Kundenbeziehungsmanagement - CRM
Einleitung
Das Wichtigste gleich vorweg: In dieser Lehrveranstaltung lernen Sie nicht, wie man eine CRM-Seite programmiert. Sie lernen auch nur bedingt die Faktoren, die dazu notwendig wären und es gibt auch keine Anleitung für einen Prozessplan – dafür gibt es genügend Fachliteratur. Projektpläne für die Einführung klassischer CRM-Systeme gibt es wie Sand am Meer – ein gutes und brauchbares Beispiel liefert Wolfgang Schwetz (siehe Literaturverzeichnis).
Sie lernen aber, in welchen Kontext das Thema einzuordnen ist. Und auch, welche Fehler bisher gerne und oft gemacht wurden. Sie werden die Schnittstelle zwischen KundInnen und Unternehmen genau unter die Lupe nehmen und sich ein eigenes Bild davon machen müssen – von den Schwierigkeiten, Herausforderungen und Chancen, die damit verbunden sind.
Das Ziel besteht darin, Sie fit zu machen für die Diskussion rund um das Thema. Sie sollen genau dort, wo in Zukunft die Entscheidungen punkto Kundenbeziehungsmanagement getroffen werden, mitreden können. Und zwar weil Sie sich mit den relevanten Rahmenbedingungen auseinandergesetzt und sich eine eigene, fundierte Meinung gebildet haben.
Sie werden die Parameter kennenlernen, die für den Aufbau eines solchen Systems notwendig sind. Diese dann in einen Projektplan bzw. in ein Computerprogramm umzusetzen, ist eine andere Aufgabe, die Ihnen jedoch in Folge einfacher von der Hand gehen sollte (sofern das Ihr Job sein wird), weil Sie wissen, woran Sie denken müssen und was wirklich wichtig ist. Und warum.
Wir werden uns in erster Linie mit dem auseinandersetzen, was nicht funktioniert. Der Grund dafür ist einfach: ein gut funktionierendes Kundenbeziehungsmanagement fällt niemandem auf – oder wenn, dann nur in Ausnahmefällen; bei einem schlecht funktionierenden sieht dies anders aus. Es schreckt KäuferInnen ab, es verärgert Menschen und frustriert sie. Auf lange Sicht schwächt es den Unternehmenserfolg und genau das sollte gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit auf keinen Fall passieren. Deswegen arbeiten wir hier an einem sehr wichtigen Thema, von dem auf lange Sicht Gedeih und Verderb eines Unternehmens abhängen. Es geht um die Kunden, also um den vielbeschworenen „Markt“, aber auch um die Frage, wie eben genau die Beziehung zwischen Unternehmen und KundInnen aussehen kann – gibt es hier so etwas wie gleiche Augenhöhe oder ist der Kunde König, oder Opfer – oder beides?
In diesem Skriptum sollen anhand zahlreicher Fehler im Kundenbeziehungsmanagement (ab jetzt mit KBM abgekürzt), aber auch anhand positiver Beispiele die Grundbedingungen es Erfolgs erarbeitet und definiert werden.
Falls Ihnen übrigens aufgefallen ist, dass ich teilweise männliche und teilweise weibliche Formen verwende: im Sinne der Emanzipation gehe ich hier meinen eigenen Weg: Es soll einerseits die Lesbarkeit erhalten bleiben, andererseits klar sein, dass – bis auf bewusst gesetzte Ausnahmen – stets alle Geschlechter gemeint (und nicht nur mitgemeint) sind. Daher wechsle ich ständig ab, mit dem Ziel, die Gedanken daran stets wach zu halten, ohne zugleich durch Penetranz abzuschrecken. Und ich verwende das Binnen-I statt dem Stern oder dem Unterstrich.
Der Blick auf den Mangel
In diesem Skriptum rollen wir das Thema über die Betrachtung des Mangels auf. Warum ist das so?
Den Pannendienst rufen Sie nur, wenn Sie eine Panne haben. Konfliktmanagement wird von Firmen nur in Auftrag gegeben, wenn es kracht und meist kurz bevor oder kurz nachdem es zu spät ist. Fukushima kennt man erst seit dem Reaktorunfall. Wenn über Afrika berichtet wird, dann meist nur über Hungerkatastrophen, Bürgerkriege, sonstige Kriege oder extreme Naturereignisse.
Beim Kundenbeziehungsmanagement ist es ähnlich. Der Normalfall interessiert niemanden. Und der tritt immer dann ein, wenn alles funktioniert, also meistens. Gerade dieser Normalfall bedeutet aber auch, dass dahinter ein offensichtlich gut ausgedachtes und funktionierendes System steckt.
Wir Menschen sind scheinbar so gepolt, dass uns nur das Unerwartete wirklich interessiert. Die Verkehrsfunkmeldungen in der Art „Alles funktioniert reibungslos, es gibt nichts zu berichten“ sind zwar selten, wirken aber immer etwas komisch.
Das erleichtert uns die Sache nicht gerade, denn es wirkt wie eine Spurrille auf der Fahrbahn – sie zieht das Fahrzeug magisch an, man rutscht hinein – ob man will oder nicht. Erfolgsgeschichten sind fad und auch schnell erzählt: „Only bad news are good news.“
Zugleich finden wir hier aber die positive Seite des Mangels: Sie zeigt uns, wo wir anpacken können und müssen. Durch den Mangel erkennen wir, was uns fehlt, und zwar zum Glück, oder zumindest zum unternehmerischen Erfolg. Es ist also weder sinnlos noch dumm, beim Mangel zu beginnen und sich dadurch leiten zu lassen.
Die Gefahr bleibt jedoch, dass man in der Spurrille bleibt und aus dem Mangel nicht mehr herauskommt. Das zeigt sich in den meisten Unternehmen z. B. in dem Faktum, dass Tadel häufig und Lob meist selten ist. Eine Führungskraft, die lobt? Meist findet man das nur in Ausnahmefällen oder in standardisierten Formen, etwas als Gesamtlob in der Weihnachtsfeieransprache. Beim Tadel sieht das ganz anders aus, oder? Denken Sie an Ihren Chef/Ihre Chefin oder an sich selbst.
Wir werden daher versuchen, den Blick in diesem Skriptum nicht nur auf den Mangel zu richten, sondern auch Beispiele erarbeiten, die uns zeigen, wie etwas gut funktioniert. In Unternehmen mit gutem KBM wird dies übrigens auch dokumentiert. Das Ergebnis sind etwa Best-Practice-Modelle, die im Idealfall auch noch motivierend wirken.
In der Praxis sieht es so aus, dass es immer schon ein KBM gibt – egal, wie elaboriert dies aussieht, denn es gibt schlicht und einfach bestehende Kundenbeziehungen. Es ist zwar möglich, ein neues System darüber zu setzen, aber nur in den wenigsten Fällen wird dies sinnvoll sein. Selbst wenn ein völlig neuer Prozess samt entsprechender Software-Unterstützung aufgesetzt wird, muss man vom bestehenden System ausgehen. Gerade dieser Wandel verlangt nach Behutsamkeit, wenn man die KundInnen nicht verschrecken will.
Das didaktische Konzept
Die Basis für gutes KBM soll jedoch nicht von mir, sondern von Ihnen erarbeitet werden. Das Skriptum gibt die notwendige Hilfe plus die Beispiele. Und sie werden noch von anderer, sehr kräftiger Seite unterstützt: von Ihren KollegInnen. Gemeinsam wissen Sie nämlich bereits, wie es geht, wie es gehen kann, gehen muss.
Ein Fazit können wir jetzt schon ziehen: Gemeinsam sind wir gescheiter – das ist das Motto nicht nur dieser Lehrveranstaltung. Wäre dem nicht so, dann würde der bilaterale Kontakt Lehrer-Schüler schon in der Schule mehr als ausreichend sein. Lernen ist jedoch eine Form des Miteinanders, des Austauschs, der gegenseitigen Hilfe, der verstärkenden Motivation – kurz: StudentIn sein heißt nicht nur Bücher wälzen und lernen. Es bedeutet einen Weg gemeinsam zu gehen.
Daher verlangt diese Lehrveranstaltung auch nach einem Miteinander. Es gibt nur wenige Präsenzphasen, dazwischen studieren alle mehr oder weniger allein. Der Ausgleich ist das gemeinsame Forum, die Internet-Plattform, auf der Austausch möglich ist. Aus didaktischer Sicht ist das eher eine notdürftige Hilfsmaßnahme, aber das bedeutet nur, dass wir sie so gut nützen werden wie möglich – schließlich haben wir keine andere.
In anderen Studien werden ganze Semester oder mehr für das Thema Kundenbeziehungsmanagement bzw. CRM verwendet (und gebraucht), wir müssen mit einer einzigen Lehrveranstaltung auskommen.
Daher könnte man etwas spitzfindig sagen: Auch wir verwalten den Mangel und bemühen uns, das möglichst effizient zu tun. Es ist eine Gratwanderung zwischen Appetizer und Eingehen aufs Detail.
Das Ziel besteht darin, ein Bewusstsein für die Vielschichtigkeit des Themas zu schaffen, aber auch Lust auf mehr zu machen. Wirtschaftsinformatik ist nicht zwangsläufig Kundenbeziehungsmanagement, kann damit aber durchaus zu tun haben. AbsolventInnen dieser Fern-FH sind bereits vielfach Spezialisten für das Generieren von speziellen Programmen sowie deren Implementierung in meist größeren Unternehmen. Spätestens dann geht es auch um genau die Themen, die wir in dieser Lehrveranstaltung anschneiden, durchdiskutieren und bearbeiten, aber gerade bei diesem Thema auch kritisch hinterfragen müssen.
Wie die Studierenden am einfachsten durch die Lehrveranstaltung kommen:
Ich halte nicht viel von der klassischen Prüfungsform. Ich gehe davon aus, dass ich es mit erwachsenen Menschen zu tun habe, die einen gewissen Grad von Eigenverantwortung besitzen. Ich bin auch der Meinung, dass „Kundenbeziehungsmanagement“ sich nicht als klassisches Prüfungsfach wie etwa Mathematik oder Statistik eignet, sondern dass es hier darum geht, menschliches Verhalten in seiner Komplexität zu verstehen.
Das Ziel kann somit auch nur ein besseres Verständnis von Kommunikation sein – in diesem Fall noch dazu punkto Kommunikation KundInnen – Unternehmen, der wichtigsten Form der Kommunikation sozusagen. Daher ist dieses Skriptum als Denk-Ansporn zu lesen und durch zu arbeiten.
Ja, es handelt sich um Arbeit, weil Sie, verehrte Studierende, das hier Geschriebene mit Ihren eigenen Ansichten und Meinungen vergleichen müssen. Damit noch nicht genug, Sie müssen auch eigene Schlüsse daraus ziehen, die Gedanken weiterverfolgen, verändern, variieren, Sie müssen das bisher Ungedachte denken, das ist meist weit anstrengender als etwas im klassischen Sinn zu lernen, in sich hinein zu stopfen, kurz wieder raus zu rülpsen und dann hinter sich zu lassen.
Lernen bedeutet somit Eigencheck: Was geht das mich an? Was habe ich damit zu tun? Sie lernen sich im Idealfall selbst besser kennen, indem Sie ihre eigenen Erlebnisse, Erfahrungen und die daraus entstandenen Meinungen mit den hier vorgebrachten Ideen und Theorien vergleichen. Bei diesem Thema haben Sie noch dazu einen unschätzbaren Vorteil: Sie sind selbst Kunde/Kundin und haben jede Menge eigene Erfahrungen, die Sie einbringen können. Sie müssen die Melange aus eigenem Erleben, Theorie und dem von mir eingebrachten Stoff dann selbst als solche erkennen („reflektieren“) und in kompakter Form wiedergeben. Das ist gleichsam die Prüfung, das ist die zu erledigende Aufgabe.
Sie müssen sich das Leben nicht schwer machen. Wie viel Zeit und Energie Sie hineinstecken, kann ich nicht überprüfen, wiewohl ich immer einen guten Einblick erhalte, wenn ich die verschiedenen Lösungen der einzelnen Lektionen miteinander vergleiche bzw. die einzelnen Studierenden miteinander vergleiche.
Sie können das übrigens auch tun und dann feststellen, wo Sie stehen.
Qualität schlägt Quantität. Es geht mir nicht um die Menge des Reflektierten, sondern um dessen Art und Weise.
Die „Prüfung“
In vergangenen Lehrveranstaltungen haben Studierende zum Rechner gegriffen und sich anhand der Anforderungen im didaktischen Konzept ausgerechnet, wie viel (oder besser wie wenig) sie tun müssen, um durchzukommen. Das ist eine seltsame Form der Ökonomie, denn ich darf das kurz mit dem Erlangen eines Pilotenscheins vergleichen. Sie lernen in drei Phasen das Fliegen. In der ersten Phase das Starten, in der zweiten das Fliegen und in der dritten das Landen. Wenn Sie sich nun ausrechnen, dass Sie mit zwei Drittel eigentlich den Pilotenschein positiv bestehen können, dann wäre es kein Problem, den dritten Teil einfach auszulassen. Zwei Drittel reichen für ein Genügend und das ist schließlich genügend.
Stellt sich nur die Frage, was machen Sie bei der ersten Landung?
Daher gibt es für diese Lehrveranstaltung keine Prozente, die Sie erlangen müssen, um zu bestehen. Wie im Management geht es darum, sich der vorhandenen Situation zu stellen, und diese sieht folgendermaßen aus:
1.) Präsenzphasen
Die erste dient dem guten Start in die Lehrveranstaltung. Wer dabei ist, ist sozusagen dabei. Wer nicht dabei ist, sollte dies nachholen und sich auch aktiv darum kümmern, sprich: zu einem Kollegen/einer Kollegin gehen und sich entsprechend informieren.
Die zweite Präsenzphase und – optional, das ändert sich je nach Semester – die dritte haben Anwesenheitspflicht, denn sie sind ein Kernstück der Lehrveranstaltung. Wer hier nicht dabei sein kann, muss entsprechende Mehrarbeit auf sich nehmen. Wie diese aussieht, ist im jeweiligen Fall mit dem Lehrveranstaltungsleiter zu klären, aber auch mit den Mitstudierenden, denn diese müssen ebenfalls dafür „büßen“. Das ist wie im Management, wenn einer nicht kann, müssen andere einspringen.
2.) Die Lektionen dieses Skriptums
Sie sind so aufgebaut, dass Sie mitdenken müssen, um die Aufgaben zu lösen. Es geht nicht darum, das Gelesene noch einmal wieder zu käuen, wie das sonst so gerne verlangt wird. Es geht darum, die eigene Lebenswelt mit dem Gelesenen zu konfrontieren und daraus Schlüsse zu ziehen. In diesem speziellen Fach sind besonders viele Geschichten enthalten, übrigens alle der Praxis entnommen und – so unglaublich es klingen mag – nicht oder fast nicht übertrieben. Sie müssen also mit Geschichten zurechtkommen, diese interpretieren, sich in die Menschen, die dort vorkommen, hineinversetzen, manchmal vielleicht auch die Qualen mit erleiden. Das ist Teil des Lernens und muss Sie nicht beunruhigen.
Noch ein wichtiger Hinweis: Die Geschichten sind teilweise rhetorisch ein wenig überhöht, sie enthalten emotionale Ausbrüche, die direkt aus dem Erleben stammen. Für sich allein wären die Geschichten nur zur Unterhaltung dienlich, im Kontext dieses Skriptums verändern sie sich jedoch. Ihr Ziel ist es jetzt, Reflexion hervorzurufen, das Nachdenken über die Hintergründe: Wieso entstehen diese Emotionen und was könnte gutes Kundenbeziehungsmanagement hier verbessern? Wie müsste es aufgebaut sein, damit die negativen Emotionen gar nicht erst entstehen oder zumindest aufgefangen werden können?
Der teilweise satirische Unterton der Geschichten dient als Träger für die Motive, tiefer in die Materie einzudringen, so wie Fett in einer Speise als Geschmacksträger dient. Und manchmal deutet er darauf hin, dass in einigen Fällen nur mehr der Humor bleibt, um einer unangenehmen Sache mit Würde zu begegnen.
Ich kann Ihnen nichts lehren, Sie müssen selbst etwas lernen. Übrigens: Sie wissen schon alles. Es kann allerdings vorkommen, dass Sie noch nicht wissen, dass Sie es wissen. Da kann ich dann ein wenig mithelfen, so dass Sie das in Ihnen Verborgene herauslocken. Das macht übrigens manchmal durchaus Spaß.
Die Ergebnisse stellen Sie bitte als pdf-Dokumente ins Forum zur jeweiligen Lektion. Die Vorlagen als Word-File finden Sie bei der jeweiligen Lektion.
3.) Der Zeitplan
Das Skriptum sollte vor der letzten Präsenzphase fertig durchgearbeitet sein. Es ist für alle Beteiligten mühsam, wenn dies nicht geschieht. Also reservieren Sie sich rechtzeitig Zeit. Sie können sich die Arbeit frei einteilen: Manche arbeiten das gesamte Skriptum samt Aufgaben und Lösungen in einem Wochenende durch, andere verdauen es häppchenweise. Machen Sie das, wie es Ihnen passt. Sie wissen selbst am besten, was für Sie gut ist.
Und jetzt viel Spaß beim Arbeiten!
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Lektion 1: Ein Blick in die Welt des CRM =
In dieser Lektion werfen wir einen ersten Blick in eine interessante Welt, in der wir als KonsumentInnen alle leben und mit der wir täglich zu tun haben.
Mit der Historie müssen wir uns nicht allzu lang aufhalten, ein Blick darauf ist aber durchaus interessant.
Ein Blick zurück
Seit wann gibt es eigentlich Unternehmen?
Ganz klar lässt sich das sicher nicht beantworten. Waren etwa die frühen Handwerker wie Bäcker, Schmiede, Schneider, Töpfer schon Unternehmer? Oder die Bauern, wenn sie Knechte und Mägde hatten? KundInnen hatten sie ja alle schon, insofern gab es auch ein Kundenbeziehungsmanagement. Man ging hin, bestellte, ließ erzeugen, holte ab und bezahlte. Und man reklamierte, wenn es nicht passt.
Waren das damals alles Männer? Das ist zwar nicht die entscheidende Frage, aber die Bäcker und die Schmiede waren zumindest in den Beschreibungen nie weiblich, in den „softeren“ Berufen wie Schneidern und Töpfern eher schon, wenngleich das frühe Unternehmertum selbst männlich-patriarchalisch war, denn Frauen waren eher am Herd, als dass sie Herde erzeugten. Das ist zumindest das männliche Geschichtsbild.
Ist Kundenbeziehung nur auf das UnternehmerInnentum bezogen? In der Historie eher schon, denn dem Staat bzw. der örtlichen Verwaltung gegenüber lässt sich ja bis heute die Vermutung äußern, dass es eher einer Bittsteller-Beziehung ähnelt und dass gegenüber dem König niemand König ist.
Eine wohl entscheidende Wendung nahm das Thema in der Industrialisierung, da damit eine zunehmende Professionalisierung verschiedenster Bereiche einher ging. Plötzlich gab es eine Verkaufsabteilung, Stabstellen, Organigramme, Bereichsleitungen und noch vieles mehr.
Irgendwann wurde auch das „Marketing“ erfunden und mit dem Kundenbeziehungsmanagement verwoben. KundInnen wurden erforscht, kategorisiert und in ein Konzept verpackt, wie man mit ihnen umgehen sollte.
Mit der steigenden Professionalisierung kam die Tendenz auf, Menschen erstens als Faktoren wie Produktionsmittel zu betrachten und zweitens dem Effizienzgedanken zu unterwerfen. Aus der Personalabteilung wurde „Human Ressources“ (HR) und aus dem Kunden wurde der „Customer“, den man managen musste (CRM).
Da sich Menschen aber nicht wie Maschinen verhalten, wurde dieser Bereich zu einem nicht einschätzbaren und daher riskanten. Also mussten Methoden gefunden werden, die Menschen doch in berechenbare und somit kostenmäßig planbare Modelle zu pressen. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten, aber auch die dahinter oft verborgenen Menschenbilder sehen wir uns in Lektion 2 genauer an.
Ein gewisser Störfaktor bleibt die Kundschaft aber immer, vielleicht legt ja auch dieses Skriptum deswegen den Fokus auf die Probleme, die im Kundenbeziehungsmanagement auftauchen.
Mit den Veränderungen unserer Wirtschafts- und Arbeitswelt der letzten Jahrzehnte, speziell aber der letzten zwanzig Jahre, kam auch durch die Digitalisierung neuer Schwung ins Thema, vielleicht sogar eine Radikalisierung da und dort. Ob wir es als solche einstufen müssen, wird vielleicht erst der Rückblick aus der Zukunft zeigen können. Vorerst behandeln wir die Veränderungen aber so, wie sie uns gerade erscheinen.
Die neue Dynamik
Kundenbeziehungsmanagement ist durch ständige und scheinbar immer schnellere Veränderung gekennzeichnet.
Welches sind nun die Antreiber dieser Dynamik?
1.) Social Media
Dieses Thema zieht sich durch mehrere Kapitel, hat auf mehreren Ebenen Bedeutung, birgt Chancen und Risiken.
2.) Bequemlichkeit
In unserer von Überfluss geprägten Konsumwelt bleibt, wenn wir schon mehr oder weniger alles haben, noch die Steigerung der Bequemlichkeit. Luxus wird zur Normalität, der letzte Schritt ist dann der von der Selbstverständlichkeit über das Gewohnheitsrecht zum eingeforderten Recht. Der Kunde wird vom König zum Despoten, das Unternehmen zur Burg, das ständig angegriffen wird, sich verteidigt und tw. auch zum Gegenangriff übergeht.
Aus Bequemlichkeit könnten wir uns mit dem Thema erst irgendwann beschäftigen, brechen aber aus und tun das einfach gleich im Anschluss an diese Aufzählung.
3.) Wachstum und Effizienzsteigerung
Durch Kostendruck und Rationalisierungsmaßnahmen sind viele Servicestellen zusammengekürzt oder sogar weggestrichen worden. Wachstum kann oft nur mehr durch Einsparungen erreicht werden. Und das hat Auswirkungen auf die Kundenbeziehungen.
4.) Frust am Überfluss
Geld macht bekanntlich nicht glücklich, aber der dazu passende Spruch lautet „ich heule lieber im Taxi als in der Straßenbahn“. Wahrscheinlich hat das ein reicher Mensch gesagt.
Trotzdem zeigt sich da und dort langsam Skepsis an der Vorstellung, dass zum Glück das Shopping allein reicht. Sättigung tritt auf und wird auch als solche erkannt. Wenn wir uns die immer wiederkehrenden Bilder von Menschen in Erinnerung rufen, die an schwarzen oder sonstigen Freitagen als wildgewordener Mob die Einkaufstempel stürmen, dürfte ein „change of momentum“ noch in weiter Ferne liegen, aber es weiß wohl niemand genau, wie sich die Corona-Krise mittel- und langfristig auswirken wird. Diverse Trends müssen hier genauer unter die Lupe genommen werden, wobei das den Rahmen dieser Lehrveranstaltung sprengen würde.
Ich möchte hier vor allem diejenigen aufzählen, die auf den ersten Blick mit dem Thema Kundenbeziehungsmanagement zu tun haben:
- Digitalisierung – mit all ihren Implikationen, sie zieht sich durch die folgenden Lektionen
- Homeshopping – mit mehr Auswirkungen auf unser Leben und unsere Gesellschaft, als sich die Shopper und Shopperinnen vorstellen können und vor allem wollen. (Eine Zalando-Lieferung lässt sich leichter zurückschicken, wenn man/frau sich nicht bewusst macht, dass das Zeug aus Kostengründen vernichtet wird. Mit den Worten „das glaube ich nicht“ lässt sich der Zweifel aber schnell und einfach zerstreuen. Schließlich wartet schon die nächste Bestellung darauf geklickt zu werden.[1])
- Regionalisierung – als Gegentrend zur Globalisierung.
- Suffizienz – als Teil der ziemlich emotionsgeladenen Diskussion rund um die Postwachstumsökonomie
Jeder einzelne Faktor verdient sich eine ganze Lehrveranstaltung, mindestens. Hier muss es reichen, das Thema anzuschneiden und Lust auf weitere Betrachtung zu machen. Vielleicht ergibt sich daraus ja die eine oder andere Masterarbeit.
Die Bequemlichkeit
Wieso beschäftigen wir uns überhaupt damit? Ich stoße in meiner Arbeit immer öfter auf dieses Phänomen und behaupte, dass es einer der großen Faktoren im Kundenbeziehungsmanagement der Zukunft ist. Ich werde daher in der Erörterung die Faktoren sammeln, die berücksichtigt werden sollten, wenn ein CRM-Konzept erzeugt wird.
In diesem Kapitel stehen wir vor dem Problem, dass es dazu wenig wissenschaftliche Forschung gibt. Selbst der Grund, weshalb es wenig Forschungen gibt, ist wenig erforscht. Wir müssen daher selbst Hypothesen bilden und versuchen, uns ein Bild zu machen, von dem wir annehmen, dass es einigermaßen mit der Realität übereinstimmt.
Ich löse mich aus der Bequemlichkeit, dieses spröde Kapitel einfach nicht zu schreiben und presche sozusagen vor. Dieses Vorpreschen bringt mich in die Situation zuerst einmal alleine dazustehen. Alle anderen sind quasi noch in den Startlöchern und müssen sich erst bewegen. Für unser Thema hier bedeutet das, dass die Annäherung an die Wirklichkeit – und damit die Basis für einen praktischen Umgang damit – erst erzeugt werden muss. Die Wahrheit steht wieder einmal noch nicht fest.
Ich brauche dazu Ihre Mithilfe, und zwar in Form von Fragenbeantwortung. Diese finden Sie wie üblich am Ende der Lektion, jetzt können Sie es sich erst einmal bequem machen und sich über meine Hypothesen und Ideen freuen, ärgern oder was auch immer.
Beginnen wir mit der Wahrnehmung der Phänomene.
Wie viele KonsumentInnen achten beim Einkauf auf Qualitäts- oder Umweltsiegel? Auch wenn der Anteil ständig am Steigen ist, bleibt es doch eine Randerscheinung. Eine Erklärung dafür ist die Bequemlichkeit.
Beispiel 1: Eine Studie über Zertifikate auf Fischprodukten hatte etwa zur Folge, dass die Testteilnehmer danach mehr nicht zertifizierten Fisch kauften. Die Bequemlichkeit hatte dazu geführt, dass nur die Botschaft „Fisch kaufen“ übriggeblieben ist. Dass es um die Zertifizierung ging, war nicht mehr in ihrer Wahrnehmung, dieser Teil der Botschaft wurde überlesen.
Beispiel 2: Salzen statt Schneeräumen. In den letzten Jahren hat es sich in Wien eingebürgert, nicht mehr Schnee zu schaufeln. Selbst wenn es mit dem Pflug möglich ist – einfach Salz hinzustreuen ist immer der einfachste und bequemste Weg. Daher wird heute oft nur mehr gesalzen, und das nicht zu wenig. Für die Natur ist das eine Katastrophe, denn außer auf manchen Autobahnabschnitten, wo die Salzlauge eingesammelt und entsprechend entsorgt wird, gelangt die aggressive Chemie (es handelt sich ja nicht mehr wirklich um Salz, sondern um ein „Auftaumittel“) direkt in die Böden und sorgt dort für großen Stress, vor allem bei Bäumen. In der Stadt Wien haben Stadtbäume maximal die halbe Lebensdauer von Waldbäumen. Politisch hat vor einigen Jahren die Bequemlichkeit wieder einmal gesiegt und das Salzen unterliegt keinerlei Einschränkungen. Daher sieht man hin und wieder, wenn alles getaut ist, ganze Salzhäufchen auf der Straße, weil es in Unmengen ausgebracht wird.
Einen ähnlichen Fall finden wir bei den immer beliebter werdenden Laubbläsern.
Beispiel 3: Das Spannleintuch. Man muss es nicht bügeln und es mach das Überziehen einfacher.
