Beratungstheorie - Gesamt
Mag. Michael Hamberger MA Jahrgang 1971 (Bozen), seit 1993 in Wien. Studium der Psychologie in Wien und Rom, Teilstudium Medizin, Master of Arts in Mediation und Konfliktmanagement (Wien), Vertiefung zu Verhandlung und Mediation (Harvard Law School, USA).
Seit 1999 im Beratungsbereich (psychosoziale Beratungsdienste sowie Unternehmensberatung) tätig, seit 2004 selbständig vor allem in Österreich und Italien tätig.
Unternehmensberater und Organisationsentwickler, Klinischer/ Gesundheitspsychologe sowie Arbeitspsychologe, Wirtschaftsmediator mit Eintrag beim Justizministerium, Ausbilder und Prüfer für Business Training & Coaching, Lehrtätigkeiten an FHs/ Universität Wien/ Privatuniversitäten in Österreich. Ehrenamtlich engagiert als Sprecher der Bundes-Experts Group Wirtschaftsmediation (FV UBIT WKÖ) seit 12 Jahren, ausgezeichnet mit der Goldenen Ehrenmedaille durch besondere Leistungen für die Beratungswirtschaft in Österreich (WKO).
Einleitung zum Studienheft und Begriffliches zu Führung
Im Sprachgebrauch finden wir „Führung“ in Vergangenheit und Gegenwart wohl mit so unterschiedlichen Konnotaten versehen vor, wie es Definitionen verschiedener Autor*innen aus unterschiedlichen Forschungsbereichen oder Praxishintergründen dazu gibt. Bereits in den 1980er Jahren berichtet Bass von über 5000 Publikationen zu „Leadership“, im deutschsprachigen Bereich finden sich bis zu diesem Zeitpunkt bereits an die tausend Autor*innen und damit auch unterschiedliche Eingrenzungen zu diesem Phänomen.
Gedankenübung: Bedenken Sie einmal, welche Äußerung zu „Führen“ und „Führung“ im Alltag um Sie fluten, wie sich der Zeitgeist und relevante Geschehnisse der Gegenwart im sprachlichen Alltagsgebrauch niederschlagen.
Einzelne Definitionen heraus zu greifen, unterliegt Faktoren der Recherche, der Selektion und damit auch ein Stück weit der eigenen Vorliebe, des eigenen Erfahrungshintergrunds, sowie des Zufalls. Und macht doch auch im gegebenen Rahmen dieser Veranstaltung zumindest subjektiv Sinn: wovon sprechen wir hier, gibt es einen Konsens zum Kern von „Führung“, worauf zielt hier Beratung letztlich ab und womit haben wir es dann zu tun.
Das Buch von Neuberger (2002) sei Ihnen ans Herz gelegt. Es bietet einen sehr breiten Einblick zum Begriff „Führung“.
Nach Helmer [1] trägt Führung dazu bei, eine Gruppe zusammenzuhalten sowie deren Aktivitäten zu organisieren und zu kontrollieren.
Führung wird oft auch mit Macht und einer dominanten Position verbunden [2] dargestellt, oder der Akzent wird auf die absichtliche, zielgerichtete soziale Beeinflussung von Personen oder Gruppen gelegt [3] . French und Raven [4] blickten im Lichte des Machtbegriffs auf „Führung“ und unterschieden Belohnungsmacht (reward power), Bestrafungsmacht (coercive power), Positionsmacht (legitimate power), Identifikationsmacht (referent power), Expertenmacht (expert power) sowie Informationsmacht (information power; wie bei gatekeepers, Thema Intranet).
„Führung“ findet man sehr unterschiedlich pointiert: im Laufe der Jahrzehnte entwickelten sich die bestehenden Organisationsformen weiter, es wandelte sich das Menschenbild in der Wirtschaft, und ebenso die entsprechenden Forschungsparadigmen, „Führung“ findet man demnach als… [5]
- Als Prozess und Eigenschaft [6]
- Als Prozess der Beeinflussung (der laufenden Interpretation von Ereignissen, der Wahl von Zielen und Strategien, der Ablauforganisation, der Mitarbeiter*innenmotivation, der Beziehungsführung etc.) [7]
- Als Rolle
- Als Autorität und Herrschaft
- Als gruppendynamisches Phänomen
- Als anthropologisches Element
- Als soziale Notwendigkeit
- Als Persönlichkeitsmerkmal
- Als Verhalten oder Handlung
- Als Machtphänomen
- Als Instrument zur Zielerreichung
- Als Strukturgebendes Element
- Als Kontrollform
- Als Veränderungsbegleitung
- …
Folglich ist „Führung“ in unterschiedlichen Formen begreifbar und lebbar. Nach Neuberger muss man das Phänomen „Führung“ als „widersprüchlich, prozessual, vielgestaltig und mehrdeutig“ [8] verstehen, und damit als einen Hort der Vielfalt und der Gestaltung.
Abgrenzungsversuch Führung & Management
Im Betriebsalltag wird nur sehr selten eine klare Abgrenzung zwischen „Führung“ und Management, zwischen „Leader“ und „Manager*in“ gemacht. Zaleznik [9] hatte sich erstmals (aus psychoanalytischer Sicht) dieser Unterscheidung in den späten 1970ern gewidmet. Seine Überlegungen haben sehr wohl Eingang in unser Alltagsdenken und in die Alltagssprache gefunden.
Bestätigende Forschungsergebnisse für diese begriffliche Trennung (siehe Tabelle 1: Manager*in versus Leader) gibt es zwar keine, jedoch bringt das Gedankenexperiment sehr wohl Konturen hervor, macht Wertvolles bewusst.
Manager*in | Leader | |
---|---|---|
Verhältnis zu Zielen |
Unpersönlich | persönlich |
|
Ziele entstehen aus objektiven Notwendigkeiten | Ziele entstehen aus subjektiven Bedürfnissen |
|
Reaktives Reagieren auf Ideen. Ziele sind in Tradition, Geschichte des Unternehmens eingebunden. | Aktives Produzieren von Ideen. Ziele verändern die traditionellen Sicht- und Denkweisen der Organisation. |
Verhältnis zur Arbeit |
Konzentration auf Arbeitsprozesse. Reduziert Optionen im Rahmen von Entscheidungsprozessen | Konzentration auf Arbeitsinhalte. Entwickelt neue Möglichkeiten, denen er motivierend Substanz gibt. |
|
Versteht sich als Problemlöser*in und versucht zwischen Gruppeninteressen auszugleichen. | Ist Problementdecker*in, nicht auf Konsens bedacht. |
|
Geringe emotionale Bindung zum Produkt. | Identifikation mit Produkt, wie bei Künstler*innen. |
Beziehung zu anderen |
Starke Beziehungsorientierung, Angst vor Einsamkeit. | Sucht mehr die Auseinandersetzung mit Ideen als mit Menschen. |
|
Fehlen von Empathie und Emotionalität. | Intuitiv, empathisch, emotional. |
|
Vermittelt „Signale“ | Vermittelt „Botschaften“ |
|
Motiviert mit Belohnung und Bestrafung | Motiviert mit begeisternden Ideen |
|
Erfüllt Rollenerwartungen und schöpft daraus Selbstsicherheit | Erfüllt sein/ihr Selbstbild nicht über die Erfüllung von Rollenerwartungen |
Selbst-bild |
Identifikation mit Status quo. | Gefühlt der Unabhängigkeit gegenüber dem Status quo. |
Tabelle 1: Manager*in versus "Leader" [10]
Man kann in jedem Fall – alltagsplausibel - festhalten: Führungspersönlichkeiten, also „Leader“ weisen nicht immer zugleich auch Managementqualitäten auf, „Manager*innen“ verfügen im Optimalfall auch über ausgebaute Führungsqualitäten. Es gilt in jedem Fall gegenwärtig zu halten, dass bestimmte, hier am Begriff „Leader“ festgemachte Verhaltensweisen oder Schwerpunkte in unterschiedlichen Organisationen unterschiedlich Sinn machen - beziehungsweise sogar ein Störfaktor für den angestrebten Erfolg sein können.
Wie erfolgreich und effektiv Führung ist, wird im betriebswirtschaftlichen Rahmen oft anhand folgender Faktoren bemessen:
- Zielerreichungsgrad im Gesamten, und der Arbeitsgruppe
- Leistungseinstellung des Teams/ der „Geführten“
- Zufriedenheit mit der Führungskraft
- Umgang der Teammitglieder untereinander
- Entwicklungschance der Teammitglieder
- Ressourceninvestition
Allerdings muss auch hier festgehalten werden, dass es mindestens ebenso viele Kataloge zu Messkriterien wie Autor*innen über Führungsphänomene gibt, und jede Unternehmenskultur letztlich ihre eigenen Gewichtungen treffen wird.
Heute findet man in Unternehmen unterschiedliche Kombinationen aus betriebswirtschaftlichen und psychologischen, aus Effizienz- und Humandimension, aus objektiven und subjektiven Kriterien zur Beurteilung der Führungsleistung. Berater*innenseitig ist es sicher klug, in der Anbahnungsphase bei einem Unternehmen auch mit zu erkunden, welche Kriterien bislang offiziell zur Führungsbeurteilung herangezogen wurden.
Im Hintergrund steht die erlebte und auch empirisch untermauerte Annahme, dass der Unternehmenserfolg in wesentlicher Form von den Aktivitäten der Führungskräfte geprägt wird. Neuberger schlug 2002 vor, Gütekriterien für die verwendeten Maße einzuführen, wie diese auch bei psychologischen Testverfahren angewendet werden: Objektivität, Reliabilität, Ökonomie, Gültigkeit, Transparenz und Repräsentativität. Neuere Instrumente versuchen diesen heute auch zu entsprechen (siehe z.B. „ALQ“ in 5.11 „Authentische Führung“).
Nach Weinert und auch Yukl kann man die Erfolgsfaktoren für Manager*innen wie folgt zusammenfassen:
Hohe Tatkraft und Stresstoleranz
Selbstbewusstsein
Kontrolle über das eigene Verhalten; übernimmt Verantwortung für Verhalten
emotionale Reife
persönliche Integrität
(soziale) Macht-Motivation
hohe (aber nicht zu hohe) Leistungsorientierung
Kein allzu starkes Bedürfnis, Teil einer Gruppe zu sein
Einleitung zu Beratung
„… in der Praxis gleichen Beratungsprozesse oft eher einer Dschungelexpedition – die Orientierung ist schwierig, das Terrain unübersichtlich […] gleichzeitig sind Landkarten für den Dschungel Mangelware, […] Organisationen und Veränderungsprozesse funktionieren nicht so [...] simpel wie Schlossparks“ [11]
Sprechen wir in diesem Studienheft und der dazu gehörenden Lehrveranstaltung von „Beratung“, so meinen wir vornehmlich Formen, die sich auf wirtschaftliche Kund*innensysteme beziehen. Wir grenzen somit etwa soziale, psychologische, pädagogische Beratungsformen im engeren Sinne aus unserem Diskurs mehr oder minder aus. Obgleich einiges Grundlegendes hier auch für diese Beratungsbereiche zutreffend sein mögen.
Da allzu oft in der Literatur oder auch in der Alltagspraxis von „Klassischer Beratung“ die Rede ist, sei bereits an diesem Punkt eine Orientierung hierzu gegeben. Auch wenn immer wieder aktiv nachgefragt und geklärt werden muss, was genau damit gemeint wird, so decken sich die Definitionen dann im Wesentlichen doch:
Klassische Ansätze zur Beratung agieren aus einer rationalen Perspektive heraus, blicken auf Unternehmen(steile) als steuerbare, planbare Einheiten, identifizieren Probleme, stützen sich auf Fachwissen. Sie orientieren sich an passenden Strategien, Methoden und Tools, um den Erfolg der Kund*innen zu stärken – und damit der Beratung selbst Erfolg zu bescheren. Die „klassische“ Beratung verfolgt letztlich das Ziel, das Unternehmen den veränderten Umgebungsparametern optimal anzupassen. Mit „klassisch“ wird zumeist ein mehr oder weniger starker Fokus auf betriebswirtschaftliche Elemente verstanden.
Meistens grenzt man damit von Systemischer Beratung oder etwa Psychoanalytischer Beratung ab, jedoch nicht immer: Viennalyn Castillo etwa fasst unter „klassischen Formen“ die Gutachter*innentätigkeit, die Fachberatung, die Prozessberatung, die Organisationsentwicklung und die Systemische Beratung zusammen! Nach Heinecke [12] hingegen sind klassische Ansätze alle jene, die nicht aus der Human Relations-Bewegung (siehe Menschenbilder) oder aus der Systemtheorie entstammen.
Dem gegenüber verstehen sich Gegenpositionen aus der Sicht auf Organisationen als letztlich irrationale, unsteuerbare (weil selbst gesteuerte) Systeme. Im Kernbereich finden sich darum auch das Ringen um die nicht Planbarkeit, das Dealen mit latenten Funktionen, versteckten Agenden und mit dem Scheitern. Hier sind – im Regelfall – systemische Beratungsansätze, soziopolitische Ansätze, psychotherapeutische Beratungsansätze etc. zu finden. Keith Merron [13] etwa kondensiert aus 25 Jahren Beratungserfahrung und unzähligen Interviews mit Berater*innen“stars“, dass der schwerwiegendste systematische Fehler „schlechter“ (rein rationaler, klassischer) Beratung in der Vergangenheit war, den Techniken, Methoden und Werkzeugen fast magische Qualitäten der Wirksamkeit zuzuschreiben, und zu glauben, dass Beratung im guten „Rat“ für Klient*innenprobleme bestünde. Klassische Ansätze fallen ihm zufolge meist einem Berater*innenzentrismus zum Opfer, hingegen sind neue Ansätze „client-centred approaches“, hier stehen also Kund*innen im Zentrum, und nicht die Berater*innen und die Beratung. „Nicht klassisch“ wäre hier etwa die Sichtweise, dass das (gute) Ergebnis den Kund*innen „gehört“, und sich dies nicht die Berater*innen an die Fahne heften. Kund*innen traut man zu vollauf imstande zu sein, ihre eigenen Probleme zu lösen und sich selbst zu verändern. Demnach postuliert Merron für „neue“ Beratungsansätze, dass es
- um Lernen gehe - statt um Wissen,
- um gute Lösungen - statt um Methoden
- um Veränderung - statt um Problemlösung.
Mit den folgenden Ansichten schließt Merron an die weiter hinten in diesem Heft näher ausgeführte Sichtweise der Lernenden Organisation [14] und „Fünften Disziplin“ [15] an:
"Helping an organization make significant changes is not a conceptual problem. Not a problem of tools and expert knowledge and recommendations. It is a human problem, of relationships and trust and inner stance." [16]
Letztlich wird es beide Sichtweisen brauchen – den klassischen, rational betriebswirtlichen und den „neuen“ Ansatz - um als Berater*in schöpferisch tätig zu sein. Wohl wissend, dass man immer darum ringen wird, den blinden Fleck zu minimieren, der unserem auch professionellen Tun stets innewohnt.
Welche Beratungsformen gibt es denn überhaupt?
Unzählige Zusammenstellungen zu Beratungsformen, und damit Theorien und Ansätzen finden sich in diversen Lehrbüchern, Fachartikeln und Aufsätzen wieder. Je nachdem, welche Perspektive, welche Kriterien gewählt werden, finden sich auch unterschiedliche Pointierungen wieder.
Weinhäuser [17] etwa stellt die folgende Perspektive zur Verfügung, in der er die klassische Beratung, Organisationsentwicklung und Systemische Beratung einander gegenüberstellt (Tabelle 2).
Klassische Beratung | Organisationsentwicklung | Systemische Beratung | |
---|---|---|---|
Ziele | Expert*innenwissen zur Problemlösung | Steigerung Lebensfähigkeit & Zufriedenheit | Systemisches Lernen und Selbstreflexion stützen bei der Komplexitätsbewältigung |
Theorie | Scientific Management | Human Relations- Bewegung, Soziotechnischer Ansatz, Gruppenpsychologie | Systemtheorie, Familientherapeutischer Ansatz |
Ansatzpunkte | Veränderung von Strukturen | Veränderung von Personen | Veränderung von Handlungen |
Rolle Berater*in | Gutachter*in, Manager*in auf Zeit, Feuerwehr, Arzt | Prozessberater*in, Promotor*in | Beobachter*in |
Aufgaben | Lehren, Vermitteln | Lernen lehren, Prozesswissen vermitteln | Beobachtung, Anregung zur Selbstorganisation |
Sicht Mitarbeiter*in | Eine von vielen Variablen | Relevante Akteur*innen im Beratungsprozess, „Betroffene zu Beteiligten machen“ | Handlungen der für das Problem relevanten Entscheider*innen sind relevant |
Widerstand | Man rechnet mit hohem Widerstand gegen die Empfehlungen | Hoher Widerstand gegen bei Umsetzung, hohe Identifikation mit der Veränderung | Interne Widerstände sind Voraussetzung für Lernfähigkeit, kann nicht eindeutig personell zugeordnet werden |
Veränderung | Inhalt des Wandels ist relevant | Form des Wandels ist relevant | Wandel ist „systemimmanent“, also Systemeigenschaft |
Tabelle 2: Beratungskonzepte nach Weinhäuser (1996, S.27)
Heinecke [18] hingegen listet als Beratungsformen:
- Die Experten*innenberatung: ist letztlich ein „Geschäft mit Wissensdefiziten“ (nach Wimmer, 1991, S.59ff), in dem Berater*innen als Fachexpert*innen agieren und das relevante Wissen einbringen, oder als Manager*in auf Zeit agieren.
- Die Researchberatung: betreibt Beratung aufgrund von wissenschaftlich fundierten Konzepten und Methoden.
- Die Strategieberatung: fokussiert inhaltlich auf die Unternehmensstrategie.
- Die Prozessberatung: stellt über die Beziehung zwischen Berater*in und Klient*in das eigene Expert*innenwissen punkto Prozessdesign und –führung zur Verfügung. Der Beratungsprozess stellt hier meist auch das Layout für später folgende Entwicklungsprozesse im Unternehmen.
Nach rein inhaltlichen Gesichtspunkten könnte man letztlich unendlich lange Listen an Beratungsformen erstellen, wie etwa Marketingberatung, Organisationsberatung, Personalberatung, Technologieberatung, EDV-Beratung, Kostenreduktionsberatung, Nachfolgeberatung, Logistikberatung etc…
In diesem Heft finden sich Beratungsansätze als Kapitel geführt wieder (Strategische, Systemische Beratung etc.).
Bei den angeführten Theorien sind aus Sicht des Autors folgende, wesentliche Unterscheidungsmerkmale von Beratungstheorien (Ansätzen) erfüllt:
- Diese Beratungstheorien haben eine unterschiedliche „Epistemologie“, also Metamodelle, die bestimmen, wie Erkenntnis zustande kommt, wonach man sich grundsätzlich richtet – wie etwa der Unterschied zwischen Sehbrille, Kontaktlinsen, Sonnenbrille, Taucherbrille etc.. (siehe auch Menschenbilder).
- Demzufolge haben die betrachteten Theorien auch unterschiedliche Basistheorien, die etwa beschreiben, was Organisationen sind, wie diese funktionieren, wo Beratung ansetzen kann und wird.
- Und sie haben unterschiedliche Ansätze dazu, wie Veränderung geschieht.
- Aus diesen Parametern (Metatheorie, Basistheorie, Veränderungstheorie) mündet eine unterschiedliche Berater*innenhaltung, Berater*innenperspektive und Zielorientierung.
Menschenbilder
Metamodelle hinter Beratungstheorien, aber auch hinter Führungstheorien sind letztlich auch immer vom Menschenbild geprägt, bzw. prägen Metamodelle (wie wir in die Welt blicken) das jeweilige Menschenbild.
Menschenbilder durchwirken unsere Wahrnehmung, unser Denken, unser Handeln: und damit maßgeblich unsere Wirtschaft, die jeweiligen Unternehmungen, und damit auch die Beratungsansätze. In diesem Heft findet keine tiefgehende historische Betrachtung statt, wie sich das Menschenbild in der Wirtschaft (und Gesellschaft) über die Jahrzehnte entwickelt hat. Ein Einblick soll jedoch auch hier den wertvollen Rahmen für Beratungstheorien bieten, denn diese fußen stets auch in unterschiedlichen Menschenbildern oder in Mischformen von Menschenbildern.
Zugleich zeigt sich in der alltäglichen Beratungspraxis, dass insbesondere die Berater*innenhaltung, die Wertmaßstäbe im Hintergrund DIE ausschlaggebende Ausrichtung geben und die konkreten aktuellen Entscheidungen und Aktivitäten bestimmen.
Im Folgenden betrachten wir einige Menschenbilder und Organisationstheorien, die historisch entstanden (Hinweis: auch Führungstheorien stammen aus dieser Entwicklung).
Wir gehen dabei einer ungefähren Zeitachse entlang vor:
- Homo Oeconomicus (1900er-1930er Jahre),
- Social Man (1930er-1960er Jahre),
- Self actualizing Man (1950er-1970er Jahre),
- Complex Man (1980er Jahre) und
- (post)moderne Ansätze (1990er Jahre bis heute) führen uns bis in die Gegenwart herauf.
Die Menschenbilder entwickelten sich nicht immer genau historisch hintereinander. Die jeweiligen Menschenbilder und Organisationstheorien waren zum Teil auch zeitgleich im Diskurs, oder sind heute noch aktuell – und bilden damit Teile der Landschaft, in denen sich Beratung bewegt oder Beratung selbst bewegt wird.
Für eine vertiefte Befassung mit Menschenbildern und Organisationstheorien darf ich Sie auf Fachliteratur, insbesondere auf das hervorragende Werk von Kirchler (2005) hinweisen. Von diesem ausgehend holte sich der Autor immer wieder einige maßgebliche Impulse zur Recherche und Inhalte in Bezug auf die Menschenbilder.
Zu diesem Zweck werden wir eine teils stichwortartige, teils tabellarische Skizzierung der Menschenbilder vornehmen und anschließend jeweils einige relevante Organisationstheorien kennen lernen.
Homo Oeconomicus
Dieses Menschenbild geht auf Ausführungen von Adam Smith und Thomas Malthus zurück.
Folgende Parameter kennzeichnen die Sicht auf den arbeitenden Menschen und dessen Umgebung:
knappe Ressourcen
rationale Entscheidungen
egoistische Nutzenmaximierung und Kostenminimierung
fiktiver Durchschnittsmensch:
verantwortungsscheu
monetär motivierbar
zweckrational
Gewinnmaximierer*in und Nutzenmaximierer*in
Sie/Er agiert im Rahmen voller Markttransparenz und mit wirtschaftlicher Voraussicht, hoher Reaktionsgeschwindigkeit und im Rahmen stabiler, linearer, unabhängiger Bedürfnisse (siehe Rosenstiel).
Im Rahmen des homo oeconomicus sprechen wir vor allem von Taylorismus/Scientific Management, von Psychotechnik, von Münsterberg, von „Klassischen Organisationstheorien“.
Frederick Winslow Taylor
Auf diesen Wirtschaftsforscher geht der Begriff des Taylorismus und damit des „scientific managements“ zurück. Siehe hierzu weiter unten mehr.
Hugo von Münsterberg
Zeigte sich besorgt über die kritiklose Übersteigerung des Taylorismus. Er brachte die Erkenntnisse der Experimentalpsychologie Wilhelm Wundts vor allem in die Eignungsverfahren und Personalauslese herein. Damit setze er die „Psychotechnik“ von Wilhelm Stern im industriellen Bereich ein. Zentrale Fragen wurden darum neben der Selektion von Personal auch die Schulung von Mitarbeiter*innen - basierend auf der Erforschung von Ermüdungseffekten, Arbeitszeiten, Pauseneffekten und dergleichen.
Letztlich galt die industrielle Psychotechnik von Münsterberg dem Versuch, der fortschreitenden Entmenschlichung der Arbeit einen Riegel vorzuschieben. Arbeit steht nicht nur für Anstrengung und Mühsal, sondern bewirkt auch individuelle Entwicklung und Sinnschöpfung im Leben [19] .
Auf Willy Hellpach geht aus dieser Zeit zurück, dass man auf Gruppenfabrikation umstieg: waren vorher etwa alle Dreher*innen in einem Bereich untergebracht und tätig, und mussten die Werkstücke stets an solche Arbeitsstationen zurückkehren, so unterteilte man jetzt in Arbeitsgruppen, die sich der Gesamterstellung eines Werkstückes widmeten (etwa der Herstellung einer Pumpe).
Klassische Organisationstheorien
Grundanliegen dieser Ansätze der 1920er bis 1930er Jahre war, in optimaler Weise die Umweltbedingungen der Organisation anzupassen, damit diese erfolgreich arbeiten kann.
Frederick Winslow Taylor – wissenschaftliche Betriebsführung
Ausgehend von einem mechanistischen Menschenbild und der Hervorhebung wissenschaftlicher Methoden auch im Arbeitsbereich werden Arbeitsschritte zerlegt, und Prozesse, Werkzeuge sowie Menschen und deren Arbeitshandlungen einer Optimierung zugeführt: die Auswahl und Schulung der (körperlich) bestgeeigneten Arbeiter*innen ging hier etwa so weit, dass auch die Proportionen von Gliedmaßen für bestimmte Arbeitsschritte als maßgeblich angesehen und erhoben wurden. Zeit- und Bewegungsstudien erbrachten den „one best way“, durch den die ineffiziente Arbeitsmaschine Mensch optimal aufgestellt und ausgerichtet werden sollte. Finanzielle Anreizsysteme sind hier dem Menschenbild folgend wesentlich, da Arbeitskräfte stets ihren Nutzen maximieren wollen.
Kennzeichnend für Scientific Management ist:
- Es gibt klare Hierarchien
- Man arbeitet stark spezialisiert
- Führungskräfte beaufsichtigen und kontrollieren Mitarbeiter*innen in direkter Weise
- Es gibt Entscheider*innen und ausführende Organe
- extreme Zentralisierung
Administrative Theorie von Fayol
Fayol widmete sich dem Ziel, die (betriebliche) Organisation in ihrer Gesamtheit zu optimieren. Einige Anzeichen dieser Organisationstheorie finden sich heute noch in bürokratischen, administrationslastigen Systemen wieder. Hierzu skizzierte er folgende Kennzeichen:
- Starke Autoritätsstruktur
- Neu: starke Arbeitsteilung in inhaltlich definierten Gruppen (Schreiber*innen, Archivar*innen)
- direkte Kontrolle der Mitarbeiter*innen
- Es gibt Entscheider*innen und ausführende Organe
- Neu: Untergebene dürfen Eigeninitiative entwickeln, wenn diese mit den Organisationszielen konform geht.
Gulick [20] formulierte in Anlehnung an die administrative Theorie die Aufgaben des Managements unter dem Kürzel „POSDCORB“: planning, organizing, staffing, directing, coordinating, reporting, budgeting. Nach dieser Legende orientieren sich bewusst oder unbewusst auch heute noch viele Führungskräfte in deren Selbstorganisation. Auch in Assessment- und Development-Centers findet dieses Schema explizit in Übungen Anwendung, um unterschiedliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Potentiale der Kandidat*innen zu bemessen.
Bürokratiemodell von Weber
Ziel dieses Modells war und ist in Organisationen Ordnung zu schaffen, ein System hinein zu bringen, Rationalität und Uniformität zu gewährleisten, und dabei konsistent zu sein. Gefallen Ihnen diese Ziele, so wie den meisten Menschen auf den ersten Blick?
Nun, willkommen damit auch im Modell der „formalistischen Unpersönlichkeit“. Eine humorvolle Darstellung hierzu finden Sie bei „Asterix und Obelix“ von Uderzo (Das Verrücktenhaus aus "Asterix erobert Rom" - Passierschein A 38; http://www.youtube.com/watch?v=lIiUR2gV0xk). In diesem Filmschnitt wird leicht ersichtlich, dass hier die operativen Regeln übersteuert sind, das Regelwerk inflationär wird, es zu eigenen sprachlichen (Amts)dialekten kommt; Prozesse sind starr und eng und von schriftlichen Routinen und Kontrollen geprägt.
Folgende Prinzipien sind kennzeichnend:
- Es gibt feste offizielle Bereiche mit Ablaufregeln
- Hierarchie ist Ausdruck einer Autoritätsbeziehung
- geschriebene Dokumente
- Führungskräfte sind formale Fachexpert*innen
- Es sind keine inoffiziellen Aufgaben erlaubt
- Es gelten generelle Regeln, keine Ausnahmen
Letztlich haben wir hier den Prototyp einer Beamt*innenorganisation vor Augen, mit all ihren Vorzügen und Nachteilen (Entlassungsschutz aber auch Uniformierung und Austauschbarkeit, formalisierte Verantwortung und damit Verantwortungsverschiebung, etc.).
Social Man
Mehrere Faktoren lösten das damalige Menschenbild von der rein ökonomisch-mechanistischen Sichtweise und brachten (nach Versuchen von Münsterberg) endgültig den Durchbruch zu mehr Menschennähe: es waren dies die Hawthorne Studien und die Human Relations Bewegung. Hinzu kam der zunehmende Druck am Markt und die mittlerweile erstarkte Bewegung der Gewerkschaft!
Im Rahmen der sogenannten Hawthorne Studien erforschten Mayo, Roethlisberger und Dickson beim Unternehmen Western Electric, wie sich Umweltbedingungen auf die Leistung, Gesundheit und auf das Verhalten der Arbeiter*innenschaft auswirken. Dies geschah also ganz im Sinne der Psychotechnik und somit des homo oeconomicus. Hierbei kamen sie allerdings darauf, dass die Befragung an sich ständige positive Veränderungen hervorbrachte, weil man sich den Mitarbeiter*innen sozial zuwandte und sie (zu Forschungszwecken) wahrnahm. Die Human Relations- Bewegung fußt in einer Reihe von Forschungsarbeiten (zum Teil zu leadership [21] oder zu Gruppendynamik [22] ), die darauf hinwiesen, dass die Gruppe einen wesentlichen Faktor für das „soziale Tier“ Mensch darstellt und neben formalen Rahmenbedingungen eine differenzierte soziale Ordnung auch im Unternehmen relevant sind.
„Social man“ wendet sich nach einer Sinnentleerung der Alltagsarbeit dem Menschen in seiner sozialen Dimension zu: unsere Identität, unseren Willen und unsere Zugehörigkeit und damit unsere Bindung schöpfen wir aus unseren Beziehungen (siehe Weinert). Wir kommunizieren miteinander, entscheiden und handeln/ arbeiten gemeinsam, wir richten uns nach informellen Regeln des Miteinanders. Damit rückt auch die Leistung der Gruppe und das Betriebsklima in den Brennpunkt. Nach Schein [23] kümmern sich Führungskräfte gemäß dem Menschenbild des Social man demnach darum, dass Kommunikation stattfinden kann, Untergebene sich wohlfühlen, zufrieden sind, dass Mitarbeiter*innen „dazu gehören“ und sich in die Arbeitsgruppe integrieren; letztlich sind sie Sprachrohr zwischen Arbeiter*innenschaft und Führung.
Der Ansatz des Soziotoechnischen Systems weiter unten baut bereits auf der Kritik an der Human Relations-Bewegung auf: das soziale System ist relevant, aber es kann diesem nicht die zentrale, alleinige Rolle und Aufmerksamkeit zukommen. Das technische System samt Aufbau- und Ablauforganisation leistet einen ebenso relevanten Beitrag.
