Knowledge Management Instruments und Enterprise Knowledge Infrastructures - Unternehmenskultur
Unternehmenskultur
Ziele der Lektion:
- Definition von Unternehmenskultur
- Vorstellung eines Modells zur Kulturanalyse
- Diskussion der Auswirkungen von Kultur auf Wissensmanagement
Die Unternehmenskultur bildet den Kontext für den Umgang mit Wissen und damit auch für alle Maßnahmen, die im Rahmen von Wissensmanagement gesetzt werden. Unternehmenskultur ist ein emergentes Phänomen, das sich einer direkten Steuerung entzieht, aber alle Bereiche einer Organisation beeinflusst. Die betriebswirtschaftliche Literatur untersucht seit Jahren das Phänomen Unternehmenskultur. Die Unternehmenskultur ist einerseits Ausdruck der vorhandenen Wertvorstellungen, Normen und Verhaltensmuster und wirkt andererseits selbst auf diese zurück. Kultur entsteht nicht im luftleeren Raum, sie ist ein soziales Phänomen und Ausdruck gemeinsamer Erfahrungen. Sie bestimmt das Denken und die Wahrnehmungen der Mitglieder einer sozialen Gruppe (vgl. Schein 2006, S. 36). Damit bildet sie den Rahmen für die Zusammenarbeit von Menschen in Organisationen. Kultur ermöglicht es den Mitarbeiter*innen, Annahmen über richtiges und falsches Verhalten zu treffen und ihre Handlungen danach auszurichten (vgl. Schein 2006, S. 39). Im folgenden Teil wird Unternehmenskultur anhand des Drei-Ebenen Modells von Schein dargestellt. Als Unternehmensberater orientiert er sich an der unternehmerischen Praxis und betont, dass Kultur so lange funktional ist, als sie zum Erfolg im primären Tätigkeitsbereich eines Unternehmens beiträgt. Richtig oder falsch wird im Kontext der Unternehmenskultur also dadurch bestimmt, ob sie dazu beiträgt, dass das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich ist (vgl. Schein 2006, S. 174).
Drei-Ebenen-Modell nach Schein
Kultur entsteht in Gruppen, deren Größe von kleinen Teams bis hin zu multinationalen Organisationen reichen kann. In diesen Gruppen müssen gemeinsame Erfahrungen und Traditionen vorhanden sein, die die Grundlage für die gemeinsame Kultur bilden (vgl. Schein 2006, S. 29). Kultur wirkt auf drei verschiedenen Ebenen, sie reicht von der sichtbaren Manifestation in Artefakten über die ausgesprochenen Werte bis hin zu den unsichtbaren, unausgesprochenen Annahmen. Das Zusammenwirken dieser Ebenen zeigt die folgende Abbildung(vgl. Schein 2006, S. 31).
Die oberste Ebene der Unternehmenskultur bilden die Artefakte, also alles, was man erleben, also sehen, hören oder spüren kann. Dazu zählen einerseits unbelebte Dinge wie Architektur, Kunstgegenstände und Einrichtung. Andererseits auch das Verhalten der Mitarbeiter*innen gegenüber Außenstehenden und untereinander (vgl. Schein 2006, S. S32). Grundlegende Überzeugungen und Werte werden oft in Form von Visionen und Leitbildern festgehalten und öffentlich bekundet. Die Werte können im Gegensatz zu den sichtbaren Artefakten stehen, etwa wenn Teamarbeit propagiert wird, die Belohnungssysteme aber auf individueller Leistung beruhen (vgl. Schein 2006, S. 32–33). Grundlegende gemeinsame Annahmen werden in einem gemeinsamen Lernprozess gebildet, in dem sie sich als wirksam und erfolgreich erwiesen haben. Diese Annahmen werden so weit verinnerlicht, dass sie unbewusst wirken, deswegen auch nicht artikuliert werden und für Außenstehende nicht direkt erkennbar sind (vgl. Schein 2006, S. 34–35). Wenn es gelingt, die unausgesprochenen Annahmen zu erschließen, können mit ihrer Hilfe die Diskrepanzen zwischen den öffentlich bekundeten Werten und den sichtbaren Artefakten einer Unternehmung erklärt werden (vgl. Schein 2006, S. 92).
