wird auf einer Website von einem Unternehmen ein defekter PC als neuwertig zum Kauf angeboten.

Variante a: der Käufer ist ein mittelständisches Unternehmen.

Variante b: der*die Käufer*in ist eine Privatperson.

Zu diskutieren ist, welche rechtlichen Probleme auftreten und welche Rechtsgebiete zur Anwendung kommen.

Zusammenfassung der Inhalte

Lektion 1 dient der Einführung in die Thematik „Recht und Wirtschaftsinformatik“ anhand einiger Beispiele. Gültigkeit des Rechts im Internet, unterschiedliche Rechtsgebiete,