Organisationstheorie I: Partizipative Theorie von Likert
Mit dieser Theorie wollte Likert den Schwächen bisheriger klassischer Organisationsformen (und Theorien) entgegensteuern. Bisherige Theorien waren gekennzeichnet von wenig Entscheidungsgewalt, wenig Transparenz, starker Kontrolle, und von kurzfristig angelegter Motivation aus Angst vor Strafe. Dies führte erfahrungsgemäß zu sehr kurzer Leistungssteigerung und zu zunehmenden Fehlzeiten und Fluktuation im Personalstand.
Diese Theorie entstand also im Anliegen, Gruppenprozesse im Unternehmensfeld zu optimieren, indem man auf Partizipation, also Teilnahme an Entscheidungen setzte. Hierzu überlegte sich Likert, welche Gruppensysteme es denn so gäbe, und kam auf 4 Systeme: das ausbeutend autoritäre (salopp industrielle Diktatur und Ausbeutung), das wohlwollend autoritäre (salopp das patriarchalische Familienunternehmen), das beratende (Beraterunternehmen) und das Gruppensystem.
Das Gruppensystem ist gekennzeichnet durch:
flache Hierarchien
personenzentriert unterstützend
gruppenzentriert agieren, Verantwortung ist wichtig
Arbeitsteams mit durchschnittlicher Spezialisierung bilden
selber Wege und Ziele definieren lassen
limitierte Jobrotation einführen
keine direkte Kontrolle sondern Ermutigung zur Entscheidung
Führung koordiniert, ist nicht mehr ein vis-á-vis zu Ausführenden
starke Dezentralisierung
Organisationstheorie II: Organisation als „Offene Systeme“
„Kooperative Systeme“
Chester Barnard dachte über Organisationen nach und fand, dass diese zum einen soziale Systeme sind, die aus Handlungen zweier oder mehrerer Personen bestehen. Zum anderen sind Organisationen (also auch Unternehmen) natürliche Systeme, deren Kernziel und Grundbedürfnis das eigene Überleben ist – und nicht die Organisationsziele.
Letztlich zeichnet er Organisationen auch als kooperative Systeme: verändert sich/man ein Element im System, so kommt es zwangsdringlich zur Anpassung aller anderen Elemente. Kooperative Systeme stehen in einer wechselseitigen Abhängigkeit mit externen Systemen (etwa ein Unternehmen mit seinen Lieferant*innen, mit der wirtschaftspolitischen Situation, mit dem Zeitgeist etc.). Darum wird es wesentlich sein, die Organisation an den individuellen Reifegrad der Mitarbeiter*innen anzupassen. Das beste Design kann nicht wirken, wenn die Einzelnen nicht dabei sind. Unternehmen werden sich darum kümmern, was in der Umwelt und in der Innenwelt der Firma geschieht, welchen Veränderungen man sich anpassen muss, wo man mitwachsen, entgegenwachsen muss. Informelle Bereiche sind besonders wichtig, hier werden Vorboten von Veränderungen spürbar, hier werden Anpassungen eingeleitet (stellen Sie sich vor, wie über die vielen kurzen Treffen beim Kaffeautomat im Betrieb oder bei der Anfahrt zur Arbeit neue Meinungen entstehen, Trends aufkommen, wo „wir stehen, hin müssen, was geschehen sollte, von wem es abhängt, was auf welches Team wie wirkt“ etc.).
Was kennzeichnet nun eine Organisation im Sinne des kooperativen Systems?
- Autorität wird in einem bestimmten Bereich akzeptiert, wo persönliche Vorteile und die Gruppeneinstellung dadurch gestützt werden
- hohe Hierarchien & klare Linien
- hohe Spezialisierung der organisatorischen Einheit
- direkte, enge Kontrolle von kleinen Gruppen
- Führungskräfte und Berater*innen glänzen als Generalist*innen
- Zentralisiert, es wird top-down gewirkt
Organisationsmodell als offenes, soziales System
Über die Sichtweise kooperativer Systeme und deren Wechselbeziehungen zu externen Systemen hinaus geht Katz (und Kahn) mit der „offenen Systemtheorie“. Diese bringt Soziale Systeme (siehe oben) und das Individuum (aus Sicht der Individualpsychologie) zusammen. Damit setzt sich ein Unternehmen aus den wesentlichen Individuen zusammen, und darüber hinaus ist die Gesamtheit nicht nur die Summe ihrer (individuellen) Teile: als soziales nach außen offenes System steigt die Komplexität, aber auch der Zusatzwert enorm an. In möglichst einfacher Form versucht man nun, die Komplexität von offenen, sozialen Systemen zu beschreiben, etwa durch „input“ - „throughput“ - „output“. Wobei die Frage entsteht, wie kann so etwas effektiv(er) sein, und wie sind die Rollen in diesem System verteilt, oder wie sollten sie es sein, um als Unternehmen erfolgreich zu sein. Dies kann man sich gut anhand einer prototypischen Entwicklung einer Firma vorstellen, die sich in ihren Systemen stetig ausdifferenzieren wird und damit auch stetig Rollen ausreift:
Im Laufe der Entwicklung eines Unternehmens (Organisation), wird zu allererst das technisch-produktive System entstehen – es muss vorerst mal etwas produziert werden. Erst auf dieser Basis entstehen der Bedarf und der Raum für unterstützende Systeme (wie Einkauf, Verkauf). Infolgedessen wird es nötig werden, ein Managementsystem auszuformen, das sich der internen Optimierung, den aufrechterhaltenden Systemen wie PR und HR widmet. Zu allerletzt werden adaptive Systeme wertvoll und auch wesentlich für die weitere erfolgreiche Entwicklung, etwa Marktforschung, Entwicklung und Forschung, und – Beratung!
Offene soziale Systeme sind gekennzeichnet durch:
- Arbeitsteilung und Spezialisierung (sonst gibt es keine Rollen)
- Führung überwacht die Erfüllung der Rollen, sanktioniert
- Hierarchien erlauben Effizienz, dort wo es sehr dynamisch ist kommen auch demokratische Prozesse ins Spiel
- Gleichgestellte Mitarbeiter*innen/ „buddies“ leisten sogenannte kollegiale Kontrolle
- dezentralisierte Entscheidungen
Wenn Sie jemals in einer Firma beschäftigt waren, die von Null auf entstand und sich entwickelte, können Sie diese abstrakte Beschreibung sicher gut mit Erfahrungsbildern ausschmücken, und werden jetzt wahrscheinlich dazu fügen: „wir haben immer wieder sehr darum gefochten, wie wir unsere Rollen (siehe Abbildung 1) neu ausrichten, differenzieren, und vor allem – wie wir diese jeder für sich auslegt, auslebt, interpretiert. Etwa als Teamkolleg*in plötzlich eine Führungsrolle zu übernehmen, das schuf Konflikte: es musste geklärt werden, welche Erwartungen da sind, welche Rollen einander widersprechen, was wie gemeint ist und wie es ankommt. Und es musste immer wieder im Laufe des Wachstums neu geklärt werden, wo klare Führungsansagen gut sind, und wo es Räume für gemeinsame Entscheidungen braucht. Letztlich irritierte uns immer wieder, dass die einen zu dicht dran waren, um entscheiden zu können, und die anderen zu weit entfert, um überhaupt mitreden zu können“.
Soziotechnisches System
Forscher wie Trist, Bamforth, Rice, Emery und Thorsrude werden Sie auch als „Tavistock Gruppe“ finden. Diese spielten die obigen Ansätze weiter, und unterstrichen den wechselseitigen Einfluss des technischen und des sozialen Systems in Unternehmen. Ihre Erkenntnisse gewann die Gruppe aus Studien und Beratungstätigkeiten rund um den englischen Bergbau und um Umstellungen in der Schichtarbeit sowie deren Auswirkungen auf die Menschen und auf Erfolgsfaktoren.
- Flache Hierarchie
- Generalist*innen - Arbeitsteilung als ultima ratio
- Dezentrale Entscheidungen
Die Grundidee besteht darin, dass Mitarbeiter*innen Generalist*innen sein sollten, also alle Aufgaben ausführen können und in selbstgeführten Gruppen zusammen arbeiten, wie es dem menschlichen Sozialverhalten entspricht. Demokratie bildet die Basis der Zusammenarbeit und Selbstregulierung im Team, die Organisation gibt nur den Rahmen dafür vor. Im Wesentlichen können Sie sich sicher gut vorstellen, dass dies stimmig ist, wenn sehr komplexe Aufgaben in einem einfachen System zu leisten sind. Da alle an allem arbeiten (können), wird man sich auch sehr zur Sache bekunden, an allem interessiert sein, wenig Information verloren gehen, wenngleich der Aufwand beträchtlich ist.
Als Hinweis darauf, wie lange solche Menschenbilder und Theorien nachwirken: noch in den späten 1960er Jahren gab es in Norwegen ein Programm der „industriellen Demokratie“, demzufolge man die Erfolge durch soziotechnische Gestaltung zu heben versuchte, und teilweise auch schaffte. Erst in den 1980er Jahren erreichten die „Ausläufer“ der soziotechnischen Systemtheorie die Werkhallen Europas, als es die ersten teilautonomen Arbeitsgruppen gab. Ein zentraler Faktor ist bis heute, dass man sich nicht daran gewöhnen kann, auf ein Stück Kontrolle im Unternehmen zu verzichten.
Self Actualizing Man
In diesem Menschenbild wird – quasi als Folge oder Gegenbewegung zum Social Man – nicht mehr so stark auf die Gruppe fokussiert, sondern auf den Einzelnen. Arbeit soll humanisiert werden, indem man die individuellen, vielfältigen Bedürfnisse, Fähigkeiten ins Zentrum stellt und der optimalen Bewirtschaftung zuführt. Die heutigen Schlagworte von Selbstverwirklichung und Autonomie gehen auf dieses Menschenbild zurück.
Den gesellschaftlichen Hintergrund können wir aus heutiger Sicht in den vielen Streiks der späten 1960er und 1970er Jahre sehen: die arbeitenden Menschen waren in einer noch immer sehr tayloristisch getakteten Arbeitswelt unzufrieden, unglücklich und auch krank geworden. Arbeitskräfte wechselten häufiger ihre Arbeitgeber*innen, die Firmen hatten mit Fluktuation und Qualitätseinbußen zu kämpfen. Die Ansätze des „Social Man“ waren zwar gut und hilfreich, aber zumeist für die vor allem produzierende, industrielle Wirtschaft keine umsetzbare Lösung. Der „Umweg“ über die Gruppe gemäß dem Social man ist schwer umsetzbar, betrieblich sehr oft schwer darzustellen und zu evaluieren. Mit dem Akzent auf der persönlichen Weiterentwicklung aller Mitarbeiter*innen fand man jedoch betrieblich geeignetere Ziele und Methoden, die auch tagesaktuelle brennende Unzufriedenheit in den Belegschaften begegnen, entkräften half.
Was steht im Zentrum des Self actualizing man (Weinert):
- „Zuerst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ (Bert Brecht): zuerst Basisbedürfnisse beachten, dann Sinnbedürfnis und Selbstverwirklichung
- Mitarbeiter*innen sind „reif“ und in einem bestimmten Maße auch flexibel. Sie reifen durch autonome Entscheidungen und durch längerfristige Entwicklungsmöglichkeiten.
- Menschen sind in erster Linie intrinsisch (also aus sich heraus, aus der Sache heraus) motiviert, externe Motivation bremst dies eher ein.
- Mitarbeiter*innen versuchen von sich aus, ihre eigenen und die Organisationsziele harmonisch zusammen zu bringen
- Was tut die Führung: anregen, unterstützen, fördern; Autonomie ermöglichen, für vollständige Aufgaben sorgen, professionell die Rolle einer/s Interviewer*in/ Mediator*in/ Katalysator*in ausüben (Schein).
Drei Theorien, die in diesem Menschenbild wurzeln, wollen wir uns – noch vor den Organisationstheorien – kurz annähern. Diese Inhalte sind nämlich zum heutigen Basisrepertoire in den meisten Beratungsformen geworden und zählen zur Grundausstattung jeder beraterischen Ausbildung. Aus dieser Popularität heraus werden wir uns hier mit einer Skizzierung wesentlicher Grundaussagen und ein wenig Illustrierung begnügen.
Bedürfnispyramide nach Maslow
Abraham Maslow war Begründer der humanistischen Psychologie, seine Bedürfnispyramide zählt demnach auch zu den Grundbausteinen humanistisch geprägter Beratung.
Er beschreibt fünf Klassen von Bedürfnissen, wobei die ersten vier als Defizitbedürfnisse nur dann aktiv sind, wenn ein Mangel besteht, und das fünfte als Wachstumsbedürfnis letztlich nicht stillbar ist:
- physiologische Bedürfnisse (Schlaf, Essen, Wärme, Sexualität…)
- Sicherheit (Struktur, Ordnung, Angstfreiheit)
- Soziale Bedürfnisse (Zuneigung, Gruppe, Zugehörigkeit)
- Bedürfnis nach Wertschätzung (Ich/Ego, Macht, Status, Beachtung)
- Selbstverwirklichung /Transzendenz.
Hegen Sie Kritik an dieser Überlegung? Nur zu Recht: an diesem Punkt könnte man nämlich die Grundfesten des Self actualizing verwerfen, wenn dies stimmen würde. Man kann nämlich das eine (ungestillte) Bedürfnis durch die Erfüllung eines anderen kompensieren (zumindest auf Zeit).
Aus der Sicht des Autors dieses Heftes bietet sich als bessere „Brille“ eher die weiterentwickelte Bedürfnistheorie von Alderfer an, die zudem viel einfacher ist:
Menschliche Bedürfnisse sind entweder „existence“, also existenzielle Bedürfnisse, oder „relatedness“, also Beziehungsbedürfnisse, oder „growth“, also Wachstumsbedürfnisse. Und die Aktivierung läuft nach oben und nach unten in gleicher Weise, also in jede Richtung.
Motivations-Hygiene-Theorie oder 2-Faktoren-Theorie
Herzberg, Mausner und Snyderman gingen der menschlichen Motivation im Arbeitsbereich auf den Grund, und fanden dazu zwei unabhängige Dimensionen:
- „Kontext verhindert Unzufriedenheit“
Hygienefaktoren oder Kontextfaktoren: je weniger diese „dissatisfiers“ erfüllt werden, umso mehr lösen diese Unzufriedenheit aus, führen aber nicht zu Zufriedenheit.
Bsp.: Lohn, Arbeitsbedingungen, Prozesse, Modell der Führungskräfte, Klima, Beziehungen, Image (des Berufs, der Abteilung, der Firma, der Branche)…
- „Kontent ermöglicht Zufriedenheit“
Motivatoren, oder Kontentfaktoren: führen zu Zufriedenheit.
Bsp.: Verantwortung, Autonomie, Entwicklungsmöglichkeiten, die Arbeit an sich etc.
Diese Überlegungen führten zum Konzept des „job enrichments“, der psychologischen Anreicherung von Arbeit, damit Menschen zufrieden und motiviert sind, und damit auch nachhaltig sehr gute Leistung bringen.
Neoklassische Organisationstheorie I: Theorie X und Theorie Y
McGregor unterstreicht, dass Führungsstil und -verhalten maßgeblich davon abhängen, welches Menschenbild und damit welche Überzeugungen und Einstellungen, Werte die Führungskräfte pflegen. Dies veranschaulicht er an der Theorie X und Theorie Y, die für zwei nahezu konträre Menschenbilder stehen (siehe Abbildung 2).
- X: Menschen/ Mitarbeiter*innen sind träge, arbeitsscheu, wollen geführt werden, brauchen Kontrolle und Autorität.
- Y: Menschen/ Mitarbeiter*innen sind aktiv, streben nach den Organisationszielen, verfügen über Motivation, Entwicklungspotential, Verantwortungsbereitschaft. Man kann sie am besten durch selbst gesetzte Ziele lenken und motivieren, dies fördert deren Selbstkontrolle und deren Integration in den Betrieb.
Das Führungsverhalten wird demnach das Verhalten der Geführten bedingen: nimmt man Mitarbeiter*innen als verantwortungsscheu und passiv an, wird man strengere Kontrollen und Regulierungen einführen, welche wiederum genau dieses Arbeitsverhalten mitbedingen oder erst hervorbringen werden. Aus Y-Perspektive hingegen geht man unwillkürlich mit Angeboten zu Handlungs- und Gestaltungsspielräumen sowie der Möglichkeit zur Selbstkontrolle auf Mitarbeiter*innen zu, die man für verantwortungsbewusst und proaktiv, initiativ hält. Letztlich kennen wir diese Überlegung heute vom Prinzip der „selbsterfüllenden Prophezeiung“ her.
Letztlich kann man sehr wohl festhalten, dass sich die Theorie X in jenen Fällen bewährt, wenn es um Grundbedürfnisse geht, etwa im militärischen Kontext, in Katastrophenmomenten. Ansonsten wirkt sich dieses Bild negativ aus.
Neoklassische Organisationstheorie II: Integration von Individuum und Organisation
Chris Argyris versuchte, psychoanalytische Annahmen mit administrativen Prozessen zu integrieren. Er spricht von der Organisation als Kollegialsystem, in welchem das Individuum Raum und Impulse findet, sich selbst zu verwirklichen. Dieses Konzept reifte er über die Jahre weiter aus hin zum Konzept der „Lernenden Organisation“.
Was beeinflusst maßgeblich jedwedes Verhalten in Organisationen:
- Individuelle Merkmale
- Formale Organisationsstrukturen
- Informelle Gruppenprozesse
Während die bisher betrachteten und betriebenen „klassischen Organisationen“ Argyris zufolge am ehesten den Struktureigenschaften von Kindern entsprechen, denn diese lernen aus Belohnung und Bestrafung. Eine solche Organisationsform wird also Erwachsene dazu verleiten, sich im übertragenen Sinn wieder wie ein Kind aufzuführen. Erwachsene hingegen brauchen Selbstverwirklichung, bemühen sich um einen hohen Selbstwert, vertrauen ihren Fähigkeiten, richten sich langfristig aus und wollen sich selbst bestimmen.
Darum hält Argyris ein gemischtes Modell als erstrebenswert, in dem es neben der hierarchischen Pyramide auch flache Verteilung und Gleichverteilung von Macht gibt. Im Brennpunkt stehen natürlich die Realisierung der Organisationsziele, aber auch die Aufrechterhaltung des internen Systems sowie die Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen. Besonderes Augenmerk wird auf den individuellen psychologischen Erfolg gelegt: dazu analysiert man die Organisation in ihrer Gesamtheit, optimiert mit allen gemeinsam diesen Rahmen; dies schließt erhebliche Einflüsse aller auch auf die Kernfunktionen der Organisation mit ein.
Das Kollegialsystem zeichnet sich wie folgt aus:
- Es gibt starke Partizipation, hierzu auch Gruppenvertreter*innen zur Mitentscheidung
- Qualitätsstandards der eigenen Tätigkeit werden gemeinsam erstellt
- Eigenverantwortung und gleichverteilte Autorität
- Geht es um Routinen oder um Krisenmomente, wird Zentralisierung bevorzugt – geht es um Verantwortung und Bindung von Mitarbeiter*innen, dann wird dezentralisiert
- Berater*innen und Entscheider*innen sind überlappende Rollen und stehen in einer Zweiwegkommunikation, über transparente Aufgaben bekommt man Einblick ins Ganze
Neoklassische Organisationstheorie III: Theorie der Firma
Von den Forscher*innen March, Cyert und Simon stammt dieser behavioristische Ansatz zur Organisation; Simon erhielt für seine Arbeiten zum Thema Entscheidungen immerhin den Wirtschaftsnobelpreis. Dennoch sei vorausgeschickt, dass diese Theorie sehr beschreibend ist und als kaum umsetzbar gilt.
Die Organisation wird hier schlüssiger Weise als System von Individuen betrachtet, die (ständig) Entscheidungen fällen. Die einzigen echten Ziele, die hier verfolgt werden können sind jene, die sich die Führung zu eigen macht, und die Mitarbeiter*innen gekonnt zu den richtigen Entscheidungen bewegt.
Zwei Typen von Entscheidungen sind für ein Unternehmen hier wesentlich:
- „staying“ or „leaving – bleibe ich im Unternehmen oder gehe ich
- (Leistungs-) Erwartungen entsprechen oder verweigern
Diese Entscheidungen werden durch individuelle, innere Beweggründe beeinflusst und davon, wie man die Konsequenzen und Erwartungshaltung der Organisation einschätzt; aber auch wie man Belohnungssysteme und Abläufe im Unternehmen wahrnimmt. Wesentlich in den Entscheidungsvorgängen der Mitarbeiter*innen ist jedoch, dass diese immer in „bounded rationality“, also in limitierter, gehemmter Rationalität geschehen: unter zeitlichem Druck, eingeengten Ressourcen der Informationsbeschaffung und –bearbeitung. Darum folgen Mitarbeiter*innen auch gerne den Erwartungen der Führungskräfte. Dies vereinfacht die Sache im Alltag enorm, und tausende kleiner solcher Entscheidungen begründen die gesamte Haltung, und somit die wesentliche Antwort auf die obigen zwei Fragen. In einer solchen Organisation kommt es zu ständigen Verhandlungen, nicht nur top-down, sondern vor allem lateral: Kolleg*innen gleichen einander ständig ab, echte Entwicklung und echte Lösungen für gegebene Probleme können so selten stattfinden. Vielmehr wartet man mit seinen vorbereiteten, festen Lösungsansätzen darauf, dass die passenden Probleme auftauchen.
Die Theorie der Firma ist gekennzeichnet durch:
Der Arbeitsvertrag regelt Zielkonflikte
Jene Entscheidungen, die für die Firma irrelevant sind, liegen bei der/dem Mitarbeiter*in
Mitarbeiter*innen werden zunehmend zu Dienstleister*innen
Führung richtet die Entscheidungen auf die Organisationsziele aus, während Mitarbeiter*innen als Berater*innen die beste konkrete Lösung erarbeiten: dies führt zu Konflikten zwischen Ziel und Lösung
Complex Man
Die Schwierigkeit des Menschenbildes Self Actualizing Man war in den letzten Theorien des vorigen Kapitels bereits sichtbar geworden: es ist nicht zielführend und realitätsnah, generelle Richtlinien und Handlungsvorschriften zu entwerfen, und es genügt nicht, den Individuen generell mehr Räume einzugestehen. Im Menschenbild des Complex Man geht man nun mehr darauf ein, dass es enorme Unterschiede zwischen den Menschen gibt, und ebensolche enormen Unterschiede sich bei ein und derselben Person über die Zeit und über die Situationen hinweg zeigen.
Schein beschreibt den Hintergrund des Complex Man mittels folgender sechs Annahmen:
Bedürfnisse variieren in und zwischen Personen
Die Motive sind nicht voneinander unabhängig
Jeder Mensch hat eine komplexe Lerngeschichte mit stetig neuen Motiven
Man muss darum in einer Organisation unterschiedliche Motive zugleich verfolgen
Zufriedenheit und Leistung spiegeln nur teilweise die Motivmuster wider
Es gibt nicht DEN richtigen Weg in der Führung, sondern nur für diese Personen in dieser Situation.
Auf diesem Hintergrund bemühte man sich ab den 1970er Jahren darum, Situationen zu erfassen und zu analysieren, ohne jedoch allgemeine Richtlinien für das Verhalten daraus abzuleiten. Es ging nun um die Gestaltung von Arbeitsaufgaben, um die Gestaltung von Autonomie und Feedbackformen, um die Gestaltung von Strukturen und Prozessen des technischen und des sozialen Arbeitsaspektes.
Gerade jene Theorien fanden aus der Perspektive des Complex Man verstärkt Beachtung, welche vor allem die situativen Faktoren miteinbeziehen, die sogenannten Kontingenztheorien. Aber ebenso Ansätze, die sich mit der Bedeutung und dem Sinn in Organisationen beschäftigen, letztlich mit Kultur und deren Aspekte im Organisationsbereich, oder aber mit der Neugestaltung bisheriger bürokratischer Systeme.
Kontingenztheorien
Wie bereits unterstrichen, sind Unternehmen dann effektiv, wenn sie sich erfolgreich nach den Umweltfaktoren ausrichten.
Auf welche Umwelt- und Situationsfaktoren sollen sich nun Organisationen erfolgreich ausrichten: [24]
- geografische, technologische und kommerzielle Aspekte
- Wirtschaftslage
- Marktbedingungen
- Konkurrenz
- Arbeitsmarkt
- Zulieferer*innen
- Erfassung Umweltaspekte über Unsicherheit und Komplexität
Wie sollen dies Organisationen schaffen?
In keinem Fall normativ, also „wenn a, dann x“
Durch akkurate ständige Analyse der Umwelt
Durch anschließende rationale Entscheidungen
Durch die effektive Nutzung von „gate keepers“, also jenen Funktionen im Unternehmen, die eine Anbindung zur Außenwelt darstellen (Pressestelle, Verkauf, Außendienst, Beraterpool etc.)
Indem sie die passende Position finden [25]
zwischen einem „mechanistischen“ Systemtyp (siehe Systemgastronomie, Fastfood, Pharma - mit Expertentum, Regeln und Hierarchien) und
einem „organischen“ Typ (Informationstechnologien, Kreativindustrie, Biotechforschung – Austausch und aktive Teilnahme)
indem sie die innere soziale Architektur gekonnt ausrichten, also Funktionen, Fähigkeiten und Firmenziel:
bei einer stabilen Umwelt arbeitsteilige Strukturen wählen und damit hohe innere wechselseitige Abhängigkeiten eingehen (kaum eine Aktion kann ohne Kommunikation oder Einbeziehung der anderen Abteilungen laufen)
bei einer dynamischen, veränderlichen Umwelt eher einer multi-divisionale Form anstreben (wo es verschiedene Produktlinien gibt, Abteilungen für verschiedene Märkte und damit auch eigenständige Ziele und Verantwortungen, quasi einzelne Subunternehmen unter einem Dach).
Organisation als Informationsverarbeitendes System
Jay Galbraith sah im „Unternehmen“ grundsätzlich die ständigen Entscheidungsprozesse zu Strategien und zum „wie organisieren wir uns“, damit Firmenziele, Strukturen und individuelle Bedürfnisse integriert werden.
Aufbauend auf den Bildern elektronischer Datenverarbeitung beschreibt Galbraith, wie Unternehmen mit stetig wachsender Unsicherheit der Aufgaben umgehen können. Damit bezeichnet er den Umstand, dass man einerseits bestimmte Informationen benötigt, um Problem- und Aufgabenlösungen erfüllen zu können, andererseits aber eine bestimmte Informationsmenge bereits zur Verfügung hat. Je komplexer die Aufgaben und die Umwelt, umso unsicherer werden die Aufgabenstellungen, umso vielschichtiger die Ziele und umso differenzierter die interne Organisation. Informationsmenge und Informationskapazität sollten in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen.
Dieses (Fließ-) Gleichgewicht schafft ein Unternehmen, respektive dessen Mitarbeiter*innen, indem sie…
- Reserven bilden, indem die Leistung heruntergefahren wird.
Nachteil: Reserven kosten Ressourcen und bremsen das System aus
- Unabhängige Teilstrukturen (Projektgruppen, Abteilungen mit jeweils einem einzigen klaren Ziel) schaffen.
Nachteil: mehr Bindung an die Teilgruppe als an das Unternehmen, parallele Kosten
- Ein vertikales Informationssystem installieren
Nachteil: „up to date“ sein kostet Ressourcen, Anforderungen an die Mitarbeiter*innen, oftmals Verweigerung/ Sabotage durch inkonsequente, unvollständige Nutzung
- laterale Beziehungen, also Kollegialbeziehungen in der Belegschaft und deren Austausch fördern und stützen.
Nachteil: zeitliche und lokale Räume kosten Ressourcen, Effizienzfragen tauchen auf, Konfliktpotential entsteht erst dadurch vermehrt.
Über verschiedene Systeme der Belohnung, Bestrafung, Anreize, aber auch über Identifikation, Involvement oder Akzeptanz beeinflusst die Organisation und damit die Führung das Verhalten der Mitarbeiter*innen (siehe Abbildung 3).
Erklärung: Geteilte Zellen: linke Zelle bezeichnet den Einfluss auf das Verhalten innerhalb der Gruppe, die rechte Zelle zwischen den Gruppen.
Hierbei strebt man an, dass Mitarbeiter*innen dem Unternehmen beitreten oder bleiben, ihre Rolle übernehmen, mehr als ein Minimum leisten, proaktiv und kooperativ sind. Die Identifikation mit der Organisation ist die höchste Ebene der Motivation, und unterstützt demnach auch alle gewünschten Verhaltensaspekte nachdrücklich.
Was kennzeichnet nun ein Unternehmen im Sinne des „Informations-verarbeitenden Systems“:
- Die Arbeitsteilung sinkt mit zunehmender Unsicherheit
- Führungsautorität nur in Ausnahmen und Krisen
- dezentrale Entscheidungen erhöhen die Informationsverarbeitung
- vertikale Informationssysteme erleichtern entsprechende Gruppenentscheidungen (arbeiten in – virtuellen - Netzen bahnt sich an)
- Die Rolle der internen Berater*innen wird weiter aufgewertet, allerdings verschwimmen die Grenzen zwischen Führung und Operative/Beratung, also Linie und Stab.
Organisationen als Arenen der Macht
Henry Mintzberg greift genau das Manko des zuletzt geschilderten, informationstheoretischen Ansatzes auf und stellt dies ins Zentrum der Betrachtung: Machtbeziehungen und Ausdruck von Macht in Organisationen.
In Organisationen wird ständig um Macht gespielt, diese strategisch und taktisch eingesetzt.
Wer sind nun die „Player*innen“ um die Macht?
Interne und externe Gruppen und Einzelpersonen versuchen in Organisationen Macht auszuüben und zu mehren (siehe Abbildung 4).
„Operating Core“ steht für die ausführende Basis, die Produktion. Die „middle line“ bezeichnet das Mittlere Management samt Team- und Abteilungsleiter*innen, Projektleader*innen, welche neben Überwachungsaufgaben auch die Kommunikation mit Außenwelten führen. Die Führungsspitze und damit strategische Akteur*innen sind der „strategic apex“, deren Ziele und damit Entscheidungsprozesse langfristig ausgelegt sind. Außerhalb des Ganzen siedelt Mintzberg die „technostructure“, das technische System (wo es vor allem um informelle Kommunikation und Prozesskompetenz geht) und das unterstützende System, „support staff“ an. Letztere beraten und servicieren das zentrale System quer durch alle Ebenen, etwa als Postbotendienst, Kantine, Forschungsabteilung, Public Relations Office, Rechtsabteilung).
Außerhalb dieser Darstellung beeinflussen weitere Komponenten wie Aktieninhaber*innen, Firmenbesitzer*innen, aber auch Lieferant*innen, Mitbewerber*innen und Gewerbeorgane die Organisation zeitweise maßgeblich mit.
Welche Formen nehmen nun Organisationen an, gemäß ihrem Umgang mit Macht, sie zeigen und gestalten sich als:
- Instrumente – diese sind wesentlich von außen gesteuert (Post, Feuerwehr, Zwangsorganisationen)
- Geschlossene Systeme – werden von außen und innen beeinflusst, existieren in einem engen Korsett, auch als „Maschinenbürokratie“ bezeichnet (bei großen internationalen „reifen“ Firmen, AMS)
- Mission – eine klare Ideologie mit klaren inspirierenden Zielen steuert von innen, es gibt eine einfache Umwelt, externe Einflüsse werden abgeschirmt (Hilfsorganisationen, soziale Vereine).
- Autokratie – weisen eine einfache Struktur auf, sind organisch und flexibel, leben in dynamischen Nischen, orientieren sich an einer starken Persönlichkeit und entsprechen einer starken Unternehmensphilosophie (alteingesessene Mittelstandsbetriebe, Familienimperien).