Kultur ist der Ausdruck der gemeinsamen Erfahrungen einer Gruppe, sie bestimmt das Denken und die Wahrnehmungen ihrer Mitglieder (vgl. Schein 2006, S. 36). Kultur ermöglicht es den Mitarbeiter*innen, Annahmen über richtiges und falsches Verhalten zu treffen und ihre Handlungen danach auszurichten (vgl. Schein 2006, S. 39). Der positive Beitrag der Unternehmenskultur liegt in dem Umstand begründet, dass sie stabilisierend wirkt, indem sie Unsicherheiten nimmt und das Leben berechenbar macht. Die stabilisierende Wirkung hat jedoch zur Folge, dass sich Veränderungen nur schwer durchsetzen lassen (vgl. Schein 2006, S. 41). Veränderungen der Unternehmenskultur sind aufwendig und können nur in kleinen Schritten erfolgen, der gesamte Veränderungsprozess ist nur bedingt steuerbar (vgl. Schreyögg 2008, S. 481–483). So weist etwa Schein darauf hin, dass der Widerstand gegen Veränderungen in den Ängsten der Mitarbeiter*innen begründet ist (vgl. Schein 2006, S. 115). Veränderungen müssen daher immer vor dem Hintergrund der vorherrschenden Kultur geplant werden. Steht diese im Widerspruch zu den Zielen der Veränderung, werden die Maßnahmen nicht greifen. Der damit verbundene Verlust finanzieller Ressourcen sollte auch Skeptiker dazu bewegen, sich mit der Unternehmenskultur auseinanderzusetzen.
Wissenskultur
Kultur bestimmt die Wahrnehmung, reflektiert und beeinflusst die Werte, die in einem Unternehmen vorherrschen. Dadurch bestimmt sie auch darüber, was wichtig und relevant ist, welches Wissen also wertvoll ist und im Zentrum der Aufmerksamkeit steht (vgl. De Long, Fahey 2000, S. 116). Sollberger definiert Wissenskultur folgendermaßen:
„Die Wissenskultur ist Teil der Unternehmenskultur und umfasst die Gesamtheit der Normen und Werte in einer Unternehmung, die die Denk- und Verhaltensweisen der Unternehmensmitglieder im täglichen Umgang mit Wissen prägen. Werte der Wissenskultur sind Vertrauen, Zusammenarbeit, Offenheit, wahrgenommene Autonomie, Lernbereitschaft und Fürsorge.“ (Sollberger 2006, S. 119)
Wie Wissen in einem Unternehmen geschaffen, verteilt und genutzt wird, ist geprägt durch die Einstellung und das Verhalten seiner Mitarbeiter*innen und damit Folge der im Unternehmen vorhandenen Wissenskultur (vgl. Bohinc 2003, S. 374; Sollberger 2006, S. 110–111). Kultur beeinflusst die Wahrnehmung, indem sie die Auffassung darüber, was wichtig und relevant ist, prägt. Damit reguliert sie, welches Wissen wertvoll ist und im Zentrum der Aufmerksamkeit steht (vgl. De Long, Fahey 2000, S. 116). Die Einstellung der Mitarbeiter*innen und das Engagement, mit dem sie am Arbeitsprozess und im speziellen an Wissensmanagement-Prozessen teilnehmen, ist von den Werten der Unternehmenskultur abhängig. Als Ergebnis zahlreicher Studien und Untersuchungen zu den Merkmalen einer für Wissensmanagement förderlichen Kultur haben sich die folgenden Faktoren herauskristallisiert (vgl. Sollberger 2006, S. 120–128):
- Vertrauen: Erst durch gegenseitiges Vertrauen wird der Wissensaustausch zwischen Individuen ermöglicht. Es ist notwendig für beide beteiligten Parteien. Der*diejenige, der*die sein*ihr Wissen preisgibt, muss sich darauf verlassen, dass er*sie dadurch keinen Schaden erleiden wird. Der*die Wissenssuchende muss darauf vertrauen, dass die erhaltenen Informationen richtig und wahr sind. Mangels eigener Kompetenz ist eine Bewertung für ihn*sie schwierig und zeitraubend. Eine schnelle und effiziente Wissensnutzung ist daher nur möglich, wenn fremdes Wissen angenommen und verwendet wird, ohne zunächst einer langwierigen Überprüfung unterzogen zu werden. Um wirken zu können, muss Vertrauen in der gesamten Organisation verankert werden. Dies ist nur möglich, indem es bei der Unternehmensspitze beginnend durch die Führungskräfte vorgelebt wird. Der Austausch muss sichtbar mit Anerkennung verbunden sein, was sich beispielsweise durch eine entsprechende Gestaltung der Anreizsysteme erreichen lässt.
- Zusammenarbeit: Das für die Leistungserstellung notwendige Wissen entsteht bei den Mitarbeiter*innen durch ihre Zusammenarbeit mit Kolleg*innen. Durch die gemeinsame Erfüllung der Aufgaben tauschen sie Erfahrungswissen aus und schaffen damit neues Wissen. Die Arbeit im Team muss daher mit mehr Ansehen und Anreizen verbunden werden als die Erbringung von Einzelleistungen.
- Offenheit: Der Austausch von implizitem Wissen findet ausschließlich in der direkten Kommunikation statt. Die Offenheit für neue Erfahrungen, neue Menschen und neues Wissen regt die Kommunikation und damit den Austausch des impliziten Wissens an. Der Austausch verschiedener Meinungen kann zu Konflikten führen. Durch Offenheit können diese in kreativen Diskursen bearbeitet werden und zu völlig neuen Lösungen beitragen. Ohne einen offenen Umgang ist es nicht möglich aus Fehlern zu lernen, da diese sonst aus Angst verborgen werden.