Beispiel 4: Elektrische Fensterheber. Sie sind seit vielen Jahren nicht mehr Luxus, sondern Standard in fast allen Autos. Wer schon lange genug lebt, kennt die alten Kurbeln noch und weiß, wie mühsam das damals war. Wer die Fenster im Fonds zwecks Lüftung öffnen wollte, musste – sofern nicht jemand hinten saß – stehenbleiben, aussteigen, die Tür öffnen und die Kurbel betätigen. Das Gleiche galt für die BeifahrerInnenseite.
Das Kulturversprechen
Eine erste Analyse könnte lauten: Bequemlichkeit ist eine feine Sache, wird zu einem guten Teil durch die Entwicklung der Technik einfacher und billiger erreichbar und führt zu einem angenehmeren Leben.
Sie ist aber auch Ausdruck eines Kulturversprechens, das es seit langer Zeit gibt, das aber seit dem Industriezeitalter quasi einen Turbo bekommen hat: Wer brav arbeitet und dazu beiträgt, dass uns in Zukunft Maschinen die Arbeit abnehmen, wird mit dem Recht auf Nichtstun (Nicht arbeiten müssen) belohnt.
Dieses Versprechen gab und gibt es auf mehreren Ebenen: Erstens gesellschaftlich – wir werden alle weniger bis nichts arbeiten müssen, wenn wir endlich das Stadium der Entwicklung erreicht haben, in dem uns die Arbeit von Maschinen abgenommen wird, in dem sozusagen für unseren Lebensunterhalt gesorgt ist.
Zweitens individuell – historisch das calvinistische Versprechen – wer hart arbeitet, kann durch eigene Leistung diesen Zustand schon vor dem Rest der Gesellschaft erreichen.
In meiner Jugend gab es ein Brettspiel, das „Spiel des Lebens“. Es hatte neben dem bedeutungsschweren Titel auch ein sehr klar definiertes Ziel: Wer als erster durch´s Ziel geht, wird Millionär und kann „privatisieren“. Das bedeutete den Einzug in eine große, tolle Villa, vor allem aber, ab diesem Zeitpunkt für den Rest des Lebens nichts mehr arbeiten zu müssen. Wenn wir uns das Wort „privatisieren“ näher betrachten, so finden wir heraus, dass es vom lateinischen „privare“ abstammt, und das heißt so viel wie „rauben“. Das „Privateigentum“ ist also geraubtes Eigentum. Die Frage ist nur: Was wurde wem geraubt?
Die Antwort lautet: Dinge wurden geraubt, und zwar von anderen Menschen. Wenn heute in der Wirtschaft „privatisiert“ wird, denn wird das Eigentum aller (das öffentliche Eigentum) einem Privatunternehmen gegeben, manchmal gegen hohen, manchmal gegen geringen Gegenwert, sprich: zu billig. Das wird dann Jahre später in einem Untersuchungsausschuss geklärt oder auch nicht.
Wer also in der erwähnten Villa lebt und genügend Geld hat, um sich ohne arbeiten zu müssen alle Konsumwünsche erfüllen kann, lebt „bequem“ und ist – so das Zusatzversprechen – glücklicher als diejenigen, die es nicht so gut erwischt haben. Im „Spiel des Lebens“ sind das diejenigen, die beim Würfeln Pech hatten.
In der realen Welt sind es heute eher die Menschen, die niemanden haben, den sie beerben können. Die bequemste Variante, in die Villa zu kommen, besteht nämlich darin zu erben, also selbst nichts arbeiten/leisten zu müssen.
Für unser Thema ist es nicht wichtig, an dieser Stelle eine Bewertung abzugeben oder zu diskutieren. Es geht darum, was das Kulturversprechen (Bequemlichkeit für alle und für jeden einzelnen) für unser Thema Kundenbeziehungsmanagement bedeutet.
Dazu müssen wir uns noch mit der Frage der Quantität beschäftigen.
Die Frage nach der Dosis
Gewisse Grenzen setzen die Konsequenzen, die Bequemlichkeit immer öfter hat. Hypothese: Die Dosis macht das Gift, wie so oft. Entweder führt die Übertreibung zu einem Kippeffekt, bei dem es durch zu viel Bequemlichkeit an einer anderen Ecke wieder unbequem wird, oder es sind hohe Preise zu bezahlen, etwa wenn die Umwelt entsprechend geschädigt wird. Das ist vor allem dann bedenklich, wenn diejenigen, die den Preis zu zahlen haben, sich nicht darüber beschweren können, etwa weil sie noch gar nicht geboren sind oder in einem anderen Winkel dieser Erde leben.
Unser Beispiel 2 (Salzen statt Schaufeln) fällt wohl in diese Kategorie. Wenn wir das jetzt kritisieren wollen, landen wir beim Regelsystem, also bei der Aufgabe der Politik, diese Dinge zu regeln. (Politik verstehe ich hier als ein Ausgleichssystem zwischen verschiedenen Interessen in einer Gemeinschaft.) Eine Regelung ist aber – zumindest in diesem Beispiel – mit einer Einschränkung der Bequemlichkeit verbunden, denn die Regelung würde auf ein Verbot oder eine Einschränkung des Salzens hinauslaufen, wodurch wieder mehr geschaufelt werden müsste. Eine Unzahl an HausmeisterInnen und Räum-/Reinigungsfirmen würde sich da schön bedanken, denn es brächte ihnen Mehraufwand und somit weniger Profit.
In Folge würden sich wohl die Hausverwaltungen bzw. die Mieterinnen und Mieter beschweren, die höhere Betriebskosten zahlen müssten. Ihre Interessensvertretungen (Fachverbände in der Wirtschaftskammer, Lobbys, Parteien) würden entsprechenden Druck auf den Gesetzgeber ausüben, der dann abwägen und entscheiden müsste und vor dem Problem stünde, sich irgendwie zwischen Umweltschutz und BürgerInnenwille zu entscheiden.
Wir stoßen hier auf ein weiteres Problem, nämlich das der Komplexität. Würden wir das Salz durch Streusplit ersetzen, haben die Bäume (und seit einigen Jahren auch die rostenden Autos) kein Problem mehr, dafür entstünde mehr Feinstaub, was wiederum die Umweltmediziner kritisieren müssten. Außerdem stoßen wir hier auf den Gewöhnungseffekt der AutofahrerInnen, die damit rechnen, dass sie jederzeit bei jedem Wetter immer ihre gewohnten Wege ohne Geschwindigkeitsverlust fahren können. Wir können an den zahlreichen Unfällen bei winterlichen Fahrbedingungen sehen, dass die meisten aus überhöhter Geschwindigkeit entstehen, weil aufgrund der Gewohnheit (so die Annahme) die Geschwindigkeit nicht reduziert wird. Man rechnet damit, dass die Fahrbahn entsprechend präpariert, also gesalzen ist. Also müsste man in die Bequemlichkeit der Gewohnheit eingreifen, was wahrscheinlich noch viel schwieriger ist. Etwas zu verändern, das sich eingespielt hat, das die Menschen vielleicht sogar liebgewonnen haben, das quasi zur Kultur gehört – das tun sich nur die wenigsten PolitikerInnen an und meist werden sie dafür abgestraft, sprich: abgewählt.
Es ist also gar nicht so leicht, gegen Bequemlichkeit anzukommen und oftmals ist es bequemer, es gar nicht zu versuchen.
Es bleibt also meistens alles so, wie es ist, außer
a.) die Bequemlichkeit ist nicht der wichtigste Antreiber in den eigenen Werten
b.) es geht nicht mehr
Die schlechte Nachricht zuerst: Wertewandel ist schwierig und dauert meist lange. Er ist nur kollektiv erreichbar und kann nicht verordnet werden.
Dass es eine Veränderung gibt, dass sie manchmal erst möglich, weil denkbar wird, wenn es nicht mehr geht, zeigt uns die Corona-Krise.
Der Kampf gegen die Normalität
Wir empfinden die Alltagsbequemlichkeiten nicht als Bequemlichkeiten, sondern meistens als Selbstverständlichkeiten, als Normalität, in extremer Ausprägung als das immer schon Dagewesene.
Jede einzelne der Bequemlichkeiten hat eine Geschichte, die aus der Mühsal entspringt. Dadurch erhielt sie in der Vergangenheit eine Qualität, einen Wert. Dieser ist – so meine Wahrnehmung – in den meisten Fällen verloren gegangen. Sehen wir uns einmal an, wie sich so etwas entwickelt.
Beispiel 5: Der Geschirrspüler
Für Singlehaushalte hält sich der Aufwand in Grenzen, aber für eine ganze Familie täglich Geschirr abzuwaschen ist eine mühsame und manchmal langwierige Angelegenheit. Wie schön, dass der Geschirrspüler erfunden wurde. Man putzt den gröbsten Dreck ab, steckt alles in den Spüler und drückt auf den Knopf. Nach einiger Zeit macht man ihn auf, lässt das Geschirr ev. noch trocknen und räumt es aus. Das ist wirklich bequem.
Bemerkenswert ist eine Beobachtung, die ich seit einiger Zeit mache. Menschen verwenden ein Stück Geschirr, sagen wir einen Teller, um darauf eine Kleinigkeit zum Tisch zu tragen und es dort zu essen, vielleicht eine Semmel mit Käse. Danach räumen sie den Teller in den Spüler und nehmen einen neuen, auf den sie ein anderes Stück Speise aufladen, danach kommt auch dieser Teller in den Spüler. Ich beobachte immer wieder, dass diese Teller oft fast unberührt sind, gerade mal ein paar Bröseln oder ein Batzerl[2] Butter befindet sich darauf.
Die Art und Weise, wie dies geschieht, macht mich des Öfteren stutzig, was daher kommt, dass ich selbst keinen Geschirrspüler besitze. Ich verwende Teller manchmal mehrfach, was ich bei GeschirrspülerbesitzerInnen gar nicht bemerken kann. Wenn ich sie dann darauf anspreche, sind sie meist sehr verwundet, denn es fällt ihnen gar nicht auf. Man ist es so gewohnt und es ist unvorstellbar, dies anders zu machen.
Hier sehen wir, wie sich Alltagsgewohnheiten verändern, was letztlich zu einer Veränderung der Kultur führt, die meist nicht bemerkt und reflektiert wird. Es passiert quasi über Nacht, bzw. über mehrere, über viele Nächte. Irgendwann „ist es einfach so“ bzw. „man macht es einfach so“. Wer es anders macht, wird schief angesehen oder gemeinsam belächelt, fällt aus der Norm und bleibt nur dann in der Gemeinschaft willkommen, wenn er/sie sich unauffällig verhält.
Beispiel 6: Convenience Food
Eines der englischen Wörter für Bequemlichkeit ist Convenience, die anderen beiden sind Comfort und Ease.
Hier geht es aber um unser Essen, eigentlich um die Veränderung unseres Essens. Es wird nämlich immer bequemer. Deswegen heißt es jetzt auch Convenience Food und die Regalreihen in den Supermärkten werden immer länger.
Das Einzige, was das Essen in diesen Regalen noch nicht ist, ist vorgekaut. Es ist aber bereits fertiggekocht und muss nur noch aufgewärmt werden. Das geht am einfachsten in der Mikrowelle.
Bequemlichkeit steckt an, und zwar auf vielfältige Art und Weise. Eine davon ist die Kaskade, bei der mehrere Bequemlichkeiten aufeinander folgen.
Das folgende Bild zeigt ein Beispiel dafür:
:::nuggets.jpgAbbildung 1[3]
Hier wurde nicht nur bequemes Essen gekauft, sondern die Verpackung auch noch bequem entsorgt – einfach auf der Straße fallen gelassen. Das ist nur ein Beispiel von vielen, sehr beliebt ist es auch bei Rauchern die Asche und die Zigarette beim Autofenster hinaus zu schmeißen. Das ist viel bequemer als immer wieder den Aschenbecher auszuleeren und das verdreckte Cockpit rund um den Aschenbecher zu säubern. Den Preis für die Umweltverschmutzung durch extrem langsam verrottende Tschikstummel[4] zahlt nicht der, der sie wegwirft. In der Theorie ist das zwar strafbar, erwischt zu werden in der Praxis aber so selten, dass die Wahrscheinlichkeit gegen Null geht.
Beim Essen lässt sich auch die Lernkaskade gut zeigen. Auf jede erlernte Bequemlichkeit folgt eine weitere.
1.) Im Supermarkt bekommt man alle Zutaten an einem Ort. Das ist bequemer als in mehrere Geschäfte fahren oder gehen zu müssen.
2.) Statt frischem Gemüse kauft man Tiefkühlgemüse. Das ist sehr bequem, weil es rund ums Jahr zu haben ist und man nicht saisonal überlegen muss.
3.) Statt einfaches Tiefkühlgemüse zu kaufen, nimmt man die Packung, in der schon alles fertig gewürzt ist. Mit Fleisch funktioniert das auch: geschnitten und mariniert muss es nur noch in die Pfanne.
4.) Die Speisen sind schon bereits fertig zubereitet, also die Fischstäbchen paniert, der Erdäpfelsalat essfertig. Man muss nur noch auspacken und aufwärmen.
5.) Man muss keine Speisen mehr kombinieren, das ist bereits erledigt – auf einem Plastikteller befinden sich Hauptspeise plus Beilage, ev. sogar noch eine Nachspeise.
6.) Man lässt sich die fertigen Speisen liefern, nachdem man sie online bestellt hat.
7.) Der Kühlschrank bestellt selbständig fehlende Speisepakete, die dann geliefert werden. Das Geld wird automatisch vom Konto abgebucht.
Das ist meines Wissens die derzeit letzte Ausbaustufe, die letzte Kaskade der Essensbequemlichkeit.
Ich behaupte: Wer einmal eine Kaskadenstufe erreicht hat, gibt sich mit keiner früheren Stufe mehr zufrieden, außer es gibt einen besonderen Anreiz.
Was hinter der Bequemlichkeit steckt
Um das Phänomen der Bequemlichkeit bis in die notwendigen Tiefen zu verstehen, müssen wir in die Grundstrukturen des menschlichen Lebens vordringen.
Dort finden wir dann auch die Basis für die Bewertung, denn Bequemlichkeit ist per se weder gut noch schlecht. Es ist daher auch nicht sinnvoll sie prinzipiell zu bekämpfen, wir sollten uns eher die Frage nach ihren Grenzen stellen und – idealerweise gemeinsam – entscheiden, wo wir sie wollen und wo nicht.
Wo wir sie begrenzen müssen, wird eine Kulturleistung fällig, nämlich die Transformation des Glücks in einen anderen Bereich.
Ich bin nämlich selbst gerne bequem. Ich sitze lieber auf einem bequemen Sattel auf meiner Vespa als auf einem unbequemen und ich finde es sehr angenehm, wenn ich bei einem Workshop so nette und interessierte TeilnehmerInnen habe, dass ich es bequem habe statt mühselig.
Es wäre also seltsam, wenn ich mir selbst Schaden zufüge, indem ich meine Bequemlichkeit verringere. Wo sie doch so angenehm ist.
Die Behaglichkeit
Sie ist quasi die Tante der Bequemlichkeit. Man fühlt sich in ihrer Nähe sehr wohl, schätzt sie aufgrund ihrer angenehmen Ausstrahlung, die vor allem durch die Differenz zur Unbehaglichkeit entsteht.
Eugen Roth hat das so ausgedrückt:
Ein Mensch liest, warm am Ofen hockend,
Indem das Wetter nicht verlockend,
Dass gestern, im Gebirg verloren,
Elendiglich ein Mann erfroren.
Der Mann tut zwar dem Menschen leid -
Doch steigerts die Behaglichkeit.
(Eugen Roth, aus „Von Mensch zu Mensch“, S 20)
Man genießt ihre Anwesenheit solange sie da ist und ist ein wenig ungehalten, wenn sie verschwindet. Es ist zwar klar, dass ihre Anwesenheit kein Dauerzustand ist, aber ein wenig länger wäre schon noch schön gewesen. Unter der warmen Bettdecke ist es auch umso behaglicher, je kälter es draußen ist.
Die Genealogie der Bequemlichkeit ist damit aber noch nicht vollständig – das wäre ja auch eine arg kleine Verwandtschaft. Sie hat nicht nur die Tante Behaglichkeit, sondern noch eine weitere Tante und einen Onkel:
Die Rücksichtslosigkeit
Keine Rücksicht nehmen bedeutet: Man blickt nicht hinter sich, wo sich nämlich die Nachkommen befinden, also die Menschen, die uns nachkommen und sozusagen den Staub fressen, den wir aufwirbeln. Wir verbrauchen heute – auch durch unsere Bequemlichkeit – bereits so viele Ressourcen, als hätten wir drei Planeten zur Verfügung. Es ist äußerst bequem nicht darüber nachzudenken, wem die anderen beiden Planeten einmal fehlen werden.
Der Egoismus
Er ist stark in die Gegenwart gerichtet und wird durch unser Wirtschafts- und Konsumsystem massiv angetrieben. So bekam der individuelle Besitz den hohen Stellenwert, den ein auf ewiges Wachstum ausgerichtetes Wirtschaftssystem braucht, um bestehen zu können. Würden Gemeinschaften die Kaufentscheidungen treffen, hätte das System ein Problem, denn dann würden sehr viele Menschen die Gegenstände teilen bzw. gemeinsam nützen. Die berühmte Bohrmaschine ist ein gutes Beispiel. Die wenigsten Menschen brauchen sie oft, es würde meist eine für ein ganzes Haus locker reichen. Die Industrie möchte aber möglichst viele verkaufen, daher braucht sie Menschen, die eine eigene haben wollen.
Wegwerfen und zerstören
Eine Folge der Bequemlichkeit ist der achtlose Umgang mit Dingen und Ressourcen. Er gehört sozusagen zu einem guten „convenient lifestyle“ dazu und ist deutlich einfacher als der Aufbau bzw. das Bewahren von etwas. Dafür braucht man einen Plan, muss Material besorgen und mehr oder weniger kunstvoll verarbeiten. Zerstören bzw. Wegwerfen ist dagegen einfach.
Es ist heute in nahezu allen Fällen billiger, ein Haus abzureißen und ein neues zu bauen, als das alte zu renovieren. Wir könnten auch sagen: Billig ist die „Bequemlichkeit des Preises“. Wer billig kauft, muss sich keine Gedanken machen, nicht abwägen, nicht kalkulieren, sich nicht irgendwo einschränken, um woanders dann genug gespart zu haben.
Auf die mannigfachen Formen und Ursachen unserer Wegwerfgesellschaft möchte ich hier nicht näher eingehen, sehr wohl aber kurz auf die Auswirkungen, die mit der Bequemlichkeit zusammenhängen.
Es ist deutlich bequemer, sich vor und in der Herstellung eines Produkts nicht mit seinem gesamten Produktlebenszyklus beschäftigen zu müssen, sondern nur eine gewisse Funktion über eine gewisse Zeit zu gewährleisten. Was danach geschieht, ist dann weder dem Hersteller noch dem Konsumenten wichtig. Aus den Augen – aus dem Sinn.
Die Rolle der Politik
Unser Phänomen zieht sich gleich mehrfach durch die Politik und zieht sich dadurch auch in unser aller Leben hinein, auch in das Thema Kundenbeziehungsmanagement, weil die Politik die Gesetzgebung in eine bestimmte Richtung lenkt und dies Auswirkungen hat, etwa wenn Grenzwerte festgelegt werden, die für die Produktentwicklung von Bedeutung sind: Schadstoffe (Kinderspielzeug), Inhaltsstoffe und ihre Definition (was ist ein Gewürz, was ist ein Nahrungsergänzungsmittel etc.). All dies ergibt einen „Interaktionsbrei“ zwischen Unternehmen und KundInnen, in dem über diese Themen kommuniziert wird, etwa über Beschwerden, die zu Rückholaktionen führen oder über die Werbung, die etwa anpreist, dass das neue Waschmittel jetzt phosphatfrei ist.
Zum besseren Verständnis der Rolle der Politik greife ich vier Beispiele heraus.
1.) Die Bequemlichkeit fordert einfache Antworten auf schwierige Fragen. In Konsequenz werden die Parteien/PolitikerInnen gewählt, die die einfachsten Antworten geben.
2.) Es gibt in der Politik prinzipiell zwei Möglichkeiten: Ich erstelle ein Programm und werbe dann damit für eine Mehrheit. Wenn ich gewählt werde, ziehe ich dieses Programm durch, denn das erwarten meine WählerInnen. Die andere Variante besteht darin, zu hören, wer am lautesten schreit[5] und das dann als Programm zu verkünden. Auch damit entspreche ich der Erwartung der WählerInnen.
Wer jetzt die Frage stellt, welche der beiden Möglichkeiten die bequemere ist, kann sich die Auswirkungen wahrscheinlich vorstellen.
3.) Im Europaparlament bzw. auch in anderen Parlamenten und Gremien, die für die Gesetzgebung zuständig sind, können Abgeordnete sich für zwei Wege entscheiden: Der erste besteht darin, Gesetzesentwürfe genau zu prüfen, Check und Re-Check zu machen und viele Für- und Wider abzuwägen sowie komplexe Zusammenhänge zu erkennen. Der zweite besteht darin, sich von ExpertInnen einen Text geben zu lassen und diesen dann einzureichen. Diese ExpertInnen kommen aus den Interessensvertretungen und heißen Lobbyisten.
Auch hier darf die Frage nach der Bequemlichkeit gestellt werden. Ich möchte aber anmerken, dass die Ressourcen der Abgeordneten oft so dimensioniert sind, dass sie die notwendige Arbeit für den ersten Weg gar nicht leisten können. Sie haben weder die MitarbeiterInnen noch das Forschungsbudget. Dass dem so ist, ist auch eine politische Entscheidung.
4.) Ich habe vor einiger Zeit mit einem jungen Mann aus Wien geplaudert, der mir erklärt hat, dass er in seinem Bezirk die Grünen wählt, in der Stadt aber die Blauen. Der eklatante Unterschied im Programm der beiden Parteien war ihm komplett egal, er wollte sich auch nicht damit beschäftigen. Opportunismus ist bequem, man braucht sich nicht mit den Vor- und Nachteilen einzelner Positionen und Programme beschäftigen, sondern pickt sich die Rosinen heraus.
Die andere Variante ist die Bequemlichkeit der Kontinuität. Wenn ich immer das wähle, was ich immer gewählt habe und was vielleicht schon meine Eltern gewählt haben, muss ich mich ebenfalls nicht mit Wahlprogrammen oder sonstigem Politkram herumschlagen.
Wie sieht eine politische Landschaft aus, in der beide Formen der Bequemlichkeit zusammenkommen? Möglicherweise so wie unsere heutige Politlandschaft aussieht, vielleicht aber auch wie eine zukünftige gestaltet ist.
Fazit: Auch in der Politik erklärt Bequemlichkeit nicht alles, es spielen natürlich viele andere Faktoren auch eine Rolle. Ihren Stellenwert genauer herauszuarbeiten wäre aber aus meiner Sicht eine wertvolle Arbeit, dieser kurze Ausflug soll zeigen, wie sich die Bequemlichkeit auf die Rahmenbedingungen unseres Lebens auswirkt.
Die Folgen für das Kundenbeziehungsmanagement
Wir haben es mit einer bequemen Gesellschaft zu tun, also mit einer, in der die Bequemlichkeit einen so hohen Wert hat, dass sie und ihre Auswirkungen von der Gesellschaft geschützt werden, und somit auch durch die Politik. Diese beschließt daher weniger oft Gesetze, die unbequeme Auswirkungen haben.
Daraus entsteht mit der Zeit so etwas wie ein „Recht auf Bequemlichkeit“ und wir müssen uns die Frage stellen, wie sich das auf das Kundenbeziehungsmanagement auswirkt.
Ich habe vor einiger Zeit mit einer Tirolerin gesprochen, die eine nette, kleine Pension betreibt und sie gefragt, warum die Skigebiete trotz immer wärmeren Wintern nach wie vor ausgebaut werden. Ihre Antwort war einfach: Die Gäste wollen immer perfekter präparierte Pisten bei stets gleichbleibenden Bedingungen, daher müssen wir alles mit Kunstschnee machen. Und wir müssen ausbauen, denn die Gäste erwarten sich ständig neue und mehr Pisten.
Und sie meinte, wenn sie es nicht machen, dann macht es das Skigebiet woanders und die Gäste wandern ab.
Versuchen wir eine Zusammenfassung für unser Thema.
1.) Die Bequemlichkeit fordert einen ständigen Ausbau in Richtung neuer, größer, schöner und natürlich auch bequemer. Das betrifft nicht nur Skigebiete, sondern nahezu alle wichtigen Konsumbereiche unseres Lebens: Autos, Fernseher, Handys, bis hin zum Essen. Die Produktentwicklung muss sich dem anschließen – zu diesem Thema gibt es noch ein eigenes Kapitel oder zwei.
2.) Die Kommunikation muss ebenfalls immer bequemer werden. Das führt zur Entwicklung von „one-stop-shops“ und zur Philosophie des „one-face-to-the-customer“. Dass dies auch seine Schattenseite hat, beleuchte ich in einem weiteren Kapitel.
3.) Die Frage des Widerstands bekommt neue Bedeutung. Ich stelle folgende Behauptung auf: Wer es bequem hat, entwickelt keinen Widerstand gegen den momentanen Zustand und möchte diesen erhalten.
Das klingt auf den ersten Blick vielleicht banal, hat aber Auswirkungen auf das Kundenbeziehungsmanagement. Vielleicht lässt sich damit z.B. die Tendenz zum Online-Shopping gut erklären.
Sich nicht gegen etwas zu wehren ist immer einfacher und somit bequemer. Das gilt ganz besonders, wenn das Etwas als angenehm empfunden wird oder zumindest angenehme Seiten hat. Der Konsumismus ist so etwas, er wird von Harald Welzer wie folgt beschrieben:
„Konsumismus ist heute totalitär geworden und treibt die Selbstentmündigung dadurch voran, dass er die Verbraucher, also Sie, zu ihren eigentlichen Produkten macht, indem er sie mit immer neuen Wünschen ausstattet, Wünsche, von denen Sie vor kurzem nicht einmal ahnten, dass Sie sie jemals hegen würden.“[6]
Die alten Römer kannten schon den Begriff „panem et circenses“ – also: gebt den Menschen Brot und Spiele, dann bleiben sie ruhig und lehnen sich nicht auf – wogegen auch immer. Das Einzige, wogegen sie sich dann noch auflehnen, ist die Zurücknahme von Brot und Spielen. Und da wir alle dem Gewöhnungseffekt unterliegen, braucht es von Zeit zu Zeit eine kleine Steigerung, damit wir wieder zufrieden sind.
Wenn das gegeben ist, besteht unser Widerstand lediglich noch aus dem, was wir im Wienerischen „Raunzen“[7] nennen. Dies pflegen vor allem die Wienerinnen und Wiener umso öfter, je besser es ihnen geht. Das klingt auf den ersten Blick paradox, ist aber leicht erklärbar: Veränderung ist immer mühselig und somit unbequem, daher lieben die meisten Menschen die Nicht-Veränderung. Das Raunzen wird umso öfter praktiziert, je einfacher es ist. Die derzeit leichteste Form ist – höchst bequem – daheim auf der Couch im Internet.
Wenn sich dieses Raunzen gegen Unternehmen richtet, dann braucht es gutes Kundenbeziehungsmanagement. So schließt sich der Kreis zu unserem Thema. (Zum Thema Widerstand gibt es noch einiges im Kapitel 10)
Der Kampf gegen die Bequemlichkeit
Zu jedem Trend gibt es einen Gegentrend, zu jeder Kraft eine Gegenkraft. Wenn die Dosis zu groß wird, wenn Bequemlichkeit beginnt uns zu schaden, stellt sich die Frage, was wir dagegen tun wollen und können.
Leicht wird dieser Kampf nicht. Er wird unbequem, lässt sich nicht von der Couch aus führen und es gibt keine Gewissheit siegen zu können. Der Gegner erscheint sogar übermächtig, vor allem, weil er in jedem von uns hockt und keine Gelegenheit auslässt, seine Stärke zu zeigen.