- Meritokratie – hier wirkt Macht über Fertigkeit und Wissen, Intrigen und Koalitionen prägen den Alltag (professionelle Bürokratie wie Spitäler und Universitäten, aber auch „Adhokratie“ in Think-tank ähnlichen Beratungsfirmen oder Kreativagenturen)
- Politische Arenen – hier sind per se alle am Machtspiel beteiligt, es grassieren Konflikte zu sich ständig verändernden Zielen, solche Systeme glänzen entweder durch ein Übermaß an Flexibilität oder durch Erstarrung.
Wo sind welche Formen besonders erfolgreich?
- In der Umsetzung der Unternehmensziele sind dies Autokratie und Mission
- In der Effizienz sind es Instrumente und geschlossene Systeme
- In der Leistung sind es professionelle Bürokratien
- In der Innovation sind es Adhokratie, also spezielle Meritokratien
Organisationen sollten einerseits danach trachten mehrere Motive zu bedienen: Unternehmensziele erreichen, effizient sein, hohe Leistungen erbringen, innovative Räume bedienen, Kooperation und Kultur und damit auch Umgang mit Konflikten pflegen.
Letztlich kann man die jeweiligen Motive nur über unterschiedliche Instrumente und Maßnahmen erreichen und eine Organisation wird sich wiederholt dafür entscheiden müssen, welches Motiv (also Unternehmensbedürfnis) an erster Stelle liegt.
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Theorie des Organisierens
Karl Weick knüpft an das bereits erwähnte konstruktivistische Paradigma an, demzufolge wir nicht von einer sondern von vielen, nahezu unzählig möglichen Wirklichkeiten sprechen, die durch unsere Interpretationen, durch Kommunikation und soziale Momente Bedeutung und Sinngehalt bekommen. Auch in Organisationen geht es also darum, dass Landkarten geschaffen werden und diese wiederum Verhalten bedingen und damit Realität schaffen.
Wie geschieht dies konkret?
Während Mitarbeiter*innen und Führung denken, träumen, sprechen und handeln greifen sie auf Metaphern zurück („alle an einem Strang ziehen“, „im selben Boot sitzen“, „Lemminge“), aber auch auf Labels („das ist Arbeit“, „das ist Meuterei“, „das ist Freizeit“) und auf Plattitüden („wer viel tut ist fleißig“, „den Letzten beißen die Hunde“, „Leben ist anstrengend“, „Arbeit ist das halbe Leben“). Letztere sind jene Sprüche, die schwer zu wiederlegen oder zu konkretisieren sind, jedoch mit bedingen, was wir als normal oder anständig oder erstrebenswert sehen.
Welche konkreten Richtlinien kennzeichnen nun die Theorie des Organisierens?
- Don´t panic in face of disorder
In komplexen, mehrdeutigen Welten müssen wir unterschiedliche Sichtweisen und Handlungen zugleich setzen
- You never do one thing all at once
Entscheidungen und Aktionen wirken wie Wellen im Meer, darum die Warnung vor Aktionismus und der Aufruf zu Bedachtsamkeit im Umgang mit dem System
- Chaotic action is preferable to orderly action
Nichts tun ist in jedem Fall lähmend und verwirrend, besser ist „panta rhei, alles fließt“
- Most important decisions are often the least apparent
Dies erinnert an später berichtete Techniken wie appreciative inquiry, wonach die kleinen relevanten Momente ins Bewusstsein gerufen werden und damit deren Bedeutung fixiert wird.
- There is no solution
Probleme kann man nicht eindeutig oder optimal lösen, man kann sie aber managen
- Stamp out utility
Der übliche Nutzengedanken bremst in absehbarer Zeit Unternehmen in deren Entwicklung aus und Potential im Unternehmen verkümmert, statt zu befruchten.
- The map is the territory
Ein Aufruf über unsere Konstruktionen zu sprechen, darüber was ankommt oder was wie wahrgenommen wird
- Re-chart the organizational chart
Da bisherige Funktionsbeschreibungen nach Weick nicht die gelebte, sinnhafte Unternehmensrealität zeigen, sollte man alles neu zeichnen und beschreiben (etwa in Form von mindmaps, Gemälden mit Symbolen wie „der Hahn auf dem Mist“, „das Ei“, „der Bauer“, der „Tank“, der „Fluss“… siehe OMV-Print-Werbung 2006)
- Visualize organizations as evolutionary systems
Individuen, Unternehmensteile und Unternehmen verändern sich nicht nur, sondern sie entwickeln sich.
- Complicate yourself
Einfach bedeutet, das wesentliche Potential abgeben, der Realität nicht begegnen.
Kulturtheorie
Auch bei Edgar Schein finden wir den Einzug von konstruktivistischer Sichtweise als Instrument, um den „Complex Man“ in einer „complex world“ zu betrachten und für Unternehmen Empfehlungen zu gewinnen.
Im Laufe der Entwicklung von sozialen Einheiten, von Gruppen und damit von Unternehmen werden aus den Erfahrungen bestimmte Grundannahmen getroffen, die zu einem Großteil nicht geäußert werden. Wie es beim Individuum etwa Glaubenssätze sein können („ich muss mich anstrengen, um es zu etwas zu bringen“, „ich bin zu faul“, „mir kann keiner was“, „Leben ist Genuss“), so sind es hier ganze Denk- und Verhaltensmuster, die auch für neue Probleme als Lösungsschablone genommen werden („Filialen schließen“, „scharfes Controlling einsetzen“, „wachsen, wachsen, wachsen“, „auf neue Märkte setzen“).
Diese Grundannahmen werden durch die sozialen Momente wie etwa verbale und nonverbale Kommunikation, Imitation und Modellwirkung etc. weiter gereicht, „weitervererbt“. Grundannahmen schaffen somit Wirklichkeiten: was wird thematisiert, was nicht eines Blickes gewürdigt, was erkennt man als Problem, welche Rolle spielen Gefühle, wie sehen Lösungen aus. Aber ebenso bewirken diese Grundannahmen die leitenden Werte eines Unternehmens und seiner Individuen, deren Normen, Tabus, Regeln und deren Symbole. Als „Fremder“ sieht man dies symptomatisch am stärksten an der verwendeten Sprache („denglish“, Abkürzungen, Versachlichung), den Floskeln („Maaaaahlzeit“), den Statussymbolen (Auto, Kleidung, Uniform, „Tracht“, Hobbies), den Zeichen (Türschild, „kein Parteienverkehr“, „komme gleich“, blackboard, „dumbs up“).
All dies bezeichnet man als Unternehmenskultur, die auf der Weitergabe und Weiterentwicklung von Grundannahmen beruht.
So kann in einem Unternehmen etwa Schweigen bei Meetings als Respekt und konstruktiver Beitrag zur effizienten Zeit- und Rollennutzung sein, in einem anderen wiederum ist es wesentlich, sich emotional stark und umfangreich auszudrücken und kleine „Bühnen“ zu bewirtschaften, die eine „speakers corner“-Funktion erfüllen.
Ein guter Teil dieser Annahmen ist unbewusst, einem Eisbergrumpf gleich unter Wasser, jedoch stark wirksam. Andere Elemente sind zugänglich, intern oder von extern beobachtbar und erkennbar. Andere Kulturelemente können auch sehr bewusst und gemeinsam gepflegt sein (Logos, Image, Design, Kommunikationsräume etc.). Die letztgenannten Merkmale sind dann zwar bewusst, deren eigentlicher Gehalt, die Grundannahmen dahinter, sind jedoch zumeist sehr schwer zu entschlüsseln.
Kultur wird von Gründer*innen fundiert, von einer Kerngruppe angelegt und von (formell oder informell) einflussreichen Personen geprägt. Letztlich nimmt jede/r der Organisation täglich daran teil, die geltenden Annahmen und Kultur zu verfestigen, zu bestätigen, oder zu hinterfragen, aufzubrechen und zu verändern. Sichtbare Belege dafür sind etwa die „Legenden“, „Anekdoten“, „Gründungsgeschichten“, „Heldenfiguren“, aber auch die typischen Rituale („casual friday“). Besondere Einzelpersonen sind als Kulturträger*innen üblicherweise die Controller*innen oder Inquisitor*innen der Unternehmenskultur.
Indem in Unternehmen neue Geschichten geschrieben und mitgeteilt werden, verändern sich auch Grundannahmen und Kulturelemente. Insbesondere bei ineffektiven oder existenzgefährdenden Grundannahmen wird es wesentlich sein, dies zu identifizieren und zu verändern. Beobachtungs- und Feedbacksysteme, Klausuren oder externe (systemische) Beobachtungsprotokolle erlauben hier, den Fokus zu bündeln, die Organisation ihrer selbst bewusst zu machen. Letztlich steht die Kulturtheorie hiermit der Theorie von der Lernenden Organisation sehr nahe.
New Public Management
Haben Sie es in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren bereits bemerkt?
Mancherorts haben Sie wahrscheinlich erlebt, dass bislang schwerfällige, bürokratische Organisationen (Krankenkasse, Magistrat, Kammern etc.) Sie überhaupt erstmals oder spürbar stärker als Kund*innen wahrgenommen haben. Vielleicht haben Sie gestaunt, wie effektiv und effizient plötzlich Anliegen und Aufträge abgewickelt wurden, wahrscheinlich haben Sie mit leicht zynischem Blick PR-Maßnahmen als Beitrag zu bisher ungekannter Transparenz betrachtet („von wegen Bürger*innennähe, da lass ich mich aber überraschen“). Ja, richtig vermutet: diese teils auch stark extern spürbaren Paradigmenwechsel bei solchen Organisationen geschahen auf dem Hintergrund des „New Public Management“ Ansatzes. Damit fokussierte man nach langen Jahrzehnten (oder länger) auf eine komplette Neugestaltung der Struktur und der Kultur in diesem Bereich an. Intern wurde sehr nachhaltig an Wandlungsprozessen gestaltet, um ökonomisch sinnvoll zu wirtschaften, um die Organisation und deren Mitglieder zielgenau auszurichten, deren Leistungen messbar und darstellbar zu machen, und damit bewirtschaftbar.
Acht Grundsätze prägen das New Public Management:
Rückzug auf Kernkompetenzen und damit eine neue Organisationsstruktur und Outsourcing von Dienstleistungen, Zukauf von Produkten. Dieser Weg wird laufend weiter bestritten, etwa in der kürzlichen Zusammenlegung und Externalisierung der IT-Zentren der Sozialversicherungen.
Einführung von neuen Steuerungsinstrumenten und neuen Maßnahmen wie das Auditing, Zielvereinbarungen, die Vergabe von Leistungsaufträgen, die Erstellung und Optimierung von Standardprozessen: die Organisation wird zunehmend output-orientiert aufgestellt.
Trennung von Politik und Verwaltung wird gefordert, um bisherige Gräben, Blockaden und Wucher zu schließen. Über viele Jahre wird daran gearbeitet, dass normative Rollen und strategische sowie operative voneinander getrennt werden und Entscheidungen dezentralisiert etwa in den Abteilungen autonom getroffen werden können. Die vielfach weit verteilten Verantwortungen werden zunehmend in smarte Funktionen integriert.
Man kreiert zusehends neue Produkte (siehe Wifi Berater*innenpool, Gründerservice der WKO) und betreibt massive Qualitätsorientierung, indem man Kund*innenzentren aufbaut, Marketing betreibt und Qualitätsstandards verfolgt.
In der Personalführung revolutioniert sich der alte „beamtische“ Verwaltungsansatz in Richtung moderne Führung und Personalpflege, Ausbildung und Entwicklung von Humanressourcen wird extensiv ausgebaut.
In die Finanzverwaltung wird Budgetlogik eingeführt, dezentral von Einheiten selbst verwaltet, interne und externe Rechnungsführungen werden revolutioniert (e-Rechnung, transparente Info zu den geleisteten Diensten etwa bei SVA-Abrechnungen, interne Rechnungsflüsse zwischen Einheiten).
Man betreibt aktives Monitoring der Leistungsträger*innen (Abteilungen, Produktlinien) über die jeweiligen Kosten, effektiven Leistungen und deren Wirkung
Ablaufprozesse werden durch intensive Unterstützung externer Beratung (Organisationsentwicklung) optimiert
.
Postmodern Man und Wissensarbeiter
Anders als beim „Complex Man“ stehen nun (mittlerweile) massive, bereits angelaufene soziodemografische Veränderungen im Kern der Betrachtung, die ebenso starke Auswirkungen auf Menschenbild und Wirtschaftstreiben, auf die gesamte Orientierung der Gesellschaft haben (werden), zum Großteil in noch nicht absehbarer Form. So verändert sich etwa die Alterspyramide in den Gesellschaften der Ersten Welt [26] , Menschen werden zunehmend älter, der Beschäftigungszeitraum verkürzt sich teilweise jedoch, es kommen stets weniger Kinder zur Welt, die Bildungssysteme suchen nach einer Neuausrichtung in einer schwer prognostizierbaren wandelnden Umwelt. Die Globalisierung [27] der Märkte [28] , kapitalistische oder auch Gemeinwohlansätze und das Ringen um soziale Gerechtigkeit prägten bereits das letzte Jahrzehnt. Zudem erleben wir eine Veränderung in der Berufsarchitektur (Stichwort: „stirbt die Lehre aus?“, „wie viele Ausbildungen braucht man noch“, Berufsbilder verändern sich oder sterben aus) und in den Arbeitsstrukturen (Teleworking, neue Optionen in den Arbeitszeiten, Neue Selbständigkeit, Freelancertum, Generation Praktikum).
Folgt man zeitgenössischen Beiträgen zur Frage, wohin wir uns seit einigen Jahren hin entwickeln, so findet man rasch zu Autor*innen aus der Trend- und Zukunftsforschung wie Max Horx, langjährigen Vorreiter*innen aus Beratung und Forschung, sowie Peter Drucker (dem zu Ehren im Herbst 2009 ein Symposium in Wien abgehalten wurde - leider bereits in memoriam). Wie schätzen diese hochrangigen (Vor-)Denker*innen die derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen ein, vor allem im Hinblick auf den Menschen in der Wirtschaft und auf die nötigen Korrekturen in Organisationen?
Die rasante (Weiter-) Entwicklung der Informationstechnologien schafft neue Optionen, neue Wirklichkeiten in der Arbeits- und damit Unternehmenswelt, und damit neue Herausforderungen für die Menschen.
Im Rahmen neuer Beschäftigungsformen und „postmodernen“ Lebensbedingungen strebt der Mensch nach Selbstverwirklichung und Freiheit, er legt in seiner Arbeit und in seinem Leben insgesamt sehr viel Wert auf Eigenständigkeit und Selbstbestimmung. Bewusst oder unbewusst geht er einen Weg, auf dem er sich ständig neu sucht/ findet und neu definiert.
Max Horx beschreibt eine neue Ausrichtung der Wirtschaft, die Ihnen aus unserem (mittlerweile) Alltag wohlbekannt sein wird: den „smart capitalism“ [29] . Geprägt wird dieser durch
- die Prinzipien der Dienstleistungsdemokratie (alles ist Service, jeder ist persönliche Dienstleister*in),
- dem Kapital des Vertrauens (je komplexer und unkontrollierbarer die Welt umso höher der Wert des Vertrauens),
- der neuen Nachhaltigkeit (corporate social responsibility, neue partizipative Formen der Bürgerbeteiligung, Kooperationen von öffentlichen Institutionen und privaten Unternehmen)
- der Softindividualität (Menschen existieren in Netzwerken, der alte „Egoismus“ ist out, eine neue Form der Selbstpflege ist angesagt)
- dem Glokalismus (lokales Bewusstsein und Pflege lokaler Werte und Ressourcen, eingebettet in globale Marktbewegungen und globale Sicht)
- dem „wachsenden Menschen“ (Stichwort „Lifelong learning“)
- der „Überwindung der Spaltung“ (Extreme weichen auf wie „Arbeit, Freizeit“, „Wirtschaft und Politik“, „Mann und Frau“, „Volk und Individuum“ etc.).
Der Begriff „postmodern man“ geht auf Hatch [30] zurück und deckt sich in weitestem Sinne mit dem „Wissensarbeiter“ nach Drucker. Dieser „neue“ Mensch stellt die Freiheit und die Selbstbestimmung in sein Lebenszentrum, er agiert in einer Welt der Information und des Wissens. Bisherige Formen des Wissens waren ein lebenslanges Kapital, brachten Status und Macht sowie finanzielle Sicherheit. Dies kann in einer beschleunigten Welt nicht mehr funktionieren. Darum sind es nun andere Säulen, auf welche der postmoderne Mensch setzt: Kreativität, hohe fachliche und soziale Kompetenz. Man setzt auf Spaß und Flow, auf gelingende Kommunikation und auf Persönlichkeit. Führung geschieht durch Visionen und durch Klärung von Zielen, Richtung, Wegen und Rollenanforderungen. Die individuellen Potentiale sollen beständig gefördert werden, damit sich das Wissen und die Stärken der Mitarbeiter*innen in Produktivität verwandeln.
„Postmoderne“ Organisationstheorien
Postmoderne Werte wie Freiheit, Kreativität und Verantwortung bilden, wie Sie sehen werden, bei allen diesen Ansätzen die Wurzeln. Allerdings muss hier auch darauf hingewiesen werden, dass Pluralität und „Nichtfestlegung“ und der Diskurs (die laufende Diskussion) an sich ebenfalls Werte der Postmoderne sind und darum würde man postmodern eher sagen: lasst uns einen Dialog darüber führen, um heraus zu finden, welche Werte es denn wirklich sind, die in der postmodernen Welt wirken.
Darum werden Sie auch die hier beschriebenen Organisationstheorien als recht bunte Mischung erleben.
Dennoch recht durchgängig sind die Organisationstheorien des postmodern man gekennzeichnet durch:
- Horizontale Strukturen
- Flache Hierarchien
- Flexibilität als Wert und Qualität
- Empowerment als Methode (statt Kontrolle)
- Innovation als ständig treibendes Prinzip
- Kund*innenservice steht im Kern der Unternehmung
Sehr viele Organisationstheorien sind zwischen 1990 und 2009 ersonnen worden, in diesem Heft werden wir auf eine Auswahl in unterschiedlicher Tiefe eingehen.
Behrens und Bierach (2002) listen aus einer verstärkt betriebswirtschaftlichen Sicht eine Reihe von Organisationstheorien und damit verbundene Management-philosophien im Zeitraum des Postmodern Man auf (siehe Tabelle 3).
Periode | Vertreter | Kurzbeschreibung in Stichworten |
---|---|---|
Ende 80er: |
|
|
Kaizen und TQM Just in Time Globalisierung |
Masaaki Imai James Womack, Danile Jones Kenischi Ohmae |
kontinuierliche Lernprozesse, systematische Optimierung der Prozesse Optimierung der Wertschöpfungskette Wettrennen um die Märkte |
Beginn 90er: |
|
|
Reengineering Shareholder value Team versus Leader |
Michael Hammer Alfred Rappaport Warren Bennis |
Prozesse überdenken, mehr Produktivität Kapitalmarktperspektive über Kennzahlen in Unternehmen Innovation im Team schaffen |
Mitte 90er: |
|
|
Benchmarking Balanced Scorecard Kernkompetenzen Knowledge Management |
Robert Campy Robert Kaplan Gary Hamel Peter Senge |
Leistungsvergleiche Finanzdaten erweitern um Kund*innen, um Mitarbeiter*innen etc. was man am besten kann Wissenspools |
Ende 90er: |
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Dekonstruktion Mergers & Akquisitions Corporate Governance |
Dieter Heuskel R. Greenbury |
Wertschöpfungsketten aufbrechen, neue Formierungen am Markt was nicht wächst, kauft sich Wachstum effektive Kontrolle von Organisationen |
2000: |
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E-Commerce Customer Relationship Management Corporate Portfolio/ Desinvestment |
N. Negroponte F. Reichheld Jack Welch |
Neue Vertriebswelten? unsere Kund*innen im Fokus verkaufen, was nicht Nummer 1,2,3 am Markt ist |
Future: |
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Szenario/ Sustainability: Fokussierter Mischkonzern Unternehmensinterne Börse |
Arje de Geus |
Was müssen wir tun? mehr als eine Kernkompetenz streuen, stabilisiert wo verzinsen sich unsere Mittel intern optimal |
Tabelle 3: Management & Organisationsphilosophien
(nach Behrens und Bierach, 2002, S.102-104
Ansätze des Re-Engineerings (Hammer und Champy, 1993)
„Die Philosophie des Business Reengineering ist es schließlich, die bestehende Organisation grundsätzlich in Frage zu stellen, d.h. unabhängig von den bestehenden Strukturen eine neue Organisation „auf der grünen Wiese“ zu konzipieren“ [31]
Damit kommt es zu einer einmaligen, jedoch radikalen Veränderung der gesamten Organisation (Struktur, Kultur) und damit der Rollen der Belegschaft. Dies ist somit ein möglicher Ansatz, um Innovation und Veränderung herbei zu führen. Die Frage wird jedoch sein: zu welchem Zeitpunkt beschließt man dies, wie kommuniziert man dieses Vorhaben intern und extern und welche (sehr guten und sehr wichtigen) Anteile müssen auf welche Weise in die Veränderung positiv integriert und bewahrt werden.
Die grenzenlose Organisation (Ashekenas, Ulrich, Jick und Kerr, 1995), oder Picot, Reichwald und Wigand (1996)
Ähnlich wie der Ansatz der Fraktalen Fabrik oder Virtuellen Organisation erfasst man hier das Phänomen neuer Arbeitsstrukturen: Übernahmen und Fusionen von Unternehmen ergeben immer größere Einheiten, wo jede wiederum mit weiteren Einheiten verknüpft wird oder in einem Vertragsverhältnis steht. Somit kommt es – von oben besehen – zu Unternehmensnetzen, die sich über Sparten und Branchen, über Nationen und Kontinente hinweg erstrecken. Pflegen Unternehmen solche Konzepte längerfristig und bewusster, so führt dies zu neuen internen Strukturen, zu Netzwerk- oder Clanorganisationen [32] . Arbeit wird dadurch herausfordernder, unsicherer, anstrengender, aber auch freier, selbstverantworteter, mit mehr Selbstentwicklung im postmodernen Sinn.
Keiretsu (Gerlach, 1992, sowie Burt, Doyle, 1994)
… beschreibt Unternehmenskonglomerate als eine engere Form der vertikalen und horizontalen Vernetzung von mehreren Unternehmen.
Hier agiert jedes Unternehmen weiter selbständig, geht aber mit unterschiedlichen anderen innerhalb eines gemeinsamen Netzwerkes Verbindungen und unterschiedliche Verträge ein. Im Regelfall stehen im Zentrum des Netzes eine Bank, ein Industrie- und ein Handelsunternehmen, bei denen sich die Vorteile subsummieren. Die enorme Kostenersparnis ist der wesentliche unternehmerische Zielfaktor, der zur Bildung von Keiretsu´s führt:
- Personal-Sharing
- Die Pflege des Zusammengehörigkeitsgefühls
- Gegenseitige Aktienbeteiligungen
- Die vorrangige Auftragsvergabe innerhalb des Netzwerkes sind ebenso üblich, wie
- regelmäßige Treffen mit einer Vielzahl von Netzwerkpartner*innen und assoziierten Betrieben, inklusive Zulieferer*innen und Dienstleister*innen.
Historisch gehen Keiretsu´s auf sogenannte Zaibatsu´s zurück: dies waren Mischkonzerne, die in der Hand einzelner Familien waren, allerdings im Nachkriegsjapan verboten wurden (Verhinderung von feudalen Strukturen, Kartellen und Monopolstellungen). In den wirtschaftlichen Rückschlägen der 1990er Jahre kamen viele japanische Firmen von der Keiretsu-Philosophie ab, und vergaben Aufträge nach Kosten-Nutzen- bzw. nach Preis-Leistungskriterien und taten sich somit auch mit Partner*innen außerhalb des Netzwerkes zusammen, um ihr Überleben zu sichern.
Szenarien & Sustainability
Arie de Geus war über viele Jahrzehnte strategischer Vordenker des Konzerns Royal Dutch/Shell gewesen, bevor er mit Quintessenzen aus diesem Erfahrungsschatz in die Öffentlichkeit ging [33] und als Beitrag zu ökonomischen Langlebigkeit über neue Szenarien in Unternehmen schrieb: was sind erfolgreiche Unternehmen, was zeichnet langlebige Unternehmen aus und was sind die tieferen Ursachen dafür. Auch in seinem in deutscher Sprache erschienenen Buch zur Verantwortung in Unternehmen, „Jenseits der Ökonomie“ finden sich seine zentralen Anliegen an die Unternehmen wieder: Unternehmen brauchen Gewinne, drehen sich um Kapital; dies allein genügt jedoch nicht, um Unternehmen länger leben zu lassen, im Regelfall rafft sie die Profitgier innerhalb von zwanzig Jahren dahin. Darum stellt er die Lernfähigkeit direkt neben den Gewinn.
Schlüsselfaktoren für langlebige Unternehmen sind:
- Hohe Umweltsensibilität (durch dauerndes Lernen und Anpassung)
- Bereitschaft zu radikaler Veränderung des Kerngeschäftes
- Hoher Zusammenhalt und Identität zur Gemeinschaftsbildung
- Toleranz und dezentrale Strukturen für ein ökologisches Bewusstsein
- Vorsichtige Finanzierung zur Selbstbestimmung
- Bewahrung und Erneuerung der Grundwerte
Damit gestaltete de Geus das Konzept der Lernenden Organisation fundamental mit: Unternehmen können sich bis an die Grenze zum Chaos hin organisieren und damit Räume für internes Entrepreneurship, für Unternehmergeist bis in die untersten Hierarchien sorgen.
Szenarientechnik [34] war bereits im Rahmen der neuen soziotechnischen Ansätze beschrieben worden. Als strategische Methode kennzeichnen Szenarien den Schwenk vom industriellen in das Informationszeitalter. Unternehmen wie Royal Dutch/ Shell, die RAND Corporation oder der Club of Rome sowie die UNO arbeiten vollständig mit diesem Ansatz. Pierre Wack [35] gilt als einer der ersten Autoren zu diesem Thema, Peter Schwartz [36] veröffentlichte gemeinsam mit Doug Randall das „Pentagon 2020 Warning Scenario“.
TQM Total Quality Management (Crosby, 1984)
… beschreibt in erster Linie eine Managementstrategie zur fortlaufenden Optimierung von Produkt- und Dienstleistungsqualität. Das Qualitätsmanagement wird zu einem übergeordneten Unternehmensziel. Diesen Ansatz gibt es allerdings bereits seit den 1960er Jahren.
Neueren Datums ist allerdings, dass Qualitätsmanagement die gesamte Unternehmenspolitik und Unternehmenskultur durchdringen soll: alle Strukturen, Prozesse, Stakeholder*innen sind über Feedbackprozesse und Qualitätszirkel involviert. Damit wird TQM zu einem umfassenden Denk- und Handlungsansatz, zur Philosophie. Im Zentrum stehen die Produktqualität und die Kund*innenzufriedenheit. Der Erfolg wird einerseits in diesen Bereichen daran gemessen, inwieweit die sehr klar formulierten Ziele nach drei Jahren erreicht wurden, und andererseits, wie die erreichten Ergebnisse dem Vergleich mit Wettbewerber*innen standhalten – dies geschieht über Benchmarking. Nach Armin Töpfer bedient man damit auch das moderne Marketing: Kund*innenbedürfnisse werden erkannt, Kund*innennutzen geschaffen, Kund*innenvorteile kommuniziert.
Menschen arbeiten hier in selbstverwalteten und bereichsübergreifenden Teams, man setzt auf Empowerment und Selbstkontrolle, Personalentwicklung geschieht laufend und zielgerichtet über Schulungen und Coachings.
Die vier Prinzipien des TQM sind:
- Interne Kund*innen-Lieferant*innen-Beziehung: innerhalb der Wertschöpfungskette ist jede/r des anderen Kund*in (interne Kund*innenenorientierung) und erhält damit alle Rechte und Pflichten wie externe Kund*innen des gesamten Unternehmens.
- Funktionsübergreifende Optimierung: Qualität wird nicht nur aus der Perspektive der jeweiligen Phase betrachtet, sondern auch aus den Blickwinkeln der anderen Produktionsphasen und Unternehmensteile (alle Teile sind wechselseitig miteinander verknüpft; die Werkstätte richtet sich in ihrer Arbeit auch nach den Anforderungen, die etwa der Verkauf, die Kund*innenenbetreuung, der Einkauf von Ersatzteilen etc. haben, und nicht nur nach den eigenen Kriterien).
- Funktionsinterne Optimierung: punktuelle, jeweilige Optimierung geschieht nach den Kriterien Qualität, Kosten und Zeit.
- Unmittelbare Qualitätssicherung: jeder einzelne führt dieselben Qualitätsprozesse in seiner eigenen Arbeit aus und ist dafür verantwortlich.
Zentrale Säulen für TQM im Betrieb bilden nachvollziehbarerweise:
- die/der Kund*in (intern, extern),
- die kontinuierliche Verbesserung (von Prozessen, Dienstleistung/Produkt), der Grundsatz „Verhütung statt Kontrolle“ (siehe Arbeitssicherheitsprogramme und –strukturen),
- sowie die/der Mitarbeiter*in.
Customer Relationship Management
Eine weitere Zuspitzung des TQM-Ansatzes erleben wir im CRM, im Customer Relationship Management. Insbesondere Frederick Reichheld wird als Hebamme des professionellen CRM gesehen. Neben der Technologie- und der Kostenführerschaft am Markt richtet man Unternehmen hier auf den Erfolgsfaktor Kund*innenorientierung aus. Nicht gemeint ist mit professionellem CRM die landläufige Umsetzung durch softwaregestütztes Direktmarketing.
Laut einer Studie der Meta Group (1999) setzen 72% der Unternehmen erstrangig auf die Kund*innenorientierung und –pflege.
Über professionelles CRM (als Teil des TQM) wird:
- eine Imageverbesserung des Unternehmens angestrebt,
- Effizienzsteigerung betrieben,
- Neukund*innen gewonnen,
- und bestehende Kund*innen positiv gebunden.
Der gesamte CRM-Prozess läuft nach den TQM-Standardschritten ab: planen, agieren, kontrollieren und evaluieren, erneut – besser – planen (siehe Abbildung 5).
Die lernende Organisation [37]
Wie in den vorigen Kapiteln unschwer zu erkennen, geht es in einer überaus komplexen und dynamischen Welt zunehmend um das fortwährende Lernen: Das individuelle Lernen und die Lernprozesse der gesamten Organisation gehen ineinander über.
Sogenanntes einfaches „single loop“ Lernen war bisher davon geprägt gewesen, dass man sich an definierte Organisationsziele zu bewegte, die Organisation durch reine Anpassung lernte.
Das nunmehr notwendige Lernmodell ist ein „double loop“ Lernen, in dem sich die Richtgröße ständig an veränderte Gegebenheiten anpasst. Vor allem führt das Zweischleifenlernen zur Hinterfragung des Selbstkonzeptes und damit zur Revision der eigenen Handlungsrichtlinien, der Kriterien und Werte („was Erfolg ist, was uns wichtig ist und uns ausmacht“), sowie zur Erneuerung von Strategien. Bisher waren nur die operativen Elemente verändert worden, Werte, Normen und Strategien blieben dieselben. Die bisherige, rigide Zielverfolgung über längere Zeiträume hinweg (extremes Beispiel in der Bürokratie) weicht dem weitgehend selbstorganisierten Lernen. Diese neue Art des Lernens verlangt bewusste Präsenz und ist proaktiv: man antizipiert Veränderungen, kommt der Umwelt bestenfalls zuvor und jeder leistet seinen bewussten Beitrag zur „Konstruktion von Wirklichkeit“.
Damit ist dieses neue Lernen ein Veränderungslernen (durch Hinterfragen) und ein Prozesslernen (durch Einblick und Ausrichtung der Prozesse die Lernen ermöglichen und definieren).
Mit ein Teil des Konzeptes von Argyris und Schön [38] zur Lernenden Organisation ist auch, dass derzeitige Organisationen zwar den „Windhauch“ davon mitbekommen, was es bedeuten könnte, sich auf diese Formen einzulassen, jedoch dabei ein Entwicklungs- und Reifeweg zu beschreiten ist: man muss Räume öffnen und das kurzfristige Risiko des Chaos eingehen, damit sich grundsätzlich neue Herangehensweisen bilden. Individuen und vor allem Organisationen stecken in den eigenen Denkfallen, in den eigenen Erfolgen und Handlungsmustern fest.
Neues, produktives organisationales Lernen hingegen entdeckt Widersprüche im eigenen System, die Organisation untersucht sich selbst und lernt, was anders sein muss. Was man erkennt, was man lernt, darf jedoch nicht wie bisher in Charts oder Berichten abgelegt werden, sondern als Bilder in den Köpfen aller Mitglieder etabliert werden.
Gerade Peter Senge wurde für die Lernende Organisation der wohl bekannteste Vertreter und Promotor, dies ist wohl auch dem Umstand zu verdanken, dass er Bücher und Vorträge so gestaltet, dass jeder interessierte Mensch sie lesen und nachvollziehen kann. Er spricht den einzelnen (postmodernen) Menschen genauso an, wie die gesamte Organisation, wenn er von fünf Disziplinen spricht, die der Reihe nach beherrscht werden müssen.
Die Zentralen Prämissen der Fünften Disziplin sind:
- Arbeit und Lernen wie bisher führen in eine Sackgasse
- Lineare Ursache-Wirkungs-Ketten erfassen die hochkomplexe postmoderne Wirklichkeit nicht
- Es braucht darum ein ganzheitliches Welt- und Selbstverständnis
- Lernende Organisation spricht sowohl von Lebensführung als auch von gemeinsamer Orientierung in der Welt.
- Systemisches Denken bildet die Basis für die Lernende Organisation
- Systemisches Denken betrachtet alle Elemente in Wechselbeziehungen, also in Beziehung mit allen anderen Elementen des Systems
- „Disziplin“ unterstreicht hier, dass man diese Haltungen und Fertigkeiten lernen und üben kann (und muss)
Tabelle 4 zeigt die vier Kerndisziplinen in übersichtlicher Weise.
Disziplin | Beschreibung |
---|---|
Personal Mastery | Meint die Fähigkeit das eigene Potenzial bestmöglich zu entwickeln. Indem man die eigenen Ziele auch hierbei ständig nachjustiert, kommt es weder zu Überforderung oder Unterforderung, man behindert sich nicht selbst, und hält ein Leben lang eine kreative Spannung in sich am Leben. |
Mentale Modelle | Wir bestimmen selbst, was wahrgenommen/ interpretiert /getan wird, wir können also auch hinterfragen, welche Vereinfachungen kritisch zu sehen sind und aktiv gestalten. |
Gemeinsame Visionen | Wird man von einer Vision berührt, so bringt dies ein Maximum an Motivation, an Engagement und Commitment, an Sinnerleben und Entwicklungschance und es richtet auch die faktische Arbeitsleistung optimal aus. Es müssen alle Mitglieder einer Organisation die Vision teilen, dann gibt es harmonische Ziele, Werte, Kommunikationen, in denen aber keine uniformierte Gleichschaltung herrscht, sondern Raum für die individuellen Akzente besteht. |
Team-Lernen | Das lernende Individuum integriert sein Lernen und sein Wissen in ein Team, hier werden Intelligenz und Stärke gebündelt. Das Vertrauen bildet die Grundlage, damit man gemeinsam Prozesse hinterfragen und steuern kann. Dialog, Diskussion und aktives Zuhören werden zu selbstverständlichen Elementen des Miteinanders. Man zieht somit „an einem gemeinsamen Strang“. |
Tabelle 4: Die 4 Kerndisziplinen nach Senge
Die fünfte Disziplin, das Systemdenken, zielt darauf ab, Ganzheiten zu erkennen, Zusammenhänge mit einzubeziehen; Teillösungen werden abgelehnt. Senge beschreibt dies als „die Kunst, den Wald und die Bäume zu sehen“.
In seinen Gesetzen der fünften Disziplin werden die systemischen Parameter gut sichtbar:
- Die „Lösungen“ von gestern sind die Probleme von morgen.
- Vergangenheit und Gegenwart versorgen die Zukunft häufig mit Problemstellungen. Man hat zugunsten kurzfristiger Vorteile nicht an die langfristigen Folgen gedacht: siehe die Tiefenbrunnen in den Savannen Afrikas, die nach kurzer Fruchtbarkeit zu intensiver Rinderzucht und dann zur Übersalzung der Böden führten.
Je mehr man sich anstrengt, desto schlimmer wird es.
- Lösungen erster Art sorgen für Eskalation, wie das heftige Beschleunigen, wenn man mit dem Auto im Schnee stecken bleibt. Die Lösungen zweiter Ordnung sind oft aufwändiger, um die Ecke gedacht, aber letztlich smarter: wie etwa das Herausziehen mit einer Seilwinde oder Unterlegen von Streumaterial.
Das Verhalten verbessert sich, bevor es sich verschlechtert.
- Viele Aktionen bringen kurz Vorteile und Verbesserung, „reiten“ dann aber noch endgültiger in die Katastrophe hinein. Solche Aspekte sieht man etwa bei Aufnahme zusätzlicher Kredite, bei Umschuldung auf Fremdwährungskrediten, „Wetten“/ Optionen auf Kredit.
Der bequemste Ausweg erweist sich zumeist als „Drehtür“.
- Schnelle Reparaturen sind Teillösungen und gehen nicht auf das Basisproblem ein, das sich währenddessen im System auch über Umwege aufschaukelt und als Bumerang zurückkehrt.
Die Therapie kann schlimmer sein als die Krankheit.
- Oftmals versucht man in Unternehmen lästige Phänomene aus der Welt zu schaffen. Diese waren zunehmend zum „Problem geredet“ worden, auch wenn sie eigentlich keine Existenzbedrohung darstellen und andere Themen wichtiger wären (Ablenkung).
Schneller ist langsamer.
- Rasche Urteile und Antworten bergen meist nur „Vor“-Urteile und damit nichts Neues in sich, erschweren damit nur den Prozess und bringen weitere Hemmnisse ein. Anders betrachtet: will man rasch weiterkommen, muss auf eine gewisse Entschleunigung und Fokussierung geachtet werden. In betrieblichen Konfliktsituationen wird oft das nötige Vertrauensritual oder das offene Brainstorming genauso unterschätzt und ausgelassen, wie die Notwendigkeit, Zeit dazwischen einzuräumen und Dinge sickern zu lassen. Rascher Aktivismus (reflexartiges Reagieren) führt zu noch mehr Problemen und zu Eskalation.
Ursache und Wirkung liegen räumlich und zeitlich nicht nahe bei einander.
- Wir tendieren fälschlicherweise dazu, Ursachen stets in unmittelbarer Nähe zu Wirkungen zu suchen, die uns stören.
Kleine Veränderungen können eine Riesenwirkung haben
- … aber die Maßnahmen mit der stärksten Hebelwirkung sind häufig zugleich die unauffälligsten. Die Einführung eines adäquaten Gemeinschaftsraums und bereit gestellte Blumen sowie frisches Obst und Säfte in einer Beratungsfirma kann die gesamte Atmosphäre, aber auch die Qualität neuer Ideen in den Produkten massiv beeinflussen. Dem gegenüber sind Klausuren, Kreativitätsschulungen und breite Fortbildungen ein viel höherer Kostenfaktor und nicht hinreichend, um Neues zu gewährleisten.
Sie können den Kuchen essen oder behalten - aber nicht beides gleichzeitig.
- Letztlich müssen wir uns bzw. Unternehmen sich entscheiden. So gibt es keinen Weg zwischen Wachstum und Konsolidierung, dennoch versuchen viele beides zugleich zu erreichen.
Wer einen Elefanten in zwei Hälften teilt, bekommt nicht zwei kleine Elefanten.
- Die folgende Geschichte stammt von Senge selbst, in der er darbringt, wie eine Gruppe von Blinden einen Elefanten untersucht und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt und damit wird deutlich, dass es immer die Gesamtheit ausmacht – man kann Organismen und damit auch Organisationen und Phänomene nicht auseinander dividieren:
- „Ein Elefant ist wie ein Baumstamm“, sagt der Blinde am Bein
- „… wie ein Segel“, sagt der blinde am Elefantenohr
- „… wie ein dickes Seil“, sagt der Blinde beim Schwanz
- „… wie eine elastische Röhre“, meint der Blinde beim Rüssel
- „… wie ein spitzes Horn“, meint der Blinde beim Stoßzahn
- „ … weich und breiig“ sagt schließlich jener Blinde, der eine Masse am Boden hinter dem Elefanten untersucht
„There is no one to blame“
- Die althergebrachte Sündenbocklösung birgt keine Qualität, es geht auch nicht darum, dass einzelne (teil-)schuldig sind. Es gibt nur das gemeinsame Betrachten, Erkennen und Handeln zum Wohle aller. Wenn einzelne in Unternehmen ein „Problem“ darstellen, so sieht man sie nun nicht mehr als kranke Stelle, sondern als Symptomträger*innen. Wie Schauspieler*innen in Stücken übernehmen sie (denn einer muss es tun) die Rolle, das Problem auszudrücken, darzustellen. Das Problem jedoch geht alle an, meint alle, betrifft alle.
Strategieberatung
Ansätze strategischer Unternehmensberatung
Blicken wir auf die Organisationstheorien in Kapitel Menschenbilder zurück, so finden wir vor allem den Taylorismus und das Bürokratiemodell von Max Weber, aber auch TQM, CRM, neue soziotechnische Sichtweisen als entsprechenden Hintergrund, auf dem diese Form der Beratung ansetzt. Im metaphorischen Modell sprechen wir von der Sicht des Unternehmens als Maschine, in der es formale Strukturen und Prozesse gibt und in dem Berater*innen quasi als Ingenieur*innen das Management mit Expert*innenenwissen unterstützt: Strategieberatung analysiert die derzeitige Unternehmens- und Marktsituation nach anerkannten Methoden und betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und schlägt ein Re-design und die passende Umsetzung vor. Der Mehrwert dieser externen Leistung besteht vor allem in der jahrelangen oder meist jahrzehntelangen Erfahrung und dem (zumindest partiellen) Wissensvorsprung, den Beratungsfirmen haben, wenn sie analysieren, und beraten, wie man Probleme (in welcher Umgebung) optimal löst.
Strategieberatung ist Fachberatung, Expert*innenberatung und wird alltagssprachlich allgemein als „Consulting“ bezeichnet. Die weltgrößten Beratungsfirmen agieren in dieser Form und zeichnen damit auch das angelsächsisch geprägte Modell einer strategischen Unternehmensberatung. Denken Sie an McKinsey, Boston Consulting Group, Roland Berger, Deloitte. Um einen mengenmäßigen Überblick zu haben: eine Reihe von Studien zeigt, dass nur 24% der deutschen Unternehmen häufiger nach strategischer Beratung fragen [39].
Felder der Beratung sind alle Veränderungssituationen von Unternehmen, begonnen bei der Gründung, hin zur Verschlankung oder Verschmelzung, Umstrukturierung, Prozessmodellierungen, Kostenersparnis, das Outsourcing von unrentablen Bereichen sowie die zielgenaue Gestaltung und effektive Ausrichtung von Preis-, Produktpolitik und Marketing/ Verkauf. Aber auch die Eroberung neuer Märkte, wie es gerade mit der politischen Öffnung der Europäischen Union seit nahezu zwei Jahrzehnten geschieht. Internationale Consultingfirmen bieten gerade hier den Vorteil, in einer globalisierten Wettbewerbs- und Konsumentenwelt grenzüberschreitendes Knowhow einbringen zu können. Für sehr lokale Prägungen und Fragen hingegen bieten diese auch erprobte Partnerschaften mit örtlichen Beratungsinstituten an und spannen somit gerade für größere Unternehmen ein interessantes Angebot mit stark betriebswirtschaftlicher Ausrichtung. Diese ist, im Unterschied zu anderen hier betrachteten Beratungsrichtungen, weltweit ein verbindlicher Ansatz, der unabhängig von kultureller Prägung und unabhängig von jeweiliger Unternehmensphilosophie gültig ist - befinden wir uns doch in einem globalen, angelsächsisch und ökonomisch geprägten Markt.
Zentrale Expertisen und Wissensbestände von kleinen oder großen, lokalen oder internationalen Consulter bauen zunehmend auf intelligenten Wissensmanagementtools auf. Wie anders könnten sonst die relevanten Erfahrungen und Muster aus verschiedenen Kund*innenprojekten, von vielen Berater*innen und Expert*innen angereichert, und auf neue Kund*innensituationen umgelegt werden. Analyse- und Beratungsinstrumente gibt es wahrscheinlich exponentiell viele, auch weil jede/r Expertenberater*in darum bemüht ist, Instrumenten einen eigenen Stempel und damit auch Marke/ Brand sowie Schutz zu geben.
Consulting ist stets Beratung in Projektform. Im Hintergrund stehen immer bestimmte Phasen der Beratung:
- Kontaktphase und erste Klärung
- Angebotserstellung
- Präsentation
- Auftragserteilung
- Projektkomposition (Staffing = Personal, wen braucht es, welche Aufgaben, Wege, Ziele, Methoden, Instrumente, Philosophie, Zeitachse, Rollen [40] )
- Analyse
- Konzepterstellung/ Design
- Empfehlungen für Kund*innen
- Implementierung
- Evaluation und Ausblick
- After-Selling (nachrückende Ziele, neue Auftragsoptionen zur Sicherung etc.)
Ebenso sind bestimmte standardisierte Basistools stets die Wurzel der individualisierten Instrumente, einige davon seien hier stellvertretend erwähnt:
- die Umfeldanalyse (Markt, Produktionsstätten und deren wirtschaftliches Umfeld, Regionalwirtschaft samt politischen Bedingungen, Förderlandschaft, Steuerlandschaft etc.)
- die Bilanz- und Kennzahlenanalyse (Umsatz, Investitionen, Kosten, Gewinne, verfügbares Barkapital, Verbindlichkeiten etc…)
- die Portfolioanalyse (Fächer der Produkte und Leistungen, Kund*innenzielgruppen etc.)
- Balanced Scorecard BSC (Ziele in Finanzen, Personal, Prozessoptimierung und Kund*innenorientierung werden auf jede Abteilung und jede/n Mitarbeiter*in herunter gebrochen. Sollzahlen richten die Arbeit quartalsmäßig konkret aus, Leistungen werden damit messbar und die Dynamik des Alltags kontrollierbar) siehe Abbildung 6)
- die SWOT-Analyse (TQM)
- die Potentialanalyse (was ist ausbaufähig)
- die Lebenszyklusanalyse
- Shareholder-Value-Ansätze
- die Aufgabenanalyse (welche genauen Schritte, Arbeitstechnik, Unterziele etc.)
- das Benchmarking (Vergleich mit erfolgreichen Wettbewerber*innen aufgrund relevanter Kennzahlen, wie Umsatz, Marktanteile, Zielgruppen etc.)
- die Kund*innenstruktur- und Kund*innennbedarfsanalyse
Eine Reihe von Einwänden gegen die klassische Strategieberatung sowie Warnungen vor Fallstricken dieser Beratungsform wollen wir eingehender überdenken, um der grundsätzlichen, inhaltlichen und der Sorgfaltskritik an die Unternehmensberatung begegnen zu können:
Die Berater*innensicht der Organisation als triviale Maschine ist nicht zeitgemäß, sondern um mindestens 60 Jahre veraltet (siehe Menschenbilder).
Organisation wird hier nur idealtypisch, theoretisch abstrakt, standbildartig gesehen.
Gibt es eine optimale Gestaltung oder braucht es individuelle Unterschiede zwischen Unternehmen und Phasen?
Ist der Mensch planbar, prognostizierbar oder was ist mit menschlichen individuellen Zielen und Potentialen, mit dem Reichtum in den Unterschieden?
Irrationale Momente sind bewiesenermaßen (wesentliche) Teile des Ganzen und können nicht einfach verleugnet werden!
Der Markt und die Umgebung sind nicht linear, berechenbar und vorhersagbar, sondern komplex, zyklisch, mehrfaktoriell bedingt, nicht vorhersagbar!
Es gibt keine optimale Entscheidung und Problemlösung, da es keine vollständige Information und Kriterien gibt.
Es gibt offensichtlich konsistente, systemkonforme Systemseiten, aber auch informelle, irrationale, emotionale Seiten „unter dem Wasser“ (Eisbergmodell)
Menschen und Systeme (und damit auch deren Maschinen) können keine vollkommene Informationsverarbeitung leisten, die menschliche Wahrnehmung und Entscheidung ist fehlerhaft.
Entscheidungsprozesse schaffen oft Probleme, statt sie zu lösen.
Mittel und Zweck, Heute und Morgen und Gestern, das Handeln verschiedener Systemteile, Plan und Handlung sind nur theoretisch sauber getrennt.
Die Vereinfachung in der Sichtweise der Berater*innen auf das Unternehmen verkürzt enorm, bildet einen systematischen Wahrnehmungsfehler, nährt einen Mythos vom perfekten Unternehmen weiter, nährt eindimensionale Erwartungen der Kund*innen an die Beratung und deren Erfolge.
Vor allem große Beratungsinstitute schaffen angeblich individuellen Mehrwert – mit ein- und denselben Erfahrungen und Instrumenten bei ganzen Branchen. Es werden wohl eher Trends geschaffen.
Ohne die aktive Mitbeteiligung und Involvierung der Kund*innen wird Veränderung und Optimierung nicht stattfinden können, meinen Systemtheoretische Ansätze der Beratung.
Positiv wirkt sich die Beratungsleistung sicher in Richtung Analyse und Förderung von besonderen Ressourcen, Alleinstellungsmerkmalen und Kernkompetenzen aus.
Strategische Unternehmensberater*innen bringen zumeist smarte Lösungen, deren operative Umsetzung nicht stattfindet oder stattfinden kann – oder zu hohe Ressourcen frisst, sodass es im System nur zu einer „als ob“ Umsetzung kommt.
Die ultimativen Fachexpert*innen der Beraterunternehmen glänzen nach Umfragen im gekonnten „Impression Management“, sind letztlich zu kurzfristig an einer Unternehmenswirklichkeit dran, agieren nach wenigen Parametern, nie aus unternehmerischer Eigenerfahrung und Eigenverantwortung heraus. Darum winken sie gerne mit Fachvokabular und eindrucksvollen, zurechtgerückten Referenzen. Deren Kund*innen müssen den auch finanziell enormen Aufwand im Nachhinein meist vehement intern und extern rechtfertigen – und werden darum selten gut von Beratungsprojekten sprechen.
Klassische Strategieberatung ist anfällig für „Marketing-Rhetorik“ [41] : die angebotenen Konzepte werden als „passend“ verkauft, teils weil die Berater*innen ihre erfolgreichen „Brillen“ bereits im ersten Herangehen unbewusst als einzige anwenden. Anschließend bringen sie ihre Kund*innen dazu, dieselbe Brille als die „richtige“ aufzusetzen.
Klassische strategische Beratung findet passende Probleme für die paraten Lösungen (garbage can, Mülleimerprinzip [42]
Beratung geschieht nach dem „implicite favourite model“ [43] : zwischen den Zeilen werden bestimmte Lösungen beidseitig bevorzugt oder sind bekannt und tauchen dann als die optimale Strategie auf.
Die Präsentation bereitet die Entscheidung vor, indem sie Rahmen setzt, „framing effect“ [44] : der Rahmen bestimmt, wie viel Risiko man zu tragen bereit ist.
Klassische Beratung spielt mit dem „knew it all along“-Effekt: Im Nachhinein wird unterstellt, man habe das alles bereits gewusst oder erkannt gehabt bzw. Bescheid gewusst.
Klassische Beratung ist per se nicht geschützt vor dem „winning curse effect“ [45] : erfahrener Erfolg führt zu Fehleinschätzung der komplexen Realität, zu falschen weil zu sicheren Prognosen und damit zu ruinösem Verhalten, indem man übermäßige Investitionen oder Veränderung oder Einsparungen beschließt.
Anschließend an diese durchaus kritische, wenn nicht sogar skeptische Betrachtung klassischer strategischer Beratung wenden wir uns nun mit diesem Wissen als Hintergrund den positiven Sichtweisen auf Strategieberatung in etwas vertiefter Form zu.
Strategische Beratung widmet sich - in ihrer klassischen sowie in ihrer systemischen Form - der Unterstützung bei der Entwicklung von Erfolgspotenzialen [46] und fokussiert dabei auf Probleme, die periodisch (5-Jahresstrategie, Jahresstrategie, CSR etc.) oder nicht periodisch (Eröffnung von Ostmärkten, Konkursvermeidung, Aufbau von Qualitätszirkeln, Mergers) anfallen. Im Regelfall sind die Probleme nicht gut strukturiert, sondern hochkomplex und von unsicheren Informationslagen, von durchaus willkürlichen Kriterienvergaben geprägt (was ist gut, was nicht): es geht also um die richtige Lösung für Probleme, mit denen man keine Erfahrung hat und bereits die Frage nach den relevanten Akteuren (wer ist beteiligt) keine leichte ist. Strategische Beratung wird hier entweder den Akzent auf eine inhaltliche Beratung oder auf die Beratung zum Prozess wählen, oft auch beide Bereichen bedienen.
Beratung bringt hier spezifisches Wissen ein, über Fakten (Steuer, Wirtschaftsrecht, Branchenwissen), über Zusammenhänge (Modell, Theorien wie TQM, Erfahrungen), über Technologien (Methoden, Werkzeuge, unterstützende Systeme, Produktionstechniken) oder über Werte und Normen (Kulturen). Zumeist weist Beratung auch eine teils fundierte Anbindung an wissenschaftliche Erkenntnisse und Aktivitäten vor: Berater*innen speisen ihre Ideen mit neuen universitären Erkenntnissen, verbinden diese mit eigenen Erfahrungen, berücksichtigen empirische Ergebnisse und eigene Evaluationen sowie statistisch verwertete Projektprotokolle. Berater*innen nutzen und erzeugen Wissen, auf verschiedenen Ebenen [47] .
Im Regelfall bindet Beratungsleistung an anerkannte akademische Wissensbestände an, um mehr als plausibel zu sein, um sich zu begründen, auch aus Fragen der Beratungshaftung heraus.
So ist Beratung professionell - und limitiert zugleich. Denn Innovation für hochkomplexe, dynamische Problemlagen kann oft schwer ausreichen, wenn sie nur ein kleines Spielbein erlaubt und sich stets auf bereits „Gewusstes“ beziehen will. Bamberger [48] weist hierbei auf die eklatante Reduktion von Komplexität hin, auf die Fraglichkeit so mancher theoretischer Aussagen oder Verknüpfungen oder darauf, dass erfolgreiche Lösungen auch ein Stück weit kulturabhängig sein können. Wie bereits weiter oben beschrieben, schaffen auch Berater*innen selber bestimmte Moden und damit bevorzugte Analyse- sowie Lösungskonzepte, die selbstredend nur selten die optimale Alternative darstellen.
Angelehnt an die Erörterungen von Scherr, Berg, König und Rall [49] der McKinsey Company kann der Kern der Strategieberatung wie folgt umrissen werden:
- „Strategien […] sollen Unternehmen Vorteile im Wettbewerb verschaffen“, wobei diese exakt formuliert und präzise dargestellt werden müssen. Hier spielen Zeithorizonte eine wesentliche Rolle, zeitnahe Aktivitäten sind noch sehr konkret, weiter entfernte stellen sich eher als Szenarien und Optionen dar.
- Zumeist wird der Vorteil wenigstens zeitweilig durch einen verstärkten Kontrast, eine Differenzierung zu Konkurrenten erzielt, selten wird versucht, es anderen nach zu tun.
- Strategien arbeiten mit Unsicherheiten (siehe Abbildung 7) und damit bestenfalls mit Möglichkeiten, Zielräumen, Szenarien und letztlich mit bewusster Ungenauigkeit.
- Es gibt keine Standardstrategien, sondern nur individualisierte, für das Unternehmen in seiner gegenwärtigen Situation, und spezifische Strategien, für das konkrete Anliegen, Problem, Ziel.
- Gute Strategien sind zugleich Wissenschaft und Kunst (Ordnung und Ratio sowie Chaos, Kreativität, Intuition).
- Instrumente helfen bei der Erstellung von Strategien (Abbildung 8). Die meisten sind Orientierungsraster, „Frameworks“ um zu strukturieren. Einige andere Instrumente erleichtern den Prozess von der Entstehung bis zur Umsetzung. Weitere Instrumente sind sogenannte „präskriptive“ Tools, die „wenn- dann“ Richtungen vorgeben. Instrumente erleichtern strategische Arbeit, die Strategie geben sie jedoch nicht. Instrumente stellen Begriffe zur Verfügung, um über das Komplexe sprechen zu können, die vereinfachen durch Erfahrung und empirisches Wissen und sie erlauben eine passende individuelle Interpretation für und durch das Kund*innenunternehmen.
Professionelle Strategieberatung setzt bewusst und kritisch jene Instrumente dort ein, wo sie hilfreich sind. Frameworks erleichtern das theoretische Betrachten, Analysieren und Ausrichten von Strategieinhalten an die Wirklichkeit. Echte strategiebezogene Instrumente sind jene im Mittelbereich in Abbildung 8.
Frühere Matrizen gerieten sehr vereinfachend, wie etwa in Abbildung 9 dargestellt wird.
Mit „Cash cow“ wird hier jenes Produkt oder jene interne Dienstleistung bezeichnet, die mit wenigen weiteren Investitionen den höchsten Absatz und damit Profit bringt. Die „Stars“ sind die Aushängeschilder, also jene Produkte, die bei sehr hohem Preisniveau auch das Markenimage positiv mit bedingen – und gutes Geld einfahren. „Dying dogs“ meint die sterbenden Produkte, die jedoch noch nicht soweit umsatzbezogen abgesunken sind, dass man sie vom Markt nehmen würde. Als „Babies“ bezeichnet man letztlich jene Kategorie von Produkten, die noch nicht etabliert sind und unklar ist, welches Geschäftspotential sie in sich tragen.
Aufbauend auf dieses Schema, dieses Framework, lässt sich über das Unternehmen sprechen, analysieren, ausrichten, Aktivitäten planen.
Um auch einen Einblick in prozessorientierte Instrumente zu geben, sei hier auf Abbildung 10 verwiesen. Hier findet sich ein (für Implementierungsberatung typisches) pyramidales Design, das einerseits als Framework steht, andererseits grobe strategische Falllinien für eine Reorganisation einer international tätigen Firma liefert.
Dieses erste grobe Design wird in weiterer Folge untergliedert, etwa in „unfreezing“ [50] -Bereiche: Teambildung fördern, Projektorganisation forcieren, Meetingkultur aufbrechen, Formalismen reduzieren, Erreichbarkeit sicherstellen etc.
Des weiteren stehen diesen strategischen Aktionspunkten Ziele zur Seite, wie etwa interessante verantwortungsvolle Tätigkeiten zu bieten, Selbständigkeit zu fördern und zu fordern und dergleichen mehr. Abgerundet würde an dieser Stelle mit konkreten Maßnahmen, wie dies zu erreichen ist, bis wann, von wem, über welche Mittel und Instrumente (Workshops). Konkrete Ausformulierungen und Designs solcher Instrumente und Methoden würden den Katalog beschließen.
Wie könnte nun ein prozessbezogenes Design und somit ein Implementierungsinstrument einer strategischen Reorganisation aussehen? In Tabelle 5 finden Sie fünf Phasen und deren inhaltlichen Schwerpunkte sowie Kernleistungen und damit Erfolgsfaktoren.
Transparenz-
phase |
Blaupause | Detailkonzept | Umsetzungs-
vorbereitung |
Umsetzung | |
---|---|---|---|---|---|
Inhalte |
Erste Ansätze zur Organisations-verbesserung | Quantifizierte Markt- und Kostenziele | Definierte Endprodukte | Festgelegte Maßnahmen | Realisierung Maßnahmen |
|
Punktgenaue Analysen / Benchmarking | Geschäftsmodelle Organisations-modell | Organisationsstrukturen / Prozessbeschreibungen | Interne/ Externe Kommunikation | Umsetzungs-controlling |
|
Statusbewertung | Roles & Responsabilities | Ressourcen- & Kapazitätsplanung | Planung Mitarbeiter*innen-Sachkostenebene | Barriere-beseitigung |
|
Stellhebel zur Potentialermittlung | Grobschätzung des Gesamtpotentials | Abgestimmte Potentialziele |
Maßnahmen-hinterlegte Potentiale Umsetzung erster Sofortmaßnahmen |
Realisierung Potentiale |
Erfolgsfaktoren |
Outside-in Sichtweise (Vergleich Markt, Wettbewerb) | Top Management Einbindung | Breite Einbindung von Entscheidungsträger*innen | Denken „im Kopf“ der Mitarbeiter*innen | Gewinner*innen der Reorganisation nach vorne stellen |
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Pragmatische Analyseansätze | Verständliches Konzept | Einheitliche methodische Unterstützung | Kommunikation als Kernprozess verstehen | Hartes Nachhalten von Einzelmaß-nahmen / Potenzialen |
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Objektive „ungeschminkte“ Statusbewertung | Herausstellung Ergebniswirk-samkeit | Verbindliches Bottom-up Commitment | Schnelle Eskalation bei Regelverstößen | Spielraum zur Nachjustierung einräumen |
Tabelle 5: Beispiel eines Prozessdesigns/ Implementierungsinstruments
(aus Bamberger, 2008, S.160).
Organisationsentwicklung – Change
Ganz als Kontrapunkt zur soeben betrachteten Strategieberatung, die mit rationalem Kalkül an Problemstellungen herangeht, betrachtet Organisationsentwicklung (OE) besonders stark die weichen Faktoren von Organisationen in deren Analyse und Gestaltung. OE nährt sich damit aus dem Menschenbild der Human Relations-Bewegung und somit dem „Social Man“ und teilweise „Self Actualizing Man“. Man betrachtet und behandelt hier Organisation als Organismus und nicht mehr als Maschine. Demzufolge sind OE-Berater*innen auch Katalysator*innen, Impulsgeber*innen und erfahrene Begleiter*innen in Entwicklungsprozessen. Die Inhalte und letztliche Expertise finden sich nicht bei Berater*innen, sondern im System selbst wieder. Diese Expertise zu mobilisieren ist das Ziel von OE-Beratung. Man findet die OE ebenso unter den Schlagworten Umsetzungsberatung, Transformationsberatung oder Change Management/ Consulting wieder.
Letztlich setzt OE auf Kommunikationsprozesse rund um weiche Parameter wie Konflikte, Gruppendynamik, Motivation, Führung, Commitment und Partizipation. Damit stärkt OE das soziale System und verspricht daraus die optimale Nutzung des technischen Systems; im Zentrum steht das Lernen und damit die Herstellung der dafür nötigen Bedingungen, damit sämtliche Beteiligten aktiv mitgestalten können, um Effektivität und Menschenbezug gleichermaßen zu gewährleisten [51] .