Versuchen wir trotzdem erste Gedanken zu entwickeln:
1.) Mache das Bequeme unbequem.
Das funktioniert in unserer Welt durch die Umgestaltung des Hauses, in dem die Bequemlichkeit mitsamt ihrer Verwandtschaft wohnt. Das Haus heißt „Geld“. Wer das schädliche Bequeme teuer macht, bringt die Menschen dazu Alternativen zu wählen. Dann können sich zwar die Reichen nach wie vor die Bequemlichkeit leisten, aber das können sie sowieso, es macht also keinen Unterschied. In der Politik erfreut sich dieser Ansatz keiner großen Beliebtheit, weil er meist einen Verlust bei der nächsten Wahl bedeutet.
2.) Zeige die Vorteile des Unbequemen auf
Eine Aufgabe einer gewissen Bequemlichkeit bringt andere Formen der Lebensqualität, sozusagen neues Glück anstelle des alten. Statt mit dem Auto mit dem Fahrrad zu fahren bringt frische Luft und Bewegung, Gesundheit für Herz und Kreislauf sowie mehr Kontakt mit Menschen.
Dazu braucht es allerdings Triebverzicht, denn meist liegen diese Vorteile irgendwo in der Zukunft und können nicht gleich und meist auch nicht einfach geerntet werden. Und wenn der Kontakt mit dem Fahrrad in Form eines Unfalls mit einem (stärkeren) Auto stattfindet, zeigt sich, dass dieser Ansatz nicht nur Stärken hat.
3.) Zeige Alternativen zur Bequemlichkeit auf
Dazu braucht es Kreativität und Anstrengung, denn die neuen Bequemlichkeiten sollen ja nicht mehr Schaden anrichten als die alten.
Wer es z.B. schafft punkto ewiger Konsumsteigerung raus aus der eigenen Bequemlichkeit zu kommen, für den machen noch mehr Dinge nicht automatisch glücklich, sondern wenige, hoch qualitative, reparierbare, lang haltbare Dinge rücken ins Zentrum des eigenen Seins. Deren ständiger Austausch ist nicht mehr notwendig, die ununterbrochene Aufrüstung mit Konsumgegenständen, um besser zu sein als die Nachbarn, wird obsolet. Der zweite, nicht so leicht ersichtliche und greifbare, ist eine saubere Umwelt, die auch noch für die Kinder und Enkeln lebenswert ist.
Hier geht es vor allem um eigentlich langlebige Dinge wie eine Küche. Derzeit wächst der Konsum an Möbeln in den westlichen Gesellschaften alle zehn Jahre um 150%.[8]
Ganz ehrlich: Brauchen Sie alle zehn Jahre wirklich eine neue Küche? Ist die um so viel besser als die alte Küche, so dass sich der Austausch lohnt?
Es ist ja sehr bequem: Ein paar Monteure kommen und binnen kurzer Zeit ist eine neue Küche da – nicht sehr gut in der Qualität, aber das muss sie auch nicht sein, da sie ja nur zehn Jahre halten muss. Dann soll sie sogar kaputt sein, denn dadurch gibt es eine bessere Legitimierung für den Kauf einer neuen Küche.
Macht das wirklich glücklicher und zufriedener?
Wir müssen hier noch einen kleinen Ausflug in die Glücksforschung machen und ich verweise noch einmal auf das schon beschriebene „Das Spiel des Lebens“. Auch mir wurde schon in der Kindheit, vor allem aber in der Jugend von allen Seiten eingeredet, dass ich möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen sollte, um möglichst früh „ausgesorgt“ zu haben. Wer Geld hat, hat also keine Sorgen mehr.
In der Glücksforschung gibt es inzwischen klare Erkenntnisse, dass das so nicht stimmt. Bis zu einer gewissen Schwelle ermöglicht Geld in einer Gesellschaft wie der unseren tatsächlich die Reduzierung der Sorgen bis zu einem Punkt, an dem eine Zufriedenheit entsteht. Diese ist eingebettet in gesellschaftliche Normen, die es einzuhalten gilt. Sie werden – je nach politischer Auffassung – unterschiedlich definiert. In konservativ-rechten Kreisen ist das der Aufbau und Erhalt einer Kernfamilie (idealerweise Vater, Mutter, Sohn und Tochter – in genau der Reihenfolge), ergänzt durch Hund und Haus mit Doppelgarage. Alternativ geht auch eine großbürgerliche Altbauwohnung in einem schönen Stadtviertel.
In der linken Hälfte gibt man/frau sich mit etwas weniger Materiellem zufrieden, aber umfassende Reisetätigkeiten („die Welt sehen“), eine gute Ausbildung der Kinder und das neueste Handy dürfen es dann schon sein.
Die Forschungen stammen aus den USA und gehen davon aus, dass ein Jahres-Familiengehalt von ca. 80.000 Dollar (Quelle) den Höhepunkt an Zufriedenheit ermöglicht. Danach sinkt sie wieder, denn je mehr Geld und Besitz dazu kommt, desto mehr Aufwand muss für dessen Verteidigung und Erhaltung aufgewendet werden und umso mehr kommen die Menschen, die in dieser Lage sind, in den Strudel die Nachbarn punkto Statussymbole übertreffen zu müssen. Der Fachausdruck dazu heißt „Keep it up with the Jones“, also schau, dass du mehr und was Besseres hast als die Familie Jones im Reihenhaus daneben.
Der Grund dafür ist einfach erklärt: Wer so viele Dinge besitzt, dass er/sie nicht mehr verwenden kann, muss ihnen einen anderen Zweck geben, und zwar idealerweise schon vor dem Kauf. Und dieser Zweck muss ein virtueller sein, also etwa der Aufbau von gesellschaftlichem Status.
Blöderweise geht es der Familie Jones daneben genauso und so entsteht ein gegenseitiges Aufschaukeln, das uns in den Mechanismus des „nie genug“ bringt. Das System lehrt uns, dass die Wünsche unendlich zu sein haben und dass ein „weniger“ sofort bedeutet, das Spiel des Lebens zu verlieren.
Da niemand gerne verliert und niemand gerne am Ende der sozialen Rangordnung steht, funktioniert das System, weil es von seinen Subjekten gestützt und verstärkt wird.
In so einem System haben Begriffe wie „Genügsamkeit“ oder „Verzicht“ absolut nichts verloren und auch keine Chance, attraktiv zu werden.
Dazu braucht es die innere Leere, die entsteht, wenn Menschen von Dingen umgeben sind, die sie doch nicht mehr glücklich machen. Im letzten Schritt macht nur mehr das Kauferlebnis selbst glücklich, die Dinge sind eigentlich nur mehr störend und entsorgen sich im Idealfall selbst. Diese Entsorgung hat unsere Konsumgesellschaft schon perfektioniert, ich brauche das Überflüssige nur vor die Türe stellen und schon ist es weg. Das ist äußerst praktisch, vor allem, weil es für mich tatsächlich im umfassendsten Sinne des Wortes „weg“ ist, also aus den Augen und aus dem Sinn. Das System übernimmt seine Beseitigung.
Im Anthropozän hat das allerdings einen Haken, denn die Dinge kommen wieder, z.B. als Schadstoffbelastung in der Luft, die dann in einer Gesundheitskrise zu Problemen führen. Der Hotspot an schlechter Luft in Europa ist die Lombardei. Die Jahrzehnte lange Luftverpestung hat dazu geführt, dass die Menschen anfälliger für Lungenkrankheiten sind. Die enorme Zahl an schweren Verläufen und die hohe Todesrate in der Corona-Krise sind hier nicht mehr wegzuleugnen.
Wir finden unseren Dreck im Trinkwasser, am Sandstrand (Mikroplastik und auch Makroplastik) und zunehmend eigentlich überall.
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Aufgabe Lektion 1: ==
Bitte beantworten Sie folgende Fragen:
1.) Wo liege ich mit meinen Behauptungen zur Bequemlichkeit falsch und warum? (Die Antwort „nirgends“ ist übrigens zu bequem und nicht erlaubt.)
2.) Wie schon erwähnt: die Bequemlichkeit ist nur EIN Faktor unter vielen, die unser Leben beeinflussen. Welchen Faktor kennen Sie noch, der genauso wichtig oder vielleicht noch wichtiger ist und sich auch auf das Kundenbeziehungsmanagement auswirkt?
3.) Welchen Stellenwert hat die Bequemlichkeit in Ihrem Leben?
4.) Falls Sie selbst einmal den Kampf gegen die Bequemlichkeit aufnehmen, wie werden Sie das anstellen?
5.) Das Kapitel ist eine Gratwanderung, da es natürlich nicht ohne Bewertung auskommt. Kundenbeziehungsmanagement hat aber mit Wertehaltungen zu tun, sie sind wichtig und werde nicht nur in der Werbung vermittelt, sondern stecken auch im Produktdesign und noch anderen Bereichen unseres Themas.
Trotzdem die Frage: Wo bin ich zu stark in meiner Bewertung? Wo sollte ich eine Formulierung, eine Passage verändern oder streichen? Dieses Skriptum ist nicht in Stein gemeißelt und lebt vom Austausch zwischen Ihnen und mir.
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LEKTION 2: KBM alt und neu =
Die meisten Unternehmen bauen ihr KBM falsch auf, nämlich als „CRM-System“. Das ist eine gewagte Hypothese und bedarf einer Erklärung.
In allen CRM-Systemen, die mir bekannt sind, werden die Kunden in ein System gepresst und als „Fälle“ behandelt, die „hereinkommen“ und „abgewickelt“ werden müssen.
Generalhypothese: Diese CRM-Systeme haben in der Zukunft – zumindest in manchen Bereichen – nichts mehr verloren. Ihre genauen Abläufe zu lernen ist so, als würde man statt Elektromotoren die Dampfmaschine lernen. Ja, es gibt noch Dampfmaschinen, nämlich als Turbinen in vielen Kraftwerken, aber sonst sind sie veraltete Technik (die allerdings wiederkommen könnte, wer weiß das schon).
Stattdessen wird es ein KBM geben, das stark von echter Interaktion geprägt ist. Die Kunden werden auch bereit sein, dafür zu bezahlen, denn sie werden generell weniger kaufen, konsumieren und verbrauchen – dafür aber wertvollere Dinge mit höherem Qualitätsanspruch.
Die Kunden werden mehr Macht haben und sie werden diese dazu benützen, um das zu bekommen, was sie brauchen – und natürlich das, was sie sich noch zusätzlich wünschen, aber in wahrscheinlich geringerem Ausmaß als heute.
Natürlich geht es um die Schnittstellen zwischen Unternehmen und KundInnen. Dabei gilt es zwischen alt und neu zu unterscheiden:
ALT | NEU |
---|---|
CRM – Customer Relationship Management – in einem möglichst allgemeinen, überschaubaren, kostengünstigen System, das möglichst wenig in die anderen Bereiche hineinwirkt. Der Kunde bekommt seinen Platz und dort hat er gefälligst zu bleiben. | Kundenbeziehungsmanagement – der Kunde ist als das zu sehen, was er ist: schillernd, sich ständig wandelnd, bunt, immer unbekannt, nicht wirklich vorausberechenbar, zunehmend mächtig, neugierig. Er dringt in unser Unternehmen ein und sucht sich dort den Platz, den er will, den er braucht, um seine Bedürfnisse befriedigt zu bekommen. |
First Level Support, Second Level Support, Third Level Support und dann hoffentlich wieder draußen. Idealerweise war er gar nicht herinnen in unserer Firma, sondern konnte per Telefon abgeblockt werden, möglichst weit draußen, möglichst nicht sichtbar, nicht spürbar. „Support“ heißt so schnell wie möglich loswerden – idealerweise zufrieden, aber notfalls auch unzufrieden. Wem kann er das schon erzählen? |
Der Kunde kommt dort an, wo er auftaucht. Dort infiziert er unsere Firma mit dem, was wir brauchen wie die Luft zum Atmen: mit seinen Bedürfnissen, für die wir schließlich arbeiten und produzieren. Er bekommt seinen Platz und wir behalten unseren. Und hin und wieder wechseln wir kurz die Plätze, um uns nicht nur inspirieren zu lassen, sondern etwas Gemeinsames aufzubauen. Der Kunde ist willkommen, je mehr er von uns sieht, desto besser. Wir sind er und er ist wir. |
Wir haben einen Vertrieb, der unsere Waren vertreibt. Das heißt, er vertreibt sie aus unserem Unternehmen. Sobald sie fertig sind, haben sie hier nichts mehr verloren. Sie müssen hinaus, so schnell wie möglich. Und sie sollen auch nie wiederkommen. Daher müssen wir sie dem Kunden so verkaufen, dass er sie uns nicht wiederbringt, zumindest nicht bevor die Garantie abgelaufen ist – aber auch nicht nachher. Nach dem Modell der geplanten Obsoleszenz werden die Dinge so erzeugt, dass sie so kurz wie notwendig = gesetzlich vorgeschrieben halten. Dann soll der Kunde sie wegwerfen. Wir wollen nichts davon wiedersehen. Wir erzeugen inzwischen was Neues, das wir ihm dann verkaufen. Der Kunde stört besonders, wenn er uns die alten Teile wiederbringt. Wir haben sie schließlich mit viel Mühe vertrieben. |
Der Kunde soll uns möglichst viel unserer Ware wiederbringen, nachdem er sie verwendet hat. Sie enthält wertvolle Rohstoffe, die wir ihm nur sehr ungern überlassen, eben weil sie wertvoll sind. Einiges davon benützt und gebraucht er, manches davon verbraucht er. Den Rest wollen wir wiederhaben. Noch besser ist es, wenn er die Dinge lange hat und lange benützt, denn dann kommt er sicher wieder, weil er das zu schätzen weiß. Das macht es für ihn billiger und für uns auch, weil wir alles hier langfristig kalkulieren können. Idealerweise borgen wir ihm die Dinge nur, so dass er sie verwenden kann. Dann sind wir auch für sie verantwortlich und das sind wir gern. Wir mögen unsere Ware, samt ihrer tollen Qualität und ihren tollen Möglichkeiten. Und wir mögen den Kunden, vor allem wenn er sie uns nach Gebrauch wiederbringt. |
Wir erzeugen die Produkte und wir kennen sie deswegen am besten. Wir wissen auch, wie man sie noch besser erzeugt und außer uns soll das bitte sonst niemand wissen. Idealerweise haben wir möglichst viele Patente und Geheimnisse eingebaut, die nur wir kennen. Wir haben Angst vor Spionage und schotten uns gut ab. Am besten vor dem Kunden, der möglichst nicht weiß, was er da bekommt. Er soll es benützen und dann wegwerfen und dann etwas Neues bei uns kaufen. Wir geben viel Geld dafür aus, um ihm zu erzählen, wie toll unsere Sachen sind. |
Wir erzeugen die Produkte in enger Verknüpfung mit denen, die sie verwenden sollen bzw. wollen. Je mehr unsere Kunden davon wissen, desto besser, denn dann können sie viel zur Verbesserung der Produkte beitragen. Sie sind unsere besten Tester, unsere Inspirationsquellen. Letztlich kennen sie unsere Produkte wesentlich besser als wir und daher integrieren wir sie in Planung und Erzeugung. Wir haben keine Angst vor Spionage, denn je mehr andere von unseren tollen Produkten wissen, desto eher werden sie sie kaufen. Wir geben viel Geld dafür aus, um mit unseren Kunden in möglichst intensivem Kontakt zu bleiben, damit er uns erzählen kann, wie toll unsere Sachen sind. |
Unser Internetauftritt ist klar strukturiert, es gibt Kontaktformulare für unsere Kunden mit klar definierten Feldern. Weil es das Gesetz verlangt, sind die Namen unserer Geschäftsführer angeführt, aber sonst gibt es nur den Kontakt zu Abteilungen und auch hier zu wenigen. Die Kundenanfragen werden zentral verwaltet und bei Bedarf weitergegeben. Es gibt nur Bilder von unserer Geschäftsleitung, denn es geht niemand was an, wer bei uns arbeitet. Das ist die Privatsphäre der Mitarbeiter. | Wer bei uns auf die Website schaut, empfindet das als Einladung, mit uns zu kommunizieren. All unsere Mitarbeiter sind mit Bild und E-mail-Adresse sofort sichtbar und einfach zu finden. Es gibt meist auch eine Telefonnummer und natürlich erfährt man einiges über sie. Sie sind unser wichtigstes Kapital und wir sind stolz auf sie. Sie fühlen sich bei uns auch wohl und geben gerne etwas von sich preis, vor allem für die von uns geschätzten Kunden, die ja was von uns kaufen sollen. Da müssen sie uns auch kennen. Wenn unsere Geschäftsleitung zu viele persönliche Anfragen bekommt, dann werden wir uns überlegen, wie wir damit umgehen können. Vielleicht sollten sich unsere Geschäftsführer ohnehin mehr mit den Kunden beschäftigen, denn die sind ja unser Geschäft. |
Wir haben ein hervorragendes Kundenbindungsprogramm mit einer Treuekarte mit Bonus-Stufen. | Wir binden unsere Kunden gar nicht an uns. Sie binden sich an uns, wenn wir kompetent und freundlich sind und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Sie kommen dann ganz von alleine und erzählen ihre Erlebnisse auch weiter. |
Fazit: Versuchen wir erste Definitionen, Ankerpunkte, einen ersten Rahmen für KBM festzulegen:
1.) KBM ist eine echte Herausforderung für die meisten Unternehmen. Es gibt hier kein richtig und kein falsch, sondern jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden.
2.) Die Schnittstelle ist im Zentrum der Betrachtung und wird es auch bleiben. Sie bleibt auch der Engpass, den es jedes Mal neu freizuschaufeln gilt. Der Kunde ist immer zuerst auf der anderen Seite und muss erreicht werden.
3.) Mensch statt Maschine – ein softwaregesteuertes CRM-System einzurichten und dann zu erwarten, dass die Kundenbeziehungen besser funktionieren, könnte sich als Fehler erweisen.
Aufgabe Lektion 2
Beantworten Sie die folgenden Fragen:
1.) Welches Menschen (Kunden-)Bild steckt hinter den beiden Spalten?
2.) Für welche Branchen ist die rechte Spalte ein Zukunftsmodell und für welche nicht – und warum?
3.) Womit kommen Sie persönlich besser zurecht und warum?
4.) Inwiefern ist die rechte Spalte ein utopisches Modell – oder tatsächlich die Zukunft? Wovon hängt das ab?
=
LEKTION 3: Schnittstelle 1 – die Werbung =
Wo brauchen wir KBM?
Folgende Schnittstellen gibt es:
- Werbung
- Verkauf
- Folgekauf
- Kundenservice
- Reparatur
- Reklamation
- Das Image
- Das Produkt
Überall dort ist KBM notwendig und findet auch statt – die Frage ist nur, wie gut. Es lohnt sich daher, die einzelnen Schnittstellen etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Für jede dieser Schnittstellen ist ab jetzt eine Lektion verantwortlich.
Die Geschichten dazu sind jeweils kursiv gedruckt, um besser erkennbar zu sein. Danach folgt meist eine Interpretation sowie zum Abschluss jeder Lektion eine Aufgabe.
Werbung hat zwei Funktionen:
a.) Verkauf
b.) Kundenbindung bzw. Imagepflege
Es ist ein langer und nie endender Streit, ob Werbung tatsächlich verkaufen kann, d. h. direkt zu einer Umsatzsteigerung führt. Unbestritten ist dies nur im Bereich der Verkaufsaktionen („Heute und morgen Äpfel – 30 %“), alles andere ist schwer bis manchmal gar nicht messbar.
Was hier jedoch passiert, ist bereits Imagepflege. Die Flyer im Postkasten, die Fernsehwerbung, die Plakate, die Internet-Banner etc. beeinflussen unsere Wahrnehmung eines Unternehmens und bewirken, dass wir dieses in unserer Erinnerung abspeichern und auch bewerten. An dieser Stelle könnten wir lange Ausflüge in die Psychologie unternehmen, aber viel spannender ist der Blick auf unser Thema: Inwiefern muss KBM die Werbung berücksichtigen?
==
Beispiel 1: benetton ==
Wenn wir das altbekannte Beispiel der benetton-Werbung der 1990er heranziehen, so hilft uns das weiter. Damals schockierte der Kleidungskonzern benetton mit riesigen Plakaten, auf denen verstörende Bilder zu sehen waren. Das ergab nicht nur jede Menge Medienberichte, die von benetton nicht bezahlt werden mussten, sondern auch sehr unterschiedliche, meist stark emotionale Reaktionen der Öffentlichkeit, sprich der potenziellen Käuferinnen und Käufer.
Abbildung 2 (Internet)
:::mh_benetton3_DW_Lif_895432z.jpg:::image004.jpgAbbildung 3 (Internet) Abbildung 4 (Internet)
Wie sich jeder vorstellen kann, hatte der Kundenservice von benetton damals eine Menge zu tun: empörte AnruferInnen, die sich Luft machen wollten, Journalisten etc.
Ich weiß nicht genau, wie benetton sich auf die Reaktionen damals vorbereitet hat. Gab es zusätzliche MitarbeiterInnen, um den Ansturm abzudecken? Wurden diese entsprechend geschult bzw. hat man sie überhaupt rechtzeitig vor der Kampagne eingestellt und darauf vorbereitet?
Überall dort, wo das nicht passiert, wo also KMB nicht professionell gelebt wird, wird eine Schleife produziert, die etwa so aussieht:
- Eine Kampagne wird gestartet (oder ein Unfall / Zwischenfall passiert...)
- Die Menschen reagieren und rufen an bzw. schreiben E-mails.
- Die Servicestelle ist überlastet und kann die Anrufe nicht beantworten, meist nicht einmal entgegennehmen.
- Die KundInnen sind verärgert und reagieren entsprechend – wenn dann doch jemand den Hörer abhebt, ist der Tonfall aggressiv.
- Die Servicekräfte sind psychisch überfordert und reagieren mit Widerstand. Das zieht Kreise im Unternehmen, die Stimmung sinkt, weil etwa in der Kantine zu Mittag heulende KollegInnen zu beobachten sind.
Irgendwann ebben die Anrufe ab, aber der Schaden bleibt, denn die verärgerten Anrufer geben ihren Ärger weiter, meist in potenzierender Absicht und dies bewirkt eine Multiplikation. Früher war das nicht weiter tragisch, aber im Zeitalter des Web 2.0 darf die multiplizierende Wirkung nicht unterschätzt werden. Ein gutes Beispiel ist BP beim Unfall der Deep Water Horizon (Ölplattform). Der einzige Vorteil von BP war und ist, dass die Empörung der Menschen an der Zapfsäule endet, sonst wäre die Sache für den globalen Konzern wohl nicht so glimpflich ausgegangen. Auch hier fehlte deutlich ein professionelles Kundenbeziehungsmanagement. Oder doch nicht? Haben die alles richtig gemacht und wir haben es nur nicht bemerkt?
Folgende Faktoren sind also zu berücksichtigen:
Der Puffer
Gibt es im KBM eine Funktion, die es ermöglicht, schnell und professionell auf Störfälle zu reagieren? Das könnte eine Art „Alarmknopf“ in der Software sein, der eine bestimmte Reaktionskette auslöst: Speziell für solche Fälle ausgebildete Mitarbeiter (eventuell sogar quer durch die Hierarchiestufen) werden nach einem bestimmten Plan von ihrer Arbeit abgezogen und in einem für diesen Fall vorbereiteten „Krisenzentrum“ versammelt. Ein „Projektleiter“ koordiniert den „Einsatz“ und sorgt dafür, dass es Rotation gibt etc.
Die Kompetenzen
Das funktioniert übrigens nur, wenn es die entsprechende Wichtigkeit hat. Diese muss schon vor dem Problem erkannt sein, sonst fehlt meist exakt die Zeit, die gebraucht wird, um richtig zu reagieren.
Der Projektleiter/die Projektleiterin muss in einer Art Stabstellenfunktion die Entscheidungskraft haben, um die MitarbeiterInnen von ihrer normalen Arbeit abzuziehen. Diese werden das nämlich meist nicht wollen und versuchen, sich in die Unabkömmlichkeit zu retten.
Die Vernetzung
Bei einem größeren Störfall muss der gesamte Betrieb mitarbeiten. Es funktioniert nicht, alles auf eine „Krisenabteilung“ abzuschieben, die das Problem gefälligst dort einkapseln und bearbeiten soll. Hier sind Unternehmen biomorph zu betrachten, also wie ein Organismus. Der Störfall ist der „Virus“, der sich im gesamten Unternehmen ausbreitet und überall bekämpft werden muss. Das macht eine entsprechende interne Informationspolitik und –koordination notwendig. Wer steuert diese? Wer organisiert das „Corporate Wording“, das die MitarbeiterInnen quasi auswendig lernen müssen? Oder ist es besser, ihnen nur einen Rahmen zu geben und sie ansonsten frei entscheiden zu lassen, quasi auf ihren gesunden Hausverstand zu vertrauen?
Beispiel 2: Nackt im Penny-Markt
Im neuesten Prospekt (11. 06. 2009) des Lebensmittel-Discounters Penny-Markt werden Tauchanzüge angeboten: Unisex für Männer und Frauen, 3mm Neopren, Rückeneinstieg mit integriertem Reißverschluss (ich bin dankbar, dass der Reißverschluss nicht lose beigepackt, sondern integriert ist), für kaltes und wärmeres Gewässer (ich bin erstaunt, 3mm Neopren ist nur für Warmwasser, in kaltem Wasser wird das sehr schnell sehr ungemütlich), in den Größen S-XXL.
Das klingt sehr fein, die Sache hat allerdings einen Haken. Eine Spontanrecherche im nächsten Penny-Markt ergab, dass dort keinerlei Umkleidekabinen (und auch nichts, was man als solche verwenden könnte) vorhanden sind.
Wie kaufe ich mir einen Tauchanzug, den ich nicht anprobieren kann? Dazu müsste ich mich nämlich nackt, zumindest bis auf die Unterhose ausziehen – mit Kleidung kann das kein Mensch. Tauchanzüge sind aber überhaupt nur sinnvoll, wenn sie richtig passen.
Ob das gestattet ist? Ob ich das will? Noch dazu hat das Ding einen Rückeneinstieg, d. h. ich muss noch jemand bitten, mir den Reißverschluss hinten zuzumachen (das geht auch allein, nach so 10-30 Yogastunden). Was ist, wenn der erste Anzug nicht passt? Das Ganze noch einmal, unter wildem Gejohle der gerade einkaufenden Schaulustigen? (”Erna, kumm her, da ziagt si ana aus”)[9] Produktmanager und Einkäufer bitte vor den Vorhang (allerdings woanders, im Penny-Markt gibt es keinen)! Darf ich raten: Keiner von denen ist Taucher!
Möglicherweise gibt es nicht viele KundInnen, die auf solche Details Wert legen. Oder doch? Es kann z. B. sein, dass sich die Anzüge sehr gut verkauft haben und kein Mensch nach einer Umkleidekabine gefragt hat. Der günstige Preis hat eventuell bewirkt, dass die Kunden die zusätzliche Anstrengung für den Umtausch in Kauf genommen haben.
Es stellt sich nur die Frage: Woher weiß Penny das? Diejenigen Kunden, die sich abschrecken ließen und durchaus potenzielle Käufer gewesen wären, geben das ja nicht extra bekannt.
Beispiel 3: Neuer Name für Eskimo
In der ZIB 2 vom 27. Juli 2009 kam ein kurzer Bericht über den Eis-Hersteller Eskimo. Der Anlass: Die Firma Unilever wird kritisiert, weil sie ein neues Eis mit dem Geschmack von “Mohr im Hemd” mit dem Slogan “I will mohr” bewirbt. Die Plakatwerbung wird angeblich nicht verlängert, meinte der Moderator, die Debatte über historische Relikte in unserer Sprache bleibt jedoch aktuell. Armin Wolf gab ihr den Stellenwert, den sie verdient: Nennt doch gleich die Marke “Inuit” statt “Eskimo!”