Damit ist OE keine inhaltliche Beratung sondern Prozessberatung, es geht um „Hilfe zur Selbsthilfe“, um Sicherstellung der nötigen professionellen Rahmenbedingungen und Moderation des Entwicklungsprozesses. Gleichzeitig gibt OE ein Sicherheitsnetz durch die kontrollierte und beabsichtigte Dramaturgie des Gestaltungs- und damit Veränderungsprozesses. Da Menschen und deren Organisationen sich bekanntermaßen gegen Veränderungen sträuben und aus ökologischen Prinzipien heraus eher das (nicht) Bewährte fortsetzen, fließt in die OE eine große Portion Wissen um diese psychologischen, soziologischen und pädagogischen Gesetzmäßigkeiten ein.
Mittels OE gestaltet man Wertschöpfungsketten und Prozesse, man führt TQM-, CRM- oder Wissensmanagementsysteme [52] ein, unterstützt in der Vision-Mission-Leitbildfindung. Ganz der Metapher des Organismus folgend, geht es hier verstärkt um die Ausdifferenzierung der einzelnen Systemteile (der Organe sozusagen) und es geht bei wachsender Komplexität darum, wie man diese bewältigt, wie man die Untersysteme miteinander integriert. Wir sprechen hier von offenen Systemen, die vielfältigen Anforderungen durch Spezialisierung gerecht zu werden versuchen, die sich in einer steten Entwicklung befinden, um sich an die Umgebung anzupassen. Somit verändert OE-Beratung Situationsparameter, und führt damit in jedem Fall selbstregulierte Anpassungsaktivitäten im System herbei. Diese sind selten eindimensional, linear zu sehen, sondern bildhaft gesprochen wie eine Welle, die im System alle möglichen Impulse auslöst und sich durch die Gesamtheit fortbreitet.
Dies mag nun alles bildhaft sehr erbaulich klingen – doch welchen Strukturen folgen OE-Berater*innen, was konkret tun sie?
OE- und damit Changeberater*innen sammeln in wissenschaftlich fundierter Weise die geeigneten Daten im Klient*innensystem, beobachten also ganz besonders strukturiert durch mehrere Methoden und melden diese Ergebnisse zuerst einmal klar aufbereitet an das Klient*innensystem zurück. Sie halten dem System also eine Art Spiegel vor und bearbeiten und bewerten dann gemeinsam mit dem Klient*innensystem diese Resultate. Damit garantieren Sie Fairness, mischen sich nicht ein oder spielen sich als Richter*innen auf, sondern laden stimmig „zum Tanz“. Ziele und konkrete Interventionen (Gestaltungsmaßnahmen) werden ebenso in enger Kooperation mit dem Klient*innensystem geschmiedet – bzw. moderieren Berater*innen hier zumeist die eigenständige Ableitung der Maßnahmenkataloge und mischen sich inhaltlich nicht ein. Dies baut auf der Sichtweise auf, dass das System selbst Expert*in ist und auch nur die eigenen Entscheidungen annehmen und umsetzen kann. Nach der Implementierung und Umsetzung der Interventionen, die teilweise von Berater*innen begleitet werden, kommt es zu einer erneuten Beobachtungs- und Datensammlung – zur Evaluation, aber vor allem zum Neustart für die nächste Gestaltungsrunde.
Interventionen und Erfolgsfaktoren
Damit begegnet OE dem eigenen Anspruch und Axiom, dass man in komplexen Systemen ganzheitlich und in komplexen Wechselwirkungen beobachten, denken und agieren muss. Indem man mit solchen groben Prozessstrukturen an das System herangeht, erhalten alle Untereinheiten des Systems auch die Option, angesprochen zu sein und Teil der Anpassungsprozesse zu werden. Hierbei agiert man auf der Ebene der einzelnen Mitarbeiter*innen, auf der Teamebene, sowie auf der Organisationsebene. Wie im Kapitel zur Lernenden Organisation beschrieben, sind dies wesentliche Bausteine des organisationalen Lernens. Frei nach Watzlawick geht es beim Individuum um die „Mentalen Landkarten“, um die eigenen assoziativen Abbilder der Wirklichkeit, auf der Gruppenebene fokussiert man die sozialen Parameter Kommunikation, Beziehung und Konflikt. Auf der Gesamtebene des „Organismus“ Organisation legt man den Fokus auf die Kultur, das Klima, die Prozesse und Strukturen, um soziale sowie technische Elemente gleichermaßen zu betrachten. Die weiter hinten betrachtete Systemische Beratung hingegen trennt hier sehr klar zwischen Individuum und Organisation!
Damit fallen konkrete Maßnahmen auf Individualebene an, die wir alle kennen: fachliche Fortbildung, Seminare und Coachings zu sozialen Kompetenzen, Selbstmanagement, Jobrotation, Optimierung von Arbeitsplätzen, Supervision, gruppendynamische Selbsterfahrung etc.
OE-Berater*innen führen gemeinsam mit ihren Kund*innen auf der Teamebene folglich Teamklausuren, Teamsupervisionen, moderierte Teammeetings durch, begleiten in Outdoor- und Erlebnistrainings oder stimulieren Entwicklung durch Konfliktworkshops, mediative Prozesse oder Kommunikationsworkshops.
Auf organisationalem Niveau regen Berater*innen die Systementwicklung durch Beobachtung, Befragung, durch Workshops zur Prozess- und Rollenoptimierung an, aber auch durch Leitbildentwicklung, Führungskräfteprogramme, Kulturprogramme. Sehr konkrete Maßnahmen auf dieser Ebene fußen wiederum auch auf individueller Schulung und Teamschulung, etwa in der Einführung von standardisierten Mitarbeiter*innengesprächen, Feedbackschleifen, Unterlagen und Rituale zur gemeinsamen jährlichen Zielvereinbarung, aber auch zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsvorsorge.
Auch wenn OE-Beratung in sehr unterschiedlichen Bedingungen sehr unterschiedliche konkrete Ziele bedient, so gibt es dennoch erfolgsfördernde Faktoren [53] in der Prozessgestaltung:
- Breite und eingehende Diagnose und Zustandsbeschreibung: in allen Systembereichen sollten Erhebungen stattfinden, um die bestehenden Symptome zu erfassen.
- Klare Visionen liefern nicht nur die konkreten Ziele, sondern weit mehr Rüstzeug, damit das System sich auch in eine klare Richtung entwickeln kann.
- Gemeinsames Problembewusstsein muss ermöglicht werden und damit wird der Weg frei für die aktive Beteiligung an der Gestaltung.
- Es braucht eine hohe Akzeptanz und Commitment bei den Entscheidungsträger*innen, relevante Knotenpunkte im System müssen authentisch hinter der Sache stehen.
- Kommunikation muss zeitnah, breit, offen und klar erfolgen und nicht gekünstelt sein, sondern authentisch.
- Es braucht ein ausreichendes, aber auch herausforderndes Timing um die Veränderungsprozesse zu gewährleisten.
- Als besonderes Projekt braucht es professionelles Projektmanagement und klare Verantwortlichkeiten, die auch akzeptiert und gelebt werden.
- Im Zentrum steht das Empowerment, die berühmte „Hilfe zur Selbsthilfe“, welche ohne entsprechende Ressourcen und fachliche Aufrüstung nicht geleistet werden kann.
- Sogenannte „quick wins“, also sich rasch einstellende, konkret erlebte Gewinne und Vorteile sichern den Enthusiasmus und damit die Bereitschaft, sich auf das Ziel weiter hin zu bewegen. Ohne rasche Erfolge verlässt kein System den bisherigen Weg.
- Flexibilität in der Prozessgestaltung und –führung ist die Königstugend: Change- und OE-Berater*innen müssen rasch auf neue Umstände reagieren und nicht am ursprünglichen Entwurf und Plan festhalten. Das System und damit erst recht seine Veränderung stehen in einer starken Dynamik, ein starres Vorgehen nach Plan wie bei einer Maschine würde fehlschlagen.
- Der Beratungsprozess, die Entwicklung muss fortlaufend und zu konkreten Entwicklungsmomenten monitoriert werden. Dies kann im Regelfall nicht zeitlich vorab geplant werden, sondern an Zuständen und erwarteten Entwicklungspunkten.
- Verankerung der Entwicklung ist letztlich das Um und Auf, denn ohne schriftliche gemeinsame Vereinbarung und verbindliche Protokollierung kann die Organisation das erreichte Niveau nicht halten oder nicht an die nachrückende Belegschaft weiter vermitteln.
Falls Sie in Beratungsprojekten involviert sind oder waren, die explizit Veränderung, also Change zur Aufgabe haben, so werden Sie auch wissen wie es laufen kann, wenn man diese soeben genannten Dimensionen vernachlässigt. Veränderung trägt eine starke Kraft in sich, und bewirkt in komplexen Systemen auch sehr unvorteilhafte Nahzeit- und Langzeitwirkungen. Ein Mindestmaß an bewusstem Monitoring muss selbst in kleinsten Veränderungsprojekten geleistet werden, mit dem Ziel klare Fehlrichtungen zu verhindern.
Doppler und Lauerburg [54] bieten in ihren Ausführungen ebenso einige Kriterien an, die Change-Beratung zum Erfolg oder Misserfolg machen. Diese sind als Schema übersichtlich in Tabelle 6 dargestellt und spiegeln die oben beschriebenen Dimensionen wider.
Misserfolgstreiber | Erfolgsstärkend |
---|---|
Unklare Gedanken, diffuse Ziele | Transparente Projektziele, plausible Begründung |
„schlampig zusammengestiefeltes“ Projektteam | Handverlesene Auswahl von Schlüsselleuten |
„high pressure selling“ pfannenfertiger Konzepte | Beteiligung der Betroffenen bei der Lösungsfindung |
Übertriebenes Effizienzstreben | Realistisches Timing |
Kaltstart | Ordentliche Vorbereitung, Vorphasen |
Lieblingsideen wirken ständig im Hintergrund mit | Lieblingsideen kommen zuerst klar auf den Tisch, werden offengelegt |
Fahrplan durchziehen | Sensibel, flexibel den Prozess steuern |
Widerstand unterdrücken oder brechen | Konstruktiv mit Widerstand umgehen, herein holen |
Konflikte verleugnen und vermeiden | Konflikte offenlegen, Raum zugestehen, bearbeiten |
Hinter verschlossenen Türen aus dem Elfenbeinturm heraus arbeiten | Offene Information und lebendige Kommunikation |
Tabelle 6: Kriterien für Misserfolg versus Erfolg bei Change-Beratung (nach Doppler, Lauerburg, 2005, S.166 f., zitiert nach Ameln, Kramer und Stark, 2009).
Problematisch am Menschenbild der Human Relations-Bewegung war, dass es zwar stimmt, dass man durch Eingehen auf die Bedürfnisse und vor allem Sozialen Erfordernisse der arbeitenden Menschen moralisch gut steht und man mittels Partizipation an Informationsflüssen, Entscheidungen und Gestaltung durchaus den erstrebten wirtschaftlichen Erfolg wahrscheinlicher macht. Dennoch muss hier, mit dem Vorwissen zur Weiterentwicklung des Menschenbildes darauf aufmerksam gemacht werden, dass auch die Organisationsentwicklung, das Change Management die Gefahr in sich trägt, falsch verstanden zu werden und so etwa wie eine Basisdemokratie auszurufen. Die Stärkung der Partizipation, optimierte Kommunikation und die Stärkung der Konfliktbehandlung in Unternehmen ist kein schlechter Ansatz - insofern man in Changeprojekten nicht vernachlässigt, dass Ungleichgewichte und spannungsvolle Situationen in einem System Firma letztlich nicht vermieden und „kuriert“ werden können noch sollen (OE verstand sich seit jeher als Unterstützung zur Selbstheilung).
Den einen optimalen Balancezustand, wie es Organisationsentwicklung klassischerweise oft anpeilt, kann und wird es nicht geben - das soziale Miteinander der Menschen basiert seit jeher auch auf Unterschieden und Spannungen, dazu gehört auch der Unterschied zwischen den Interessen der Individuen und den Interessen der Organisation. Unternehmen können ohne jegliche Machtstrukturen und direktive Anweisungen letztlich nicht bestehen oder gar erfolgreich laufen. In sehr partizipativen Maßnahmen erlebt man demnach sogar oft den Widerstand des Systems gegen diese Beratung: Menschen wollen partiell mitgestalten, aber nur in dem alltagsrelevanten Umfeld; für strategische Bereiche verlassen sie sich gerne auf ihre spezialisierten Kolleg*innen. Ebenso sind Menschen und damit auch Organisationen letztlich überaus beschäftigt mit ihren Alltagsaufgaben und können nicht zusätzlich in umfassenden Entwicklungsprojekten überfordert und überlastet werden.
In jedem Fall führt professionelle OE-Beratung an den Fallstricken der rein strategischen Beratung vorbei, wenn es darum geht, dass der „Faktor Mensch“ bei der Umsetzung auch mit an Bord ist. Letztlich wird Organisationsentwicklung und Change-Beratung dann erfolgreich sein, wenn sie auch gleichermaßen die harten Fakten, die technische Systemseite und inhaltliche, strategische Beratung mit an Bord nimmt. Diesbezüglich spricht man heute darum auch von „integrierten Beratungsansätzen“.
Systemische Organisationsberatung
Systemtheoretischer Hintergrund
Als Vorläufer oder zumindest relevanten Paten der Systemtheorie darf hier auf Humberto R. Maturana, einem herausragenden Forscher im Bereich Neurowissenschaften, Psychologie und Philosophie verwiesen werden. Er verband als erster die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der frühen 1990er Jahre mit dem philosophischen und psychosoziologischen Diskurs zum postmodern Man und begründete das hier relevante „Autopoiese-Konzept“.
Die Väter und Mütter der Systemischen Organisationsberatung sind mehrere: neben Maturana´s Autopoiese fließen die Theorie sozialer Systeme und des Konstruktivismus (Niklas Luhmann, Ameln) hinein, aber ebenso die später daraus entwickelten Erkenntnisse aus der systemischen Familientherapie. Hinzu kommen selbstredend die bisherigen Wissensbestände der Organisationsberatung an sich, sowie die naturwissenschaftliche Selbstorganisationstheorie (nicht-lineare Vernetzung, Teufelskreis-Dynamiken). Auch Paul Watzlawick, berühmter österreichischer Kommunikationsforscher und Arno Bammé befassten sich mit dem modernen Konstruktivismus, der Sichtweise von Mensch und Organisation als spezielle (autopoietische) Systeme. Letztlich finden sich die Anfänge der Systemtheorie bei Mach, Ehrenfels und Wertheimer, im späten letzten Jahrhundert treten als Autoren von Bertalanffy („Allgemeine Systemtheorie“), von Foerster (radikaler Konstruktivismus), George Bateson, Fridjof Capra und von Glasersfeld ins Bild.
Maturana und Varela entwarfen, von der Biologie kommend (denken Sie hierbei an die Erkenntnisse zur menschlichen DNA und die genetische Reproduktion sowie Expression) das Autopoiesekonzept, mit dem sie alles Lebendige (neu) zu definieren versuchten:
„Wenn wir von Lebewesen sprechen, haben wir bereits angenommen, dass es etwas gemeinsames zwischen ihnen gibt, andererseits würden wir sie nicht zu der einen Klasse zählen die wir „das Lebendige“ nennen […] Unser Vorschlag ist, dass buchstäblich andauernd selbst erzeugen. Darauf beziehen wir uns, wenn wir die sie definierende Organisation autopoietische Organisation nennen.“ [55]
Was kennzeichnet autopoietische Systeme nach Maturana:
- Autopoiese: die Fähigkeit zur Selbsterzeugung
- Homöostase: Selbstorganisationsprinzip, „Flussgleichgewicht“
- Operationale Geschlossenheit: lebendige Systeme sind hier energetisch offen, aber informational geschlossen: „was wir als Wirklichkeit erleben, ist unsere eigene Konstruktion“
- Selbstreferenz: die Interaktion der Systemkomponenten führt zur Erzeugung neuer Komponenten (das System bringt sich selber stetig –neu - hervor).
- Die Systemgrenze ist ins System integriert und kein zusätzlicher Teil
Luhmann und Giesen stellen jene Denker dar, die diese stark naturwissenschaftlich geprägten Überlegungen in den Bereich sozialer Systeme rückten. Von Foerster hingegen gilt als Vater der Kybernetik, die sich mit der Steuerbarkeit von komplexen Systemen befasst.
Ursprünglich wollte man versuchen, die Wirklichkeit angemessen, exakt und mathematisch zu beschreiben. Gelandet ist man in diesem Diskurs bei der Erkenntnis, dass es eine Systemaktivität ist, wenn wir Wirklichkeit konstruieren und damit Sinn schaffen – und dass es letztlich keine/n neutrale/n Beobachter/in gibt. Denn sobald wir beobachten oder interagieren, werden wir unentwirrbarer Teil des Systems. Im Relativismus spricht man hier davon, dass diese Wirklichkeitskonstruktion immer relativ zur Autor*in/ Urheber*in, zum erzeugenden System ist: meine „Wirklichkeit“ ist mit Sicherheit nicht die Ihre, während Sie dieses Heft lesen – auch wenn wir in wesentlichen Dingen übereinstimmen mögen.
Im Zentrum sozialer Systemtheorie steht die Kommunikation. Sie ist der Code, mit dem innerhalb und zwischen Systemen Kontakt geschieht.
René Descarte wird Ihnen ein Begriff sein, er prägte unsere Denkgeschichte maßgeblich, indem er den Objekten die/den Beobachter*in gegenüberstellte [56] : „cogito ergo sum“, und darum dachten wir bisher über Objekte unserer Wahrnehmung nach. Es ging (siehe auch die Entwicklung der Menschenbilder) um die logische rationale Erschließung der Wirklichkeit: zwischen wahr und falsch gibt es hier nichts („tertium non datur“). Die Systemische Denkweise verbindet nun beide Welten, bietet die fehlende Brücke. Die „Geburt“ dessen wurde erst durch wissenschaftliche Erkenntnisse auf vielen Ebenen möglich, etwa durch die Relativitätstheorie, Chaostheorie, Thermodynamik, Kybernetik, später Quantenphysik. Im Kern steht ein veränderter Blickwinkel auf die Kausalität: nicht mehr linear, direkte Ursachen-Wirkungen sondern kreishafte Zusammenhänge werden betrachtet; zudem sind die betrachteten Objekte allesamt miteinander verbunden – auch mit den Beobachter*innen. Wie wir bereits angesprochen haben, bringen Systeme neue Elemente aus sich selbst hervor („Selbstreferenz“), also ist ein Ganzes nicht nur quantitativ mehr als die Summe seiner Teile, sondern auch qualitativ [57] .
Organisationen und deren Beobachtung
In den vorangegangenen Menschenbildern und damit Organisations- und Beratungstheorien hatte man den Menschen und dessen Organisationen als triviale Maschine betrachtet. Nun bricht mit der Systemischen Denkweise die Vorstellung der „nichttrivialen Systeme“ an: Systeme sind streng genommen nicht analytisch bestimmbar, sie sind vergangenheitsabhängig und unvorhersagbar.
Von „Kybernetik zweiter Ordnung“ [58] spricht demnach von Foerster, wenn das untersuchte System (Klient*innenunternehmen) und Beobachter*innen als gesammeltes System betrachtet werden:
„…alles was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt. Der Beobachter spricht durch seine Äußerungen zu einem anderen Beobachter, der er selbst sein könnte; alles, was den einen Beobachter kennzeichnet, kennzeichnet auch den anderen.“ [59]
Im Kern von Organisationen stehen - wie weiter oben bereits angemerkt - die Kommunikation, aber auch Entscheidungsprogramme, die Prozesse festlegen, wie etwa unter welchen Parametern eingekauft wird, welche Berater*innen gewählt werden, wie Innovation und Forschung in die Produkte einfließen, wie man die Datenbank füttert. Paul Watzlawick [60] brachte es bezogen auf soziale Systeme und Kommunikation auf den Punkt: „Es kann nicht nicht kommuniziert werden“. Dies gilt nicht nur für die nonverbale stetige Kommunikation, die wir als Individuen abstrahlen, sondern auch für Teams und Unternehmen(steile), die andauernd etwas über sich aussagen - wenn man nur „zuhört“, „zusieht“.
Kommunikation wird systemisch von den Akteur*innen losgelöst, als etwas Eigenständiges zwischen den System(teil)en gesehen. Zugleich ist es aber mit Watzlawick gesprochen unmöglich, dass ein Sender einem Empfänger 1:1 Informationen übermittelt, denn…
was gesendet wurde, muss erst gehört,
was gehört wurde muss erst verstanden,
was verstanden wurde muss erst akzeptiert
und was akzeptiert wurde, muss erst umgesetzt werden.
Dies gilt insbesondere für alle Ihre und meine Beratungsleistungen, erst recht, wenn man von außen Kommunikation und Beziehung aufnimmt. Darum ist Beobachtung auch immer eine aktive Handlung, es geschieht weit mehr dabei als dass passiv und steril Informationen gesammelt würden. Spencer Brown [61] prägte diesbezüglich den Begriff der „Form“: hier meint man nun nicht nur den Raum, Zustand und Inhalt eines Systems, sondern zugleich auch seine relevante Umwelt, den Kontext, in dem Beobachtung stattfindet. Wir denken etwa bei „Katze“ auch immer an „Hund“, wenn wir also Klient*innensysteme beobachten, sind wir stets auch unlösbarer Teil dabei. Wir konstruieren Wirklichkeit, indem wir beobachten und die von Klient*innen selber konstruierte Wirklichkeit erfragen (z.B. „wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Führung“). Hier wird aus systemischer Sicht nicht wichtig sein, was „die Wirklichkeit“ (abgesehen von ökonomischen Kennzahlen) ist, sondern was die Konstruktion, die „mentale Landkarte“ ist. Und diese wurde in einem Sinnschöpfenden Prozess (der Klient*innen, deren Organisation, von uns) erschaffen: insofern wird alles Betrachtete seinen Sinn erfüllen, einen wichtigen Nutzen erfüllen. Diese Überlegung beruht auf der oben beschriebenen Selbstorganisation von Systemen.
Göbel trifft eine für die Beratung wichtige Unterscheidung, indem er autonome Selbstorganisation von autogener Selbstorganisation trennt: autogen bedeutet selbstreguliert, jedoch unbewusst, aus sich selber heraus – autonom meint die geplante, bewusste, angesteuerte Gestaltungshandlung in Organisationen. Aus dieser Unterscheidung findet Beratung ihren Platz, aber auch die Entwicklung postmoderner Organisationsmodelle wie das fraktale Unternehmen und das virtuelle Unternehmen, die beide auf Selbstorganisation im systemischen Sinn aufbauen. Solche Formen werden von vielen Autor*innen mit dem Bild der Jazzband im Vergleich zum Orchester verglichen. In einer Jazzband spielt man ein ungefähres Stück, die Basiskomponenten sind bekannt und werden von allen gemeinsam akzeptiert, die Selbstregulation läuft ständig mit und man schöpft aus den individuellen Freiheiten der Systemteile (Musiker*innen), auch hält man ständig intensiven Kontakt zur relevanten Umwelt, dem Publikum.
Punkto Selbstorganisation weist uns die systemische Erfahrung jedoch auch darauf hin, dass Veränderungen auf Dauer nur extrem schwer von außen in einem System anzustoßen sind: das System wird sich selbstregulierend wieder in den vorigen Status versetzen, diesen aus sich heraus reproduzieren. Denken Sie hierbei an die Erfahrung, wenn aus Abteilungen ganze Teams „outplaced“ werden, weil es massive Konflikte gab. Die neuen Mitarbeiter*innen erweisen sich in der Regel nach einer bestimmen Zeit als sehr ähnlich, es hat sich - von den Gesichtern mal abgesehen - nicht viel verändert. Darum geht die Systemische Beratung oft davon aus, dass man eine recht massive Störung als Intervention, als Maßnahme setzen muss, damit ein System in echte Veränderung geht. Andererseits hat ein/e Berater*in letztlich nicht die leiseste Ahnung von den „Möglichkeitsräumen“, den Potentialen des beratenen Systems. Seine Interventionen können darum auch leicht vollkommen unvorhersehbare, hyperexponentielle Effekte im System auslösen, nämlich solche, die man sicher nicht wollte. Das Bild des „butterfly effects“ aus der Chaosforschung wird hier sehr gerne zur Bebilderung bemüht.
Auch, siehe Luhmann [62] , tragen Organisationen eine ständige Verleugnung ihrer latenten Unsicherheit mit sich: in einer komplexen Welt kann ein komplexes System nicht mit Sicherheit sagen, wie „gut“ und „richtig“ die eigenen Entscheidungen und Handlungen sind. Darum kommt es einem als Berater*in in manchen Kund*innensystemen so vor, als würden sich die Menschen und das Gesamte ständig belügen, etwas vormachen, auf Mythen und Geschichten bauen, wenn sie zum Beispiel von ihrem Erfolg oder der gelungenen Teamatmosphäre oder von bestimmten Problemstellen sprechen. Systemisch denkend erkennt man dann, dass gerade dieser Zynismus, diese Märchen dem System ermöglichen zu existieren - und demnach wohl auch etwas zu schaffen. Organisationen weben ständig an Mythen und Glaubenssätzen, an latenten Regeln, welche die sichtbare Realität beeinflussen: wie etwa „immer Vollgas, egal wohin“, „Probleme bringen Aufmerksamkeit“, „Hilf mir aber misch dich nicht ein“, „wir haben hier keine Probleme“ etc…
Simon fasst zehn Gebote zum systemischen Denken zusammen [63] :
- Sei dessen eingedenk, dass alles was gesagt wird, von einer/m Beobachter*in gesagt wird
- Unterscheide das Gesagte vom Phänomen (über das gesprochen wird, also Mitteilung von Wirklichkeit, Landkarte von Landschaft)
- Willst du Informationen beschaffen, so treffe Entscheidungen (siehe Unschärfekorrelation in der Naturwissenschaft)
- Trenne die Beschreibung (der Phänomene) von deren Erklärung und Bewertung
- Der status quo bedarf immer der Erklärung (alles was ist, beobachtbar ist, wird durch aktives Schaffen erzeugt und hat darum seinen bestätigten Sinn)
- Unterscheide Elemente, Systeme und Umwelten
- Betrachte Soziale Systeme als Kommunikationssysteme, definiere Einheiten der Kommunikation
- Das System besteht immer auch aus seiner Umwelt (was muss ich einbeziehen?)
- Orientiere dein Handeln an repetitiven Mustern (alles Einmalige hat wenig Bedeutung, Redundanzen zeigen aber Sinn oder Probleme auf)
- Betrachte Paradoxien und Ambivalenzen als normal und erwartbar! (es gibt etwas zwischen wahr und falsch – nicht in unseren mentalen Landkarten, aber in der Landschaft lebender Systeme)
Das systemische Weltbild umfasst, wie in Tabelle 7 dargestellt, einige klare Unterscheidungsmerkmale zum bisherigen mechanistischen Weltbild. Die Zusammenstellung stammt von einer der österreichischen Proponenten der Systemischen Beratung - Roswita Königswieser.
Mechanistisches Weltbild | Systemisches Weltbild |
---|---|
Objektivität, eine Wahrheit, unveränderliche Gesetze | Wirklichkeitskonstruktion, viele Wahrheiten und (Hypo-)Thesen |
Richtig – falsch, schuldig - unschuldig | Kontextabhängigkeit, Nützlichkeit, Anschlussfähigkeit |
(Fremd-) Steuerung | Selbststeuerung, Selbstorganisation |
Lineare Kausalketten | Vielfältige Wechselwirkungen, Feedbackschleifen |
Messbarer, fixer Unterschied | Sich unterscheiden, verändern |
Linearer Fortschritt, ändern | Entwicklung, ändern und bewahren, deblockieren |
Formale Logik, Widerspruchsfreiheit, Ausschluss | Integration von Widersprüchen, Einbeziehung |
Harte Fakten, rationale Beziehungen | Integration von harten und weichen Faktoren, wie Emotion, Intuition, Kommunikation |
Rollen: Macher*in, Führende und Geführte, Manipulation | Rollen: Impulsgeber*in, Gärtner*in, Befähiger*in, Entwicklungshelfer*in, Coach |
Methoden: Instruktion, Anordnung, Befehl, Lernen durch trial & error | Methoden: Zuhören, Fragen, Dialog, Diskussion, Reflexion, Lernen lernen |
Tabelle 7: Vergleich der Weltbilder: systemisch und mechanistisch (nach Königswieser, Hillebrand, 2008, S.28).
Berater*in & Kund*in
Im Zentrum von Beratung jeglicher Art stehen immer Berater*in und Kund*in/ Klient*in. Auch Ihnen wird mit Sicherheit aus Ihrer beruflichen Erfahrung klar sein, dass bei jeder Auftragssituation Klärungen stattfinden müssen, teils hinter den Kulissen bei sich selbst (auf beiden Seiten), aber vor allem in offener gemeinsamer Kommunikation und damit erhält auch die formale und informellere Beziehung zwischen einander ihren Auftakt. Ebenso wesentlich wird sein, dass man sich aus Berater*innensicht eine klare Sicht erarbeiten sollte, wer echte Auftraggeber*in, wer Sponsor*in und damit Financier, wer direkt Konsument*in und damit Letztkund*in ist und wer noch aller indirekt involviert oder von der Beratungsleistung betroffen sein könnte. Solche Situationsanalysen reichen nicht aus, dass man sie ein für alle Mal durchläuft, sondern vielmehr muss nahezu ständig ein Auge darauf gehalten werden, und zu bestimmten Beratungszeitpunkten sollte man diese Klärung auch offen mit den Kund*innen gemeinsam schaffen.
Berater*innen sind letztlich in jeder Ausprägung und Artikulation ihres Kerngeschäftes (der Beratung) immer Beobachter*innen oder sollten es in einem sehr gereiften Ausmaß sein: egal ob sie von intern, von extern beobachten, in einer sehr spezialisierten Form (Fachexpert*innenblick, prozess- oder inhaltsorientiert) oder in nicht-spezialisierter Weise [64] . Hierbei können Berater*innen unterschiedliche Perspektiven einnehmen:
- Dezisionistische Perspektive: (aus dem Lateinischen decidere, „entscheiden“) Berater*innen bringen Wissen als Informationen ein, aufgrund welcher die Entscheidungsträger*innen Handlungsalternativen sehen und wählen.
- Technokratische Perspektive: das Berater*innenwissen, und somit der/die Berater*in bestimmt zwangsdringlich die Entscheidungen - die Entscheidungsträger*innen werden somit zu Ausführenden.
- Pragmatische Perspektive: unterstreicht den kritischen, konstruktiven Dialog zwischen Berater*in und Kund*in/, Entscheidungsträger*innen, in dem es um das eingebrachte Wissen und auch um Wertefragen gehen soll.
- Politische Perspektive: der/die Berater*in hat per se eine politische Rolle im System des/der Kund*in: verschiedene Akteur*innen werden unentwegt an ihm „zerren“ und um Koalitionen und Instrumentalisierung der Berater*innen zu eigenen Zwecken (Sichtweisen) bemüht sein.
Um einige Rollenakzente klarer darstellen zu können, wollen wir die Rolle der/s Berater*in aus einer inhaltlich und einer prozessorientierten Sichtweise betrachten, auch wenn diese im Regelfall nur selten in echten Beratungsprojekten so sauber getrennt umgesetzt werden.
In der inhaltsorientierten Beratung stellt sich die/der Unternehmensberater*in im Regelfall als Informant*in, als „Provider“ lösungsrelevanten Wissens dar oder als Lösungsfinder*in. Hier steht die Herausforderung an die/den Berater*in in der Disziplin, sich eigener Handlungen zu enthalten, nicht selbst operativ tätig zu werden.