Hinter dieser kleinen, unscheinbaren Anekdote steht die durchaus anspruchsvolle Frage, wie Unternehmen über die Werbung kommunizieren. Es gibt einen eigenen „Werberat“, der kritische Kampagnen unter die Lupe nimmt und sogar Verwarnungen aussprechen kann. Das Problem liegt in der Multiplikatorfrage – eine Werbekampagne sehen bzw. hören eine große Menge Menschen. Wie sorgfältig sollten hier die Worte bzw. die Bilder gewählt sein? Auch das ist bei genauerem Hinsehen Teil des KBM.
Update: Die Wortspiele zu dem Thema nehmen kein Ende. Die Firma „Meisterfrost“ (www.meisterfrost.at) nennt ihr Produkt jetzt „More im Hemd“ und erklärt dies mit „mehr“ im Geschmack.
Datei:Media/image8.jpgAbbildung 5
Beispiel 4: Der Angebots-Trick bei SPAR
Wie lockt man Kunden? Ganz einfach: Man stelle nebeneinander mehrere Paletten auf, gut gefüllt mit Süßwaren. Dann platziere man große Schilder darüber. Auf eines schreibt man “Aktion” und weist damit auf verbilligte Ware hin. Die großen Paletten signalisieren einen Überschuss, den man loswerden will. Psychologisch heißt das: “Wir haben davon so viel, dass wir euch das jetzt ganz billig geben.” Das stimmt zwar nicht, aber die Ware ist gegenüber dem “Normalpreis” meist tatsächlich etwas billiger.
Jetzt kommt der Trick: Daneben platziert man eine andere, in diesem Fall ähnliche Ware. Diese ist überhaupt nicht verbilligt und das steht auch nirgends geschrieben. Es steht aber – optisch in der gleichen Aufmachung wie die Aktion – einfach “Tipp” darübergeschrieben.
Was heißt das nun schon wieder? Ganz einfach: SPAR gibt uns den Tipp, diese Ware zu kaufen. Warum? Das wird nicht bekannt gegeben. Ich tippe auf gute Margen bei SPAR.
Am Bild wird ersichtlich, wie das funktioniert:
Foto0010Abbildung 6
Diese Kampagnenart fährt SPAR nun schon seit Jahren und sie dürfte erfolgreich sein.
Ist das nun Betrug oder Irreführung oder einfach nur belanglos? Aus Sicht des KBM geht es hier darum, dass der Verkauf dominiert. Ob Kunden dadurch in die Irre geführt werden, ist scheinbar zweitrangig. Das Motto könnte lauten „Jeder Trick zählt, wenn er Umsatz bringt.“ Doch welches Licht wirft das auf das Bild, das so ein Unternehmen von den Kunden hat? Was wären geeignete Namen für dieses Kundenbild?
- Melkkühe
- Dummköpfe
- Opfer
Welche Aufgaben entstehen daraus für einen Konzern wie SPAR? Und welche für eine Politik, die auf das Wohlergehen eines so wichtigen Infrastrukturbetriebs plus jeder Menge Arbeitsplätze erpicht ist?
Gutes KBM sollte möglicherweise ein anderes Bild von Kunden aufbauen und pflegen, woraus auch andere Bezeichnungen entstehen würden:
- Partner
- König
- Erfolgsbasis bzw. Erfolgsfaktor Nr. 1
==
Beispiel 5: Neue Werbe-Services erwarten uns ==
Ein Statement zur Eröffnung des Themas:
„Mir persönlich geht Werbung in erster Linie auf die Nerven. Es gibt für mich zu viel davon, die meiste ist fad gemacht, nicht lustig und nicht interessant und betrifft keine Produkte, die meinen Bedürfnissen entsprechen. Außerdem will ich mich möglichst selbst entscheiden können, wann und wie ich ein Bedürfnis habe, und das gilt nicht nur für den Stoffwechsel.
Da ich nicht der Einzige bin, der negativ auf Werbung reagiert und etwa Lindstrom analysiert hat, dass viele Werbungen tatsächlich abschreckend und somit auch kaufverhindernd wirken, versuchen die Werbefachleute neue Wege zu gehen, die zwar in Wahrheit auch nicht so neu, aber zumindest fokussiert und differenziert sind.
Wie sieht die Idealform für mich aus? Wenn ich ein Bedürfnis nach einem Konsumgegenstand habe, dann möchte ich das für mich ideale Produkt kaufen. Es soll genau meine Anforderungen erfüllen, von hoher Qualität sein, nein, eigentlich von höchster Qualität, und es soll extrem lange halten. Dazu erwarte ich mir einen möglichst guten Preis, d. h. einen, bei dem erkennbar ist, dass der Hersteller nicht in der Qualität gespart hat, für sich selbst jedoch sinnvolle Margen ausgerechnet hat. Das bedeutet, ich will dem Hersteller so viel zahlen, dass er sein Geschäft aufrechterhalten kann und auch in der Zukunft, wenn ich etwas von ihm brauche, mit entsprechendem Service parat steht. Ich will, dass seine MitarbeiterInnen gut ausgebildet sind, so dass sie mir mit Beratung zur Seite stehen. Ich will Freundlichkeit und Schnelligkeit und gute Erreichbarkeit, wenn möglich rund um die Uhr (je nach Branche). Ich will Transparenz über verwendete Inhaltsstoffe bzw. Herstellmethoden, im Idealfall ist der Hersteller Cradle-to-Cradle zertifiziert, was den derzeit höchsten Standard weltweit darstellt. Der Hersteller soll mit dem Geld, das er durch seine Produkte verdient, junge MitarbeiterInnen ausbilden und beschäftigen können, und zwar solche aus der näheren Umgebung. Er soll ihnen so viel zahlen können, dass sie nicht quer durchs Land pendeln müssen und in ihrer täglichen Arbeit motiviert sind, denn dann sind sie auch freundlich und kompetent zu mir. Er soll so viel verlangen, dass er eine gute Servicelinie aufrechterhalten kann, zusätzlich soll er genug Gewinn machen, um die Produkte weiterentwickeln zu können und auch noch genug, damit sich eine umweltgerechte Produktion und Wiederverwertung ausgeht. Ich will ihm so viel zahlen, dass er investieren und sich für die nächste Krise rüsten kann, so dass die Arbeitsplätze nicht gefährdet sind.
Diesen Hersteller will ich schnell finden und über sein Angebot informiert werden. Ich möchte blitzschnell Kontakt aufnehmen und den für mich reizvollen Gegenstand kaufen können. Dann erwarte ich mir entweder eine schnelle Lieferung oder einen Abholstandort, der nicht weit weg ist.
Je nach Konsumwunsch erwarte ich mir eine Auswahl von verschiedenen Herstellern, so dass ich vergleichen kann. Die Produktinformation wünsche ich mir so, dass sie meinen Bedürfnissen entspricht. Zuerst ein grober Überblick plus der Möglichkeit, Details zu erfahren bzw. zu erfragen.
Was ich hingegen nicht will, ist ein Bombardement mit hochjubelnden Aussagen und Bildern, die mich an jeder Ecke überfallen und einen Angriff auf meine Sinne darstellen. Das ermüdet mich, macht mich aggressiv und veranlasst, dass ich mich wehre und dabei möglicherweise übers Ziel hinausschieße.“
Sehen wir uns ein paar der neuen Ideen an:
In-Calender Marketing – Marketingfirmen haben auf meinen digitalen Kalender Zugriff und senden mir Werbebotschaften zu der Zeit, in der sie mich am besten perforieren können. Wenn ich in der Früh den Computer aufdrehe, dann poppt eine Werbung auf, die mich fragt, ob ich heute schon am WC war und ob ich nicht mit Hakle feucht wischen möchte, es gäbe gerade ein Angebot bei Supermarkt XY und danach Tchibo Kaffee zum Frühstück!
User-generated Advertising – Konsumenten generieren ihre Werbung selbst, man kann etwa online Banner neu arrangieren und eine Werbung umgestalten. Das darf man dann gnädigerweise an alle seine Freunde weitergeben und die können dann auch weitermixen. Idealerweise wird dazu eine Internetplattform wie Facebook verwendet. Die Produkthersteller winken dafür mit kleinen Belohnungen, wahrscheinlich mit Rabatten für ihre eigenen Produkte.
Messaging-Werbung – wenn man Gespräche über VoIP führt, werden immer wieder so genannte „kontextrelevante“ Werbungen eingespielt. Das darf man sich so vorstellen: Man telefoniert gerade mit der Großmutter in der fernen Steiermark und sie fragt, ob man eh gesund ist. In diesem Moment unterbricht ein Werbespot das Gespräch: „Jetzt ganz neu – Vitaminpillen von XY – und Sie werden viel vitaler telefonieren. Gehen Sie noch heute in die Apotheke ums Eck – Mag. YZ erwartet Sie schon mit seinem ganz persönlichen Angebot!“ Um sich diese Dienste zu holen, muss man über einen speziellen Webbrowser telefonieren, der die Gespräche entsprechend analysieren kann. Im Gegenzug dazu darf man kostenfrei telefonieren.
Ortsbezogene Werbung – Je nachdem, wo ich mich befinde, erhalte ich Nachrichten auf mein Handy, z. B. über Sonderangebote in Shops, in deren Nähe ich mich gerade befinde. Man kann sich z. B. bereits jetzt in Deutschland aussuchen, wie viele Werbungen man zum Bombardement zulässt, als Belohnung gibt es Gratis-Telefonierminuten.
Neue TV-Werbung – Während der Sendung bekomme ich eine Liste der Produkte, die dort verwendet werden, und kann sie sofort mittels eines Knopfes auf meiner Fernbedienung kaufen.
==
Aufgabe Lektion 3 ==
Beantworten Sie bitte folgende Fragen:
1.) Wie würden Sie als Kampagnenleiter von benetton dafür sorgen, dass keine Pannen passieren? Versuchen Sie die Frage aus KBM-Sicht zu beantworten.
2.) Welche Bereiche des Penny-Marktes haben hier offensichtlich nicht gut kooperiert? Was wäre eine einfache Maßnahme, mit der sich diese Panne hätte vermeiden lassen?
3.) Finden Sie politisch korrekte Namen für folgende Bezeichnungen:
„Zigeunerschnitzel“
„Mohr im Hemd“
Und nun die Frage: Sind Sie für oder gegen so eine Umbenennung? Und warum?
4.) Welcher Typ von Kunde/Kundin sind Sie? Achten Sie auf solche Unterschiede wie „Angebot“ oder „Tipp“? Angenommen Sie wären typisch für SPAR-Kunden – worauf müsste ein gutes KBM dann achten?
5.) Welche der neuen Werbeformen spricht Sie an und welche stößt Sie ab – und warum?
=
LEKTION 4: Die zweite Schnittstelle – der Verkauf =
Natürlich ist das eine der interessantesten Schnittstellen und auch eine, die in den meisten Firmen an erster Stelle genannt wird. Ihr sollte ein Kundenbeziehungsmanagement dienen, denn das dient dem Profit.
Leider ist die Sache in der Praxis nicht so einfach. Sehen wir uns Beispiele an.
Beispiel 1: Pain in the ass
"Schönen Guten Tag, spreche ich mit Herrn Schwarzzzz?"
"Äh, ja."
"Herr Schwarzz, Sie erinnern sich noch, wir haben ja vor kurzem telefoniert, Firma Titan, Herr Schwarzz, und es geht um ihr Geld, Herr Schwarzz."
"Äh..."
"Herr Schwarzz, unsere Fonds sind in den drei letzten Wochen nach oben geschossen, Herr Schwarzz, und das ist eine tolle Nachricht für Sie, Herr Schwarzz. Herr Schwarzz, was ich Ihnen jetzt anbieten kann, Herr Schwarzz, ist..."
"Moment, ich hab doch gesagt, ich hab kein Interesse."
"Herr Schwarzz, Sie haben das letzte Mal mit unserem Junior Broker gesprochen, Herr Schwarzz, ich bin jetzt der Senior Broker, Herr Schwarzz, und, Herr Schwarzz, ich rufe nur eine kleine Anzahl auserwählter Kunden an, Herr Schwarzz, und mein Kollege hat mir gesagt, Herr Schwarzz, dass er bei Ihnen ein gutes Gefühl hatte, Herr Schwarzz."
"Aber..."
"Herr Schwarzz, Sie müssen uns da gar nichts bezahlen, Herr Schwarzz, weil, Herr Schwarzz..."
"Wenn Sie noch einmal Herr Schwarzz sagen, leg ich auf."
"Aber, Herr Schwarzz..."
(Tut, tut, tut)
Es ist zu beobachten, dass diese Formen von Telefon-Verkauf in letzter Zeit zunehmen. Meist verbergen sich dahinter Call-Center, die irgendwo auf der Welt ihren Standort haben und mittels mehr oder weniger gut geschulter MitarbeiterInnen versuchen, neue Kunden zu gewinnen.
Dabei gibt es mehrere Abstufungen:
1.) Die Verkaufsabteilung im eigenen Haus
Die Verkäufer sitzen im eigenen Unternehmen und rufen von dort aus die KundInnen an. Sie sind auch im Haus geschult und in der Unternehmenskultur sozialisiert. Sie sind meist nicht nur provisionsabhängig und arbeiten auch nicht ausschließlich im Telefonmarketing.
2.) Die Hilfskräfte im eigenen Haus
Sie sind meist auf ein Produkt oder auch auf die gesamte Produktpalette eingeschult und werden vor allem für Kampagnen eingesetzt. Sie kennen die Produkte gut und sind zumindest großteils provisionsabhängig.
3.) Die Spezialisten einer Marketing-Firma
Sie sind Angestellte einer externen Firma, die einen Kooperationsvertrag mit dem Kunden hat. Sie werden von der Firma, deren Produkte sie verkaufen sollen, eingeschult und in direkter Kooperation auch begleitet und kontrolliert.
4.) Das Call-Center
Die dort sitzenden Spezialisten sind auf Anrufe geschult. Sie machen diese professionell für jede Art von Produkt, meist für mehrere verschiedene zur gleichen Zeit. Sie arbeiten mit spezieller Software und sehr elaborierten IT-Systemen, die meist mit einer speziellen Telefonanlage verknüpft sind. Sie kennen die Produkte nur von einer kurzen Einschulung und über die Software, die entsprechende Informationen dazu bereithält.
Meine – emotionale - Reaktion auf den obigen Anruf war folgende:
„Meist bin ich einfach zu höflich, um sofort aufzulegen, und denke mir: Der da macht auch nur seinen Job. Aber langsam geht mir die Geduld aus. Ich überlege, mir eine Trillerpfeife zuzulegen, auf dass es ihm ordentlich die Ohren durchputzt und er nie wieder bei mir anruft. Eine Möglichkeit wäre auch eine kleine Decke neben dem Telefon, auf die ich den Hörer lege und ihn so lange quatschen lasse, bis er irgendwann aufgibt. Das kostet ihn eine Menge Zeit, die er nicht mehr dazu verwenden kann, andere Menschen zu quälen.“
Beispiel 2: Das Arbeiterdenkmal
Tatort: Neulich, am Heiligen Abend, H&M-Filiale Mariahilferstraße, erster Stock, Mauritz-Kassa. Eine lange Schlange steht an, nur eine von vier Kassen ist offen. Der Kassier sieht die ungeduldig werdenden Kunden und greift zum Telefonhörer, worauf es in der ganzen Filiale erschallt: "Patrick bitte, Patrick zur Mauritz-Kassa, Patrick bitte!"
Zeit vergeht, die Schlange wird länger. Eine Dame (wahrscheinlich "Stockmanagerin" oder so) kommt, greift auch zum Hörer und wiederholt den Spruch.
Zeit vergeht, dann schlurft langsam ein top-gestylter junger Schnösel daher: Erdbebenhose, modisch-hautenges Hemd und ein Wahnsinn von einer blonden Föhnfrisur, neidisch könnte man werden!
"Was is?"
"Kassa machen, hop hop."
"Ich will keine Kassa machen."
Der Stockmanagerin wurde klar, dass der junge Schnösel jetzt Kassa machen sollte, weil die lange Schlange sonst die Föhnfrisur in einen "Bad Hair Day" verwandelt hätte.
Mit widerwilligem Blick fertigte er einen Kunden und mich ab, dann verzog er sich wieder, da die Stockmanagerin verschwunden war.
Hoffentlich verschwindet der Patrick bald im hintersten Winkel eines dunklen Lagers und bleibt dort für sehr lange Zeit. Und hoffentlich gibt man ihm dort keinen Föhn.
Das ist Kundenbeziehungsmanagement pur, direkter und sichtbarer geht es wohl kaum.
Im nächsten Beispiel nehmen wir uns des Beispiels Online-Kauf an. Hier gehen ja die Meinungen auseinander: Umweltschutz ist nur ein Thema, und selbst hier streiten sich die Geister: Wie sieht die Gesamtbilanz aus? Wenn jede(r) mit dem eigenen PKW ins Shopping-Center fährt vs. ein Lieferant für viele Pakete? Dann ist wieder zu hören, dass Amazon mit ihrem „Prime“-Service sehr viele Fahrten macht, bei denen nur ein einziges Paket im LKW liegt, das aber sofort ausgeliefert werden muss, weswegen man nicht warten kann, bis mehrere Pakte zusammenkommen.
Und wenn man nun mit dem Fahrrad einkaufen fährt? Aber wie viele können oder wollen das? Macht Online-Shopping nun den lokalen Handel kaputt, so dass wir in Zukunft nur mehr verwaiste Einkaufsstraßen haben? Oder werden die lokalen Geschäfte auch online anbieten müssen?
Dann gibt es den Verdacht, dass viele Rücksendungen einfach vernichtet werden, weil das schlicht und einfach billiger ist. Stimmt das überhaupt und wenn ja, zu welchem Prozentsatz?
Wir haben hier viele Fragen, die sich nicht einfach beantworten lassen. Sehen wir uns einmal ein Beispiel an
Beispiel 3: Kaufen Sie nicht in unserem Online-Shop!
Der Typ vor mir hat eine interessante Tasche als Bordgepäck. Also spreche ich ihn an und erfahre, dass es sich dabei um eine Tasche der Firma „Cabin Max“ handelt. Wie der Name schon sagt, sind sie auf Bordgepäck spezialisiert und stellen Produkte her, die einerseits möglichst viel Inhalt aufnehmen können, andererseits bei den meisten Fluglinien als Bordgepäck durchgehen und daher nicht eingecheckt werden müssen. Auf Kurzstrecken ist das hin und wieder recht praktisch.
Also recherchiere ich im Internet und stoße auf die Seite https://cabinmax.com
Dort gibt es jede Menge Bordgepäck in den verschiedensten Varianten. Ich finde eine passende und suche nach der Möglichkeit diese Tasche zu kaufen. Im Idealfall finde ich dafür einen „local dealer“, also ein Geschäft in Wien, bei dem ich diese Tasche bekommen kann. Dann fahre ich hin, begutachte das gute Stück und schaue, ob es auch den schönen Bildern aus dem Internet entspricht, oder ob es vielleicht eine Alternative gibt.
Ich kann die Tasche in die Hand nehmen oder – wenn sie Rucksackfunktion hat, was mir besonders wichtig ist – auf den Rücken und schauen, ob das auch bequem ist. Ich kann mir das Material ansehen und schauen, wie qualitativ das Produkt gebaut ist, etwa bei den Schnallen kann man das gut erkennen.
Ich scheitere. Es gibt schlicht und einfach keinen Link zu Verkaufsstellen. Allerdings gibt es ein Kontaktformular und ich beschließe, dieses zu benützen. Vorher suche ich natürlich noch im Internet, ob ich vielleicht irgendwo sonst – also nicht über die Herstellerfirma – ein lokales Geschäft finde oder zumindest eins in Österreich.
Ich scheitere. Also verwende ich doch das Formular und bekomme auch recht schnell eine Antwort, und zwar von Rachel:
Ich bin erstaunt, denn ich verkaufe meine eigenen Bücher auch tw. über amazon, weil ich nur so die kleine Zielgruppe erreichen kann. Ich weiß aber auch, wie teuer das für Unternehmen ist, die das nicht – so wie ich – über einen privaten Account machen können, sondern einen (drei Finger dicken) Vertrag mit Amazon brauchen. Also schreibe ich Rachel zurück:
Sie schreibt mir auch prompt zurück:
Ich ließ mir dann folgende Erklärung geben: Viele Unternehmen haben zwar einen eigenen Webstore, es ist aber für sie bequemer und scheinbar auch lukrativer, trotzdem über amazon zu verkaufen.
Das leuchtet mir zwar ein, ich stelle aber die Frage, ob das nicht etwas kurzfristig gedacht ist. Amazon bekommt dadurch eine fast monopolistische Marktmacht und darüber hinaus noch eine Bekanntheit, die sich auf das Kundendenken auswirkt: Irgendwann fällt mir beim Thema Einkaufen einfach nur mehr amazon ein. Ich komme gar nicht mehr auf den Gedanken, dass ich woanders überhaupt suchen könnte. Zugleich tritt der Supermarkt-Effekt ein: Es ist bequemer, alles an einem Ort zu bekommen und nicht kreuz und quer durch die Stadt fahren zu müssen.
Das gilt auch für Online-Shops. Eine Gegenströmung dazu ist etwa geizhals.at, die einem nicht immer den gleichen Anbieter als Best- bzw. Billigstbieter empfehlen.
Aufgabe Lektion 4
Auch wenn die Geschichten auf den ersten Blick lustig erscheinen, es ist die Geschichte von Misserfolgen, bei denen auf Kundenseite ein negativer Beigeschmack entsteht.
Hier hat so manches nicht funktioniert – aber warum nicht?
Bitte beantworten Sie folgende Fragen:
1.) Was hat der Herr von Titan falsch gemacht und wie hätten Sie reagiert?
2.) Wie hätten Sie als Stock-Managerin von H&M reagiert?
3.) Geben Sie mir (und auch Ihren KollegInnen) drei gute Tipps, wie wir in Zukunft mit dem Thema Online-Shopping umgehen sollen.
=
LEKTION 5: Schnittstelle Nr. 3 – der Folgekauf =
Der Folgekauf ist ein ganz besonders wichtiges Kapitel, denn da entsteht oft erst die richtige Kundenbindung, die dann stabil bis zu einem ganzen Leben währt.
Eigentlich müsste das ein wichtiges Ziel aller Unternehmen sein, denn durch einen langfristig treu gebundenen Kunden kann man enorm viel Geld z. B. für Werbung sparen.
Sehen wir uns ein Beispiel an, bei dem das nicht funktioniert hat:
Beispiel 1: Die neuen Schuhbänder
Stopp beim GEOX-Shop in der Alser Straße. Meine Schuhbänder sind durchgewetzt und da die immer reißen, wenn ich es gerade überhaupt nicht brauchen kann, will ich neue kaufen. Ich betrete den Laden und störe einen Verkäufer, der gerade mit einer Verkäuferin hinter der Kasse plaudert:
"Grüß Gott, ich brauche für meine Geox-Schuhe neue Schuhbänder."
Betretenes Schweigen.
Der Verkäufer schaut die Verkäuferin an.
Die Verkäuferin schaut den Verkäufer an.
Beide beginnen zu lachen, immer lauter, fast schon hysterisch.
Ich verstehe irgendwie nichts, kann auch nicht mitlachen. Dann werde ich, sobald die beiden sich die Tränen aus den Augen gewischt haben, aufgeklärt:
"Wir haben doch keine SCHUH-BÄN-DER" (hi hi hi...)!!!
Ich blicke mich um. Was ist passiert? Bin ich des Wahnsinns fette Beute, im letzten Stadium vor der Einlieferung, wie Friedrich Nietzsche, als er in Turin ein Fiaker-Pferd weinend umarmte und daraufhin die Männer mit der weißen Jacke kamen?
Bin ich gar nicht in einem Schuhgeschäft, sondern vielleicht bei einem Fleischhauer? Oder in der Moloko-Milchbar? War das Geschäft nur als Schuhgeschäft getarnt? Vielleicht ein Sado-Maso-Porno-Ring? Obwohl, dann hätten sie wenigstens Riemen aus Leder für mich gehabt.
Glücklicherweise stellte sich heraus, dass es wesentlich profaner war: "Wir haben so was überhaupt nicht, nein, auch nicht für Geox-Schuhe. Wir produzieren so was gar nicht" meinte der Verkäufer mit voll Stolz geschwellter Brust. Ich soll nebenan zum DELKA gehen, dort würden sie alle hinschicken, die mit so seltsamen Anfragen in ein Schuhgeschäft kommen. Schuhbänder – was für eine Idee!
Leicht beschämt schlich ich von Dannen – wie konnte mir auch nur so ein Faux pas passieren? In einem Schuhgeschäft nach Schuhbändern fragen, dz dz dz...
Ich besorgte mir beim Delka die notwendigen Schuhbänder ("die komische Länge für 7-Loch hamma aber nicht in beige, da müssens kürzere nehmen") und bin möglicherweise kein Folgekunde mehr. Zumindest bei Geox.
Hier ist etwas besonders Schlimmes passiert: Ein eigentlich vom Kunden geschätztes Produkt wurde durch den Produzent (der Vertrieb gehört für mich zum Produzenten Geox) quasi beschmutzt. Selbstverständlich habe auch ich als Kunde ein bisschen von dem Schmutz abbekommen.
Aufgabe Lektion 5
Hier wurde der Kunde offensichtlich suboptimal betreut. Bitte beantworten Sie folgende Fragen:
1.) Was müsste Geox verändern, damit der Kunde nicht weiter beschmutzt wird? Es geht dabei nicht darum, „Schuhbänder anzubieten“, sondern das KBM so zu verändern, dass dies nicht passiert. Dabei muss man wohl tiefer gehen, aber bis wohin?
2.) Versuchen Sie aus Ihrer Sicht darzustellen, was die Telekom in diesem Fall anders hätte machen können? Versuchen Sie die Seiten gegeneinander abzuwägen (Kostenersparnis durch Serverabschaltung vs. Kundenzufriedenheit). Wovon hat die Telekom auf lange Sicht mehr?
=
LEKTION 6: Schnittstelle Nr. 4 – Kundenservice =
Es geht fast immer um Produkte, wenn der Kundenservice auf den Plan tritt. Je nach Unternehmensgröße gibt es MitarbeiterInnen, die dafür tätig sind. Das reicht von „es hebt ab bzw. beantwortet die E-mail, wer gerade da ist“ bis zu ganzen Abteilungen mit Dutzenden Mitarbeitern.
Sehen wir uns ein paar Beispiele an, zuerst zwei positive:
Beispiel 1: Die Warteschleife
Vor einiger Zeit kämpfte ich mich wieder einmal durch eine Warteschleife und landete bei verschiedenen Stellen. Bei jeder erzählte ich meine Geschichte aufs Neue und dann wurde ich weiterverbunden. Kurz bevor ich schon aufgeben wollte und erwartete, dass ich jederzeit bei meinem ersten Warteschleifenkontakt ankommen würde – quasi eine Ehrenrunde in den Knochen, geschah etwas Wunderbares:
„Schönen guten Tag, Sie sind bei XY, wie kann ich Ihnen helfen?“
„Guido Schwarz, Sie sind der x-te bei dem ich lande, ich weiß daher nicht, ob Sie mir helfen können.“
„Bei mir sind Sie auf jeden Fall richtig. Entweder ich kann Ihnen helfen oder ich suche die Person, die Ihnen helfen kann. Ich werde Sie daher jetzt nicht einfach weiter verbinden.“
Ein Traum wurde in diesem Moment wahr. Ich war quasi am Ende meiner Suche angelangt, emotional: im Land, wo Milch und Honig fließen. Diese Reaktion werde ich mein Leben lang nicht vergessen.