In der prozessorientierten Beratungsform hingegen stellen Berater*innen als Methoden-Expert*innen den Rahmen her, in dem Kund*innen ihre inhaltlichen Lösungen entwickeln und umsetzen können. Hierbei geht es dann um die Rolle einer/s Moderator*in, aber auch Begleiter*in, die/der die „Lernfähigkeit des Kundensystems“ [65] zu entwickeln hilft. Diese Rollenfärbung ringt Berater*innen vor allem inhaltliche Zurücknahme ab: eben nicht inhaltlich beizutragen, optimalerweise nicht einmal durch unbewusste nonverbale Zustimmungs- oder Ablehnungssignale. Berater*innen sind im prozessorientierten Rahmen darum bemüht, komplexe und oft emotional aufwühlende Probleme neutral und objektiv fassbar zu machen. Darum treten sie mitunter als Dolmetscher*in oder Übersetzer*in für ihre/seine Klient*innen auf und erleichtern es dem System der/des Kund*in damit, kluge Entscheidungen zu treffen und selbst aktiv zu werden.
Einige Kernfragen im Spannungsfeld Berater*in-Klient*in sind:
- Welches sind offene und vor allem latente Gründe/ Erwartungen von Klient*innen an die/den Berater*in und die Beratungsleistung?
- Wieso entscheidet man sich gerade für externe oder gerade für interne Beratung (Frage der Ressourcenverwendung, Transaktionskosten), für Beratung an sich?
- Fragen rund um die Berater*innenwahl, die Vertrags- und Beziehungsgestaltung.
- Welche Vorstellungen hat das Klient*innensystem (nicht nur die/der eine Ansprechpartner*in) zum Beratungsprozess und zu dessen Steuerung/ Kontrolle (inkl. Wissensmanagement, Ergebnis- und Verlaufsevaluation)? Genauer einzugehen ist darauf: was sind unklare Ziele, gibt es viele komplexe Ziele, bestehen widersprüchliche einander konfligierende Ziele, kann man die Beratungseffekte von den alltäglichen Systemeffekten trennen (eine Frage der Wirksamkeitskontrolle), was genau hat gewirkt, was sind latente Folgen, wie verteilt sich welche Verantwortung, wie erfasst und behandelt man langfristige verzögerte Effekte?
- Wie tiefgreifend besteht die Notwenigkeit der „Metaberatung“, also des Empowerments der/des Kund*in zur Beratungskooperation, damit diese auch gut integriert wird und verstanden, geteilt wird.
- Sind die Kund*innensysteme nicht homogen, gibt es Untereinheiten die wie eigene Systeme wirken? Wie geht man damit um? Und wie kommuniziert die/der Berater*in hierzu mit den Kund*innen? Ebenso: ist das Berater*innenseitige System homogen oder zersplittert, wirken hier mehrere Untersysteme mit (z.B. Partnerunternehmen) und wie will man damit um gehen, um Qualität und Transparenz zu sichern?
Interne Beratung
Nicht selten findet man ehemalige Consulter*innen nunmehr mit einer Managementfunktion betraut in Unternehmen wieder, die sich als ebenso professionelle oder zumindest sehr differenzierte Auftraggeber*innen bewegen oder als interne Auftragnehmer*in, interne Beratungsdienstleister*in.
Interne Beratung stellt sich meist als institutionalisierte Unternehmensressource dar: diese leistet Beratung im Management-, IT- oder Personalbereich. Auch interne Rechtsabteilungen und HR-Business-Partner-Konzepte fallen hier herein. Bedenken Sie hierbei die Entwicklung des Menschenbildes mit, als es zunehmend darum ging, dass jede/jeder intern Kund*in und Dienstleister*in zugleich wird und Kommunikation sowie fachliche und Methodenkompetenz die relevanten Kriterien werden.
Die Vor- und Nachteile interner und externer Beratung sind leicht auszumachen: Vorteilhaft ist mit Sicherheit, dass interne Berater*innen samt ihrem Wissen dem Unternehmen erhalten bleiben, sie verfügen über interne Erfahrung im Unternehmen, erleben die Auswirkungen ihrer Beratungen oft in eigener Person mit. Sie kämpfen aber auch mit Beziehungsthemen und internen Koalitionsversuchen und damit um ihre Objektivität und Unabhängigkeit, auch macht ihnen zunehmende Betriebsblindheit zu schaffen. Dafür gelingt internen Berater*innen die Einschätzung, wie realistisch eine Maßnahme ist oder welche Formen und Zeitachsen sowie Akteur*innen für ein Beratungsprojekt förderlich sind und welche nicht. Externe Berater*innen hingegen bringen auch Erfahrungen und Wissen aus anderen Betrieben mit, sind darum meist innovativer, aber auch unabhängiger und per se objektiver. Externe Berater*innen sind jedoch auch naturgemäß an Folgeaufträgen interessiert und gelten gerne als Management-hörig; zudem sieht man sie gerne als „Fremde“, als jene die von der Firma keine Ahnung haben und nur Theoretiker*innen sind, und darum kämpfen sie mit der Akzeptanz, aber auch mit Anpassungsproblemen (Auftreten ebenso wie administrative Schnittstellen zu den Kund*innen).
Einen vertiefenden Einblick zu gegenwärtiger, interner Beratung in Unternehmen finden Sie im Artikel „Analysis of best practices of internal consulting“ [66] . Die Autor*innen fassten die Ergebnisse von 30 Artikeln zusammen, die sich mit interner Beratung bei Unternehmen der Fortune 500 List befassen, und geben Antworten zu folgenden Fragen:
- in welchen Businessbereichen findet interne Beratung intensiv statt,
- was sind Brennpunkte der Interventionen (Maßnahmen),
- welches sind die Methoden zur Steigerung der organisationalen Fähigkeiten,
- wie wird Talent Management betreut und
- wie wird der klassische fünfstufige Beratungsprozess umgesetzt (Eingang, Diagnose, Datensammlung, Maßnahmendesign, Umsetzung, Evaluation).
Auffallend aus den Rückmeldungen der Praktiker*innen war, dass interne Consultants im Regelfall „keinen Platz am Tisch der obersten Entscheidungsträger*innen“ erhalten, weil sie entweder als HR-Funktion gesehen werden, ihnen zu wenig strategische Kompetenz zugestanden wird oder sie (aus diesen Faktoren heraus) zu wenig glaubwürdig auftreten und erscheinen. Zwei Drittel der Praktiker*innen arbeiten im Rahmen von Change-Projekten und damit als Organisationsentwickler*innen, die Hälfte bemüht sich mit der Implementierung von Business Plänen in die vorhandene Struktur- und Prozesswelt. Schwerpunkte in den Arbeitsmethoden bei den internen Berater*innen bilden Kommunikationsprozesse, Formen persönlichen Empowerments (Coaching, Mentoring etc.) und teambezogene Ansätze (Workshops, Gruppendynamik, Supervision, Klausuren). Kaum fand man hingegen Aktivitäten zu Diversity, zur Bildung einer lernenden Organisation oder zu Wissensmanagement.
Qualitätsmerkmale der Beratung für interne wie für externe Beratung sind in jedem Fall dieselben und man kennt sie auch unter dem Begriff der „Governance“ [67] der Beratung:
- Unabhängigkeit der Berater*innen und der Beratung (Unparteilichkeit)
- Transparenz der beratenden Aktivitäten
- Objektivität (nach allgemein gültigen und/oder gemeinsam anerkannten Kriterien)
- Wirtschaftlichkeit (und damit Kosten-Nutzen-Balance)
Diese Prinzipien werden im Rahmen der Beratungsdienste auf folgende Systeme angewendet und dadurch konkret sichtbar: Strategie, Organisation, Prozesse, Systeme, Werte und Verhalten. Erfolg verbuchen Berater*innen, interne wie externe gleichermaßen dann, wenn sie ein kundenspezifisches Angebot bieten, ihre Ansätze umsetzungsfähig und realisierbar sind, sie Wissen im Kund*innensystem systematisch und stichhaltig aufbauen und integrieren, sowie interne Ressourcen möglichst anhaltend oder kontinuierlich zu mobilisieren helfen.
U-Theory
Den Hintergrund für diese Theorie und das ebenso genannte Verfahren stellt das Unwohlsein in der heutigen Zeit dar; davon sehen sich die Autor*innen selbst berührt: Otto Scharmer [68] und Kolleg*innen [69] vom MIT sowie von der Society for organisationale Learning in Cambridge, Massachusetts (also Teil der geistigen Elite der US-Ostküste) sehen weltweite Misswirtschaft, hyperexponentielle Verläufe von Prozessen auf allen Ebenen, die in ein „break down“ führen. Die U-Theory sieht sich als couragierter Beitrag dazu, das Ruder herum zu reißen und zu einem „break through“ der Menschheit in Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Spiritualität zu führen. Von besonderer Bedeutung für diese Vision sind ein neues Bewusstsein, das individuell und kollektiv, also gemeinschaftlich wirkt und gepflegt werden muss, sowie die neue „kollektive Leadership“, die uns alle aufruft, nicht mehr oberflächlich rational zu agieren, um folgenschweres Scheitern zu vermeiden.
Otto Scharmer unterstreicht, dass wir mit blinden Flecken agieren, die aber erhellbar sind, es ist eine Frage des ins Bewusstsein Holens, und dies verlangt nach einer neuen Form des Rituals, des Prozesses. Nachhaltiges Versagen führen die Autor*innen in letzter Instanz auf den fehlenden Blick und Kontakt zu inneren Quellen zurück, die uns führen, entscheiden, handeln, wirtschaften, kommunizieren oder kooperieren lassen. Auch hier geht es, wie bereits in früheren Kapiteln, um eine massive Veränderung der eigenen und gemeinsamen Perspektivenwahl: wir betrachten jene Zukunft, die „wanting to be born“, also sich danach sehnt, dazu bereit ist, geboren zu werden. Diesen Erfahrungsmoment (eine Kombination aus Träumen, meditieren, denken und fühlen) nennt man hier „presencing“. Presencing meint einerseits das voraus-wahrnehmen und spielt andererseits zugleich das pre-sensing an, also ein „den (konstruktiven) Sinn vorausfühlen, vorausahnen.
Die Abkehr von bisheriger spontaner und rationaler, gewohnter Problem- und Lösungsbearbeitung beim Einzelnen und in der Gruppe (Organisation) nennt Scharmer metaphorisch „stop downloading“. Werden wir uns dessen bewusst, wie wir im Regelfall (also zu 99%) der Fälle Inhalte und Herangehensweise aus bereits verfügbaren Erfahrungen als Muster „herunterladen“, also unreflektiert anwenden, dann ist ein erster Schritt geschehen. Dazu gehört auch der unverstellte Blick auf die Fakten, die hier nicht mehr interessengeleitet bereits in unserer Wahrnehmung verbogen oder verleugnet werden.
Hier wirken auf der einen Seite Überlebensdruck und Existenzangst, auf der anderen Seite das Bedürfnis und der Sog hin zu Veränderung, zu Entwicklung und zum Lernen. Die Sehnsucht nach einem neuen Paradigma des Denkens treibt auch ein vielleicht letztes Aufbäumen und Dagegenhalten alter Denkmuster hervor, die uns so lange in Sicherheit schaukelten.
Das Verfahren der U-Theory kann man als eine Reise durch fünf (aktiv betriebene) Erlebnisdimensionen veranschaulichen:
- Co-Initiating: Gemeinsame Intentionsbildung
- Ziel: „eine gemeinsame Intention schaffen“
- Anweisung: „innehalten, zuhören, was sagen andere, was sagt mir das Leben, dass gerade ich genau jetzt tun soll“
Co-Sensing: Gemeinsame Wahrnehmung
- Ziel: „beobachte, beobachte, beobachte“
- Anweisung: „gehe zu den Orten mit dem größten Potential, und horche mit weit offenem Geist und Herzen“
Presencing: Gemeinsame Willensbildung
- Ziel: „Verbinde dich mit der Quelle der Inspiration und des Willens“
- Anweisung: „gehe zum Ort der Stille und erlaube dem inneren Wissen aufzutauchen“
Co-Creating: Gemeinsames Experimentieren
- Ziel: „sei Schöpfer*in“
- Anweisung: „entwerfe das Neue in lebendigen Beispielen, um die Zukunft im Tun zu entdecken“
Co-Evolving: Gemeinsame Gestaltung
- Ziel: „Verkörpere das Neue“
- Anweisung: „… in Ökosystemen, die es erleichtern, aus einer ganzheitlichen Perspektive zu schauen und zu agieren“
Die Benennung als „U“ kommt vom u-förmig dargestellten Prozess, der hier durchlaufen wird. Dies spielt auch mystische, religiöse Entwicklungswege an, die stets mit einem Untertauchen beschrieben werden: Seelen reisen zu unbewussten, blinden Tiefen, um anschließend aufzutauchen; mit einem Schatz in Händen, den man ans Licht und ins Leben bringt. Die Metapher hat doch auch etwas von Geburt an sich, meinen Sie nicht?
Diese Fähigkeiten kann man trainieren, entwickeln, und muss dies auch: auf individueller Ebene wie auch auf gemeinschaftlicher Ebene:
Damit wir ein noch besseres Bild von dem doch revolutionären Beitrag der U-Theory haben, sei hier ein weiteres „4-Felder-Schema“ von Otto Scharmer eingebracht (Abbildung 11).
Indem er die sich weiter entwickelnden Formen der organisationalen Konversation darstellt, wird auch gut ersichtlich, wo blinde Flecken und Widerstände zu erwarten sind. Und wie der „Quantensprung“ durch die Konzepte von Senge und Scharmer und Kolleg*innen sich auf allen Systemebenen mit der Zeit darstellt.
Der Quantensprung in der U-Theory besteht im Wechsel vom Lernen aus der Erfahrung und damit aus der Vergangenheit hin zum Lernen aus der (auftauchenden, sich ankündigenden) Zukunft.
DIALOG - Verfahren
Auch dieses Verfahren ist ein Beitrag aus dem MIT von Peter Senge, dessen Beiträge wir bereits mehrmals im Rahmen des postmodern man bemüht haben. Allerdings greift er bereits beschrittene Wege von Martin Buber [70] und David Bohm [71] auf. Der Dialog bietet eine Methode um Changemanagement, Organisationsentwicklung zu leisten und damit auch Teamentwicklung und Transformationsbegleitung eines Unternehmens hin zu einer Lernenden Organisation - aus sich selbst heraus. Das Verfahren bietet, aufbauend auf den unten beschriebenen Kernparametern, verschiedene Dialogrunden, Übungssettings zur individuellen und kollektiven, also Gruppenübung an, die Dialog zum Leben bringen. Dialog wird aber auch als Kommunikationsform im Rahmen der Großgruppenverfahren propagiert, wenn diese gelingen sollen.
„Dialog“ ist …
- Ein Weg zu klarer, konstruktiver Kommunikation und damit zu kreativem, authentischen Austausch und zum Denken und Lernen in der Gruppe
- Ein Instrument, um Emotionen, Gedanken, Werte ins Bewusstsein zu holen und gleichsam als „Schätze“ zu heben
Voraussetzung und Gestaltungswerkzeug für gelingenden Dialog ist letztlich die eigene individuelle Bewusstheit, die Übung der Achtsamkeit in unseren Gedanken, Gefühlen, Worten und Handlungen. Wenn wir dessen gewahr sind, was wir wirklich wahrnehmen, denken, fühlen, sagen, und was unsere wahren Beweggründe, Annahmen und Glaubenssätze sind, dann können wir …
- Begegnung erfahren
- Neues denkbar machen
- Gemeinsam kreativ sein und
- handlungsfähiger werden.
Theorien der Führung – und Praxis der Beratung
Die folgend dargebrachten Ansätze und Theorien entsprechen in ihrer Reihung auch im Wesentlichen der historischen Abfolge. Einzelne, wie etwa die Eigenschaftsansätze, erlebten zeitversetzt eine Neuauflage (seit den 1970er Jahren), allerdings mit veränderten Vorzeichen. Einige der Theorien waren in der Realwirtschaft auch zeitgleich wirksam: gleichsam den heutigen „neuen (und alten) Trends“ im Management schlugen Ansätze wiederholt Wellen, ausgehend von berühmt gewordenen Studien, (guten oder bedauerlichen) Unternehmensbeispielen, sowie berühmten Forschergruppen.
Zur besseren Orientierung sei hier eine kurze Übersicht geboten, in Anlehnung an Jago (1982).
Universelle Theorien:
Führungsqualitäten sind immer und überall gültig und von der Situation unbeeinflusst.
Situative Theorien (Kontingenztheorien):
Das jeweilige Führungsverhalten muss auf die jeweilige Situation abgestimmt sein.
Persönlichkeitsansätze:
Stabile Eigenschaften der Person bestimmen, ob diese Führungsqualitäten hat oder nicht, bzw. erfolgreich sein wird oder nicht.
Verhaltensansätze:
Erfolgreiche Führung liegt allein im (richtigen, gekonnten) Verhalten begründet.
Hierher (Tabelle 8) können Sie immer wieder zurückblättern, um sich in den Theorien nicht zu verirren, vor allem wenn diese sehr spannend für Sie werden.
Universelle Führungstheorien | Situative Führungstheorien | |
---|---|---|
Persönlichkeitseigenschaften |
Eigenschaften der Führungspersönlichkeit | Führungspersönlichkeit im Kontext der Situation |
Führungsverhalten |
Interaktionsverhalten (der Führungskraft) |
Situation und Verhalten wirken aufeinander wechselseitig ein |
Tabelle 8: Übersicht zu Führungstheorien (nach Jago, 1982)
Eigenschaftsansätze
Bereits in der Antike (Expertenstaat Platons) gab es die Ansicht, dass manche Personen sich aufgrund ihrer Eigenschaften zur Führung eignen, andere nicht. Die starken Bilder von potenten „Führern“, von herausragenden Individuen, welche Geschichte und Gegenwart prägen, sowie Elitendenken gab es von der Antike bis herauf zum vorigen Jahrhundert.
Bei Führungstheorien um 1900 ging man ebenfalls von stabilen Persönlichkeitseigenschaften aus, wenn man denn vom „great man“ sprach. Neben Intelligenz, Dominanz, Durchsetzungskraft und dergleichen mehr wurden selbst körperliche Parameter wie Energie und Statur ins Treffen geführt, wenn es um die Suche nach dem „Erfolgsgaranten“ ging. Der „great man“ war die Antwort auf die grundsätzliche Frage, wer auf Grund welcher Eigenschaften zu einer Führungsfigur wird und wie diese Eigenschaften den Führungserfolg beeinflussen.
Das Lernen durch Erfahrung wurde in dieser Perspektivenwahl noch nicht mit ein gedacht. Empirische Studienergebnisse [72] konnten nur sehr niedrige Zusammenhänge zwischen Eigenschaften und Führungserfolg attestieren. Eigenschaften werden in unterschiedlichen Kontexten – das werden Sie sicher aus Ihrer Alltagserfahrung bestätigen – unterschiedlich wirksam oder ergeben in ihrem Zusammenspiel situativ unterschiedliche Effekte (nicht immer nur vorteilhafte für den Führungserfolg).
Nichtsdestotrotz bieten die Eigenschaftsansätze weiterhin eine teilweise Basis für Assessment-Centers und Development-Centers - in den heutigen Formen werden hier allerdings auch Verhalten und Situation in der Auswahl von Führungskräften mitberücksichtigt. Als ein Beispiel für weiterhin (wenn auch im situativen Zusammenspiel) betrachtete Persönlichkeitsfaktoren seien die „Big Five“ [73] genannt: Extraversion, emotionale Stabilität, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit sowie Offenheit für Erfahrungen.
Verhaltenstheorien
Bis zum Ende der 1940er Jahre hatte man auf Eigenschaftstheorien der Führung gebaut. Dann begann jedoch das Paradigma des „great man“ sich in all seinen Ausprägungsgraden als überholt darzustellen. Wahrscheinlich fällt dies nicht nur zufällig in jene Zeit des vorigen Jahrhunderts, in welcher es zum Fall des „Dritten Reiches“ kam. Im Rahmen der Verhaltenstheorien der Führung wandte man sich nun zunehmend dem Verhalten, den Verhaltensstilen von Führungspersonen zu.
Nun erforschte man mittels Fragebögen, Tagebuchaufzeichnungen und Interviews die Tätigkeiten von Führungspersonen, und zog Schlüsse daraus: zum Zusammenhang zwischen Verhalten und Führungserfolg.
So beinhaltet etwa die „Executive Checklist“ von Lozanta-Larsen und Parker [74] folgende, für Führungskräfte typischen Dimensionen:
Supervising,
Planning and organizing,
Decision making,
Monitoring indicators,
Controlling,
Representing,
Coordinating,
Consulting und
Administrating.
Hier fällt durchaus zu Recht auf, dass auch heute noch die Agenden von Führungskräften mehr oder minder, je nach Organisationsfaktoren, mit diesen Tätigkeitsbereichen beschrieben werden.
IOWA-Studien
Über reine Aktivitäten von Führungskräften hinaus blickte man aber auch auf Verhaltensstile, die man zur Unterscheidung von effektivem und ineffektivem Führungsverhalten heranzog. Auf Kurt Lewin, ein Forschungsgrande der 1930er und 1940er Jahre, geht die Unterscheidung zwischen demokratischem, laissez-faire und autokratischem Stil zurück.
Unter einem autokratischen Führungsstil versteht man sehr direktive Anweisungen (quasi-Befehle), es wird in den Arbeitsfluss eingegriffen, die Aufgabenzuteilung erfolgt von oben/außen, Beurteilungskriterien werden nicht immer transparent gemacht, Feedbacks erfolgen in Form von Zurechtweisung, Kritik.
Im Rahmen eines demokratischen Stils wird in der Gruppe gemeinsam mit der Führungskraft zu Zielen und Aufgaben, zur Arbeitsteilung kommuniziert und entschieden. Das selbständige Arbeiten und Transparenz im Geschehen werden von der Führung unterstützt.
Laissez-faire meint schlichtweg, dass die Arbeitsgruppe sich weitestgehend selber überlassen wird, (steuernde, beratende, beurteilende) Inputs vorsätzlich vermieden werden.
Diese Führungsstile sind auch heute noch ein allgemeiner Bestandteil von Führungswissen. Allerdings verhält es sich wie bei anderen Fragmenten zu Führungsknowhow, dass im Regelfall weder Führungskräfte noch Berater*innen dabei mitdenken, worauf sich die Theorien ursprünglich bezogen, welche Einschränkungen diese aufzeigten oder aus welcher Perspektive diese gelten könnten.
Zwei-Faktoren Führungstheorien: Ohio-State & Michigan Studien
Nach den Ergebnissen der berühmten „Ohio-State-Studiengruppe“ (Fleishman et. al., Ende der 1940er Jahre) wurden zwei sich ergänzende, zentrale Faktoren ins Treffen geführt, die für den Führungserfolg bezeichnend sind.
In grafischer Darstellung findet man diese des Öfteren als Koordinatensystem in Form eines „Führungs-GRIDs“ vor. Sie leisten auch heute noch in Führungscoachings sowie –trainings einen inhaltlichen Beitrag oder den Hintergrund für die Entwicklungsziele:
„Consideration“: Beziehungsorientierung
- gegenseitige Achtung, Respekt und Vertrauen
- sensibel auf Bedürfnisse von Mitarbeiter*innen
- beziehen Mitarbeiter*innen in Entscheidungen mit ein
- fördern Kommunikation in der Gruppe
„Initiating Structure“: Aufgabenorientierung
- Verhalten, bei dem die Führungskraft Aufgaben plant und
- delegiert sowie
- Arbeitsabläufe strukturiert,
- um angestrebte Ziele zu erreichen
Die Ohio-Studien lieferten zutage, dass
- die Leistung von der Höhe der Aufgabenorientierung abhängig war (starke „initiating structure“ – hohe Leistungen),
- Beschwerden und Fluktuation (bzw. Mitarbeiter*innenzufriedenheit) von der Beziehungsorientierung abhängen (hohe „consideration“ – geringe Beschwerdenlage, geringe Fluktuation).
Folgeuntersuchungen weisen drauf hin, dass es mit zwei Faktoren wohl nicht getan sein mag, und dass die jeweils gefundenen zwei Faktoren nicht wirklich unabhängig voneinander sind. Dennoch „leben“ diese Ansätze auch heute noch weiter, als „Brillen“, die man sich in raschen Analysen, Coachings oder auch Führungstrainings „aufsetzt“, um eine erste Orientierung zu erhalten.
Das Verhaltensgitter von Blake und Mouton (Managerial Grid – Modell)
Dem Grid-Modell (siehe Abbildung 12) nach bedingt die Kombination aus Sachorientierung und Menschenorientierung, wie eine Führungskraft ihre Ziele erreicht:
- Bei hoher Sachorientierung konzentriert sie sich auf die Aufgabenkomponenten (also production, initiating structure);
- weist eine Führungskraft hingegen eine besonders hohe Menschenorientierung auf, so geht es ihr insbesondere um harmonische Beziehungen und zufriedene Menschen (employee, consideration).
Beide Orientierungen finden sich in einer Vielzahl von Varianten wieder. Die Autoren bieten in diesem Verhaltensgitter 81 Kombinationsvarianten, wobei sie in intensiver Beschreibung auf fünf besonders charakteristische Kombinationsformen eingehen.
Verhaltensstil 1.1:
wird als „Überlebens-Management“ bezeichnet und stellt das Minimum an sowohl Sach- als auch Menschenorientierung dar. Führungskräfte dieser Ausprägung tun gerade einmal, was unbedingt nötig ist.
Verhaltensstil 5.5:
im „Organisations-Management“ orientiert man sich am status quo und versucht den goldenen Mittelweg. Konformität, nicht auffallen und anecken, nichts „falsch“ machen sind hierfür Leitbilder.
Verhaltensstil 9.9:
im „Team-Management“ verknüpft sich eine ausgeprägte Sach- mit einer hohen Menschenorientierung. Das Management holt die Mitarbeiter*innen herein: gemeinsame Schaffensfreude und Konfliktklärung, Mitwirkung, Mitsprache und Mitverantwortung werden zum bestmöglichen Leistungserfolg ausgebaut.
Verhaltensstil 1.9:
im „Glacéhandschuh-Management“ legt man maximal Bedacht auf die Menschenorientierung, und nimmt für ein positives Arbeitsklima auch hohe Einbußen im Leistungserfolg in Kauf.
Verhaltensstil 9.1:
im „Befehl-Gehorsam-Management“ liegt das Verhältnis genau umgekehrt: das Leistungsmaximum wird mittels Macht, Autorität und Kontrolle zu erreichen versucht.
Verhaltensstil 9+9:
… 9+9 stellt einen später hinzu gefügten und im Grid nicht eingezeichneten Stil des „wohlwollenden Diktators“ dar. In patriarchalisch geführten Betrieben findet sich auch heute noch gerne die Haltung: „solange Sie tun, was ich bestimme, und solange Sie sich als kooperativ erweisen (nicht widersprechen) und funktionieren, solange haben sie es gut hier (bei mir)“.
Wie alle bisher angeführten Theorien ist auch das Verhaltensgitter von Blake und Mouton eine „universelle Theorie“ – es fehlen sämtliche situationsbedingten Aspekte. Diese wurden hingegen in den folgend geschilderten Kontingenztheorien in den Brennpunkt gerückt.
Kontingenztheorien
Diese Theorien fußen in der Sichtweise und Erkenntnis, dass Ereignisse und Situationen einander bedingen. Demnach erlauben bisherige Fokussierungen auf Führungseigenschaften oder Führungsverhalten für sich allein keine adäquate Schilderung der Realität und gewährleisten keine kluge Empfehlung für optimale Führung.
Kontingenztheorien beschreiben nun Führungsstile in Abhängigkeit von bestimmten Situationsparametern als besonders erfolgreich (oder als nicht empfehlenswert).
Kontinuumstheorie Tannenbaum & Schmidt
Wesentliches Element dieser Führungstheorie ist der Entscheidungsspielraum, der bildlich gesprochen als „Raum“ entweder mehr von der Führungskraft, oder von der Arbeitsgruppe gehalten und bespielt wird (je mehr Entscheidungsspielraum eine Seite hat, umso weniger Raum kann/wird die andere Seite einnehmen).
Die Autor*innen tragen die graduelle Verschiebung des Entscheidungsspielraums auf ein Kontinuum zwischen den Polen „autoritär“ und „demokratisch/kooperativ“ auf.
Diese bipolare Aufspannung (siehe Abbildung 13) konnte in vielen empirischen Studien bestätigt werden.
In der Frage nach dem erfolgreichsten Führungsstil sind hier die Charakteristika der Führungskraft, die Charakteristika der Mitarbeiter*innen und die Charakteristika der Situation gemeinsam entscheidend.
Das Kontinuumsmodell fordert seit jeher, dass eine gute Führungskraft nach kluger Analyse der Charakteristika (etwa im Rahmen einer Beratung) selbst entscheidet, welcher Stil der „richtige“ sei. Und sich demnach darin auszeichnet, souverän situativ auf der „breiten Klaviatur“ der Führungsstile spielen zu können.
Kontingenzmodell von Fiedler
Diese Kontingenztheorie stellt im Unterschied zu den anderen dieses Kapitels eine (situative) Eigenschaftstheorie dar. Es geht hier also nicht mehr um das richtige Verhalten, sondern darum, die richtigen Eigenschaften zur vorgefundenen Situation zu finden.
Im Gegensatz zu universellen Eigenschaftstheorien - der/m aufmerksamen Leser*in wird dies nicht entgangen sein - geht es hier nicht mehr um schlechte versus gute Führungspersönlichkeiten, sondern um die „situativ richtige Wahl“: wer hat den passenden Führungsstil. Die betrachteten Eigenschaften werden hier als kaum veränderbar, als stabiles Persönlichkeitsmerkmal angesehen.
Die Führungssituation, zu welcher der Führungsstil passen soll, wird nach Fiedler durch folgende Parameter gekennzeichnet (siehe Abbildung 14):
- „Führende-Geführten-Beziehung“: persönliches Vertrauen und Respekt stellen die tägliche Grundlage für die gemeinsame Zielverfolgung
- „Aufgabenstruktur“: wie spezifisch, klar sind Aufgaben und Ziele, wie vielfältig sind die Lösungsmöglichkeiten und wie sicher kann man sagen, dass eine Entscheidung die richtige war (Verifizierbarkeit)
- „Positionsmacht des/der Führenden“: Beeinflussungsmöglichkeiten, die der Führungskraft zur Verfügung stehen (Belohnung, Bestrafung).
Fiedler gibt nun auch klare Empfehlungen ab, welcher Führungsstil (und damit jene Person, die diesen Stil besonders ausgeprägt hat) wann günstig sein wird:
Ein Führungsstil mit hoher Personenorientierung ist in Situationstyp IV, V & VI günstig
In allen anderen Situationen ist ein Stil mit hoher Aufgabenorientierung zu favorisieren!
Fiedler zählt zwar zu den meist zitierten Autoren im Bereich der Führungsforschung, ja man kann sogar getrost anmerken, dass die meisten Publikationen zum Ende des vorigen Jahrhunderts in diesem Bereich sich stark auf seine Erkenntnisse bezogen haben, doch eine klare Einschränkung muss hier auch bei Fiedlers Modell unterstrichen werden: sein Modell gilt nicht für neu komponierte Arbeitsgruppen (etwa in einer Storming Phase) und klammert auch alle Effekte aus, die mit gruppendynamischen Phänomenen einhergehen. Fiedlers Modell „funktioniert“ bildlich gesprochen nur im Rahmen eines Standbildes. Zudem gibt es rege, vielfältige Kritik an seinen Ergebnissen.
In der Beratungspraxis findet dieses Modell dennoch regen Niederschlag, allerdings weniger wie bisherige Modelle in Verhaltenstrainings oder bewusstseinsstärkenden Coachings, sondern in der situativ abgestimmten Auswahl von Führungskräften (siehe Assessment-Centers).
Normatives Entscheidungsmodell
Dies ist ein guter Versuch, eine Antwort zu finden auf die Frage: „wie soll man führen, wenn es darum geht…
- möglichst rasch
- möglichst gute, rationale Entscheidungen zu treffen
- welche von den Geführten auch möglichst nachhaltig mitgetragen, angenommen werden“
Anhand eines Entscheidungsbaumes findet man den situativ stimmigen Entscheidungsstil (siehe Abbildung 15). Hierfür muss man sich 7 Fragen stellen und hierbei auf ein klares „Ja“ oder „Nein“ kommen [75] , um im Entscheidungsbaum (Abbildung 15) zu einer Lösung zu finden:
- Ist Qualität wichtig und eine Lösung vermutlich besser als die andere?
- Genügt meine Information für eine hochwertige Entscheidung?
- Ist das Problem strukturiert?
- Ist es für die Ausführung wichtig, dass die Mitarbeiter*innen die Entscheidung nachhaltig akzeptieren?
- Wird die Führungsentscheidung von den Mitarbeiter*innen akzeptiert werden?
- Besteht Commitment der Mitarbeiter*innen zu den Organisationszielen, die durch die Problemlösung erreicht werden sollen?
- Ist bei einer mehr oder minder gemeinsamen Entscheidung mit Konflikten zwischen den Mitarbeiter*innen zu rechnen?
Vroom und Yetton (1973) finden zu folgenden Entscheidungsstilen:
AI - Autoritäre Entscheidung 1:
Führungskraft entscheidet selbst anhand vorliegender Informationen
AII - Autoritäre Entscheidung 2:
Information wird bei den Mitarbeiter*innen eingeholt, diese werden jedoch nicht weiter informiert oder involviert. Führung entscheidet.
BI - Beratende Entscheidung 1:
ein kleiner Pool an Mitarbeiter*innen wird zu Erörterung und Konsultation einbezogen, die Entscheidung kann aber dennoch unabhängig davon von der Führung getroffen werden.
BII - Beratende Entscheidung 2:
Diskussion und Erörterung mit dem gesamten Team, Entscheidung liegt bei der Führungskraft.
GII - Gruppenentscheidung:
gemeinsame Erörterung und Diskussion sowie Entscheidung.
Studien haben gezeigt, dass die Einhaltung dieses Modells tatsächlich positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen wirkt, auch werden Entscheidungen positiver bewertet. Dennoch muss hier auch darauf hingewiesen werden, dass die so erzielten Resultate nicht immer effektiv sind.
Dieses Modell zeichnet sich demnach durch seine Klarheit und Begrenzung auf Entscheidungssituationen aus und liefert auch sehr gute Richtlinien für eine erste Annäherung an pragmatische Unternehmenssituationen. In der Beratungspraxis findet dies Eingang in Coachings, in Führungskräfteausbildungen, Emergent Talent Programs, (Entscheidungs-)Trainings und mitunter in Development-Centers.
Und nicht zuletzt könnte man den hier geführten Term „Mitarbeiter*innen“ und „Führende*r“ auch mit „Kund*in“ und „Berater*in“ ersetzen, um das eigene Sensorium in diesem Spannungsfeld zu schärfen.
Situative Reifegradtheorie von Hersey und Blanchard
Auch bei Hersey und Blanchard (1977) finden wir jene bereits bekannten Dimensionen wieder, denen zufolge Führung sich verstärkt auf Mitarbeiter*innen oder auf Aufgaben fokussiert. Die Führung steht also in der Pflicht, sich ein stimmiges Bild der Situation zu machen und den eingesetzten Führungsstil passend zu wählen und zu gestalten. Wann ist nun welcher Akzent, welcher Stil passend?
Dies hängt hier davon ab, welchen Reifegrad Mitarbeiter*innen aufweisen: je nachdem wie ausgeprägt deren „job maturity“ und „psychological maturity“ ist, wird in der Führung ein anderer Schwerpunkt zu setzen sein:
- Unter „job maturity“ versteht man Fertigkeiten und Wissen, welche zur erfolgreichen Bearbeitung der Jobaufgaben eingesetzt werden, wobei man sich bildlich gesprochen zwischen Neueinsteiger*in bis hin zu Fachexpert*in und Spezialist*in bewegt.
- Mit „psychological maturity“ subsummiert man Faktoren wie Leistungsmotivation und Selbstsicherheit, die sich etwa mit zunehmender Seniorität im Arbeitsleben oder im jeweiligen Job entwickeln.
Reife Mitarbeiter*innen übernehmen demnach gerne und in verlässlicher Weise Verantwortung, arbeiten weitestgehend selbständig und orientieren sich gerne an herausfordernden, wenngleich realistischen Zielen.
Vier Reifestufen („maturity“ M1 bis M4) lassen sich wie folgt bebildern:
- M1: Ein/e Mitarbeiter*in muss sich erst mit den eingesetzten Softwareprogrammen, typischen Arbeitsprozessen, Tagesstrukturen in einem neuen Job anfreunden, hat aber genau genommen keine große Freude daran, oder fühlt sich darin sehr unsicher, etwa die neue Firmendatenbank kennen zu lernen.
- M2: Ein/e Mitarbeiter*in hat sich in die wesentlichen Elemente ihres Jobs eingearbeitet, kennt das Unternehmen bereits besser, ist aber noch weit von echter Performance entfernt, und strengt sich an, besser zu werden. Oder erlebt schon sehr viel Spaß an ihren Agenden, braucht aber recht häufig noch die Unterstützung von Arbeitskollegen und Vorgesetzten.
- M3: Ein/e Mitarbeiter*in macht den Job gut. Hat aber keinen Elan, es macht ihm keine Freude. Oder er findet die neuen Projekte zwar aufregend und könnte diese auch bewältigen, zeigt sich jedoch durch das Neue und die Veränderung sehr verunsichert, ob er das auch hinbekommen wird.
- M4: Die/der Mitarbeiter*in ist vollkommen in Job und Team integriert, bringt ihre eigene Expertise ein, und erlebt viel Spaß an ihrer Performance, sie wird auch von anderen um Rat gebeten. Die Mitarbeiterin ist in jeglicher Hinsicht autonom, fähig, und motiviert sich selbst laufend.
Gelingt die Einschätzung der Führungskraft, wird sie folgende Führungsstile und damit Akzente wählen, um den Mitarbeiter*innen in den vier unterschiedlichen Reifestufen passend zu begegnen (siehe Abbildung 16):
In den vier Stufen sind folgende Schwerpunkte im Rahmen der Führungstätigkeit zu setzen:
„Telling“:
- hohe Aufgabenorientierung
- Schwerpunkt auf: diktieren, leiten oder etablieren
„Selling“
- hohe Mitarbeiter*innen-Orientierung & hohe Aufgabenorientierung
- Schwerpunkt auf: argumentieren, erklären, klarstellen, überzeugen
„Participating“:
- geringere Aufgabenorientierung & sehr hohe Mitarbeiter*innen -Orientierung
- Schwerpunkt auf: ermutigen, zusammenarbeiten, anvertrauen
„Delegating“:
- reife Mitarbeiter*innen & hohe Fachkenntnisse & hohe Leistungsmotivation
- Schwerpunkt auf: delegieren, beobachten, bevollmächtigen
Was dieses Modell leistet: es legt eine auch für den Führungsalltag sehr intuitive, einleuchtende Orientierung in die Hand - wiederum eine gute „Brille“.
Charismatische Führung
Bereits in den frühen 1980er Jahren lieferte House fundierte Überlegungen zur Verknüpfung von Charisma und Führung, bis zur Jahrtausendwende stimmten eine Reihe weiterer Autoren ein [76] . Führt man heute Interviews oder Befragungen in unterschiedlichen Betrieben zu „Leadership“ durch, so taucht der verstärkte Ruf nach charismatischen Leadern auf. Nicht nur Praktiker*innen sind der Ansicht, dass der Nährboden hierfür wohl einerseits darin liegt, dass über viele Jahre hinweg eine immer technischere Form der Führung gelebt wurde und in weiten Arbeitsbereichen schlichtweg die Vision und Sinnerfüllung abhandengekommen ist. Auch wird wohl in einer multimedialen Welt starker Bilder und komplexer Zusammenhänge alltäglich der Wunsch nach Erlebnisstärke und nach Vereinfachung und klarer Orientierung stärker.
Charismatische Führungskräfte geben genau das: als Modell leben sie vor, wie ein „Held“ agiert, dem man gerne was „abschaut“ ohne gleich „perfekt“ werden zu müssen. Charismatische Menschen nehmen einem auch etwas ab: die eigene Suche nach Träumen, Zielen, Sinn – man kann sich ihnen anschließen und damit an Visionen, Klarheit und Kraft teilhaben (siehe Abbildung 17).
Die Wurzeln dafür, dass wir für charismatische Führung empfänglich sind, liegen der Verhaltensforschung nach in menschheitsgeschichtlichen Vorphasen als - ähnlich dem Tierreich - Dominanz, Stärke und Mut dafür ausschlaggebend waren, ob die Sippe überleben wird (wobei auch diese Argumentation sicher keine letztgültige Wahrheit in sich trägt und durchaus auch angefochten wird).
Nun basieren funktionale Hierarchien (wie vertikale betriebliche Führung) vielmehr auf Logik, als auf Charisma. Doch Logik allein schafft keine Hoffnung, keine Emotion. Charisma wirkt demnach, da es (insgeheim) eine Erleichterung unserer menschlichen Grundängste bietet, wie etwa: „ich bin ein niemand“, „ich kann nichts“, „ich bin allein“, „ich bin hilflos“, „ich verliere die Kontrolle und Orientierung in der Welt“ [77] .
Anders betrachtet, hat Charisma damit sehr viel mit Dynamiken des Vertrauens zu tun. Neuere Akzente der Charismatischen Führung schwenkten denn auch sehr stark zur Befassung mit Aspekten des Vertrauens um.
Als Grundsteine des Charismas kann man Vertrauen, Kompetenz und Integrität ins Treffen führen: wir vertrauen Führungspersonen, denen wir ob ihrer Fähigkeiten und ihres „Images“ zutrauen, „es zu schaffen“, dabei „echt“ zu sein und menschliche Grundwerte zu beachten und zu pflegen. Charisma kann darum auch nicht mittels optimierter Verhaltensweisen wie perfektionierter Kommunikation und Selbstpräsentation (siehe „sportliche“ Verhaltenstrainings) erreicht werden, zumindest nicht auf lange Sicht.
Charismatische Führung bereichert die bisher betrachtete, klassische aufgaben- und personenbezogene Führung um das Element der Zukunftsvisionen und damit der „Strahlkraft“. Nach House führen bestimmte Eigenschaften charismatischer Führungskräfte (leichter als sonst) zu bestimmten, für alle Seiten vorteilhaften (emotionalen) Reaktionen und Handlungen. Neben Arbeitszufriedenheit und erzielter Leistung rückt nun auch die menschliche Emotion in den Fokus und damit der Selbstwert der Geführten sowie deren Vertrauen in die Führungskraft.
Aus der Vertrauensforschung kann hier festgehalten werden, dass Vertrauen immer mit Fragen um die Zukunft, mit Unsicherheit und Verletzbarkeit sowie freiwilliger Interaktion und „Gefolgschaft“ zu tun hat. Vertrauen verbessert die Kommunikation, Motivation und Zufriedenheit, und damit auch die Leistungsergebnisse. Besonders in veränderungsstarken Zeiten
Transaktionale Führung
Es stehen hier nachdrücklich die ökonomischen Ziele im Zentrum. Um diese (bestmöglich) zu erreichen, setzt man auf die innere, intrinsische Motivation der Mitarbeiter*innen. Motivation wird stimuliert, und Unternehmensteile sowie die einzelnen Mitarbeiter*innen auf die konkreten Ziele hin ausgerichtet.
Im Hintergrund der transaktionalen Führungskonzepte steht die Transaktionsanalyse (Eric Berne), eine psychotherapeutische Schule, die Ihre Wurzeln im Werk Sigmund Freuds findet.
Um den Kern von transaktionaler Führung besser zu verstehen, werfen wir einen Seitenblick in die Grundanschauungen der Transaktionsanalyse:
- Die Menschen sind in Ordnung und von Grund auf gut.
- Jeder kann „Denken“.
- Jeder Mensch entscheidet selbst über sein Schicksal und kann seine (bisher/ bereits gefällten) Entscheidungen auch ändern.
Die Fundamente transaktionaler Psychotherapie, Gesprächsformen (Coaching) sind demzufolge:
- Die Grundlage für jede Arbeit ist ein Vertrag.
- Die Kommunikation ist frei und offen.
Dies lässt sich direkt in den Arbeitskontext überführen. Hierbei fällt zu früheren Führungskonzepten auf, wie stark hier die Eigenständigkeit, Mündigkeit aller Mitarbeiter*innen und vor allem das Medium der gemeinsamen Kommunikation hervorgehoben wird.
Wesentlicher Bestandteil der transaktionalen Führungsansätze sind psychologische Motivationstheorien - Führung optimiert, indem sie sich diese Erkenntnisse zunutze macht. Motivierte Mitarbeiter*innen tragen mehr von sich aus zu den Unternehmenszielen bei und erbringen auch herausragende Leistungen. Wie oben beschrieben, sprechen wir hier von fähigen, mündigen Mitarbeiter*innen, die „von Haus aus“ nach intrinsischer Motivation streben. Im Brennpunkt der Führungstätigkeit steht folglich die Frage, wie man intrinsische Motivation stimulieren kann oder aber nicht verhindert: dieses „aus sich selbst heraus“ Antrieb und Freude finden bei der Arbeit.
Dies gelingt durch Kommunikation über und von konkreten Zielen, sowie durch Transparenz zu den Firmen-, Abteilungs- und Arbeitsgruppenzielen.
Peter Drucker [78] hat mit „Management by Objectives“ eine Variante transaktionaler Führung geprägt: Unternehmensziele werden in Unterziele aufgespannt, diese als Individualziele mit jeder/m einzelnen Mitarbeiter*in besprochen. Wesentlich hierbei ist, dass die besprochenen Ziele bestimmten Qualitätskriterien entsprechen (siehe „smarte“ Ziele im Kapitel Menschenbilder) und auch persönliche Ziele der/s Mitarbeiters*in miteinbinden, wie etwa eine bestimmte Fortbildung, Spezialisierung in der Arbeit, Lebensgestaltung. Besonders daran ist, dass diese Zielvereinbarung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*innen dann auch einen quasi zusätzlichen Arbeitsvertrag darstellt, der oft auch an Prämien und Boni und damit zusätzlich an extrinsische Motivatoren gekoppelt ist. Denn für eine Transaktion (z.B. Leistung) bekommt man eine andere zurück (Anerkennung, Geld, Spielraum, Beförderung etc.). Die Zielvereinbarung prägt und richtet den Alltag der Mitarbeiter*innen maßgeblich aus. In der Vereinbarung wird eine beidseitige Gewinnsituation angepeilt: auf der einen Seite sollen die klassischen Erwartungen eines Unternehmens an seine Angestellten bedacht werden, auf der anderen Seite die Mitarbeiter*innen-Erwartungen nach Orientierung, Klarheit und Zielen - aber auch nach Mündigkeit und Eigenständigkeit. Entscheidungs- und Handlungsspielräume werden hier ebenso gemeinsam festgehalten, wie Zeitpunkte, zu denen man sich bisherige Ergebnisse gemeinsam anschauen will. Hier kommen dann transparente Zielerreichungskriterien zur Anwendung, Ziele können zudem in unterschiedlichen Graden erreicht werden.
Führen mittels Zielvereinbarungen zeigt sich letztlich jedoch erst dann, wenn es als sich wiederholender Prozess gelebt wird - der immer wieder Räume für die zielgerichtete gemeinsame Betrachtung und Neuausrichtung sowie Vereinbarung bereithält und kultiviert. Dies erlaubt einerseits ein besseres Monitoring durch die Führung, aber auch durch Mitarbeiter*innen selber und damit zu gemeinsam bestimmten Korrekturen am Weg, womit Lernen jederzeit möglich ist.
Unter dem Begriff „Management by Exceptions“ finden wir einen weiteren Mosaikstein transaktionaler Führung: die Führungskraft greift nur in schweren Ausnahmefällen ein, und weist direktiv an, was zu tun ist. Dieses Eingreifen ist an vorbestimmte Sollgrößen im System gebunden, und kann nicht einfach aus Gutdünken der Führung spontan beschlossen werden.
Aus Metastudien (siehe Kirchler) weiß man, dass diese transaktionalen Managementansätze (siehe Abbildung 18) sehr wohl einen nachweislich starken positiven Einfluss ausüben auf die Kooperationsqualität, die Arbeitsatmosphäre, das Engagement der Mitarbeiter*innen, sowie auf die Zielerreichungsqualität und Leistungskennziffern der Unternehmen.
Im Zentrum der transaktionalen Führung steht also einerseits das Rationalitätsprinzip (Unternehmensziele erreichen) und das Prinzip der Reziprozität, der Wechselseitigkeit („geben und bekommen“). Transaktional Führen ist somit das „Management von Tauschgeschäften und der Fähigkeit, Ergebnisse unter Kontrolle von Strukturen und Prozessen zu erzielen“ (S.469, Kirchler). Verhandlung spielt hier eine wesentliche Rolle.
Niederschlag findet dieser Ansatz nicht nur im heutigen breiten Führungsalltag, sondern auch im „leadership branding“, der markenorientierten Unternehmens- und Mitarbeiter*innenführung. Trainings gewährleisten, dass Mitarbeiter*innen und Führungskräfte diesem Ansatz optimiert folgen können. Dies geschieht etwa durch Managementtrainings zum Zielvereinbarungsgespräch oder zur professionellen Definition von (Unter-) Zielen. Auf die gegebenen Werte aufbauend, finden auch Workshops zur Optimierung der eigenen Arbeitsgestaltung, Coachings zum Selbstmanagement und dergleichen ihren beraterischen Einsatz.
Auch im Design von optimalen Informationssystemen und Kommunikationssystemen (transparente operationale Ziele, Ist/Soll/Prüfgrößen, Zeitpunkte, Reports etc.) im Betrieb finden wir die Leistung externer Beratung wieder. Denn ohne entsprechendes Kontroll- und Berichtwesen lässt sich diese Führungsform nicht umsetzen.
Transformationale Führung
Dieser Begriff geht auf die späten 1970er Jahre und auf Burns [79] zurück.
Im Brennpunkt transformationaler Führung steht:
„wenn eine oder mehrere Personen einander derart verpflichtet sind, so dass Führende und Geführte sich gegenseitig zu höheren Ebenen der Motivation und Moralität heben“ [80] . Sehr oft wird transformationale Führung in einem Atemzug mit charismatischer Führung oder auch mit visionärer Führung genannt und behandelt, in beiden Ansätzen geht es schließlich darum, dass Führung Werte und Sinn vermittelt. Und dass Führung eine Modellfunktion erfüllt, indem die Führungskraft in ihrem Handeln eine starke Vision zum Ausdruck bringt und damit den Untergebenen Inspiration und Motivation schenkt.
Transformationale Führung will, im Einklang mit dem Terminus, verändern, entwickeln, folgende Faktoren auf eine höhere Stufe bringen:
Werte, Bedürfnisse, Einstellungen, Sichtweisen, Handlungsweisen.
Und ist damit ein Gegenakzent zu Kennzahlengetriebenheit, zu stark geregelter, fast schon technokratischer Führung.
Transformationale Führung visiert umso mehr die menschliche Emotion an, und erreicht ihre Ziele über die psychologische Wirkung der Identifikation und Projektion.
Dies schafft sie nur über das Vertrauen und damit über die Beziehung, nicht über direkte Kontrolle. Mitarbeiter*innen identifizieren sich gerne und stark mit einer charismatischen Persönlichkeit in der Führung. Über den persönlichen, emotional positiv erleben Kontakt mit dieser identifizieren sie sich sehr stark mit der vorgelebten Unternehmensvision. Positiv erlebten Führungspersonen wird auch noch mehr an wertvollen Eigenschaften und Fähigkeiten zugeschrieben, Mitarbeiter*innen „projizieren“ auf Ihre Vorgesetzten.
Die Führungskraft wirkt transformativ indem sie auf vier Ebenen wirkt (siehe Neuberger [81] , [82] ):
Charisma:
„man vertraut mir (als Führung) und eifert meinem Beispiel (meinen „bigger-than-life-issues“nach)
Inspiration:
„… schaffe ich, indem ich mit Bildern, Symbolen und emotionellen Appellen kommuniziere. Dadurch mache ich die angestrebten Ziele bewusst und bringe diese in die Köpfe und Herzen meiner Mitarbeiter*innen. Die von mir getragene Vision hat viel Erstrebenswertes in sich, dem wir Menschen gerne entgegenlaufen.“
Intellektuelle Stimulation:
„So treibe ich Veränderung im Kleinen wie Großen an: ich gebe meinen Leuten Mut, es anders anzugehen, eine andere Perspektive einzunehmen, mit bisherigen Gewohnheiten und Prozessen zu brechen. Wir stellen auch bisherige Werte unserer Organisation konstruktiv in Frage“.
Individualisierte Wertschätzung:
„Ich gehe mit jedem anders um, achte jedoch auf Fairness. Ich kümmere mich darum, dass meine Leute die gestellten Herausforderungen effektiv bewältigen können“. Transformationales Führen (siehe Abbildung 19) bringt nachvollziehbarerweise höheres Commitment, Engagement und besonders in Kombination mit transaktionalen Führungsakzenten auch um ein gutes Stück höhere Leistungswerte im Unternehmen. Wie Kirchler und Rodler (2002) hervor streichen, stimuliert transformationale Führung insbesondere die Motivation. Transformationale Führer schaffen, dass ihre Untergebenen „…do more than they originally intended and often even more than they thought possible [83] “.
Und damit „federt“ transformationale Führung besonders in massiven Umbruchzeiten, in Change-Phasen (Merging Phasen) die natürlich aufkommenden Ängste, Unsicherheiten und Orientierungslosigkeit gut ab. In Abbildung 19 sieht man, wie transaktionale Führung „ en détail“ wirksam wird.
Warnungen an Leader, die betont transformational führen, könnte man wie folgt formulieren, und damit auf die Bruchbereiche dieses Ansatzes hinweisen (siehe auch Neuberger):
Lass dich auch mal beurteilen und hinterfragen
Gib der Vielfalt in deinem Team Raum und stelle die zentralen Werte und Einstellungen nicht als absolut in den Raum
Bedenke, was im Unternehmen geschehen soll, wenn Du als zentrale Person ausfallen solltest
Beachte auch, dass der Einsatz deiner Mitarbeiter*innen nicht zu blindem und quasi religiösem Eifer wird!
Insgesamt findet man durch viele Metaanalysen gesichert ein „gutes Zeugnis“ für transformationale Führung punkto Performance und Zufriedenheit aber auch punkto Effektivität, Motivation sowie Commitment. Und dies für nahezu alle Organisationsformen und Bereiche (Forschung, Schule, Verkauf, Finanz, Militär, Umweltschutz, Regierung, Kirche etc.)!!!
Im Forschungsprojekt „Globe“ wurden seit 1991 in 62 Ländern, von 170 Forscher*innen insgesamt 17.300 Manager*innen in 951 Organisationen befragt: Transformational-charismatische Führung stellt weltweit DIE erwünschte Art von Führung dar und wird als universell und als effektiv erachtet. [84]
Symbolische Führung
Wir Menschen leben in einem Universum der Bedeutungen, der Symbole; Bilder treiben und bestimmen unser Denken, Fühlen, Entscheiden, Handeln. Wir produzieren und verändern Symbole in unseren Begegnungen, in unseren Interaktionen. Beispiele für Symbole [85] sind etwa Rituale, Statussymbole, Architektur, Moden, Geschichten, Glaubenssätze, „Höf“lichkeiten (im Sinne von Verhaltenscodes, wie man isst, sich bewegt, spricht etc.).
Führung an sich ist demnach auch ein Symbol, auf das wir uns einigen, und dem wir zuschreiben, dass es „so“ zu sinnvollem Arbeiten in Unternehmen kommt. Führungskräfte sind ebenfalls Symbole – als Modell.
Symbolische Führung (siehe Abbildung 20) bringt Symbole ins Spiel, und nutzt bestehende Symbole, um eine Wirkung bei den Untergebenen zu erzielen. Letztlich wirkt dieser Führungsansatz, indem interpretiert wird. Wirksame „Symbole“, also Sinnbilder, sind auch (finanzielle) Anreize, Regeln, Inhalte. Im direkten Führen steuert die Führungskraft, dass all diese Symbole „richtig“ interpretiert werden, dass alles für den Einzelnen und im Rahmen des Unternehmens „Sinn macht“.
Dies schafft man neben der alltäglichen, bildstarken Kommunikation auch durch strategisch gesetztes Visualisieren von Unternehmensgrundsätzen, Leitbildern, Mission, Vision. Oder durch die Sensibilität, wann, wo, wie man was kommuniziert, denn dies wird eine andere Bedeutung, ein anderes Symbol, einen anderen Sinn vermitteln (etwa die Umstrukturierung im Betrieb, Kurzarbeit etc.).
Letztlich geht es hier darum, dass Bedeutungen, Sinn das Handeln beeinflussen und bestimmen und Handlungen gewisse Bedeutungen, einen bestimmten Sinn zugeschrieben bekommen. Als optimal wird hier gesehen, wenn Aktionen das bedeuten, was in die Sinnbilder des Unternehmens passt - und dies auch bei allen klar angekommen und präsent ist.
Der/m werten Leser*in wird nicht entgangen sein, dass diese Perspektive etwa fast schon „abgehobenes“ an sich hat, die individuelle Beziehung ebenso zu einem abstrakten Wert, eben einem Symbol verändert.
De facto kann man sich aus Berater*innensicht wohl am ehesten vorstellen, dass symbolische Führung ein guter Akzent in Umbruchsituationen darstellen kann, vor allem in der eigenen (Führungs-, Betriebs-, Prozess-) Analyse. Zur innerbetrieblichen Orientierung in Krisen tragen Überlegungen zu Symbolen sicher etwas bei - wie etwa: „wofür steht das“, „was macht das mit dem System“, „welches Symbol muss raus, uminterpretiert werden, neu dazu kommen“ etc…
Schwierig wird die „zackige“ Umsetzung symbolischer Führung, wenn Symbole im Unternehmen auch in Subkulturen identisch interpretiert werden sollen: wie etwa von externen aber integrierten Dienstleister*innen, Lehrlingsgruppen oder ausgelagerten satellitären Einheiten (siehe Indien, Pakistan). Wir sprechen hier letztlich von Themen der Firmenkultur, des kulturellen Führens.
Systemische Führung
Systemisches Führen baut im Wesentlichen auf den Erkenntnissen der neueren Systemtheorie [86] auf. Hier sind Organisationen (Unternehmen, Vereine, Institutionen etc.) soziale Systeme, die aus Kommunikationsakten bestehen. Kommunikationsakte stehen somit im Fokus, nicht (so sehr) die natürlichen Personen als Mitglieder. Nun können soziale Systeme nicht selbst denken oder sprechen, also Kommunikationsakte erbringen. Dies schaffen sie über die „psychischen Systeme“ der Mitglieder. Psychische Systeme ihrerseits bestehen vereinfacht gesagt, aus Gedanken. Soziale Systeme (siehe Unternehmen) sind also mit psychischen/ Bewusstseinssystemen (Mitarbeiter*innen) eng verkoppelt, sie beeinflussen einander, während sie „Kommunikationsakte setzen“ oder „denken“.
Führung schafft bewusst Ordnung durch Strukturen, innerhalb welcher Selbstorganisation stattfinden kann. Mitarbeiter*innen organisieren sich in organischer (und nicht in Reißbrett-) Form ständig selbst, wenn sie Mehrwert produzieren, um Leistung zu generieren. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle, nicht nur rationale Ursachen-Wirkungs-Elemente.
Führung hat in den Bereich der Selbstorganisation kaum oder in jedem Fall weniger Einfluss, als die Mitarbeiter*innen selbst es haben. Die Systeme sind gekoppelt, aber selbständig – siehe Abbildung 21.
Systemisches Führen trägt demnach viel Sensibilität, Respekt für das System, für die Menschen darin und für die Kultur in diesem System in sich. Wenn es etwa zu auffallenden Verhaltensweisen bei Mitarbeiter*innen kommt, dann wird das nicht auf der Ebene der echten Person gesehen, sondern diese Person ist quasi „Symptomträger*in“, stellvertretend für das System. Es wird also vordergründig immer darum gehen zu hinterfragen, was im gesamten System dazu geführt hat. Ebenso misst man auch „abwegigen“ Mustern im System ihren eigenen Sinn und Wert bei:
Gerüchte etwa sind nicht ein Persönlichkeits- oder Kommunikationsproblem einzelner Rädelsführer*innen, sondern ein Ventil, das Sinn macht, indem es eine Balance herstellt zwischen den Dingen die offen gesagt werden und den Tabus - den explizit nicht offen kommunizierten Dingen.
Ein Beispiel ist auch, wie häufig in Unternehmen die IT-Abteilung zum Buhmann wird, stellvertretend für alle möglichen Unzulänglichkeiten des Gesamtsystems. Systemische Führung würde hier mit Sicherheit andere Wege gehen, um dieses Thema konstruktiv zu lösen, als klassische Führung mit betriebswirtschaftlichem Fokus.
Führungskräfte greifen darum nur mit besonderer Achtsamkeit „führend“ in ihr System ein, und nehmen stark darauf bedacht:
- … Anpassung und selbständige Entwicklung („Evolution“) im System und des Systems zu ermöglichen und zu fördern (denn es gibt keine Entwicklung abseits des Systems und kein System ohne Anpassung und Evolution)
- … das System mit Respekt zu behandeln
- … Extreme Erscheinungen zu tarieren, zu moderieren
- … keine endgültigen Lösungen finden zu wollen
- … laufende Dynamiken und Prozesse am Leben zu halten
- … mit Unklarheiten, Unterschieden, Mehrdeutigkeiten konstruktiv zu leben
- … Potentiale, Chancen zu schaffen und zu pflegen
- … Probleme zu identifizieren und zu lösen
Folgt man Luhmann´s Grundsätzen, so wirft die neuere Systemtheorie ein wesentlich anderes Licht auf ein Unternehmen: es befindet sich in einem ständigen Ereignislauf, dessen Ausgang stets unbestimmt bleibt. Hier setzen etwa Führungsperspektiven an, denen zu folge die Führung eines Unternehmens letztlich eine Illusion bleibt und nur funktioniert, weil man das System dies glauben lässt und weil man sich das selber bzw. das System einem dies glaubt. Etliche Aussagen gegenwärtiger Wirtschaftsmagnaten bestätigen diesen Blickwinkel als einen sehr angebrachten und aufschlussreichen, direkt aus deren Alltagspraxis.
Spezielle Systemische Führungsansätze
In den letzten 10 Jahren beobachtet man eine fast durchgängige Annäherung der Beratungszunft an Systemisches Gedankengut.
Zumeist wird hier „systemisch“ jedoch in vager Form als „ganzheitlich“ verstanden. Aus Sicht des Autors hält sich der Wiener Ansatz am stringentesten an die zugrunde gelegte Systemtheorie Luhmann´s [87] [88] .