Beispiel 2: Zurück zum Ursprung mit der Bergbauernmilch
Vor einiger Zeit hörte ich, dass laut Gesetz in einer Milchpackung nicht nur die Milch enthalten sein darf, die außen angepriesen steht, sondern es wäre erlaubt, einen guten Teil an Fremdmilch dazu zu geben. Daher stellte ich per E-mail eine Anfrage an die Firma Hofer:
„Ich möchte wissen, zu wie viel Prozent die Kitzbüheler Bergbauernmilch tatsächlich aus Milch von Kitzbüheler Bergbauern stammt (also von Kühen, die in der angegebenen Region leben). Laut Gesetz darf angeblich eine gewisse Menge an "Fremdmilch" hinzugegeben werden, ohne dass die Bezeichnung verloren geht. Ist das bei diesem Produkt auch der Fall? mfG Guido Schwarz“
Die Antwort kam bereits am nächsten Tag (Reaktionszeit weniger als 24 Stunden):
Sehr geehrter Herr Schwarz,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an Zurück zum Ursprung!
Nein, bei unseren Zurück-zum-Ursprung-Bio-Bergbauernmilchprodukten kommt keine „Fremdmilch“ zum Einsatz. Für unsere Zurück zum Ursprung Bio-Kitzbüheler Milch wird ausschließlich die Milch von Bio-Bergbauern aus der Region Kitzbüheler Alpen verwendet. Von welchen Betrieben unsere Bio-Bergbauernmilch genau kommt, können Sie mit unserer einzigartigen Rückverfolgung per Chargencode genau überprüfen. Hier anhand des Mindesthaltbarkeitsdatums 01.02.2012:
Wir hoffen, wir konnten Ihre Frage beantworten und würden uns freuen, wenn Sie auf Zurück zum Ursprung vertrauen!
Mit freundlichen Grüßen,
Barbara Zorman
Zurück zum Ursprung
Email: info@zurueckzumursprung.at
Website: http://www.zurueckzumursprung.at
Newsletter: http://www.zurueckzumursprung.at/wissenswertes/newsletter
FACEBOOK: werden Sie Fan von Zurück zum Ursprung
Was ist nun das Wesentliche an dieser Form des KBM?
a.) Die Geschwindigkeit
Reaktionen binnen 24 Stunden sind in solchen Fällen, in denen es um eine Basisinformation geht, durchaus angemessen und gerechtfertigt.
b.) Die adäquate Antwort
Die Frage wurde in diesem Fall genau und eindeutig beantwortet.
c.) Die Glaubwürdigkeit
Dies lässt sich nun schon viel schwerer messen. Die Antwort kann stimmen oder auch nicht. Ist ein Unternehmen dazu verpflichtet, die Wahrheit zu sagen?
d.) Die Zusatzinformation
Das Unternehmen muss abwägen, wie viel Zusatzinfo es preisgibt. In diesem Fall handelt es sich um einen Link sowie Website, E-mail-Adresse und das Angebot, zum Newsletter zu klicken.
Als letzten Punkt gibt es noch die Möglichkeit, die Firma auf Facebook zu besuchen. Das ist ein heikles Thema, denn hier gibt es erstens noch nicht viel Erfahrung seitens der Unternehmen und zweitens handelt es sich um einen ständig sich in starker Veränderung befindlichen Bereich. Da kann man viel gewinnen, aber auch viel verlieren. Die meisten Facebook-Auftritte großer Firmen erscheinen mir wie Obelix bei einer Runde Synchrontänzerinnen.
Wir stoßen beim Thema Image noch einmal ausführlicher auf dieses Thema.
Sehen wir uns noch ein zweites Beispiel der gleichen Firma an.
Beispiel 3: Neues vom Plastikfisch
Wer die Doku "Die Pangasius-Lüge" gesehen hat, verzichtet freiwillig auf den südostasiatischen Zuchtfisch. Ich mache das schon länger, weil er einfach keinerlei Geschmack hat und ich dem Hype rund um den Billigfisch sowieso nicht folgen will.
Vor kurzem sah ich im Hofer-Prospekt, dass dort tief gefrorener Pangasius angeboten wird. Leider steht auf der Packung nicht drauf, woher der kommt oder sonst irgendeine Information. Ist das ein Zuchtfisch aus den grauenvollen Anlagen im Mekong-Delta?
Die Recherche war schwierig, weil er von Hofer verkauft wird, dahinter steckt eine Marke, die wiederum einer Firma gehört, die wiederum zu einem Konzern gehört etc.
Nach einiger Zeit dachte ich mir, ich hätte den Hersteller und schrieb ihn an: Woher denn der Fisch käme und wie das so aussehe.
Hier die Antwort:
Von: "Klaas H van Eerde | Seafood Connection" <khve @seafoodconnection.nl>
Datum: 19. April 2011 10:39:57 GMT+02:00
An: <guido .schwarz@chello.at>
Betreff: Almare pangasius Filets
Sehr geehrter Herr Schwarz,
Wir haben Ihre Mail von 14.4.2011 über Hofer empfangen.
Wir sind einer der größten Hersteller/Importeur für Fisch in Holland. Es ist unser besonderes Anliegen, dass unsere Kunden jederzeit mit unseren Produkten zufrieden sind. Wir legen größten Wert auf eine gleichbleibende hochwertige Produktqualität und Produktsicherheit. Vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen und laufende Qualitätskontrollen sind für uns eine Selbstverständlichkeit. Unsere Produktionsbetriebe arbeiten nach dem HACCP Konzept (Hazard Analysis and Critical Control Point, deutsch: Gefahrenanalyse kritischer Kontrollpunkte) und sind nach dem International Food Standard zertifiziert.
Der Pangasius wächst in Aquakultur heran. Wir beziehen unseren Pangasius ausschließlich aus eigenen Aufzuchtbetrieben, die alle nach dem international anerkannten Global-Gap zertifiziert sind. Dieser Standard richtet seinen Fokus auf eine nachhaltige Aufzucht, insbesondere auf Lebensmittelsicherheit, Tierschutz, Umweltstandards sowie eine soziale Gefahrenanalyse. Global GAP ist ein Standard welche durch WWF erkannt wird als Vorläufer von ASC, eine Zertifizierung Programm für Nachhaltige Aquakultur von WWF wie die MSC für Wildfang. Auch nachhaltiges Futter gehört zu den beiden Programmen wobei nicht nur den Bestandsteil Fischmehl (<10%) aber auch den anderen Ingredienzen beurteilt werden.
Wir garantieren, dass die an Hofer gelieferten Filets 100% frei von Zusatzstoffen sind. Nur dadurch kann der arteigene Geschmack des Pangasius garantiert werden. Die Freiheit von Antibiotika und Zusatzstoffen wird bereits im Ursprungsland regelmäßig kontrolliert. Für jede produzierte Charge wird ein Nachweis über die Freiheit von Antibiotikarückständen sowie sonstigen Zusatzstoffen (Zitronensäure, Phosphate etc.) geführt. Darüber hinaus veranlassen wir im Rahmen unserer Sorgfaltspflicht eigene Untersuchungen zur Rückstandsanalytik. Des weiteren werden die von uns gelieferten Pangasius-Filets zusätzlich quartalsmäßig durch ein unabhängiges, staatlich akkreditiertes und von Hofer KG vorgegebenes Institut in Österreich untersucht. Dieses Labor prüft neben den sensorischen Eigenschaften auch die Angaben auf der Produktverpackung.
Wir hoffen, dass Ihr Vertrauen in unsere Produkte weiterhin bestehen bleibt und verbleiben
mit freundlichen Grüßen,
Klaas-Hessel van Eerde
Sales Director Europe
Welche Interpretation ist hier angemessen? Wie kritisch soll und kann diese Information hinterfragt werden?
Der "International Food Standard" klingt eher nicht nach einer kritischen Zertifizierung, sondern nach einem Industriestandard, den sich die Industrie deswegen selbst gibt, weil er ihr alle gewünschten Freiheiten ermöglicht.
Auch das international anerkannte "Global Gap" ist mir unbekannt. Die Recherche ergibt die Seite www.globalgap.org - klingt prinzipiell gut.
Letztlich weiß ich trotzdem nicht, ob die Hofer-Pangasius-Filets aus einem der wenigen guten Aufzuchtsbetriebe kommen.
Beispiel 4: Westbahn
Zum Abschluss möchte ich ein positives Beispiel bringen. Ich brauchte eine Rechnung für ein Bahnticket und schrieb daher der Westbahn:
Von: "Dr. Guido Schwarz" <office@guidoschwarz.at>
Betreff: Rechnung
Datum: 8. Dezember 2020 um 19:53:21 MEZ
An: meinenachricht@westbahn.at
Liebes Westbahn-Team,
ich hab mir soeben ein Ticket gekauft und ausgedruckt.
Woher bekomme ich dafür eine Rechnung mit MwSt.?
mit freundlichen Grüßen
Guido Schwarz
Die Antwort kam prompt und ich führe sie hier in voller Länge an, da nicht nur die Antwort für das Kundenbeziehungsmanagement wichtig ist, sondern auch das Drumherum:
Von: meinenachricht <meinenachricht@westbahn.at>
Betreff: AW: Rechnung
Datum: 9. Dezember 2020 um 07:48:25 MEZ
An: "Dr. Guido Schwarz" <office@guidoschwarz.at>
Sehr geehrter Herr Dr. Schwarz,
alle Tickets der WESTbahn Management GmbH, auch wenn sie in der Trafik gekauft wurden, gelten gemäß § 11 (9) UStG als Rechnung im Sinne des UStG und berechtigen daher auch zum Vorsteuerabzug. Die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben hierfür (Name und Anschrift des befördernden Unternehmens, Entgelt und Steuerbetrag in einer Summe sowie den Steuersatz) finden Sie auf den Tickets.
Freundliche Grüße
Peter Rauter
Customer Care Center
Tel.: +43-1 899 00
meinenachricht@westbahn.at
www.WESTbahn.at
WESTbahn Management GmbH.
Europaplatz 3/Stiege 5/6. Stock, A - 1150 Wien
Rechtsform: GmbH., Sitz: Wien
FN 319409w, Handelsgericht Wien,
UID: ATU64618578
Unabhängige Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf)
Wenn Sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, können Sie sich an die kostenlose und unabhängige Schlichtungsstelle wenden. Nutzen Sie hierfür das Formular auf www.apf.gv.at. Sollte die elektronische Übermittlung nicht möglich sein, senden Sie die Unterlagen per Post an die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, Fachbereich Bahn, Linke Wienzeile 4/1/6, 1060 Wien.
Neutral Agency for Passenger Rights (apf)
If you do not agree with the decision provided, you may reach out to the arbitration board. Please use the arbitration form provided on www.apf.gv.at/en/. You may also submit your arbitration request with all the necessary enclosures by post if online submission is not possible for you. Send your request by post to Agency for Passenger Rights, Railway department, Linke Wienzeile, 4/1/6, 1060 Vienna.
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Dr. Guido Schwarz <office@guidoschwarz.at>
Gesendet: Dienstag, 8. Dezember 2020 19:53
An: meinenachricht <meinenachricht@westbahn.at>
Betreff: Rechnung
Liebes Westbahn-Team,
ich hab mir soeben ein Ticket gekauft und ausgedruckt.
Woher bekomme ich dafür eine Rechnung mit MwSt.?
mit freundlichen Grüßen
Guido Schwarz
Aufgabe Lektion 6
1.) Glauben Sie, dass diese Milch tatsächlich dem Kundenwunsch entspricht? Beschreiben Sie Ihre Gedanken dazu.
2.) Was ist hier faul im Staate Dänemark? Wo stinkt dieser Fisch? Wo müsste Hofer ansetzen, um hier dem Kunden gegenüber glaubwürdiger aufzutreten? Eigentlich haben die alle klassischen Regeln des CRM befolgt. Warum bleibt trotzdem ein mulmiges Gefühl?
3.) Bitte zählen Sie vom Westbahnbeispiel auf, was hier alles richtig gemacht wurde.
=
Lektion 7: Schnittstelle Nr. 5 – Reparatur =
Ein Bereich, der zurzeit eine ausgesprochen untergeordnete Rolle spielt und das auch noch so lange tun wird, wie unsere Gesellschaft sich dem Wegwerfen lustvoll hingibt. Sollte dies einmal eine Trendwende nehmen, dann bekommt dieses Kapitel neue Kraft.
Sehen wir uns ein positives Beispiel an:
Beispiel 1: Die Getreidemühle
Ich besitze eine rund 25 Jahre alte Getreidemühle. Jetzt ist einer der Mahlsteine gebrochen. Normalerweise das Ende. Ab zum Sperrmüll. Trotzdem ein letzter Versuch. Mühsam entziffere ich den vergilbten Herstellernamen. Google ... ah, die Firma gibt's noch. Irgendwo in Deutschland. Auf der Website (www.hawos.de) lauter neue Mühlen, die ganz anders aussehen. Das aussichtloseste Telefonat, das man sich vorstellen kann, beginnt. Ein älterer Herr hebt ab:
„Kann man die Maschine ... ähhh ... reparieren lassen?“
„Welche Type?“
„Keine Ahnung – da steht nix drauf.“
„Na, dann ist es eines der ersten Modelle, die wir seinerzeit produziert haben. Aber das haben wir gleich.“
Jetzt tritt am anderen Ende der Leitung deutsche Gründlichkeit in Aktion: Kippschalter oder Drückschalter? Schwarzer Schalter oder brauner Schalter? Motornummer mit A oder mit E?
„Alles klar! Ihre E-Mail-Adresse bitte, wir schicken ihnen ein vorausgefülltes Bestellformular für den Stein und eine Reparaturanleitung.“
Genau so soll Wirtschaft funktionieren!
(Quelle: Volker Plass)
Nähern wir uns dem an, was da passiert ist:
1.) Eine Reparatur ist so etwas wie eine weiche Reklamation. In diesem Falle ist einfach ein abgenützter Teil zu beklagen und es entsteht der Wunsch nach einem Reparaturteil. Da es in vielen Produkten Verschleißteile gibt, ist das ein ständig auftretendes Phänomen.
KBM sollte also darauf eingestellt sein.
2.) Der Kunde signalisiert dem Hersteller, dass er das Gerät für so gut hält, dass er es weiter verwenden möchte. Dies ist zugleich ein Vertrauenssignal an ihn und natürlich eine Art Eigenüberprüfung, ob man als Kunde dieses Vertrauen zurecht herschenkt, also ein Test der eigenen Einschätzungskraft.
Auch darauf sollte KMB eingestellt sein.
3.) Durch eine ordentliche Auftragsabwicklung (siehe oben) hat der Kunde gleich mehrere Erfolgserlebnisse:
a.) sein Vertrauen war gerechtfertigt, er hat sich nicht geirrt und braucht daher in seinem eigenen Vertrauensmanagement nichts ändern. Das ist angenehm für den Kunden.
b.) Er bekommt ein konkretes Problem gelöst.
c.) Sein Weltbild, das sich durch einen Wunsch ausdrückt („Ich möchte reparieren statt wegwerfen“) bleibt heil. Daraus ergibt sich der nächste Punkt:
4.) Der Kunde selbst bleibt heil, und zwar insofern, als sich die Frage stellen lässt, inwiefern ein Mensch, der ausschließlich von Wegwerfgegenständen umgeben ist, sich selbst früher oder später auch als Teil seiner Umwelt begreift – und sich als Wegwerfgegenstand fühlt. Etwas überspitzt ausgedrückt: Wenn er einen Unfall hat, will er dann repariert oder ausgetauscht werden? Das ist letztlich die Frage nach dem Selbstwert. Und wie die zu beantworten ist, liegt auf der Hand.
Und auch darauf sollte KBM eingestellt sein.
Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, dass nicht jedes Produkt eine Getreidemühle ist. Aber vielleicht sind die Grundlagen der Kundenbeziehung ja trotzdem ähnlich. Gibt es einen kleinsten, gemeinsamen Nenner, der für all diese Fälle gilt, wenn es um Reparaturen geht? Wir sind hier genau genommen beim Thema Beschwerdemanagement. Viele KonsumentInnen gehen von vorneherein mit einer negativen Einstellung in den Kontakt mit Unternehmen – je größer, desto negativer.
Das hat mit folgenden Faktoren zu tun:
1.) Die Unternehmen sind in den letzten Jahrzehnten nicht nur vielfach gewachsen und damit größer und mächtiger geworden, sondern sie haben auch ihre Prozesse rationalisiert. Das hat sich nicht immer positiv auf das KBM ausgewirkt, viele Unternehmen wirken kalt und abweisend, obwohl ihre KBM-Systeme genau das Gegenteil bewirken sollen.
2.) Also treten die KundInnen manchmal mit mehr Skepsis und Misstrauen auf, als es eigentlich notwendig wäre. Sie haben gelernt, dass sie das möglicherweise schützt. Die Unternehmen reagierten meist mit einer Straffung der Prozesse und manchmal mit noch mehr Abkapselung.
Aufgabe Lektion 7
Versuchen Sie zu allen drei Punkten eine Idee zu generieren, wie KBM sich darauf einstellen kann.
Was müsste in ein KBM-System implementiert werden, um genau so einen Erfolg herbei zu führen?
Lektion 8: Schnittstelle Nr. 6 – Das Image
In dieser Lektion müssen wir uns ausführlich mit dem Image beschäftigen. Besonderes Augenmerk gilt dem Social Web, das möglicherweise in Zukunft eine noch größere Rolle spielen wird, denn genau dort treten neue Herausforderungen auf, denen sich Unternehmen mit ihrem KBM stellen müssen.
Die heute immer noch wichtigste Schnittstelle ist eine Website. Meist sind diese schon mit gewissen interaktiven Funktionen ausgestattet und nicht immer funktionieren diese. Zur besseren Illustration sehen wir uns auch hier ein Beispiel an:
Beispiel 1: Neues vom Häusl
(Die Geschichte stammt vom Februar 2010, hat aber meiner Erfahrung nach nichts an Aktualität eingebüßt.)
Ich bin so stolz: Gestern durfte ich eine Flasche “Cif-24 h Gel extra dickflüssig Lemon fresh” erwerben, zwecks Reinigung meines WCs. Und wieder einmal beging ich den fatalen Fehler, einen einzigen Blick auf die Packung bzw. aufs Etikett zu werfen. So was darf man nicht tun, ich weiß, so was geht den Konsumenten nichts an, auch nicht den mündigen. Die Firmen werden schon wissen, was sie tun, die sind schließlich groß, ganz besonders die Unilever, die hinter der Marke Cif steckt.
Auf dem Etikett finde ich ein Siegel, eine wunderschöne blaue Weltkugel mit Sternchen, darunter steht “www.sustainable-cleaning.com”. Was das wohl heißen mag? Auf der Website blinken Sternchen und man verweist auf die Website von A.I.S.E, deren Initiative das sei. Es handelt sich um eine “Charter für nachhaltiges Waschen und Reinigen”. Man werde, so heißt es, von unabhängiger Seite überprüft, ob man bei der Herstellung der Produkte auch brav die “Nachhaltigkeit” berücksichtige. “Sicher und umweltschonend” würde man erzeugen, da man die Rohstoffe “sorgfältig” auswähle und sie sicher und effizient in der Erzeugung einsetze. Dann bekenne man sich noch zu “leicht verständlichen Informationen” auf den Verpackungen, die einen “sicheren und umweltverträglichen Gebrauch” gewährleisten würden. Zu guter Letzt stellen die Firmen, die der Charter angehören, noch Daten zur Verfügung, “mit denen die wirtschaftliche, soziale und ökologische Gesamtleistung” gemessen werden kann, und daraus entstünde dann ein jährlicher Nachhaltigkeitsbericht.
Wer genaueres wissen will, kann sich bei einer Telefonnummer erkundigen, die am Produkt drauf steht. Stimmt, in meinem Fall ist das eine kostenlose Nummer: 0800 206044, Unilever Austria. Oder man klickt einen Link an, dann kommt man zu den Daten des WKO-Fachverbandes der Chemischen Industrie, immerhin mit Ansprechpartner (Christian Gründling) und Telefonnummer 0590900 DW 3348.
Bleiben wir noch kurz bei der Seite. Wenn man im Menü die “Sicherheitsratschläge” anklickt, dann kommen ein paar allgemeine Ratschläge à la “Reinigungsmittel nicht trinken” oder “nachher gut lüften” sowie der Hinweis “Den Inhalt dieser Nachfüllpackung vollständig in den Originalbehälter nachfüllen.” Häh? Das ist eine Website, keine Nachfüllpackung. Waren die Programmierer besoffen? Hat sich das niemand angesehen, nachdem es online ging? Irgendwie erscheint mir das nicht besonders nachhaltig. (Glauben Sie nicht? So blöd kann niemand sein? Nachsehen: http://www.sustainable-cleaning.com/DE_safebehaviour.html)
Leider gibt es dann außer dem bisherigen Wischi-Waschi (eigentlich eh okay für eine Website über Reinigungsmittel) keine brauchbaren Informationen, nur Verweise auf verschiedene Initiativen, die dort wiederum sich selbst erklären. Wenn man auf die “Charter” klickt, kommt der Hinweis auf die Website (auf der man sich ja schon befindet) und wenn man auf die Website geht, kommt der Hinweis auf die Charter. Immerhin, ein wenig Kreislaufdenken dürfte da ja schon enthalten sein. Was ich nicht finde:
1.) Den Nachhaltigkeitsbericht, der ja groß angepriesen wird.
2.) Informationen, was denn nun wirklich getan wird, um nachhaltig zu sein. Woher kommen die Rohstoffe, welche werden verwendet, ist die Verpackung umweltfreundlich, wie soll ich sie entsorgen?
Nichts in der Art. Also gehe ich auf die Cif-Website, schließlich habe ich ja meinen lemonfrischen Reiniger vor mir. Dort wird es leicht bizarr, denn ein Werbespot beginnt unaufgefordert mich zu beschallen. Gott sei Dank kann ich ihn abschalten. Auch sonst wird hier geworben und man könnte auch selbst “loben oder tadeln”. Wenn man das allerdings versucht, landet man im Kontakt-Nirwana des Internets. Die aufpoppende Kontaktseite war leer, sie blieb so weiß wie die Wäsche, die man mit Unilever-Produkten waschen kann. Sie blieb übrigens nachhaltig leer, und zwar egal mit welchem Browser man es probiert (Safari, Firefox…) und wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit. (Anmerkung: inzwischen 2012 funktioniert sie – Unilever hat reagiert und den Fehler ausgebessert.)
Ob das der einzige Fehler ist? Okay, Umlaute werden nur bei jedem zweiten Aufruf der Seite dargestellt, das rechne ich als Kleinigkeit. Sehr nett ist die Beschreibung über die Anwendung, die für mich den ersten Preis für Verständlichkeit und innere Logik bekommt. Hier im Original:
Abbildung 7
Haben die vor dem Programmieren vielleicht doch einen klitzekleinen Schluck vom WC-Reiniger genommen, so zum Testen? Die einzig brauchbare Information ist der Verweis auf die Seite www.cleanright.eu, wo sich tatsächlich genauere Informationen über die Nachhaltigkeitsprogramme finden lassen.
Griff zum Telefon. Eine sehr nette Dame meldet sich (und zwar sofort, ohne Warteschleife) und nimmt meine Wünsche entgegen, etwa die Frage, woraus die Flasche meines Cif-Reinigers besteht und wie man sie entsorgen soll. Ich brauche auch nicht lange warten, das schüttelt sie aus dem Ärmel: “Die Flasche ist aus Plastik und gehört in den Plastikmüll.” Kurze Sprachlosigkeit meinerseits, darauf wäre ich von alleine nicht gekommen. Meine Nachfrage, aus welcher Art Plastik denn die Flasche bestehe, kann sie leider nicht mehr beantworten, verspricht aber, mir das zu schicken. Ich wünsche mir noch den oben erwähnten Nachhaltigkeitsbericht und bin, sagen wir mal, mittelmäßig zufrieden. Ich erwähne noch die leere, blütenweiße Kontaktseite von Cif und sie verspricht, nachzusehen.
4 Stunden später: Die Antwort von Unilever ist da. Die Flasche besteht aus folgenden Bestandteilen: Flasche: – High density Polyethylen (HDPE) – Polyethylen (PE) Verschluss: – Polypropylen (PP)
Wikipedia sagt dazu folgendes:
“Polyethylen ist durch seine hohe Beständigkeit gegen Säuren, Laugen und Chemikalien sehr langlebig und nicht natürlich abbaubar. Durch Sonneneinstrahlung kann PE verspröden und zerfällt dann in immer kleinere Teile, wird jedoch nicht von Bakterien, Tieren oder Pflanzen in den natürlichen Kreislauf integriert. Verpackungen aus PE überdauern die verpackten Produkte, wie Lebensmittel, um Jahrhunderte. Als sogenannter Plastikmüll verschmutzt PE ohne fachgerechte Entsorgung die Umwelt. Das bekannteste Beispiel ist der Müllstrudel im Pazifik. Hier hat sich im Nordpazifikwirbel (englisch „North Pacific Gyre“) ein gigantischer Müllteppich angesammelt.”
Soviel zum Thema Nachhaltigkeit, bei Unilever heißt das scheinbar: Schadstoffe halten sich besonders lange in der Umwelt!
Den Nachhaltigkeitsreport haben sie mir auch geschickt, leider ist das nicht der – möglicherweise spannende – Bericht unabhängiger Fachleute, sondern eine Art Werbeprospekt der Unilever, bunt mit Jubelbotschaften, was man nicht alles tut und wie sehr man Schadstoffe reduziert. Alles ist grün und bunt und viele Blumen und lachende Models wohin man schaut.
Weshalb erzeugt man nicht umweltfreundliche Flaschen, idealerweise wiederverwertbar? Oder nachfüllbare Flaschen, das würde sich bei so stabilen Flaschen wie der meines WC-Gels auszahlen, die könnte man Jahre lang benützen! Unilever könnte sogar Marktanteile halten, weil die KonsumentInnen eher das gleiche Produkt in die Flasche einfüllen und diese auch eine ständige Markenerinnerung wäre.
Es ist natürlich nicht nur die Website, sondern der gesamte Auftritt eines Unternehmens, der das Image prägt. Und natürlich gehören da auch Rechtsabteilung, Unternehmenssprecher etc. dazu. Besonders heikel ist der Auftritt in den Social Networks bzw. im gesamten Web 2.0 bzw. allen weiteren Internetformen, die da noch folgen mögen.
Wie dies schiefgehen kann und was daraus zu lernen ist, zeigt die Geschichte von Jack Wolfskin:
Beispiel 2: Das Jack-Wolfskin-Desaster
Welche Macht haben Facebook, Geizhals, YouTube und ähnliche Plattformen?
In der Internetplattform “Facebook” sammelt man Personen als “Freunde” und kann auch – je nach Einstellung – “Fans” haben. Seit 2010 gibt es eine Facebook-Gruppe mit dem Namen “Kann dieser seelenlose Ziegelstein mehr Freunde haben als H.C. Strache?”
Zum Zeitpunkt der Gründung obiger Gruppe (5. oder 6. Februar) hatte Herr Strache ca. 18.000 Fans und ca. 3.900 Freunde. Der Aufruf, der obigen Gruppe beizutreten, hatte am 10. Februar die Marke von 65.000 Fans überschritten.
Was hat das zu bedeuten? Ist das eine neue Form politischer Meinungsmache oder schlicht und einfach belanglos – etwa weil die Menschen aus Jux und Gaudi dieser Gruppe beitreten, dann aber bei der nächsten Wahl trotzdem für Strache stimmen?
Die Gründer der Gruppe bleiben auf Facebook im Verborgenen, es gibt lediglich eine nichtssagende E-mail-Adresse, es “steht” quasi niemand zur Gründung und Verantwortung dieser Gruppe. Aber: Ist das notwendig?
Der Standard und Die Presse berichteten jedenfalls bereits darüber und als demokratische Meinungsbildungsplattform ist Facebook sicher ein modernes Medium.
Die Frage nach der Wirkung wird jedoch bis zu entsprechenden wissenschaftlichen Forschungen ungeklärt bleiben müssen. Worin unterscheidet sich diese Form der Meinungsäußerung von der einer Demonstration auf der Ringstraße? Die Mobilisierung von Menschenmassen funktioniert im Internet erwiesenermaßen, wie der Sportartikelhersteller Jack Wolfskin schmerzlich zu spüren bekam, als er nachlässig auf Reklamationen reagierte und in sinnloser Weise auf seine Markenrechte pochte. Verärgerte Kunden riefen im Internet zum Boykott auf und der Umsatz von Jack Wolfskin sank erschreckend deutlich und erstaunlich schnell (manche sprechen von bis zu 50 % in einem halben Jahr, das ist jedoch nirgends bestätigt), so dass die Firma zu einer Änderung ihrer Geschäftspolitik gezwungen war.
Das Beispiel von Flashmobs (spontane Kundgebungen vieler Menschen auf öffentlichen Plätzen) zeigt, wie schnell und direkt die Verbindung zwischen Internet und “Realwelt” geknüpft werden kann.
Sehen wir uns genauer an, was hinter der Geschichte von Jack Wolfskin steht:
Die Firma ist einer der größten Outdoor-Equipment-Hersteller der Welt und gibt sich selbst ein junges, lockeres Image: Wettergegerbte Globetrotter, junge sportliche, fesche Menschen sind die bevorzugte Zielgruppe und so sehen auch die Testimonials aus. Man gibt sich weltoffen und modern.
Und dann kam jemand und verwendete das Logo. Da war es vorbei mit locker und weltoffen – so der Spiegel (Link: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,655890,00.html):
a.) Die taz
Das Logo der Zeitung ist der Abdruck einer Tatze (auch „Tazze“ genannt). Roland Matticzk, der Erfinder des Logos, versäumte es jedoch, sich in den Gründungsjahren der taz die Rechte daran zu sichern. Das Unternehmen Jack Wolfskin registrierte in den 1980ern ein ähnliches Logo für sich. Den Rechtsstreit zwischen den beiden Unternehmen verlor die taz im Jahre 2002, was zur Folge hatte, dass sie die Tatze nun nicht mehr auf Produkte drucken darf, die zum Kerngeschäft von Jack Wolfskin gehören. Zudem darf sie die Tatze auf eigenen Produkten nur in Verbindung mit dem Zusatz „die tageszeitung“ nutzen.
Auch gegen die Abbildung einer daraufhin mit einem Kreuz überstickten „Tazze“ neben dem geforderten Schriftzug auf einem Badehandtuch, das über den verlagseigenen taz-Shop vertrieben wird, ging Jack Wolfskin vor: „Das ‚Durchstreichen‘ des Tatzensymbols (beinhaltet) eine rufschädigende Abwertung der bekannten Marke“, monierten die Anwälte.
b.) Die Handarbeitswerkstatt Dawanda
Mit voller Härte gegen die ganz Kleinen: Der Outdoor-Riese Jack Wolfskin mahnt ohne Vorwarnung Hobby-Handarbeiter ab, die im Web selbstgebastelte Ohrstecker, Taschenspiegel und Sticker verkaufen. Ihr Vergehen: Auf den Handarbeiten sind Pfotenabdrücke zu sehen.
Auf den ersten Blick wirkt Martina Hopf nicht wie eine Markenpiratin. Auf den zweiten, dritten und vierten auch nicht. Hopf verkauft beim Handarbeits-Portal Dawanda selbstgenähte Kirschkernkissen, Strampler, Stoffe und auch Stickdateien. Nun soll sie die Schneiderin viel Geld an die Anwaltskanzlei des Klamottenkonzerns Jack Wolfskin zahlen. Weil sie Stickdateien verkauft hat, mit denen man sich Herzchen, Sternchen und ein Katzenpfötchen auf alles mögliche sticken kann.
Datei:Media/image14.pngAbb. 8: Monika Stelly
:6a00d83451fb2a69e20120a6469a30970c-800wi.jpgAbb. 9: Internet
links die Jack-Wolfskin-Pfote, rechts die „Fälschung“, oben ein Produkt von DaWanda
Abmahnwürdig findet Jack Wolfskin daran das Pfötchenmuster. Denn so gut wie alles, was nach Pfötchen aussieht und verkauft wird, sieht der Konzern als Verletzung seiner Markenrechte. Der deutsche Outdoor-Riese hat in der Vergangenheit schon gegen die "taz" prozessiert und durchgesetzt, dass die Zeitung ihre "taz"-Pfote nicht einfach so auf Klamotten drucken darf. Nun hat Jack Wolfskin neue Gegner im Visier: Hobby-Schneider und Handarbeiter wie Martina Hopf.
Im Oktober verschickte die von Jack Wolfskin beauftragte Anwaltskanzlei Harmsen Utescher Abmahnungen per Einwurfeinschreiben mit angehängter Kostennote an Bastler, die Selbstgenähtes bei Dawanda verkaufen. SPIEGEL ONLINE liegen mehrere dieser Schreiben vor. Die von der Kanzlei errechneten Streitwerte (zwischen 20.000 und 25.000 Euro) und daraus abgeleiteten Gebühren (zwischen 850 und 1000 Euro) unterscheiden sich, die Formulierungen sind identisch. Die Kanzlei Harmsen Utescher erklärt den aus heiterem Himmel Abgemahnten erstmal einschüchternd, Jack Wolfskin gehöre, "wie Ihnen vermutlich bekannt ist, zu den führenden Herstellern von Outdoor-Equipment und Outdoor-Bekleidungsstücken", könne in der Bundesrepublik "die Marktführerschaft beanspruchen" und gehöre in Europa "zu den drei Marktführern".
"Die Tatze unserer Mandantin ist markenrechtlich geschützt"
Dann kommen die Juristen zur Sache: "Die Tatze unserer Mandantin ist in Deutschland und vielen Ländern der Welt umfangreich markenrechtlich geschützt." Gegen diese Markenrechte hätten die Abgemahnten Bastler mit ihrer Handarbeit verstoßen. Die Forderungen der Kanzlei: Binnen zwei Wochen sollen die Abgemahnten die beigefügte Unterlassungserklärung unterschrieben zurücksenden, binnen drei Wochen die Gebühren an die Kanzlei überweisen.
Wenn nicht, wird Ärger angedroht: "Für den Fall, dass die gesetzten Fristen fruchtlos verstreichen, werden wir unserer Mandantin empfehlen, ohne weitere Vorankündigung gerichtliche Schritte einzuleiten."
Jack Wolfskin bestätigt auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE dieses Vorgehen. Firmensprecherin Lena Fischer erklärt: "Die typische Jack Wolfskin Tatze ist als Marke geschützt. Daher dürfen Dritte keine ähnlichen oder identischen Zeichen für ähnliche und identische Waren, wie sie Jack Wolfskin anbietet, im geschäftlichen Verkehr benutzen."
Jack Wolfskin sieht sich in der Abmahn-Pflicht
Das Unternehmen habe als Markeninhaberin "das Bestreben und die Pflicht, die Marke gegen ähnliche Drittzeichen zu verteidigen, da die Marke sonst geschwächt wird". Man prüfe mit den Anwälten in jedem Einzelfall sehr gründlich, ob die Voraussetzungen einer Markenverletzung vorliegen. Es seien nur Anbieter abgemahnt worden, "deren Produkte die Markenrechte von Jack Wolfskin auch wirklich verletzen". Die Abmahnungen gegen Dawanda-Anbieter seien "zwar bedauerlich", doch es handele sich hier "um eindeutige Markenrechtsverletzungen".
Es geht hier um Taschenspiegel, um Deckchen und kleine, niedliche Sticker, gebastelt von Heimarbeitern, die damit gewiss keine Millionenumsätze machen. Aber ihre Pfötchen-Designs sehen Jack Wolfskin zufolge der Firmenmarke einfach zu ähnlich. Sprecherin Fischer: "Anbieter, deren Artikel mit Pfotenabdrücken keine Ähnlichkeit zur Jack Wolfskin Tatze aufweisen, können ihre Artikel selbstverständlich weiter unbeanstandet verkaufen."
Überhaupt habe man nur Anbieter abgemahnt, die "im geschäftlichen Verkehr handeln". Laut Jack Wolfskin handelt ein Bastler gewerblich, wenn "in der Vergangenheit Verkäufe in einem gewissen Umfang getätigt wurden, wohingegen Kleinstanbieter, die beispielsweise nur ein oder zwei Produkte pro Jahr verkaufen, von uns natürlich nicht kontaktiert wurden".
Handarbeitern drohen 10.000 Euro Vertragsstrafe
Hier geht ein Konzern nicht gegen Markenpiraten vor, sondern gegen Heimarbeiter. Das vergisst man leicht, liest man die Erklärung, die die Heimarbeiter gegenüber dem Klamottenkonzern abgeben sollen. Laut den in den SPIEGEL ONLINE vorliegenden Dokumenten identischen Forderungen sollen die abgemahnten Handarbeiter:
- Jack Wolfskin denjenigen Schaden ersetzen, der der Firma durch ihre Handlungen "in der Vergangenheit entstanden ist, entsteht und in Zukunft noch entstehen wird".
- Jack Wolfskin binnen weniger Wochen "schriftlich Auskunft über die Umsätze" erteilen, "die mit dem Vertrieb erzielt wurden", über den "Umfang und die Art der getätigten Werbung, jeweils aufgegliedert nach Kalendervierteljahren, sowie nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten" und der erzielten Gewinne.
- Jack Wolfskin schriftlich Auskunft über Hersteller, Lieferanten und andere Vorbesitzer, gewerblichen Abnehmer der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren geben.
Bei Verstoß gegen die unterzeichnete Erklärung sollen 10.000 Euro Vertragsstrafe drohen.
Das Problem der Abgemahnten: Es könnte sein, dass ein Gericht gegen Jack Wolfskin entscheidet und die Sache ähnlich bewertet wie die meisten Bürger mit gesundem Menschenverstand: Wie kann ein Taschenspiegel, ein Sticker, eine Ohrstecker, der nichts mit Outdoor zu tun hat, nirgends die Marke Wolfskin erwähnt und von ganz anders aussehenden Pfotenabdrücken bedeckt wird, der Millionen-Marke Wolfskin schaden? Es ist aber leider nicht sicher, dass ein Gericht so urteilt. Eine der Abgemahnten bringt es auf den Punkt:
"Wolfskin hat mehr Geld, um mit einem Batzen Gutachten auf die Verwechslungsgefahr zu pochen. Ich hatte zwar den Willen, aber einfach nicht das Geld, mich da irgendwie weiter zu rechtfertigen. Bei dem Streitwert kann nicht einmal ein befreundeter Anwalt tätig werden. Schon die Gebühren für Verfahren am Oberlandesgericht sind zu hoch."
Viele der Abgemahnten haben Angst vor den Anwälten des Konzerns, wollen deshalb nicht namentlich in Artikel erwähnt werden. Umso lauter ist der Aufschrei im Web - seitdem das rabiate Vorgehen Wolfskins bekannt wurde, empören sich Blogger über die Angstkampagne der Firma.
Kann man Ohrstecker mit Outdoor-Klamotten verwechseln?
Auch wenn es formaljuristisch korrekt ist - das Vorgehen des Bekleidungskonzerns wirkt in jeder Hinsicht überzogen. Jack Wolfskin schlägt mit der Abmahnkeule nicht auf professionelle Markenpiraten ein, die mit gefälschten Produkten Profit mit der Tatzen-Marke machen. Die Abmahn-Opfer sind Bastler, die gar nicht auf die Idee kommen, dass man ihre Werke mit den Kunststoff-Jacken und -Schuhen des Tatzen-Konzerns verwechseln könnte.
Die von Jack Wolfskin angeführte Gefahr einer Verwässerung der Marke besteht tatsächlich: Wenn ein Unternehmen nachweislich nicht gegen die Nutzung seiner geschützten Warenzeichen oder zumindest ähnlichen Mustern vorgeht, kann es sein, dass die Marke irgendwann vor Gericht nicht mehr gegen echte Markenpiraten verteidigt werden kann. Aber gegen die Verwässerungsgefahr muss man nicht mit Abmahnungen vorgehen. Ein freundliches Schreiben, das die Problematik erklärt und die Betroffenen bittet, ihre Muster anders zu gestalten, wäre ausreichend. Wer darauf nicht reagiert, kann immer noch abgemahnt werden.
So ein Schreiben mit dem Hinweis auf die Markenproblematik wäre besserer Stil als eine Abmahnung mit Kostennote ohne Vorwarnung.
Wolfskin: "Kleinhändler für Entstehung der Kosten verantwortlich"
Das sieht Jack Wolfskin ganz anders. Ob es tatsächlich notwendig sei, verhältnismäßig kleine Anbieter gleich abzumahnen? Natürlich. Wolfskin-Sprecherin Fischer: "Auch derartige Kleinanbieter sind, wenn sie sich mit ihren Produkten in den geschäftlichen Verkehr begeben, dazu verpflichtet, vor Bewerbung und Verkauf dieser Produkte die Verletzung von Markenrechten Dritter zu überprüfen beziehungsweise auszuschließen."
Man habe bei den Handarbeiter-Fällen darauf geachtet, "die Kosten möglichst gering zu halten". Dass die Kosten in Höhe von 991 Euro für Kleinunternehmer "noch immer verhältnismäßig hoch" sind, gesteht die Wolfskin-Sprecherin ein. Aber: "Der Kleinhändler ist für die Entstehung der Kosten verantwortlich, da er markenverletzende Ware verkauft hat und wir dadurch zur Verteidigung unserer Marke gezwungen waren." Und überhaupt diene so eine Abmahnung der "schnellen und relativ kostengünstigen Beendigung der Angelegenheit".
Eine Botschaft, die man durchaus als Drohung verstehen kann, hat Jack Wolfksin noch: Eine Abmahnung verhindere "zusätzliche häufig weit höhere Kosten im Falle einer Einschaltung der Gerichte".
Jack Wolfskin reagiert auf Kritik beim Vorgehen zum Markenschutz Idstein, 23. Oktober 2009 – Die zum Teil heftigen Reaktionen im Internet auf das Vorgehen von Jack Wolfskin in Fällen von Markenrechtsverletzungen führen zu einem Einlenken des Unternehmens. Gegen die zehn Anbieter, die Produkte mit Tatzen-Design auf der Plattform DaWanda.de verkauft hatten und daraufhin von Jack Wolfskin abgemahnt wurden, werden keine weiteren rechtlichen Schritte mehr verfolgt. „Der Schutz unserer Marke hat für uns oberste Priorität“, sagt Manfred Hell, Geschäftsführer von Jack Wolfskin. „Wir sind immer bemüht, mit Augenmaß und nur dort vorzugehen, wo wir unsere Schutzrechte wirklich gefährdet sehen. Die zum Teil heftige Kritik unserer Kunden in den aktuellen Fällen der DaWanda-Anbieter nehmen wir ernst und zum Anlass, unser Vorgehen kritisch zu hinterfragen. Dies bedeutet, dass wir mit dem Entfernen der betroffenen Produkte von der Internetplattform die Fälle als erledigt ansehen, keine weiteren rechtlichen Schritte verfolgen und den Anbietern die vor allem kritisierten Kosten erlassen.“ Darüber hinaus wird Jack Wolfskin sein Vorgehen in Fällen von kleingewerblichen Angeboten verändern. Hier wird das Unternehmen in Zukunft zunächst auf anwaltliche Schritte verzichten und selbst Kontakt aufnehmen. Kommt es zu einer Einigung, sollen Kosten möglichst ganz vermieden werden. Anwaltliche Hilfe soll in Zukunft erst ein letzter Schritt sein. Weiterhin sagt Manfred Hell: „An der großen Emotionalität, mit der die Debatte geführt wurde, sehen wir, wie hoch die Erwartungshaltung an uns ist. Dem wollen wir gerecht werden. Wir haben uns der Kritik gestellt, unser Vorgehen kritisch durchleuchtet und werden in Zukunft sensibler agieren.“
Pressekontakt: JACK WOLFSKIN Ausrüstung für Draussen GmbH & Co. KGaA Limburger Str. 38-40 65510 Idstein Tel.: 06126 / 954-445 Fax: 06126 / 954-169 e-Mail: presse@jack-wolfskin.com
Sehen wir uns nun auszugsweise eine Reaktion im werbeblogger.de an
Kretin am 23. Oktober 2009 um 13:25 Uhr
Zitat von Manfred Hell: “An der großen Emotionalität, mit der die Debatte geführt wurde, sehen wir, wie hoch die Erwartungshaltung an uns ist. Dem wollen wir gerecht werden. Wir haben uns der Kritik gestellt, unser Vorgehen kritisch durchleuchtet und werden in Zukunft sensibler agieren.”
Übersetzung:
Wir hatten nicht damit gerechnet, dass es zu einem solchen Aufstand kommt, weil wir das schließlich seit Jahren so machen. Bisher sind wir damit noch immer durchgekommen. Ärgerlich nur, dass die Leute, die uns unser Image als ehrliche Naturburschen (und unser Zeug) bisher abgekauft haben, jetzt mitbekommen haben, dass wir den Raubtierkapitalismus neu definiert haben. Bevor das Desaster für uns jetzt noch größere Ausmaße annimmt, fressen wir etwas Kreide und hoffen, dass sich die Wogen bis zum Weihnachtsgeschäft noch glätten lassen. Wir werden versuchen, uns in Zukunft nicht wieder erwischen zu lassen.
Was hat das alles bewirkt?
In erster Linie Widerstand, der sich mittels verschiedener Ideen im Internet zeigte. Im folgenden ein paar Beispiele dafür, was kreative Köpfe im Netz verbreitet haben:
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Abbildungen 10, 11, 12, 13, 14, 15: Internet
Aufgabe Lektion 8
1.) Wie hätte CIF auf meine Anfrage besser reagieren können?
2.) Mit welcher Art von KBM haben wir es bei Jack Wolfskin zu tun? Wie wären Sie an deren Stelle vorgegangen?
=
Lektion 9: Schnittstelle Nr. 7 – Die Produkte =
Kauf und Konsum brauchen Zeit. Die erste Zeit (Paech S. 158ff) ist diejenige, die wir für Vorbereitungen brauche. Dazu zählen Informationsbeschaffung, Suche, Vergleich, Auswahl, Bestellung, Kaufvorgang und noch einiges mehr. Diese Zeiten sind nur bedingt variabel, verringert können sie nur durch Effizienzsteigerung werden, also etwa in Form von speziellen Suchmaschinen, Bewertungsportalen und ähnlichem.
Die zweite Zeit ist die Konsumzeit. Sie ist variabel, denn ich habe meistens die Wahl, ob ich Gegenstände verwende oder nicht, das gilt theoretisch sogar für die Zahnbürste oder das Duschgel.
Die Konsumindustrie hat nun das Problem, dass Kauf- und Konsumzeit immer knapper werden, sie aber im Sinne des Wachstumsgedankens immer mehr verkaufen will bzw. muss.
Da die erste Zeit nur bedingt variabel ist, wirkt sie auf die zweite ein, regt also zum Nicht-Gebrauch an, da dieser Zeit spart.
Es reicht der Autoindustrie, wenn wir ein Auto kaufen, wir müssen es nur so viel benützen, dass die Autowerkstätten mit Service und Reparaturen genügend verdienen. Wie erfolgreich sie dabei ist, sehen wir an den nackten Zahlen: Im Schnitt stehen PKW 95% der Zeit still, werden also nicht so genützt, wie es eigentlich im Wesen des Fahrzeugs ist.
Die Menschen haben sich schnell gewöhnt, dass der reine Besitz ausreicht und so dreht sich sehr viel im Leben vieler Menschen um das Abstellen des Fahrzeugs, also um den Parkplatz.
Das mit dem Konsum von Werkstätten wird so gelöst, dass bestimmte Serviceintervalle vorgeschrieben werden, wodurch die Werkstätten die Möglichkeit haben Geld zu verdienen. Punkto Reparaturen geht der Trend derzeit dahin, dass erstens sowieso nur mehr ausgetauscht und nicht mehr repariert wird, und auch das meistens in Form verlängerter Garantieleistungen. Die Industrie baut die Autos so, dass sie möglichst wenig Garantieleistungen erbringen muss, die Fahrzeuge also so lange einigermaßen störungsfrei halten, wie sie in Garantie sind. Danach sollen sie möglichst schnell kaputt gehen und entsorgt werden, dann nur dann kaufen genügend Menschen neue Autos.
Am Endpunkt ihrer Wünsche ist die Konsumindustrie durch das Fast Shopping gekommen. Kleidung wird nur mehr gekauft, aber nicht mehr benützt. Wer ein Kleidungsstück nicht anzieht, kann seinen Wert überhaupt nicht mehr erkennen und festlegen. Es muss weder Gebrauchsqualität aufweisen, weil es ja nicht gebraucht wird, noch länger halten als den kurzen Vorgang des Kaufes. Danach wird es entsorgt, also meistens verbrannt, hin und wieder in die dritte Welt verschifft oder endet in einer Zwischennutzung als Putzfetzen. Nicht alle FastshopperInnen werfen das Gewand sofort weg, manche verkaufen es oder tauschen es ein.
Damit hat die Industrie kein Problem, da der Verkauf auch meistens zu keiner Benützung führt, denn die KäuferInnen sind im Sinne des Fastshoppings auch nicht auf einen Gebrauchsgegenstand aus, sondern wollen das Kauferlebnis. Ähnlich sieht es bei Tauschbörsen aus.
Der Weg der Dinge bleibt gleich, geht nur durch eine weitere Schleife.
Der Endpunkt der Entwicklung ist dann erreicht, wenn wir möglichst wenige Gegenstände kaufen, um sie zu benützen, sondern nur, um sie zu kaufen und zu besitzen. Der Wohnraum der meisten Menschen in unserer Gesellschaft ist zwar in den letzten Jahrzehnten gestiegen, er wird aber nur bedingt für die Lagerung verwendet. Die Gegenstände sollen ja auch nicht oder zumindest nicht lange gelagert, sondern entsorgt werden. Am besten eignet sich dafür die Müllverbrennung, da sie garantiert, dass die Gegenstände nicht irgendwann wieder ausgegraben und wiederverwendet werden können.
Die Entsorgung soll möglichst einfach und schnell gehen, so dass die Menschen sich keine Gedanken darüber machen, was mit den Dingen geschieht. Aus den Augen, aus dem Sinn – das ist die Wunschvariante.
Die einzigen Grenzen, die es für diese Entwicklung gibt, sind die der Beschränkung natürlicher Ressourcen sowie die Umweltverschmutzung. Solange diese unter der Wahrnehmungsschwelle bleiben, ist für das System alles in Ordnung.
Firmen managen die Beziehungen auch über ihre Produkte. Das klingt auf den ersten Blick etwas seltsam, hat aber eine hohe Relevanz. Diese Schnittstelle ist genau genommen sehr nahe der vom Verkauf, und doch ist sie anders. Beim Verkauf steht der Verkäufer im Vordergrund, hier das reine Produkt, das sozusagen „für sich selbst“ spricht.
Bei genauerer Betrachtung stimmt das nicht ganz, es spricht auch mit dem Käufer bzw. kommuniziert mit ihm und schickt Botschaften. Sehen wir uns dafür ein Beispiel an:
Beispiel 1: Der neue Land Rover Defender
Da das Auto immer noch ein Spiegel unserer Kultur und auch der Konsumgegenstand ist, für den viele Menschen wohl am meisten Geld ausgeben, muss es für unser Beispiel herhalten.
Land Rover steht seit Beginn in den 1950er-Jahren für den Geländewagen schlechthin. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Form nur wenig verändert, da sie in ihrer ursprünglichen Entwicklung einem cleveren und praxisorientierten Konzept gefolgt ist:
1.) Einfacher technischer Aufbau, damit er überall leicht repariert werden kann. (zumindest dort, wo englische Maße das Maß der Dinge sind)
2.) Eine Aluminium-Karosserie, damit er nicht rostet. (Der Rahmen ist allerdings aus Stahl und rostet doch recht gerne, auch die Schnittstellen zwischen der Alu-Karosse und den Stahlteilen über sogenannte Kontaktkorrosion.)
3.) Ein spartanischer Innenraum, der leicht gereinigt werden kann und in dem nichts kaputt werden kann, weil es nicht vorhanden ist (Klimaanlage, elektrische Fensterheber etc.).
4.) Hohe Geländegängigkeit durch Allrad, Untersetzungsgetriebe, Leiterrahmen mit Starrachsen und generell ein robustes Fahrwerk.
So eroberte der Land Rover in den Modellvarianten 88 und 109 die ganze Welt, vor allem aber die Teile unserer Erde, wo es schlechte oder gar keine Straßen gibt. In den 1980er Jahren gab es die erste große technische Veränderung mit der Weiterentwicklung zum „Defender“ mit einem Dieselmotor und einigen anderen Änderungen, die aber nicht in die Grundkonstruktion eingriffen, dafür ein wenig mehr Komfort boten. Die einzige ernst zu nehmende Konkurrenz war Toyota mit dem LandCruiser.
Beide Fahrzeuge vermittelten folgende Botschaft, allein durch ihre Konstruktion:
Ich bin hart im Nehmen und halte lange. Wenn Du mit mir unterwegs bist, dann trage ich dich über Stock und Stein sicher an dein Ziel. Ich bin nicht bequem und nicht schön, aber ich halte was aus. Ich bin einfach zu reparieren, und das erhöht die Sicherheit, dass Du an deinem Ziel ankommst, noch einmal.“
Das funktionierte über mehrere Jahrzehnte, letztlich bis 2019. Dann entschied Land Rover die Produktion einzustellen, nachdem dies schon viele Jahre lang angekündigt wurde. Jetzt war es soweit. Als Hauptgründe wurde genannt, dass die modernen Sicherheitsbestimmungen gar nicht mehr eingehalten werden können (Fußgängerschutz, Airbag, ABS etc.) und dass man keinen Motor mehr einbauen könnte oder wollte, der den modernen Abgasbestimmungen entspricht.
Dazu präsentierte man 2020 einen Nachfolger. Auf dem Bild sieht man hinten den Defender von 2020 und davor die Ur-Variante.
Abbildung 16: gtspiritmedia.com
Beworben wird er mit den gleichen Attributen wie der alte, die Realität ist jedoch eine gänzlich andere, denn die Konzeption baut auf dem Land Rover Discovery auf, einem modernen Fahrzeug, das ganz und gar nicht für das Gelände und auch nicht für das gedacht ist, was der alte Defender konnte. Der moderne Defender ist bequem, gut für die Autobahn geeignet, hat einen sehr starken Motor, der mit Elektronik vollgestopft ist und ohne Diagnosegerät in der Fachwerkstatt würde kein Mechaniker das Ding jemals angreifen.
Im Innenraum finden wir ebenfalls alle elektronischen Spielchen, die ein modernes Auto hat, dazu feinste Materialien, die wohl niemand mehr schmutzig machen wird.
Der neue Defender ist auch vom Fahrwerk so aufgebaut, dass man damit nicht mehr viele tausend Kilometer harte Wellblechpisten fahren kann – ich könnte jetzt noch viel aufzählen, bis in Details wie die Scheinwerfer: Sie waren in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts bei fast allen echten Geländewägen immer gleich: rund und in einer Standardgröße. Somit konnten sie, falls sie kaputt gingen, schnell und nahezu überall getauscht werden, man brauchte quasi nur einen Scheinwerfer für alle Autos – etwas übertrieben gesprochen, aber das war die Grundidee.
Wir haben nun einen Widerspruch zwischen dem Image, das die Firma vermitteln will und dem tatsächlichen Produkt. In den sozialen Medien gab es dafür auch heftige Kritik und das Fazit lautet nahezu immer: Wer einen echten Defender braucht, muss sich einen alten kaufen.
Übrigens betrifft das inzwischen nicht nur Land Rover, auch der Konkurrent von Toyota ist inzwischen ein Fahrzeug, das für seinen ursprünglichen Einsatz nicht mehr geeignet ist. Toyota fährt nur eine andere Strategie und baut die alte, robuste Serie parallel weiter, wenngleich auch hier die Qualität punkto Haltbarkeit bereits massiv runtergefahren wurde (das alte Getriebe z.B. war für 500.000 Kilometer ausgelegt, das neue ist für 200.000).
Was heißt das nun für unser KBM?