Berater*innen und Berater*innengruppen wie Daniel Pinnow in Hamburg [89] , Roswita Königswieser [90] in Wien oder Malik in St. Gallen veröffentlichen – auch als Businessstrategie in Richtung USP - stetig neue Werke zu eigenständig weiterentwickelter oder umgeformter, angereicherter Systemischer Führungstheorie und Organisationstheorie.
Diese stellen aus Sicht des Autors zwar wertvolle Leistungen dar, sind jedoch mit einem weit kritischeren Auge zu betrachten, als es jene Weiterentwicklungen benötigen, die von – nicht businessgetriebenen – Forschungsstätten stammen.
[Exkurs: Erinnern Sie sich kurz an charismatische Führung, Expert*innen- und Identifikationsmacht: legen Sie dies mal um auf eine differenzierte Blickweise zu allfälligen „Starautor*innen“ der Managementliteratur].
Im Brennpunkt dieser Ansätze steht jedoch immer der Respekt vor dem System (und seinen Teilen):
- Den Blick auf das Ganze zu behalten
- Die Führung ist Teil des Systems (des Ganzen)
- Anregungen schaffen und nicht befehlen
- Nicht Lenken sondern Lernen steht im Brennpunkt
Damit werden System, Team und die/der Einzelne gleichermaßen im Auge behalten. Betrachtung erfolgt nie nur aus einer Perspektive (Berater*in, Führende etc.) sondern aus möglichst vielen Blickwinkeln, von innen und von außen. Ziel ist stets, Entwicklung anzuregen und zu pflegen.
Da man das komplexe System Unternehmen nicht wirklich verstehen, kontrollieren und organisieren wird können, versucht systemisches Führen dem gerecht zu werden, indem es die Selbstorganisationsprozesse in Gang bringt oder im Laufen hält (mancherorts auch als Selbstheilung beschrieben).
Virtuelle Führung
Forscher wie Ewald Scherm [91] und Stefan Süß gingen in den letzten zehn Jahren auf Bedingungen und Einflussfaktoren zu Führung und Kooperation in virtuellen Organisationen, virtuellen Teams und Strukturen ein.
Virtuelle Zusammenarbeit setzt auf den Merkmalen
- herkömmlicher Teamarbeit auf,
- weiters auf delokalisierten und dezentralen Arbeitsplätzen,
- sowie auf dem Einsatz elektronischer Kommunikationskanäle.
Ausgehend von struktureller Führung, innerhalb welcher Führungskräfte „interaktiv führen“ sprechen diese Autoren Räume an, die ein virtuelles Zusatzangebot oder die Basis für vielerlei Projektarbeiten darstellen: Email, Videokonferenzen, Intranetlösungen und Kooperationssoftware stellen die Grundsäulen. Die sogenannte „Mediarichness“ kann ein Vorteil im instrumentellen Sinn sein, aber auch zu Diffusität führen!
Virtuelle Teams sind aus Berater*innensicht eine wahre „Augenweide“ und waren in den letzten zehn Jahren stetig leichter zu empfehlen, zu implementieren. Denn virtuelle Teams stehen für überregionale Verfügbarkeit und man kann viel zielgesetzter und zeitweise sogar weltweit recruiten, also nach den besten Leuten suchen. Unschlagbar ist auch, dass virtuelle Teams sehr erweiterte Spielräume und damit Attraktion für den Menschen und „Humus für Performance“ bieten:
- erweiterte Spielräume bezogen etwa auf Arbeitszeiten - und damit auch Pausengestaltung: denken Sie an unterschiedliche Biorhythmen, familiäre Hintergründe wie Kinder, welche für alle vorteilhaften weiteren Rahmenbedingungen hier spielbar sind
- erweiterte Spielräume auch in der Handlung und Ausführung (Arbeitsteilung wird hier zeitweise komplett neu „erfunden“, Rollen gelebt und verschoben, Kooperation neu definiert- etwa im gemeinsamen Echtzeitbearbeiten von Mindmaps, technischen Zeichnungen etc.)
- weitere Räume in der Entscheidung
- rasche Reaktionsfähigkeit und Schlagkraft
- die mitunter enorme Kostenersparnis gefällt dem Kundensystem verständlicherweise auch, wenn man allein schon an Reisespesen denkt.
Gehen wir als Berater*in in Systemen mit virtueller Führung zu „Werk“, so werden folgende Fragen für uns (und für die beratene Führung) wesentlich:
- Wo steht die Gruppe im Prozess der Vertrauensfindung?
- Wie kann opportunistisches Verhalten sanktioniert werden?
- Verfügen die Mitarbeiter*innen über ein diskretes Ausmaß an Selbstführung?
- Kann ein laufender intensiver Informationsaustausch stattfinden?
Grundlegend bleibt auch hier, dass die Führungsposition prinzipiell anerkannt sein muss („ja es braucht einen Führer in unserem Team“), und dass man per „Management by Exceptions“ vorgehen kann, also bei sozialen, persönlichen Grenzen oder bei Kompetenzgrenzen direktiv eingreifen kann.
Auch hier setzt die Beratungsleistung oft an, wenn im Team oder bei Einzelnen oder der Führungskraft nicht klar ist, wie unter welchen Bedingungen auch hier „klare Töne und Anweisungen“ Raum haben und was und wieweit Selbstführung geht. Letztlich finden hierzu sehr häufig Klausuren statt – zur gemeinsamen Erstellung von Richtlinien und Grenzen, von Vereinbarungen mit sich selbst und den anderen. Und es finden oft auch rein technisch-strukturelle Beratungsrunden statt, in denen dem verwendeten (IT-)Werkzeug auf den Puls gefühlt wird, ob dieses eigentlich erfüllt, was die Leute brauchen, und ob das Team das auch als gemeinsames „Prozesswissen“ parat hat. Denn sehr oft fällt das Ganze relativ „einfachen“ Unkenntnissen zum Opfer und da es alles Expert*innen sind, traut sich auch kaum jemand zu, sein Gesicht wegen Nichtigkeiten zu verlieren; etwa indem man nachfrägt, wie die Firewall denn nun wirklich zu konfigurieren sei, damit das auch sicher klappt etc..
Was sind nun Hindernisse und Fallstricke in virtuellen (Führungs-) Settings?
Im Rahmen von Coachings oder Supervisionen lassen sich Führungskräfte gerne dabei unterstützen, wie sie es bei ihren virtuellen Teams schaffen sollen Beziehungspflege zu leisten und im Team zu ermöglichen. Beziehungen werden beruflich-virtuell mehrheitlich gar nicht gepflegt (außer durch eingestreute „Emoticons“); in jedem Fall ist die persönliche Beziehung zueinander unersetzbar und unerlässlich – im Team und mit der Führung. Denn nur hier kommt es zu echten Effekten der Motivation, der gemeinsamen Integration und Identifikation.
Hierzu finden beraterseitig Methoden Eingang wie:
- das Coaching der Führungskraft und der Einzelnen (Kommunikation danach ausrichten, dass Beziehung auch virtuell spürbar wird),
- Teamcoaching vor allem regelmäßig (monatlich, im Quartal) in realer persönlicher Begegnung
- Design und Begleitung von Incentives und Gruppenerfahrungen, Abenteuerelementen mit Fokus auf emotionaler Kommunikation.
Neue Herausforderungen für die Teams und Führung, und somit Einsatzbereiche für BeraterInnen stellen hier jedoch auch folgende Themen dar:
siehe Tag-Wachrythmen bei interkontinentaler Kooperation, und daraus entstehende Leistungsvorteile für einzelne,
- latente Missverständnisse
die keinen Klärungsraum finden oder gar nicht an die Wahrnehmungsschwelle gelangen,
- Abhängigkeit von technischen Lösungen
Umgang in der Person damit, Psychohygiene, Aggressionsabfuhr, Burnout, aber auch IT-orientierte Expert*innenberatung, Optimierung in der Handhabung
- aufkommender Produktionsdruck
denken Sie an „Ping-Pong-Mails“, Arbeitsketten schaukeln sich hier gerne zu sonst unerreichten und „verrückten“ Geschwindigkeiten auf, die Qualität oder zumindest die Nachhaltigkeit bleibt auf der Strecke)
- und die Frage der Informationstransparenz
wer hat welche Infos, wer schaut zu, an wen wird zusätzlich reportet: dies kann nur mit vertrauensvoller individueller Kommunikation den geeigneten strukturellen Lösungen zugeführt werden.
Neue und stets veränderte Herausforderungen an Mitarbeiter*innen und Führung stellen sich hier im Bereich der Soft Skills (wie Moderationsfähigkeit), aber auch im Bereich der Handhabung neuer Softwarelösungen. Kulturelle Dimensionen wie etwa die Vorliebe und Tabus im Umgang mit Kommunikationsmitteln müssen hier ebenso mitberücksichtigt werden: dies reicht von der Vorliebe für SMS oder Email versus Telefonie, bis hin zu kontinental unterschiedlichen Höflichkeitsformen im Umgang hiermit.
Zentral ist hier der fehlende Raum für nonverbale, informelle Kommunikation, in dem authentische Anerkennung und spontane Aufmunterung geschehen können.
Am Ende des Tages wird der Ansatz zur virtuellen Führung als gute Ergänzung zu interaktionistischer Führung gesehen, wenn es um formalisierbare und strukturierte Führungsaufgaben geht, die man sogar besonders effektiv medial tätigen kann.
Beratungstätigkeiten fokussieren am Hintergrund dieses Ansatzes auf Trainings zum Teambuilding für virtuelle Teams und deren Führung, auf der Entwicklung von Fertigkeiten und Fähigkeiten im Umgang mit medialen Kanälen, auf der teils ebenso virtuellen Supervision und damit Team- und Fallbesprechung, oder auf der Beratung zur stimmigen Wahl von Produkten.
In den unterschiedlichen Teamentwicklungsphasen kommt es zu unterschiedlichen Formaten der Beratung, wie zu Workshops mit dem Ziel des Vertrauensaufbaus oder der Visionserneuerung – als gruppendynamische outdoor- oder indoor-Trainings, zur Einigung über Prozessrichtlinien, Freiheitsgrade, sozialen Umgang, zur Klärung und Harmonisierung von Erwartungen, zur Motivation und Identifikation mit Team und Unternehmen. Im Spezialfall von Mergers und Joint Ventures liegen im virtuellen Kooperationsbereich noch umfassendere Herausforderungen, die es wahrzunehmen und zu begleiten gilt; leider greifen gerade hier nur sehr wenige Unternehmen auf professionelle externe Begleitung zurück. Erlebnisstarke Incentives runden die Palette ab.
Verteilte & Geteilte Führung
Verteilte Führung / „Distributed Leadership“ (Barry, 1991) und geteilte Führung / „Shared Leadership“ weisen keine starke Abgrenzung zueinander auf und finden auch stets sehr ähnliche Folgen für die Unternehmensperformance.
Durch Forschungsarbeiten wie etwa von Pearce [94] finden sich verdichtete Hinweise darauf, dass Shared Leadership zur Effektivität von Teams einen wesentlicheren Beitrag leistet, als dies eine alleinige noch so gute Führungskraft könnte.
Innerhalb von hochprofessionellen Teams kommt es aus dieser Sichtweise zu Nachfrage- und Angebotssituationen, auf welche jedes Teammitglied mit seinen Ressourcen und damit auch Fähigkeiten antwortet. Führung wird hier also weitergereicht, und „auf jeden in unterschiedlicher Weise zu unterschiedlichen Zeitpunkten zurückgegriffen“ [95] .
Zusammenarbeit, Koordination und Innovation sind in solchen Teams weitaus höher als in rein vertikal, also hierarchisch-traditionell geführten Teams [96] . Auch der Zusammenhalt und damit die Leistungsfähigkeit sowie die Stärke der gemeinsamen Vision gewinnen in diesem verteilten Führungsmodell enorm an Stärke. Allerdings weisen Studien auch darauf hin, dass verteilte Führung allein so ist wie eine Schwalbe, die noch keinen Sommer macht: die Mischung aus verteilter Führung und einer koordinierten Vergabe dieser Führungsanteile scheint sich als die beste Variante heraus zu stellen [97] .
Im Umfeld von Kleinunternehmen oder Einpersonenunternehmen (EPU), die sich informell oder formal mit anderen zusammenschließen und auch marktorientiert darstellen, können diese Effekte besonders stark zum Vorschein treten. In diesen Bereichen kann Beratung in nächster Zukunft auch besonderen Raum finden - immerhin stellen Kleinunternehmen und EPU´s den Löwenanteil der heimischen Wirtschaft und die Förderungsleistungen in diesem Bereich schnellen hier seit wenigen Jahren fulminant empor.
Hierbei sei an dieser Stelle kritisch zur Diskussion gestellt: der überwiegende Großteil der Beratungsdienstleistungen in Österreich, aber auch in der gesamten EU werden mittlerweile in geförderter Form konsumiert, teilweise geht es auch eher um den richtigen „Topf“ und weniger leicht um die „richtige Beratung“. Ferner: was macht das mit „Beratung“, wenn man sich diese nicht mehr aus der eigenen Tasche leisten will, kann, soll, muss?
Letztlich orientiert sich dieses Führungskonzept an autonomen, verstreuten, selbständigen, selbstorganisierten Subsystemen. Der Vollständigkeit halber sei hier auch darauf hingewiesen, dass dieses Führungsmodell bereits in den frühen 1950er und dann 1990er Jahren angeklungen war, als Produktionsmodelle wie die „Fraktale Fabrik“ [98] oder Just-in-Time-Production und Lean-Production Einzug in die Unternehmen weltweit hielten.
Eine Führungskraft sollte diesen Erkenntnissen zufolge ihre Führerschaft mit anderen vertrauenswürdigen Mitarbeiter*innen teilen, um Ressourcen und Entscheidungsrechte besser im Team zu verteilen.
Erfolgskriterien sind:
- Als wesentlich für den Erfolg stellt sich auch hier heraus, dass jede Führungsperson – ob im Shared oder im Distributed Modus – auch sich selber als Führer*in sehen muss.
- In der verteilten Form müssen gruppendynamische Effekte (Neid, Missgunst, Konkurrenz) klar analysiert werden, um den positiven Leistungseffekt durch kluge Verteilung und Kommunikation auch heben zu können.
- Geteilte – also Shared Leadership zeigt sich zwar als der verteilten Form prinzipiell überlegen. Allerdings werden beide Formen auch in unterschiedlichen Betriebsphasen und Unternehmensteilen, sowie selbstverständlich in unterschiedlichen Branchen und Sektoren unterschiedlich möglich oder wünschenswert sein.
Da die geteilte sowie verteilte Führung sehr hohe Ansprüche an alle Beteiligten setzen, kommt der Beratung in vielfältiger Weise eine wichtige Rolle zu: Unterstützung bei der Auswahl von Führungspersonen, beim Erstellen von Zeitdesigns, bei der Fassung gemeinsamer Sichtweisen und damit Begegnung von emotionalen Faktoren in Gruppenworkshops oder speziellen T-Gruppen, die klare Trennung und Konzeption was in vertikaler und was in ge-/verteilter Führung geschehen soll, bis hin zu Sensibilisierungstrainings für die spezielle – oft auch virtuell ablaufende – Kommunikation. Aber auch die Beratung zu Instrumenten, die eine verteilte oder geteilte Führung im Alltag umsetzbar, transparent oder nachvollziehbar machen.
Die Moderation von speziellen Klausuren mit beraterischem Input zur Optimierung des Führungs-Geführtensystems auf inhaltlicher wie auf Beziehungsebene stellen weitere beraterische Interventionen dar.
Selbstführung
Vorläufer der Selbstführung sind die Erkenntnisse von Karl E. Weick zur „Selbstorganisation“.
Wodurch erhöht sich die Freude von Mitarbeiter*innen an ihrer Arbeit und Aufgabe und an deren Performance?
Indem man ihnen Räume zur „Führung ihrer selbst“ überlässt, sie zu Proaktivität und Initiative stimuliert, ihnen Selbstmotivation ermöglicht, ihnen die Chance gibt „Project-Ownership“ („das ist mein Baby“) zu erleben. Wir sprechen dann von individueller Selbstführung.
Ursprünglich als Selbstmanagement (-Theorie [99] ) beschrieben, fokussierte man vorerst auf Verhaltensweisen und deren Optimierung zum Erfolg: wie setzt sich ein/e Mitarbeiter*in oder eine Führungskraft selbst Ziele, wie belohnt und bestraft sie sich, wie läuft Selbstbeobachtung ab, und was tun sie – und was davon ist unter welchen Umständen erfolgreich. Mittels Coachings und Trainings zum Selbstmanagement wird auch heute an diesem Angelpunkt daran gearbeitet, das (Selbst-) Bewusstsein bei Mitarbeiter*innen und bei Führungspersonen auszubauen. Über die Selbstbelohnung findet man zur Wahrnehmung der eigenen Kompetenz, zu Sinn und zu Selbstkontrolle. Später wurden dann auch die mentalen Denkmuster mit in die Selbstführung und damit in Coachings und Trainings mit einbezogen: welche Sichtweise macht Sinn, ist konstruktiv, und welche Gedankenmuster wirken destruktiv, schmälern Klarheit und Ergebnisstärke. Und wie gelingt es positiv, Verantwortung und kluge Organisation (Zeit-, Ressourcenmanagement) in der eigenen Arbeit zu leisten.
Beratend bedient man sich diverser Methoden, wie etwa Visualisierungen oder sogenannter narrativer Techniken: Geschichten erzählen und diese konstruktiv verändern, womit sich auch Haltungen und Denkmuster ändern. Die Arbeit an mentalen Dimensionen der Selbstführung zeigt, dass damit sich ebenso emotionale Anteile zum Positiven verändern: man hat mehr Enthusiasmus, bessere Laune, ist man auch weniger nervös [100] .
Selbstführung (siehe Tabelle 9) ist letztlich eine Motivationstheorie (VIE-Theorie, Erwartungs-mal-Wert-Theorien [101] ), wobei die Motivation durch Verhaltensstrategien und durch mentale Strategien beeinflusst wird. Vertrauen und Selbstwirksamkeit zählen zu den wesentlichen Wirkfaktoren, die - wie man gut nachvollziehen kann – auf den Leistungserfolg auch im Beruf wirken. Im Kern guter Selbstführung steckt also immer die fortwährende, achtsame und realistische Pflege des Vertrauens in sich selbst und in die Wirksamkeit der eigenen Aktionen.
Manz (1983) | „We suggest specific strategies for managing our own behavior. These strategies are especially suited for motivating and leading ourselves in the face of difficult and, at least in the short-run, unappealing but necessary tasks” (S.16) |
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Manz (1986) |
“This work generally reflects the view that behaviors are not performed for their intrinsic value but because of their necessity or because of what the performer will receive for his/her performance.” (S.588) “Here, self-leadership is conceptualized ad a comprehensive self-influence perspective that concerns leading oneself toward performance of naturally motivating tasks as well as managing oneself to do work that must be done but is not naturally rewarding.” (S.589) |
Houghton & Neck (2002) | “Simply stated, self-leadership is a process through which people influence themselves to achieve the self-direction and self-motivation necessary to behave and perform in desirable ways.” (S.672) |
Tabelle 9: Individuelle Selbstführung (in Projektteams) (Martin Haberstroh S.18)
Dies unterstützen Berater*innen etwa durch Unterweisung in mentalen Versenkungs- und Meditationsformen (Autogenes Training, Fokussierungstraining, Jacobson´sche Muskelrelaxation etc.) und durch Hinführung zum Selbstcoaching durch strategische Fragen. Jedoch auch das Vertrauen in uns selbst vermag á la longue nicht ohne die Anderen, die Feedbacks zustande kommen: hier wird etwa 360° Feedback als Methode wertvoll oder der/die Berater*in als wertvoller Spiegel und Feedbackgeber*in.
Folgende Dimensionen sind in der Optimierung der Selbstführungskompetenz wichtig, wenn es auch um den Kontext geht - also um die erfolgreiche Beeinflussung der Umwelt, damit das Team gute Erfolge erbringt:
- Informations-/Feedbacksuche,
- Unterbrechungskontrolle (also Umgang mit Unterbrechungen, Störungen),
- sowie Risikowahrnehmung und Risikokommunikation.
Eine Orientierung beim Selbstcoaching, zur eigenen Arbeit an mehreren Dimensionen der Selbstführung geben die folgenden drei Bereiche:
- Wie führe ich selbst mein Aufgabenerfüllungsverhalten? Hierbei sind sowohl meine Erfüllungsarbeiten auf gedanklich-kognitiver Ebene als auch auf physischer Verhaltensebene gemeint: allgemeines, „klassisches“ Selbstmanagement also.
- Wie führe ich selbst meine gedanklichen Muster: es soll in Richtung positiv, konstruktiv und realistisch gehen? Vom Hindernisdenken zum Chancendenken und Möglichkeitsdenken. „Sollen“ und „Wollen“ finden hier zueinander.
- Wie führe ich selbst mein intrinsisches Motivationsverhalten, wie schaffe ich mir selbst ein angenehmes Arbeitserleben?
Der Erfolg von Team-Selbstführung hängt stark von den Aufgaben ab, die ein Team zu leisten hat: bei konzeptuellen, stark mentalen Aufgaben wirkt sich die Selbstführung des Teams (ohne externe Führung) leistungsstärkend und ergebnisstärkend aus, hingegen negativ wenn das Team schlichtweg optimales Verhalten zu erbringen hat (Service, Koordination von Friedenstruppen vor Ort, Schweißarbeiten an Reaktorkühlsystemen etc.). Wenn es in einem Unternehmen um das Pro oder Contra „Team-Selbstführung“ (und deren Grenzen) geht, so führt man als zugezogene/r (interne/r oder externe/r) Berater*in zu folgenden Fragen:
- welchen Wert haben die Teamziele (für den Einzelnen)
- welchen Beitrag kann das Teammitglied für das Gruppenergebnis leisten,
- wie stehen die Erwartungen nach Wechselseitigkeit
- ist das Team eine funktionale Einheit oder eine cross-funktionale Einheit (die mehrere Expertisen zusammenbringt)?
Teamselbstführung schafft Vorteile bei funktionalen Einheiten, bei hoher Wechselseitigkeit, möglichem Beitrag des Einzelnen zum Teamergebnis und wenn die Teamziele für jeden im Team einen hohen Eigenwert haben.
Dies könnte man sich bildhaft an einem professionellen Basketball- oder Fußballteam vergegenwärtigen. Das Gegenteil hierzu wäre etwa so manche UNO-Hilfstruppenkonstellation samt Einflechtung verschiedener NPO´s und NGO´s. Eigenartigerweise ist im ersten Beispiel aus dem Sportbereich stets eine klare Außenführung artikuliert und festgelegt, obwohl das Team sich im Wesentlichen selbst führen wird. Im zweiten Bild, im Hilfseinsatzfall ist zumeist lange unklar, wer überhaupt wie dabei ist, Verantwortung übernimmt, wie Informationen fließen, wo Koordination zusammenläuft, und es sind neben vielen Sprachen auch Kulturen und Berufsfelder zusammengewürfelt. Es bräuchte also per definitionem eine klare Führung und keine Teamselbstführung. Dennoch scheinen solche Zusammenstellungen immer „aus sich selbst laufen“ zu müssen. Woran diese ja dann im Regelfall auch (inoffiziell) scheitern.
In der Entsendung von relativ selbstgeführten Teams wird unter anderem wichtig sein, deren Beziehungsbasis gestärkt und stimuliert zu haben. Diese liefert die Basis, um im „Alleinlauf“ dann nicht an Beziehungskonflikten zu erstarren. Zugleich stellt dies die Basis bei erfolgreichen Außen(mission)teams dafür, dass diese an sachlichen, an Aufgabenkonflikten sogar noch in Teamperformance und Teamzufriedenheit wachsen!
Hier kommen wesentliche Beratungspotentiale im Aufbau einer offenen, klaren Teamkultur in Spiel, welche persönlichen Angriffen wenig Raum bietet, sondern hingegen auf humorvolle Weise Verbindlichkeit, Wert und Sinnwahrnehmung stärkt, wie auch das einfache von Du-zu-Du.
Dahinter stellt man effiziente Anleitungen in der Selbstführung für die einzelnen Mitglieder (Personal Training, Coaching). Denn eine starke individuelle Selbstführung bringt auch mehr Wahrnehmung für den Wert der eigenen Beiträge, mehr Stolz dafür (um nicht zu sagen der Glaube unersetzbar für die Teamgesamtleistung zu sein) und damit wird der Einzelne mehr proaktiven Beitrag in die Gruppenziele führen – und sich an entsprechender Stelle sogar zurücknehmen.
Authentische Führung
Inhaltlich steht authentische Führung im Regelfall aufs engste verknüpft mit ethischen Themen, mit Nachhaltigkeit und moralischer Akzeptanz der Lösungen.
Luthans und Avolio definierten 2003 authentische Führung wie folgt:
“…authentic leadership development is a process that draws from both positive psychological capacities and a highly developed organizational context, which results in both greater self-awareness and self-regulated positive behaviors on the part of leaders and associates, fostering positive self-development. The authentic leader is confident, hopeful, optimistic, resilient, transparent, moral/ethical, future oriented, and gives priority to developing associates to be leaders. The authentic leader is true to him/herself and the exhibited behavior positively transforms associates into leaders themselves.” (Luthans & Avolio, 2003, S.243)
Walumbwa, Avolio und Gardner [102] zeigen Zusammenhänge und Unterschiede von authentischer Führung und „great man“, „charismatischer Führung“ und ähnlichen Ansätzen auf.
Woraus setzt sich nun authentische Führung im Wesentlichen zusammen, was sind die Kernfaktoren:
- Ausgewogene Selbst-Bewusstheit
- Fähigkeit zu objektiver Informationsverarbeitung (ohne dass Selbstschutz, Verleugnung etc. verzerren)
- Authentisches Tun: nicht Belohnungsgetrieben, sondern kohärent mit dem eigenen Bewusstsein seiner selbst und der gegenwärtigen Situation. Die Suche nach dieser Kohärenz, Stimmigkeit zwischen „mir“, der Situation und dem Ziel zeichnet authentisches Tun aus.
- Beziehungsorientierung, stimmige Nähe, Offenheit
- Hohe ethische Standards – Moral
Im Zentrum authentischer Führung steht die Moral - und damit die moralische Persönlichkeitsentwicklung der Führungskraft.
Für die Beratungsseite steht damit die Herausforderung, Führungskräfte, aufkommende Talente in eine wahrhaftige, aufrichtige Entwicklung zu begleiten – und sich damit wohl mehr und mehr in gesprächstherapeutische Methoden im Einsatzbereich „Selbsterfahrung“ zu bewegen. Es geht hier zentral um die Bereiche Selbstbewusstsein und Selbstregulation. Und damit um Themen wie Mut, Hoffnung finden und geben, Selbstvertrauen, Ehrlichkeit, moralische Größe – im Alltag extrahiert, konfrontiert. Gern nimmt man hier das „story telling“, das Geschichte(n) über mich selber erzählen zu Hilfe, um Bewusstheit zu stärken: „was macht mich aus, wer bin ich, wofür stehe ich, wofür gehe ich“.
Berater*innen sind evtl. auch mal dazu aufgefordert, diese Entwicklung zu fordern, durch starke Gruppendynamiken anzuheizen, um „in vivo“ authentisches Verhalten heraus zu fordern. Denn letztlich zeigt sich unter Druck und Stress, was aufgesetzt und was authentisch stabil ist – etwa in besonderen Assessment Centers. Neben speziellen Feedbackformen (360°) zur Vertiefung der Selbstbewusstheit, setzen Berater*innen auch Mentoring-Programme ein, um zu mehr Selbstbewusstheit, zu ausgewogener Informationsverarbeitung, zu authentischem Tun und zu besserer Beziehungsorientierung zu verhelfen. Mentor*innen können hierbei in der Firma aber auch in einem anderen Bereich oder Unternehmen gefunden werden.
Soll die Beziehungskomponente bei einer Führungskraft gestärkt werden, so wird auch gerne mal zum Mittel gegriffen, diese positional einfach für eine Zeitlang mit Kolleg*innen aus einfachen Jobhierarchien wechseln zu lassen. So geht dann eben auch der Vorstand eine Woche im Jahr Post austragen oder Waren schlichten.
In Tabelle 10 finden sich noch einmal in übersichtlicher Weise zusammengefasst, soeben besprochene, und mögliche Strategien zur Stärkung von Authentischer Leadership in ihren Wirkfaktoren.
Authentic leadership component | Selection criteria | Developmental interventions |
---|---|---|
Self awareness |
Positive self concept Emotional intelligence |
Multisource feedback |
Unbiased processing |
Integrity Learning goal orientation |
Assessment centers |
Authentic behaviour |
Self monitoring Self-esteem |
Coaching / mentoring Behavioral role modeling |
Relational authenticity |
Past positive relationships Past behaviour interview |
Upward feedback Leader-member exchange training |
Tabelle 10: Strategien zur Stärkung (in) Authentischer Führung (nach Illies, 2005, S.389).
Mittlerweile wird beraterseitig auch schon eifrig mit dem „ALQ“ dem „Authentic Leadership Questionnaire“ gearbeitet [103] . Es dient in Unternehmen Prozessen der „Ausbildung“ und (Coaching)Begleitung und setzt per se auf der Ebene Führende*r-Geführte*r an: es ist eine Form der Selbst- und Fremdbeschreibung, in der auch der (die) Untergebenen (und Kolleg*innen) eine Beschreibung, ein Feedback abgeben. Hierbei bewegen sich die Beschreibungen entlang der vier Kernfaktoren authentischer Führung.
Aus der Perspektive einer/s Organisationsentwickler*in kommen beratend zu „Authentischer Führung“ letztlich alle Ebenen in einem Unternehmen ins Spiel, denn Authentic Leadership muss überall da verankert sein: in der Einzelperspektive, in der Zweierbeziehung (FührendeR - Geführte), auf Teamebene und auf Organisationsebene (siehe Abbildung 22).
Insbesondere im Rahmen von CSR, also Corporate Social Responsibility Projekten in Unternehmen werden Moral, ethisches Denken und Verhalten, Visionsstärke und effiziente pragmatische Schlagkraft von zentraler Bedeutung. In Abbildung 23 und Abbildung 24 wird grafisch noch deutlicher veranschaulicht, auf welchen Ebenen Beratung ansetzen kann und wird, um Unternehmen dabei zu unterstützen, Authentische Führung zu integrieren.
In der (langfristigen) Umsetzung solcher CSR-Themen stützt man sich firmenintern neben verlässlichen Strukturen auch gerne auf starke Opinion Leader, um die (CSR) Vision der nachhaltigen, ethisch korrekten Betriebsführung im ganzen Unternehmen zu integrieren: diese Opinion Leader sind im Regelfall nichts anderes, als authentische Leader – formelle oder informelle – die andere zu authentischem Denken, Streben und Verhalten animieren (siehe Abbildung 24).
In diesem Kapitel zu Authentic Leadership konnte ein Stück weiter über die bisherigen Erläuterungen und Bebilderungen hinaus aufgezeigt werden, in welche Richtung auch breiter angelegte Beratungsdienste in Bezug auf Führung fruchtbar werden. Dieser Führungsakzent eignet sich ganz besonders durch seine Kernaussagen dazu, denn diese verlangen geradezu nach einer breiten Implementierung. Dies entspricht nun den neuesten Trends in der Führungsberatung, wenn es um ganzheitliche, obgleich nicht immer „echt systemische“ Interventionen und Entwicklungsbegleitungen geht.
Führungsberatung ruht heute auf dem Bewusstsein, immer auch Organisationsberatung zu sein, oder zumindest indirekt bestimmt auch Interventionen in die Organisation hinein zu setzen.
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