Es geht darum, die Botschaften, die durch ein Produkt nach außen dringen, zu steuern und zu kontrollieren. Über diese Schnittstelle erreicht man die Kunden besser oder schlechter. Besonders wichtig ist es, die Veränderungen im Blickfeld zu haben. Land Rover etwa reagiert offensichtlich auf den Trend, dass die Funktion dem Design unterzuordnen ist. Sie werden aber auch reagieren müssen, wenn sich dieser Trend wieder umkehrt oder ein ganz neuer auftaucht. Dann ist die Marktforschung gefragt – siehe nächstes Kapitel.
Ein CRM bzw. KBM-System braucht somit eine gute Schnittstelle zur Marktforschung (wie pflege ich deren Erkenntnisse ein, wer hat wie darauf zu reagieren etc.) sowie zur Produktentwicklung.
Aufgabe Lektion 9
Suchen Sie sich bitte drei Gegenstände aus Ihrem Besitz:
1.) Einen, bei dem die Funktion dem Design untergeordnet ist und Sie gerne hätten, dass dies anders wäre. Und jetzt die Frage: Wieso haben Sie das gekauft?
2.) Einen, durch den Sie eine Botschaft an Ihre Umwelt versenden, die Ihnen wichtig ist. Die Frage: Wie lautet diese Botschaft? Wofür wurde dieser Gegenstand ursprünglich gebaut? Was ist sein “Wesenskern“?
3.) Eine schwierige Frage, Spekulation ist erlaubt: Was könnte in der Produktentwicklung einen Gegentrend auslösen, also hin zu höherer Qualität im Sinne der Haltbarkeit und mehr Funktionalität?
Lektion 10: Social Media: David und Goliath
Social Media durchzieht den gesamten Bereich des CRM, hier greife ich nur einige besondere Aspekte heraus.
Es liegt der Verdacht nahe, dass wir uns mitten in einer Entwicklung befinden – aber wann ist das eigentlich nicht so?
Es geht eher um die Art der Entwicklung bzw. ob es sich um etwas grundlegend Neues handelt oder um eine – im Entwicklungsprozess sicher später anzusiedelnde – Differenzierung von schon Vorhandenem.
Manchmal wirkt Social Media wie ein Spielzeug, mit dem die Kinder erst umzugehen lernen müssen. Seit Web 2.0, seit wir nicht nur ansehen, sondern auch zurückschreiben können und dürfen, hat sich einiges verändert. Die meist erlaubte, oft sogar erwünschte Anonymität gibt der Entwicklung eine neue Richtung, auf die seitens der Unternehmen natürlich reagiert wird – manchmal schneller, oft langsam bis zu langsam – siehe die Beispiele im Image-Kapitel.
Eine Besonderheit unserer Zeit ist die Rollenumkehr. Täter bezeichnen sich als Opfer (okay, das ist nicht besonders neu) und schaffen manchmal damit neue Realitäten (das ist schon neuer).
Seitdem Unternehmen global agieren und immer größer werden, wächst auch die Unbehaglichkeit gegenüber der schieren Größe, natürlich aber auch gegen das, was damit verbunden ist: die Möglichkeit auf die Gesetze ganzer Staaten einzuwirken (mittels viel Geld, einem Heer von Anwälten und einem zweiten Heer von Lobbyisten), die Möglichkeit der Flucht (Firmensitze in Steueroasen, vielfältigste Verflechtungsformen) und der Manipulation auf mehreren Ebenen (in der Produktentwicklung, Verpackung etc.).
Wir haben uns schon im 1. Kapitel mit dem Thema Widerstand beschäftigt und werfen nun noch einmal einen Blick auf Social Media.
Den größten Widerstand gegen Unternehmen gibt es mit sogenannten „Shitstorms“, wobei das Wort schon bezeichnend ist für die Art und Weise, hin und wieder auch für das dort zu findende Niveau, Fäkalsprache ist häufig und stellt die Frage nach der Infantilisierung, die wir hier aber jetzt nicht beantworten können.
Zur Diskussion stelle ich einen Artikel, genauer gesagt seine Inhalte.
Dieser Artikel von Tom König erschien vor einiger Zeit im Online-Spiegel[10] und ich gebe ihn hier wörtlich wieder.
Mit Social Media gegen miesen Service
So machen Sie Konzerne mürbe
Von Tom König
Unternehmen hoffen, dass ihnen Facebook und Twitter beim Marketing helfen. Doch Social Media erweist sich oft als fiese Falle. Denn die Internetdienste bieten Kunden die Möglichkeit, ihre Gegner nach Strich und Faden vorzuführen. Ein Leitfaden für Service-Guerilleros.
Jeder Markenartikler besitzt heutzutage eine eigene Facebook-Seite – von Twitter, Foursquare, Pinterest und dem anderen Kladderadatsch ganz zu schweigen. Viele Marketingexperten halten die neuen Kommunikationskanäle für eine feine Sache. Gewiefte Service-Guerilleros sehen das genauso, wenn auch aus anderen Gründen: Dadurch, dass sich viele Unternehmen vorbehaltlos auf Social Media eingelassen haben, sind sie nämlich in eine fiese Falle getappt. Jeder Kunde, dem etwas missfällt, kann dies nun öffentlich machen, und zwar an einem Ort, wo sich Tausende andere Menschen aufhalten, die mit der fraglichen Firma Geschäftsbeziehungen pflegen.
Es ist möglicherweise der Beginn eines güldenen neuen Zeitalters des Konsumerismus. Nun beginnt eine Ära, in der Unternehmen streitbare und wehrhafte Kunden nicht länger ignorieren können. Das erste Mal in der Geschichte finden Gespräche zwischen Konsumenten und Konzernen vor aller Augen statt. Die neue Transparenz ist neben einem guten Rechtsanwalt der größte Hebel, den wir Service-Guerilleros besitzen. Wir sollten ihn nutzen, so oft es geht.
Seid ihr bereit, Compadres? Vamanos!
Operationstaktik 1: Die öffentliche Beschwerde lancieren
Nehmen wir an, Sie ärgern sich über die unverschämt hohen Gebühren, die Ihre Bank für eine Transaktion berechnet hat. Sagen Sie es nicht dem Schalterfuzzi. Schreiben Sie keinen Brief an das Servicecenter. Machen Sie stattdessen ein Foto Ihres Kontoauszugs und posten Sie es bei Flickr oder Twitpic, mit der Überschrift: "Kundenabzocke bei der Sparkasse Dödelsberg".
Veröffentlichen Sie nun einen höflichen, aber gepfefferten Eintrag auf der Facebook-Fanpage der Sparkasse, nebst Link zu dem veröffentlichten Auszug:
"Liebe Sparkasse Dödelsberg! Wieso wird mir für das Wertpapier mit der WKN 272827 beim Verkauf ein Agio von 17 Euro berechnet? Das ist in meinen Augen Wucher. Beim Telefonat hat mich der Wertpapierberater darauf nicht hingewiesen. Ich bitte freundlichst um rasche Klärung. Vielen Dank, Ihr langjähriger Kunde Tom König."
Die Bank muss sich nun öffentlich rechtfertigen. Vermutlich postet sie nur vorgefertigte Blabla-Sätze.
Operationstaktik 2: Der Verfechter von Individualität und Meinungsfreiheit
Diese Reaktion hat der gewiefte Service-Guerillero nicht nur erwartet - er freut sich sogar darüber. Denn sie ermöglicht es ihm, den Druck zu erhöhen. Schießen Sie sofort mit einem neuen Post zurück:
"Ich dachte, das hier ist eine Social-Media-Seite für menschlichen Kundendialog! Ich habe ganz höflich eine individuelle Frage gestellt und möchte nicht mit vorgefertigten Satzbausteinen aus der Rechtsabteilung abgespeist werden, sondern eine individuelle Antwort erhalten. Alles andere wäre eine Frechheit. Ich bitte deshalb nochmals um Erklärung, warum ich für diese Standardtransaktion 17 Euro zahlen soll."
Wenn Sie richtig viel Glück haben, löscht die Bank Ihren Eintrag - ein Gottesgeschenk! Denn als findiger Guerilla-Kunde hatten Sie von Ihrem Facebook-Posting natürlich einen Screenshot gemacht. Und deshalb können Sie jetzt beweisen, dass die Sparkasse Dödelsberg ein Gegner der verfassungsmäßig verbrieften Meinungsfreiheit ist. Erstellen Sie einen neuen Eintrag, in dem Sie diesen Faschos gehörig die Meinung geigen:
"Ich dachte, das hier ist eine Social-Media-Seite für fairen und transparenten Kundendialog. Aber Ihr habt meine berechtigte Frage, warum mir für das Wertpapier mit der WKN 272827 beim Verkauf ein Agio von 17 Euro berechnet wurde, einfach gelöscht! Warum zensiert Ihr Kunden-Postings? Habt Ihr schon einmal etwas von Meinungsfreiheit gehört? Kennt Ihr das Grundgesetz?"
Den Screenshot mit der Überschrift "Zensur bei der Dödelsberger Sparkasse" sollten Sie umgehend bei weiteren Social-Media-Diensten posten. Nichts hassen Internet-User so sehr wie Zensur. Wütende Kommentare und eine weitere Verbreitung Ihres Anliegens werden immer wahrscheinlicher.
Operationstaktik 3: Stetes Posten höhlt das Hirn
Falls Ihre Gegner Profis sind, werden sie (leider!) nichts löschen. In diesem Fall geht der Dialog auf Facebook vermutlich eine Zeitlang hin und her. Wie lange? Solange, wie es notwendig ist. Der erfahrene Guerilla-Kunde zeichnet sich durch Geduld aus. Er weiß, dass sein Feldzug ein war of attrition ist, ein Abnutzungskrieg.
Jedes weitere Posting zählt dabei als gewonnenes Scharmützel, erhöht es doch die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Fall im Web zum Thema wird. Oder genauer gesagt: Jedes weitere Posting muss die Presseleute der Sparkasse annehmen lassen, dieses erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Fall im Web zum Thema wird. Und deren Angst ist unsere Munition.
Sobald Ihr öffentlicher Schlagabtausch mit der Sparkasse nach zwei oder drei Wochen epische Länge erreicht hat, machen Sie von dem kompletten Diskussionsthread einen Screenshot und publizieren diesen erneut bei Twitter & Co., mit der Überschrift "Realsatire: So sieht Kundendialog bei der Sparkasse Dödelsberg aus".
Erscheint Ihnen etwas ermüdend? Klar, aber was glauben Sie, wie sehr dieses Hickhack Ihren Gegner stresst! Er hat schließlich alles zu verlieren, Sie hingegen können nur gewinnen. Vergessen Sie nie: Den Feind durch fortgesetztes Social-Media-Kartätschenfeuer mürbe zu machen, ist unser taktisches Oberziel. Denn wer mürbe ist, der macht Fehler. Und deren Fehler sind unsere Munition.
Denken Sie stets daran, dass Sie jeden Ausrutscher der Gegenseite publizistisch ausschlachten können und sollen. Gängige Fehler der feindlichen Truppe sind neben dem Löschen oder Nichtbeantworten von Beiträgen ("Ich habe das hier bereits vor zwei Stunden gepostet und hätte langsam gerne mal eine Antwort. Das muss ein Großkonzern wie Ihrer ja wohl leisten können.") Zickigkeit oder rüder Tonfall.
Als etwa der Schokoriegelhersteller Nestlé auf seiner Facebook-Seite von Nutzern angefeindet wurde, wäre die Sache beinahe im Sande verlaufen - bis dem verantwortlichen Social-Media-Redakteur der Kragen platzte und er einen Eintrag so kommentierte: "Die Regeln hier machen immer noch wir."
Nein, macht ihr nicht. Das Netz macht jetzt die Regeln. Und als ihr euch Social Media auf die Fahnen schriebt, habt ihr zugestimmt, dass jede Anfeindung freundlich hinzunehmen, jede Beschwerde umgehend zu beantworten ist. Das war euch damals nicht klar? Das ist uns Service-Guerilleros egal. Und nun lassen wir euch richtig bluten. Das mag manchem unfair erscheinen, aber wie lange habt ihr uns vorher in der 0900-Schleife schmoren lassen?
Das gibt es jetzt alles zurück, mit Zins und Zinseszins. Venceremos!
Operationstaktik 4: Die Paranoia des Gegners ausnutzen
Über Nestlé brach seinerzeit ein gigantischer Shitstorm herein. Selbst wenn Sie es nicht schaffen, ein veritables "Stuhlgewitter" (Sascha Lobo) auszulösen, so ist Ihrem Widersacher dennoch bewusst, dass die Möglichkeit dazu stets besteht. Jeder Kunde ist nun ein potentielles PR-Desaster. Denn wer weiß schon, was im brodelnden Web als nächstes nach oben gespült wird?
Compadres, unser Gegner kann einem fast leidtun. Das Damoklesschwert, das heutzutage über jedem Pressesprecher oder Social-Media-Redakteur schwebt, ist keine Klinge mehr - sondern ein Eimer, randvoll gefüllt mit merda. Könnten Sie vernünftig arbeiten, wenn andauernd ein solcher Kübel über Ihrem Kopf baumelte? Natürlich nicht, Nervosität ist die Folge. Und wer nervös ist, der macht Fehler. Und deren Fehler - siehe oben - sind unsere Munition.
Operationstaktik 5: Teile und herrsche
Ein weiterer Umstand, der dem Service-Guerillero in die Hände spielt: Er operiert alleine, der Gegner hingegen in großen Teams. Dieser scheinbare Nachteil gereicht Ihnen bei der Strategie des fortgesetzten Kommunikationsterrors zum Vorteil. Sie müssen sich klarmachen, dass Ihr Gegner Dutzende von Leuten beschäftigt, um seine Social-Media-Kanäle rund um die Uhr zu bespielen. Genau wie bei Hotline oder Servicecenter weiß deshalb auch hier die eine Hand oft nicht, was die andere tut - mit dem Resultat, dass Ihnen gegenüber möglicherweise widersprüchliche Aussagen gemacht werden.
Diese Widersprüche sind öffentlich sichtbar und auf immerdar im Netz zu finden. Sie können sie Ihrem Gegner sozialmedial um die Ohren hauen, mit Schmackes und Screenshots. Ein Beispiel: Als mir ein Schaffner im Restaurant eines ICE verbot, meinen Laptop zu benutzen, fragte ich beim offiziellen Twitter-Account der Deutschen Bahn nach, ob dies der offiziellen Unternehmenslinie entspreche. Die Antwort lautete: Ja, Laptops seien untersagt. "Viele Kunden fühlen sich durch das Tippgeräusch belästigt."
Als ich das veröffentlichte, konnten viele andere Bahnfahrer es kaum glauben und fragten nun ebenfalls per Twitter nach. Der diensthabende Redakteur wusste offenbar nichts von den Antworten, die sein Kollege zuvor in den Äther getwittert hatte und schrieb: "Fakt ist, es gibt kein generelles Laptop-Verbot im Bordbistro." Außerdem teilte er weiter mit: "Tippgeräusche stören die wenigsten."
Diese sich widersprechenden Tweets stehen nun nebeneinander im Internet. Einer meiner Bekannten, ein echter Service-Guerillero, hat sich den Tweet "Es gibt kein Laptop-Verbot im Bordbistro" in Farbe ausgedruckt und in eine Folie eingeschweißt. Immer, wenn er im ICE nun wegen seines Klappspatens angeraunzt wird, zückt er den Tweet und hält ihn dem Schaffner wie einen Fahrschein unter die Nase.
Nun stehen wir vor der schweren Aufgabe, diese „Strömung“ richtig einzuschätzen. Zum Teil hängt davon nämlich die Entwicklung des Kundenbeziehungsmanagements der nächsten Jahre ab.
Nur – wie wichtig ist dieser Teil? Aus dieser Frage ergibt sich Ihre Aufgabe für dieses Kapitel:
Aufgabe Lektion 10
Bitte schätzen Sie die Wichtigkeit von Social Media für die Entwicklung des Kundenbeziehungsmanagements der nächsten Jahre ein.
Wer ist hier der David und wer der Goliath? Oder brauchen wir dazu eine andere Analogie?
Sie können das gerne an ein eigenes Erlebnis knüpfen.
=
Lektion 11: Marktforschung =
Das letzte Kapitel führt uns in die Marktforschung. Sie ist zwar nicht direkter Teil des KBM, aber indirekter, denn auf ihr können ganze Strategien aufgesetzt werden. Vorausgesetzt, sie ist gut gemacht.
In diesem Kapitel sehen wir uns die Grundlagen der Methodik an. Das Ziel besteht nicht darin, dass Sie schon morgen eine gute Marktforschung durchführen können, sondern dass Sie eine gute von einer schlechten unterscheiden können, falls Sie in die Situation kommen, an einer Entscheidung darüber beteiligt zu sein.
Beginnen wir mit einem Beispiel, einem Telefonanruf:
"Guten Morgen, Firma XY. Wer mocht denn bei eich den Einkauf von Büromaterial?"
„Ich. Ich bin ein Einzelunternehmen."
„Gut, dann bedanke ich mich für das Gespräch." Tut - Tut...
War das nun ein Versuch der Geschäftsanbahnung? Oder – wie ein Freund von mir vermutete – versteckte Marktforschung?
Bleiben wir bei dem Thema und sehen wir uns die Grundstruktur der Marktanalyse etwas näher an:
Wofür Marktforschung?
Sie ist ein eher ungeliebtes Thema, weil...
...sie kostet Geld;
...es ist vorher nie klar, ob man die Ergebnisse nachher brauchen kann;
...sie kostet Zeit;
...sie könnte etwas aufdecken, was man besser nicht wissen möchte.
Daher wird Marktforschung ganz gerne ausgelassen und man sagt sich „Das schaffen wir auch ohne. Schließlich sind wir selbst im Markt und kennen ihn gut.“
Manchmal stimmt das auch, vielfach aber lügen sich diese Unternehmen in die eigene Tasche, die dann – welch Wunder – irgendwann auch leer ist.
Noch schlimmer ist es jedoch, wenn Marktforschung als Alibi verwendet wird. Das kann man als Marktforscher daran erkennen, dass den Auftraggebern nichts am Ergebnis liegt und der Endbericht oder die Präsentation sofort in der Schublade verschwinden. Manchmal – sehr selten – tauchen sie dann wieder auf, wenn sich die Geschäftsführung ändert.
Das Problem liegt vor allem daran, dass Firmen ein Selbstbild haben, dass sie sich nicht gerne stören lassen – weder von irgendwelchen Marktforschern noch von den Kunden.
Und genau da treffen wir auf den Kern der Sache, so wie schon ganz am Anfang dieses Skriptums, als es um CRM-Systeme ging, an die das Kundenbeziehungsmanagement ausgelagert wird. Da wie dort kapselt man es in eine Abteilung ein und verpasst ihm einen Leiter/eine Leiterin, die/der bei Missfallen ausgetauscht werden kann. (Eine ähnliche Baustelle wäre übrigens CSR, da passiert das auch).
Eine sehr beliebte Methode ist auch die Budgetknappheit. Wenn man der entsprechenden Abteilung, von der man will, dass sie stillhält, nur ein winziges Budget gibt, so kann sie keine störenden Aktionen setzen.
Eine weitere, äußerst beliebte Variante besteht darin, ungeeignete Methoden zu verwenden. Wer die Motive der KundInnen erforscht und dafür Kreuzerl-Fragebogen verwendet, will nichts herausfinden, sondern eine Alibi-Aktion setzen. Gerne werden diese Unternehmen auch von den dazu passenden Marktforschungsinstituten unterstützt, denn eine quantitative Forschung zu machen ist wesentlich billiger und vor allem viel einfacher. Das Ergebnis sind ein paar Slides mit Tortengraphiken, Balkendiagrammen und vielen Zahlen, deren Interpretation recht beliebig ist. Der neueste Trend ist die Online-Marktforschung. Sie arbeitet fast ausschließlich quantitativ und kann daher nur bereits bekannte Motive auf ihre zahlenmäßige Verteilung untersuchen.
Ist es die Angst vor den KundInnen, die all das auslöst? Sie können das Selbstbild natürlich am nachhaltigsten stören, etwa durch Kaufverweigerung. Das ist ihre größte Macht. Daher muss ihnen auch unsere ungeteilte Aufmerksamkeit gelten. Oder soll ich besser sagen: „müsste“?
Selbstverständlich gibt es genügend Unternehmen, die an ernsthafter Marktforschung interessiert sind und die Ergebnisse gerne und gut weiterverwerten. Sie haben verstanden, dass sie Dienstleister sind, auch wenn sie größere und teurere Autos fahren als ihre Kunden.
In der Realität bleibt es leider oft nur ein Traum, den KonsumentInnen träumen. Hier wäre ein solcher Traum als Beispiel:
Mir träumte, dass der Chef der Telekom-Firma eine Pressekonferenz gibt, bei der er folgendes berichtet:
"Im Zuge der Umstrukturierung standen wir vor der Frage, ob wir auch unser Marketing ändern müssen. Es stand etwa zur Debatte, den Namen "A1" in etwas Neues umzuändern, oder auch nur das Logo leicht zu verändern und aus dem alten A1 quasi ein neues A1 zu machen. Aber dann fiel uns auf, dass das erstens jede Menge Geld kosten würde und zweitens den Kunden herzlich egal wäre. Die würden den Unterschied vom alten zum neuen A1 nicht einmal bemerken, sie wollen Leistung und Service. Das wissen wir, weil wir das erste Mal etwas gemacht haben, was sonst total unüblich ist: Wir haben unsere Kunden gefragt! Sie haben gesagt: "Das ist uns wurscht".
Bisher haben wir uns das entweder gar nicht getraut oder Alibi-Umfragen gemacht. Diesmal haben wir ihnen wirklich zugehört und ihre Meinung ernst genommen. Das war intern gar nicht so einfach durchzusetzen, aber auch bei uns gibt es eine Gruppe junger MitarbeiterInnen, die sehr engagiert und mutig sind und bereit, neue Wege zu gehen.
Also haben wir beschlossen, gar nichts zu ändern und das Geld zu sparen. Das hat uns auch jede Menge Umstellung erspart: den Austausch aller Logos in ganz Österreich, den Austausch aller Drucksorten, die Umprogrammierung der Websites etc. Das wäre in die Millionen gegangen und niemand hätte was davon gehabt, außer der Werbeagentur.
Zudem wurde uns das erste Mal so richtig bewusst, dass wir auch eine gewisse Verantwortung der Umwelt gegenüber haben. Tonnen Papier, Farbe, Energie - all das haben wir gespart. Das ist auch Ausdruck unseres neuen Selbstverständnisses, das wir hier das erste Mal in die Tat umsetzen: nicht nur uns selbst beweihräuchern, sondern an das Außen denken, an die Umwelt, an die Kunden, an die Welt.
Ich freue mich, dass wir nicht den falschen Weg gegangen sind und bin stolz auf uns."
Schade, dass das nur ein Traum war. Selbstverständlich steckt hier mein sehr subjektiver Wunsch nach einer ganz bestimmten Marketingphilosophie (nachhaltig, umweltbewusst etc.) dahinter, aber auch die Idee, dass ein großes Unternehmen tatsächlich auf Kundenbedürfnisse eingeht.
Vielleicht tut die Telekom das ohnehin und ich tue ihr Unrecht? Was in jedem Fall Thema bleibt, ist die Frage nach der richtigen (im Sinne von zeitgemäßen, brauchbaren) Marktforschung.
Ein wenig Theorie schadet an dieser Stelle nicht:
Marktanalyse
Die Marktanalyse ist Teilgebiet des Marketings und wird meist als Synonym für Marktforschung (im weitesten Sinne) und Marktinformationsbeschaffung verwendet. Die Marktanalyse ist der grundlegende Baustein, um anschließend strategische und operative Ziele für Marketingaktionen zu definieren.
Die Marktanalyse ist im Gegensatz zur Marktbeobachtung nur eine punktuelle Darstellung der Marktsituation, weshalb man auch von einer Zeitpunktbetrachtung spricht. Hierbei werden nur die Daten erhoben, die gerade aktuell sind und so für Entscheidungen herangezogen werden können. Die Marktbeobachtung geht hier um einiges weiter und liefert umfassendere Informationen. Allerdings ist sie auch langwieriger bei der Erstellung, da sie einen Zeitraum betrachtet.
Zur Marktanalyse können entweder interne Daten (z.B. Verkaufszahlen, Produktionskosten) oder externe Daten (z. B. makroökonomische Trends) verwendet werden.
Zur Marktanalyse gehören insbesondere:
- Marktvolumen und Marktentwicklung (Wachsen, Stagnieren, Schrumpfen)
- Marktstrukturierung nach Teilmärkten
- Nach Regionen / Ländern (Produktgruppen, Kundentypen wie ABC-Kunden, Vertriebskanälen)
- Konkurrenzanalyse bzw. Wettbewerbsanalyse (auch Benchmark genannt)
- Potenzielle Substitutionsprodukte
- Produktlebenszyklusanalyse
Eine bekannte Methode zur Marktanalyse ist die so genannte „Portfolioanalyse“. Dabei werden beispielsweise der Marktanteil und das Wachstumspotenzial von verschiedenen Produkten oder Produktgruppen in einem Koordinatensystem jeweils auf die x- und y-Achse aufgetragen und so verglichen.
Die Marktanalyse wird zusammen mit der Marktbeobachtung dazu verwendet, um eine Marktprognose (Vorhersage) zu erstellen.
Marktbeobachtung
Die Marktbeobachtung ist ebenso wie die Marktanalyse ein Mittel der Marktforschung. Die Marktbeobachtung arbeitet langfristiger als die Marktanalyse. Ziel ist es, aktuelle und umfangreiche Informationen über den betreffenden Markt zu erhalten.
Bei der Marktbeobachtung geht es z. B. darum, die Marktform auf Anbieter- sowie auf Käuferseite zu erforschen.
Die Marktbeobachtung wird zusammen mit der Marktanalyse zur Erstellung einer Marktprognose (Vorhersage) verwendet.
Marktforschung
Unter Marktforschung wird je nach Blickwinkel verstanden:
die systematische Beschaffung, Verarbeitung und Analyse von marktrelevanten Informationen und Tatbeständen der Gegenwart im Hinblick auf die Beantwortung von Marketingfragen oder
der komplette Prozess der Lösung marktbezogener betriebswirtschaftlicher Probleme (wobei mit „Markt“ meist ein „Absatzmarkt“ gemeint ist, während das „Handelsmarketing“ treffender vier Märkte als Analyseobjekte zugrunde legt) durch Analyse von Informationen über den entsprechenden Markt oder
ein kontinuierlicher, systematischer, auf wissenschaftlichen Methoden basierender und objektiver Prozess, der das Marktgeschehen sowie das Unternehmensumfeld beobachtet, um Informationen zu gewinnen und zu analysieren. Dies erfolgt zum Zwecke der Findung oder Absicherung von Marketing-Entscheidungen.
Die Marktforschung ist eines der wichtigsten Werkzeuge des Marketing, sie liefert aber auch Entscheidungshilfen für andere Unternehmensbereiche wie zum Beispiel das Controlling, Vertrieb und Business Intelligence.
Die beiden methodischen Ansätze: qualitativ und quantitativ
Die qualitative Forschung bedient sich qualitativer Daten. Qualitative Daten stellen eine wissenschaftliche Beschreibung (verbalisierte, verschriftete Daten und Texte) eines sozialen Gegenstandes dar und sollten in sich sinnhaft sein. Mittels qualitativer Methoden (meist: Interviews oder auch qualitative Fragebögen) werden diese Daten erhoben und analysiert. Hierbei wird von einer meist kleinen Stichprobe ausgegangen, die aus einem theoretischen Sample (im Gegensatz zum repräsentativen Sample) gezogen wird. Es soll jedoch stärker in die Tiefe gegangen werden, indem bspw. interviewte Personen ausführlicher zu Wort kommen. Forschungsziele qualitativer Sozialforschung sind:
- Beschreibung empirischer Sachverhalte und sozialer Prozesse
- Aufstellung von Typologien/Klassifikation
- Gewinnung von Hypothesen am empirischen Material
- Prüfung von Forschungshypothesen.
Hier kristallisieren sich 7 zentrale Prinzipien heraus:
- Offenheit der Forscher gegenüber Untersuchungspersonen, Untersuchungssituation und Untersuchungsmethoden; Offenheit der Methoden, um komplexe Gegenstände und das soziale Phänomen in seiner Ganzheit und in seinem natürlichen Kontext zu erfassen.
- Kommunikation: Forschung als Kommunikation, da empirische Forschung in Zusammenhang zu Interaktion zwischen Forscher und Untersuchungsgegenstand steht.
- Prozesscharakter: Qualitative Forschung kann in ihrem Ablauf verändert werden.
- Reflexivität von Forschung und Gegenstand: Möglichkeit des Reagierens auf unerwartete Situationen während des Forschungsablaufs.
- Explikation: einzelne Forschungsschritte müssen expliziert werden, um Nachvollziehbarkeit zu gewähren.
- Flexibilität: im gesamten Forschungsablauf kann flexibel auf Situation und Relation zwischen Forscher und Untersuchungsgegenstand reagiert werden und an veränderte Bedingungen angepasst werden.
- Verbale, möglichst detaillierte, ganzheitliche sowie umfassende Beschreibung des Untersuchungsgegenstands (Vgl. Lamnek, 2005, S. 26).
Vorteile qualitativer Methoden:
- offene Textfragen
- flexible Anwendung der Methode
- Die Offenheit ermöglicht es, neue Sachverhalte zu entdecken
- wahre und vollständige Informationen über die subjektive Sicht der Gesprächspartner
- komplexe Sachverhalte und Zusammenhänge können gut erfasst werden
- inhaltliche Validität durch nicht prädeterminierte Vorgehensweisen
Nachteile:
- Subjektivität der Daten
- Subjektive Analyseergebnisse und Interpretationen
- Auswertung sehr zeitaufwendig
- Kostenintensiver als Quantitative Methoden
- Bei unspezifischen Fragen und zuwenig Vorarbeit kommt oft nur das heraus, was zu erwarten war
Quantitative Forschungsmethoden
Hinsichtlich der Definition von quantitativer Forschung besteht in der Literatur Einigkeit. „Quantitative Methoden beruhen auf einer Interpretation sozialer Sachverhalte, die in der Beschreibung der Sachverhalte durch Zahlen resultiert“ (Gläser / Laudel, 2009, S. 27). Die Wirklichkeit wird dabei auf Zahlen reduziert, die auf einer breiten Basis gesammelt werden. Die „Quantitative Forschung“ liefert demnach Erkenntnisse auf breiter Basis, wohingegen die „Qualitative Forschung“ tiefe Einsichten liefert (Vgl. Gläser / Laudel, 2009, S. 27).
Vorteile:
- exakt quantifizierbare Ergebnisse
- statistische Auswertung leicht möglich
- anwendbar bei großen Stichproben
- hohe Validität durch große Stichprobe
- geringere Kosten als bei qualitativen Methoden
- bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse
Nachteile:
- keine Flexibilität während der Untersuchung
- stellt sich zu wenig auf die Befragten ein – alle beantworten die gleichen Fragen
- bei standardisierten Befragungen erhält man keine Verbesserungsvorschläge (Integration offener Fragen manchmal notwendig)
Die mehrdimensionale Ursachenforschung
Greifen wir eine Methode heraus, die uns die Notwendigkeit guter Kundenbeziehung deutlich zeigt. Sie wurde in den 1980er Jahren entwickelt und ist bis heute in drei Bereichen in Verwendung:
1.) Produktanalyse
Manchmal kosten Flops viel Geld: Man entwickelt ein Produkt und es verkauft sich nicht. Warum? Weil die Menschen es nicht wollen, weil es an ihren Bedürfnissen vorbeigeht und auch eine gute Werbeagentur nicht helfen kann.
Vielleicht sollte man die Kunden ja vorher fragen, was sie denn so wollen? Oft wissen die das aber selbst nicht.
Daher gibt es die Qualitative Motivforschung. Mittels Tiefeninterviews (ein Gespräch, bei dem ich von meinem Gegenüber etwas erfahre, was ihm/ihr selbst noch nicht bewusst ist) und interdisziplinärer/transdisziplinärer Auswertung gelingt es, die Motivstrukturen der Kunden so zu erfassen, dass Flops in Zukunft vermieden werden können.
2.) Blitzlicht
Irgendwas ist faul im Staate Dänemark. Was denkt die Basis? Was wollen meine MitarbeiterInnen wirklich? Folgen sie mir bei meinen Visionen, meinen Entscheidungen, meiner Linie?
Auch hier bietet sich an, die Motivstrukturen der MitarbeiterInnen zu erforschen. Das Ergebnis ist ein Diagnosegutachten, das als exzellente Basis für weitere Schritte dient. Danach ist klar, welche Trainings die Leute tatsächlich brauchen, über was man am nächsten Workshop reden sollte, damit sich etwas zum Positiven verändert, und welches Bild vom Chef die MitarbeiterInnen wirklich haben.
Das „Blitzlicht” ist eine Momentaufnahme, die ideale Grundlage für z. B. eine Leitbildentwicklung – schnell, kostengünstig und je nach Anforderung mittels qualitativer Fragebögen oder Tiefeninterviews durchführbar.
3.) Imageanalyse
Wie und was denken relevante Gruppen über mich und mein Unternehmen?
Hier geht es um die Analyse sozialer Gruppen, bis hin zu einer Gesamtgesellschaft. Qualitative Motivforschung bringt erstaunliche Ergebnisse, die oft zum Augenöffner werden. Wer sein Image verbessern will, sollte zuerst wissen, wie es genau aussieht.
Allgemeine Erläuterungen
Für viele von uns ist es heute nicht mehr möglich, ein Produkt zu erzeugen, das sich "von selbst" verkauft. Immer mehr müssen die Wünsche, Bedürfnisse und Einstellungen des Käufers schon bei der Produktgestaltung berücksichtigt werden, jedenfalls aber beim Marketing und beim Verkauf - sei es eine Versicherung, ein Auto oder ein Buch. Schon lange beschäftigt daher die Verantwortlichen die Frage: Welches sind die Ursachen oder die Gründe für das Handeln des Menschen, denn auch der Kauf ist ein Handeln.
Mit den rationalen Motiven (Brauchbarkeit, Zweckmäßigkeit, Preiswürdigkeit etc.) haben sich Verkäufer vermutlich immer schon beschäftigt. Ernest Dichter gelang das erste Mal der Zugang zu den unbewussten Anteilen der "Motive" eines Kaufes. Seitdem wurde die Motivforschung qualitativ und quantitativ stark ausgebaut und viele (wenn auch lange noch nicht alle) Produkte sind auf die Motive, die zu ihrem Kauf führen, untersucht worden. Auch die Motivforschung scheint aber nur einen gewissen Teil der Bedeutung eines Produktes offenzulegen. Die sehr wichtigen und von der Psychoanalyse aufzuklärenden Motive werden oft durch andere Dimensionen der Bedeutung eines Produktes verstärkt, abgeschwächt oder überdeckt.
Will man genauere Informationen über die Bedeutung eines Produktes oder einer Dienstleistung, dann sind wie bei einem Mosaik eine Reihe von Faktoren gleichsam zusammenzusetzen: welcher dieser Faktoren in der jeweiligen Situation überwiegt, davon hängt der Verkaufserfolg des Produktes ab.
In Folge werden einige dieser Faktoren, die in der mehrdimensionalen Ursachenforschung eine Rolle spielen, erklärt und zugleich werden einige Möglichkeiten der praktischen Anwendung dargestellt:
Die Forschungsfaktoren
Die Faktoren zeigen die Reichhaltigkeit der Ansätze, die notwendig sind, um die Phänomene zu erklären, die im Material zu finden sind.
1. Psychoanalytischer Aspekt
Man konnte z.B. für ein Sparkasseninstitut herausfinden, warum die Kunden zwar Geld sparten, aber dort keinen Kredit wollten. Die Ursache waren Schuldgefühle, die mit dem Kreditnehmen verbunden waren. Diese Schuldgefühle wurden durch die Abwicklung der Kreditnahme sehr gefördert. Die Empfehlung war, als neues Produkt dem Kunden aufgrund eines angesparten Betrages das "Recht" auf einen Kredit einzuräumen (Sparkredit) und die Kreditnahmeabwicklung zu entmoralisieren. Dies führte zu einer Zunahme des Kreditgeschäftes.
2. Kulturelle Vorurteile
Es konnte aufgeklärt werden, warum der Griller schwer an Hausfrauen, die als Zielgruppe angesehen waren, verkäuflich war: Grillen ist oft eine Sache der Männer, die Frauen fühlen sich durch diese, ihrer Meinung nach primitive Form der Fleischzubereitung, eher in Konkurrenz.
3. Religiöse Traditionen
Es war möglich herausfinden, dass viele Versicherungsnehmer sich deshalb versichern lassen, weil sie Angst vor einem Unglück haben, mit Hilfe einer Versicherung diese Angst aber leichter verdrängen können. Damit treten die Versicherungsgesellschaften aber die Nachfolge der alten Opferpriester an, die empfahlen, einen Teil des Gutes zu opfern, um den Rest zu sichern. Damit konnte außerdem eine Reihe innerbetrieblicher Konflikte verständlich gemacht werden.
4. Historische Entwicklungen
Mit Hilfe der MDU konnte man aufklären, warum so wenig Frauen als Beamte im Innenministerium der BRD arbeiten. Beamte werden nicht nur für Leistung, sondern (laut Gesetz) auch für Verfügbarkeit entlohnt. Dies wird von Frauen weniger, von Müttern fast gar nicht akzeptiert.
5. Zeitströmungen im Weltbild, das sich wandelt
Es war möglich darzustellen, dass die Strömung gegen die Technik, die sich abzeichnet, jenen Automobilfirmen Käufer entfremdet, die nach wie vor mit der technischen Überlegenheit ihres Produktes werben. Hat man eine Zeitlang von der Technik die Lösung vieler Probleme erwartet (auch solcher, die nicht durch sie lösbar waren), so gibt man heute der Technik auch schuld an der Ungelöstheit vieler Probleme (auch solcher, an denen gar nicht die Technik schuld ist).
6. Stammesgeschichtliches Erbe
z. B. spielt Territorialverhalten oder Gesetzmäßigkeiten der Vitalfunktionen bei Nahrungsmitteln oder bei der Körperpflege eine große Rolle.
7. Soziologische Komponenten
z.B. ergab sich im Rahmen einer Bildungsforschung, dass die Interessen der Vorgesetzten oder Ausbildungsverantwortlichen, die ihre Mitarbeiter auf Kurse schicken, mit denjenigen, die solche Kurse besuchen, nicht immer übereinstimmen. Die genaue Kenntnis dieser Differenz kann erhebliche Vorteile für die Marketingstrategie einer Institution, die Kurse anbietet, bringen.
8. Weitere Aspekte
Daneben spielen, je nach Projekt, auch noch wirtschaftliche, biologische, medizinische etc. Aspekte eine Rolle.
Das Problem dabei ist, dass die Erforschung dieser Faktoren jeweils einer anderen Wissenschaft obliegt und dennoch alle Faktoren ineinandergreifen, da der Mensch ja als Einheit handelt. Man darf daher nicht einer Wissenschaft allein (etwa der Psychologie oder der Soziologie) die Erforschung der Produktbedeutung überlassen.
Zu diesem Zweck wurde eine Methode entwickelt, die diesem mehrdimensionalen Problem gerecht werden soll; die Koordination verschiedener Aspekte eines Produktes durch erstklassige Wissenschaftler und Fachleute auf dem jeweiligen Gebiet mit Hilfe gruppendynamischer Teamarbeit. Je nach Problem wird dieses Team unterschiedlich zusammengesetzt.
Der Erfolg eines Produktes hängt mit seiner Akzeptanz zusammen und daher auch damit, welche positiven oder negativen Emotionen es beim Menschen hervorruft. Durch die Erforschung der Produktbedeutung für das Handeln der Menschen wird die Anzahl der bekannten Faktoren erhöht. Da die Interviewer und die Interpreten nicht so am Produkt hängen wie die Auftraggeber, werden positive und negative Faktoren in gleicher Weise untersucht. Die Erhöhung der bekannten Dimensionen ergibt nun eine Art Röntgenbild des Produktes. Man sieht, welche Faktoren für welche Käufer, Konsumenten, Benützer wie und warum wichtig sind. Man sieht auch, welche Widerstände es gegen das Produkt oder die Art des Vertriebes oder die Verpackung oder die Werbung existieren. Die Auftraggeber können sich dann an die Arbeit machen, die einzelnen, jetzt bekannten Faktoren zu diskutieren und zu bearbeiten.
Dabei hat sich herausgestellt, dass die Arbeit an den negativen Faktoren, die Beseitigung oder Reduktion der Widerstände wesentlich rascher einen Erfolg bringt als die Installation neuer positiver Faktoren. Gerade im Bereich der negativen Faktoren liegt aber oft der blinde Fleck des Managements.
Ohne ein solches Röntgenbild ist das Management auf Vermutungen angewiesen. Man kennt nur einen Teil der Faktoren, wobei bestimmte Faktoren von einzelnen Mitarbeitern für wichtiger angesehen werden als andere. Andere Mitarbeiter haben wieder andere Präferenzen. (Im konkreten Fall der Wiener Industrie haben die verschiedenen Interessenvertretungen verschiedene Ansichten und auch innerhalb der jeweiligen einzelnen Interessenvertretung sind die Ansichten über die verschiedensten Bereiche der Wiener Industrie nicht einheitlich bzw. gar nicht hinreichend bekannt.) Dies erklärt sich vor allem daraus, dass die Widersprüche des “Marktes” bei guten Unternehmen ihre Repräsentanten innerhalb des Unternehmens haben. Viele Konflikte im Unternehmen werden sozusagen im Interesse der Kunden ausgetragen.
Auf welchen der Faktoren schließlich ein Marketingkonzept aufgebaut wird, hängt traditionellerweise, d. h. ohne genaue Kenntnis der einzelnen Faktoren der Produktbedeutung, auch oft vom Resultat eines Machtkampfes in der Firma ab und nicht nur von den Bedürfnissen des Marktes. Hier reagiert jede Organisation wie ein Mensch, der etwas wissen möchte (oder wissen muss), es aber nicht weiß: er verwendet als letzte Informationsquelle, die ihn nie im Stich lässt, seine Phantasie. Dass dabei die Interessen z. B. von Abteilungen sowie die Machtverhältnisse eine Rolle spielen, liegt auf der Hand. Gerade die ungenügende Kenntnis der Faktoren leistet solchen Machtkämpfen Vorschub. Nicht selten werden durch die Aufklärung der Produktbedeutung auch die eigentlichen Hintergründe von hausinternen Konflikten sichtbar.
Mit Hilfe eines solchen "Röntgenbildes eines Produktes" ist es auch leichter, ein Briefing für eine Werbekampagne zu veranstalten oder Vorschläge für eine solche Kampagne auf ihre mögliche Wirkung im vornhinein zu beurteilen. Man tappt jedenfalls weniger im Dunkel als ohne Informationen durch eine entsprechend passende Forschungsmethode.
Bei einem Großteil der bisherigen Forschungen hat die philosophische Theorie des Produktes auch dazu geführt, dass die traditionelle Logik relativiert werden musste. Speziell der Umgang mit Widersprüchen, wie er in der Wissenschaft aber auch in Hierarchien üblich ist, reicht nicht aus, um Produktwidersprüche und die daraus resultierenden Konflikte zu verstehen und zu beeinflussen.
So besagt etwa einer der Grundsätze unseres Denkens (das 2. logische Axiom), dass von zwei einander widersprechenden Aussagen mindestens eine falsch sein muss. Aristoteles hat diese Regel aufgestellt und für das europäische Denken damit festgelegt, dass nicht etwas wahr sein kann und das Gegenteil davon auch wahr sein kann. Auf diesem Grundprinzip beruht heute die Naturwissenschaft und - leider - auch die meisten anderen Wissenschaften.
So erfolgreich dieses Prinzip vom zu vermeidenden Widerspruch aber in den Naturwissenschaften und natürlich auch in der Technik ist, so sehr verhindert es tiefere Erkenntnisse im Bereich zwischenmenschlicher Kommunikation. Emotionen z. B. folgen überhaupt nicht den Prinzipien der Logik. Produkte (Geld, Auto, Reisen, Eis, Telefon usw.), die eine emotionale Bedeutung haben (und die haben fast alle), sind daher nur zu einem geringen Teil verständlich, wenn man die Regeln unserer Logik anwendet.
In der mehrdimensionalen Ursachenforschung mussten daher bei unseren bisherigen Produktforschungen diese Axiome der Aristotelischen Logik verbessert und neue Prinzipien gefunden werden. Dabei wurden neben Eigenentwicklungen auch Anleihen bei anderen Kulturen gemacht. So hat etwa der zur selben Zeit wie Aristoteles in China lebende Laotse das 2. Axiom der Logik ganz anders formuliert. Er ist der Ansicht, so lange man nur eine Seite eines Widerspruchs besitzt, verfügt man nur über die halbe Wahrheit. Nur wer beide Seiten eines Gegensatzes berücksichtigt, hat die volle Wahrheit.
Mit dieser Logik eröffneten sich für unsere Forschungen eine Reihe überraschender Einsichten und praktikabler Anwendungsmöglichkeiten. Man konnte plötzlich verstehen, wieso etwa ein Autofahrer gleichzeitig für und gegen ein Tempolimit sein konnte, wieso Geld gleichzeitig intimer Besitz und anonymes Zahlungsmittel sein konnte, wieso man in Hierarchien gleichzeitig unter einem Chef leiden und sich trotzdem bei ihm sicher fühlen kann usw.
Beim Auftreten solch grundlegender Widersprüche (Aporien) kann es daher nicht Aufgabe des Managements sein, diese Widersprüche zu eliminieren (wie es die Logik verlangt), sondern eher sie zu organisieren und beide Seiten – die ja recht haben – in eine sinnvolle Balance zu bringen.
Diese Balance gelingt aber nur, wenn man die Widersprüche – und zwar beide Seiten – kennt. Nach unseren Erfahrungen wird in Organisationen häufig eine der beiden Seiten verdrängt. Sie existiert dann nur mehr im Untergrund oder inoffiziell, wird geduldet und geht nur mit "schlechtem Gewissen" in Managemententscheidungen ein (z. B. "logisch" wäre es, Kompetenzen eindeutig aufzuteilen, in der Praxis aber übernimmt man, wenn es nötig ist, auch Arbeiten vom Kollegen, "logisch" ist es, ein Pouvoir einzuhalten, wenn man ein Geschäft machen will, muss man es aber manchmal überschreiten usw).
Die Durchführung
1. Analysegespräche
Mit einem ausgesuchten Personenkreis werden Gespräche über das Thema geführt und auf Tonband aufgenommen. Da das zu erforschende Problem meist einige im Unbewussten liegende Komponenten hat, ist eine lange Schulung für diese Analysegespräche notwendig. Besonderer Wert wird vom Interviewer dabei auf Erlebnisse und Emotionen gelegt, die im Zusammenhang mit der zu erforschenden Problematik stehen. Ein Teil dieser Analysegespräche widmet sich auch den gesamten Lebensumständen der Interviewperson, da oft aus dem Umfeld mehr über die tatsächliche Einstellung zu erheben ist, als bei direkter Befragung zum Thema, die oft nur Klischees zutage bringt.
Nicht selten ergibt sich, dass die im Unbewussten und Irrationalen liegenden Anteile und Gefühle den Klischees sogar direkt widersprechen. Viele Menschen reden anders als sie handeln. Ziel der Analysegespräche ist daher das tatsächliche Verhalten bezüglich des zu erforschenden Problemkreises zu erfassen und nicht bloß die Meinungen der Menschen darüber.
Die Interviewer müssen sich nach den ersten Interviews treffen, um die Methoden aufeinander abzustimmen und Strategien für die Überwindung der jeweiligen Abwehr zu entwickeln. Die ins Unbewusste verdrängten Aspekte eines Produktes sind durch starke Abwehrformen (Rationalisierungen Projektionen, Verleugnungen etc.) abgesichert. Sie zu durchbrechen und die tatsächlichen Gründe für einen Kauf oder Verwendungsverhalten zu erfahren ist ein ziemlich schwieriges Unterfangen. Diese Analysegespräche dauern 1 1/2 bis 4 Stunden, in Ausnahmefällen auch länger, hin und wieder auch etwas kürzer.
2. Auswertung der Tonbänder bzw. Tonfiles
Die auf Tonband bzw. digital aufgenommenen Interviews werden verschriftet und nach einer Reihe von Kategorien analysiert. Diese Kategorien wurden aufgrund der bisherigen Forschung entwickelt. Sie bringen durch den Vergleich vieler Interviewaussagen wiederum Zusammenhänge heraus, die aus einem einzelnen Interview nicht erhebbar wären.
3. Die Theorien
Die Auswertung, sowie ein Großteil der Originalabschriften der Interviews wird nun von den Teammitgliedern bearbeitet und jeweils eine eigene Auswertung erstellt. Dabei sollen die verschiedenen, und in diesem Stadium oft noch einander widersprechenden Aussagen individuell ausgewertet werden und verschiedene Theorien ergeben.
4. Hypothesensitzung
Sobald alle Theorien eingelangt sind, werden die Teammitglieder zu einer Hypothesensitzung eingeladen. Hier wird mit Hilfe gruppendynamischer Teamarbeit in mehreren aufwendigen Sitzungen eine Generalhypothese erarbeitet.
Eine der großen Schwierigkeiten in der Wissenschaft der Gegenwart liegt ja darin, dass die verschiedenen Wissenschaftler nicht miteinander reden. Sie sind sich viel zu wenig der Tatsache bewusst, dass sie nur Teilaspekte vertreten. Noch weniger als untereinander reden Wissenschaftler gewöhnlich aber mit Praktikern, es ist daher von Vorteil, wenn das Team aus möglichst unterschiedlichen Mitarbeitern besteht, die alle von ihrem “Fachverstand” ausgehen können. So kann gewährleistet werden, dass möglichst viele Aspekte und Sichtweisen des Problembereiches in die Studie einfließen.
5. Bericht
Die Ergebnisse der Sitzungen werden zu einer Generalhypothese verarbeitet und in einem Berichtkonzept zusammen mit den Interviewzitaten niedergeschrieben. Dieses Konzept des Berichtes geht noch einmal an alle Mitarbeiter. In einer zweiten Sitzungsperiode wird es verbessert, bevor der das Ergebnis dem Auftraggeber präsentiert wird.
6. Betreuung bei der Umsetzung
Ausführliche Diskussionen mit dem Auftraggeber sorgen dafür, dass die Anwendung der Ergebnisse auch gewährleistet ist. Denn was nützt der beste Bericht, wenn er nur in einer Schreibtischlade liegt. Es ist daher wichtig, dass die Ergebnisse allen Betroffenen präsentiert werden, wobei noch offene Fragen diskutiert werden können.
Das geschilderte Verfahren ist ziemlich aufwendig, bringt allerdings wesentlich mehr als herkömmliche Marktforschung. Nicht nur, dass ein Großteil der sonst verborgenen Motive erkennbar wird, sodass man in der weiteren Bearbeitung des Themas darauf Rücksicht nehmen kann, sondern auch mögliche Strategien für die Zukunft werden aus der philosophisch-wissenschaftlichen Analyse ableitbar. Was traditionellerweise unter Marktforschung verstanden wird, nämlich die quantitative Antwort auf Fragen des Managements, schließt eigentlich an diese Arbeit an. Die "mehrdimensionale Ursachenforschung" hilft sozusagen, die richtige Frage für die Quantifizierung zu stellen und ist somit keine Konkurrenz zur traditionellen Marktforschung, die immer dann angebracht ist, wenn man die qualitative Seite bereits vollständig kennt. Es gibt allerdings oft erstaunlich viele Illusionen über die Kenntnis dieser Motive.
Fazit
Kundenbeziehungsmanagement kann etwa auf den Ergebnissen einer solchen Forschung aufbauen und wirkt sich dann auch direkt auf die interne Firmenkultur aus („Wir müssen unseren Umgang mit unseren eigenen Produkten in den Bereichen A, B und F ändern.“). Dies wiederum beeinflusst die von uns erarbeiteten Schnittstellen dementsprechend und wirkt sich in Folge auf das Image, den Verkauf etc. aus.
Der direkte Ansatz
Sie sind alle gut und interessant, die Marktanalysen- und Marktforschungsansätze. Aber funktionieren sie auch? Und sind sie notwendig? Helfen sie bei der Beantwortung relevanter Fragen?
Das ist natürlich von Fall zu Fall zu entscheiden. Meistens wird jedoch direkter Kontakt zum Kunden die beste Variante sein. „Mit dem Kunden reden“ – so einfach ist es genau genommen. Mit einem System wird dies oft nur verkompliziert, da dann geregelt werden muss...
...wer wann mit wem sprechen darf;
...wo Grenzen (scheinbar) gesetzt werden müssen;
...was alles nicht erwünscht ist;
...was alles zu beachten ist;
...was man darf und was nicht;
...etc.
Jedes Gespräch ist zugleich Marktforschung, weil man einen Eindruck von den Wünschen, Ideen, Interessen, Ängsten, Sorgen, Hoffnungen etc. der KundInnen bekommt. In der durchaus strukturierbaren Nacharbeit kann man dies dann bündeln und sich gemeinsam überlegen, was man daraus lernen und was man im Anschluss daran verbessern kann.
Aber selbst das sollte nicht dauerhaft strukturiert sein und wenn doch, dann in erträglichem Ausmaß, das wiederum öfter auf seine Notwendigkeit hin geprüft wird („Können wir das nicht schon zurückfahren / freigeben etc.?“)
Das Ziel muss es sein, dass MitarbeiterInnen die Wünsche und Anliegen der KundInnen von sich aus ernst nehmen und von alleine darauf reagieren. Im Idealfall muss man ihnen nichts vorschreiben, weil sie im Sinne des Unternehmens von alleine handeln. Auch da werden Fehler passieren, aber sie sind in dieser Atmosphäre Anlass zu positiver Weiterentwicklung.
Es ist erwiesen, dass positiv bearbeitete Reklamationen die Kundenbindung stärken.
Aufgabe Lektion 10
Denken Sie an Ihren beruflichen Alltag:
1.) Wo wäre so eine (oder eine ähnliche) qualitative Forschung eventuell gut gewesen, um die Motive der Kunden besser zu verstehen?
2.) Was würde es bringen, Ihr Unternehmen, Ihre Abteilung, Ihren Bereich qualitativ zu erforschen, also ein „Blitzlicht“ zu machen?
3.) Was hat die letzte Marktforschung in Ihrem Unternehmen bewirkt? War das Ergebnis brauchbar bzw. umsetzbar? Warum und wie bzw. warum nicht?
Anhang A: Literaturverzeichnis
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---|---|
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- ↑ Provokationen bitte so nehmen, wie sie gedacht sind: als Provokationen. Ich empfehle folgenden Umgang: 1.) Check – fühle ich mich überhaupt provoziert? Wenn nein – weitermachen. Wenn ja: Welches Verhalten wird hier kritisiert? 2.) Will ich dieses Verhalten ändern? Wenn nein – weitermachen. Wenn ja: Wie wäre das sinnvoll möglich?
- ↑ Da es in der Lehrveranstaltung auch Nicht-ÖsterreicherInnen gibt, muss ich da und dort einen Ausdruck übersetzen. Ein „Batzerl“ ist ein kleines Stückchen.
- ↑ Sofern nichts anderes angeführt ist, stammen die Bilder aus dem Archiv des Autors
- ↑ Wienerisch für Zigarettenstummel
- ↑ Im alten Griechenland hieß die dazu gehörende Herrschaftsform „Ochlokratie“ – die „Herrschaft der Lauten“.
- ↑ Harald Welzer: Selbstdenken – eine Anleitung zum Widerstand; Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 2014; S. 16
- ↑ Für die Studierenden aus Deutschland: Jammern, Nörgeln
- ↑ Schoor, Juliet: Plenitude: The new economics of true wealth; London 2010
- ↑ Erna, komm her, da zieht sich einer aus.
- ↑ http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/tom-koenig-mit-social-media-gegen-miesen-service-a-857189.html