- Autonomie: Es nützt wenig, Mitarbeiter*innen in Entwicklungsmaßnahmen zu schicken und ihr Können zu erweitern, wenn sie es am Arbeitsplatz nicht anwenden dürfen. Selbständiges Handeln ist wichtig für die Motivation der Mitarbeiter*innen und spornt diese dazu an, neue Lösungsansätze auszuprobieren. Autonomie begünstigt Eigeninitiative, die tägliche Innovation im Kleinen und die laufende Optimierung der Arbeitsprozesse durch die Mitarbeiter*innen. Dadurch wird unternehmerisches Denken gefördert, was nebenbei den Bedarf für Anreizsysteme verringert, da Erfolgserlebnisse die Mitarbeiter*innen intrinsisch motivieren.
- Lernbereitschaft: Menschen erwerben Wissen in Lernprozessen. Jede Erfahrung trägt zu einer Veränderung des Wissens bei, vorausgesetzt die beteiligten Individuen sind bereit, ihr bestehendes Wissen zu erweitern oder in Teilen zu revidieren. Letzteres gilt vor allem für das Lernen aus Fehlern. Durch die Tendenz diese zu verstecken, wird der Lernprozess behindert. Zur Lernbereitschaft gehört daher auch ein gewisses Ausmaß von Fehlertoleranz und Offenheit. Die Aufgabe von bestehendem Wissen heißt für die Beteiligten auch, dass sie die bisher gültige Wahrheit hinterfragen müssen. Die Angst vor Veränderungen hat darin ihre Wurzeln, da mit der Aufgabe einer Wahrheit auch ein Teil der Identität geopfert wird.
- Fürsorge: Der empathische Umgang mit Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen bildet die Grundlage für gegenseitiges Vertrauen, für die Bereitschaft, Hilfe anzubieten und anzunehmen, oder auch für den Umgang mit Menschen, die einen Fehler begangen haben.
Vom Standpunkt des Wissensmanagers aus betrachtet, ist Wissenskultur eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Wissensmanagement erfolgreich implementiert werden kann. Aus der Beschäftigung mit den Einflussfaktoren auf Unternehmenskultur wurden verschiedenste Gestaltungsempfehlungen abgeleitet. Der Austausch von Wissen setzt voraus, dass Mitarbeiter*innen einander kennen und soweit vertrauen, dass sie offen kommunizieren. Komplexe Projekte verlangen die Zusammenarbeit im Team. Für den unternehmensweiten Wissensaustausch werden Communities of Practice empfohlen. Das ist ein Netzwerk, bei dem Wissen quer über Fachbereiche und Hierarchien ausgetauscht werden kann. Kommen neue Mitarbeiter*innen ins Unternehmen, müssen sie rasch mit den Gegebenheiten vertraut gemacht werden. Daraus ergibt sich, dass der Einführungsphase große Bedeutung zukommt (vgl. Sollberger 2006, S. 270–274). Kurz gefasst müssen Mitarbeiter*innen neben der fachlichen Qualifikation sozial-kommunikative Fähigkeiten entwickeln, die sie befähigen, im Team mit Kolleg*innen zusammenzuarbeiten, Beziehungen mit Kund*innen aufzubauen, und sich in wechselnde Projektorganisationen zu integrieren (vgl. Picot/Scheuble 2000, S. 31). Zu der Befähigung muss auch das Wollen der Mitarbeiter*innen kommen, was durch die Ausgestaltung der Anreizsysteme erreicht werden kann.
Wiederholungsaufgaben
- Beschreiben Sie das Drei-Ebenen Modell von Schein.
- Welche positiven Auswirkungen hat Unternehmenskultur?
- Welche Probleme kann Unternehmenskultur verursachen?
- Wie wird Wissensmanagement durch Kultur beeinflusst?
- Welche Faktoren tragen zu einer Wissensmanagement-förderlichen Kultur bei?
Lösungen
Beschreiben Sie das Drei-Ebenen Modell von Schein.
Schein charakterisiert Kultur anhand der Elemente Annahmen, Werte und Artefakte. Er bringt diese Elemente in eine hierarchische Anordnung, indem er sie nach ihrer Sichtbarkeit anordnet. Grundlegende Annahmen bilden die Basis der Kultur. Sie sind so tief verinnerlicht, dass sie unbewusst sind und nicht extra ausgesprochen werden müssen, um ihre Wirkung zu entfalten. Aus diesem Grund sind sie für Außenstehende weitgehend unsichtbar und schwierig zu durchschauen. In der Ebene darüber liegen die öffentlich bekundeten Werte. Diese sind sprachlich ausformuliert und nehmen die Form von Visionen, Leitbildern, Strategien und Zielen an. An der Spitze stehen die Artefakte. Unter Artefakten subsummiert Schein alle sichtbaren Manifestationen von Kultur. Dazu zählen Strukturen und Prozesse, Architektur und räumliche Gestaltung, Statussymbole und Anreizsysteme, sowie das sichtbare Verhalten der Mitarbeiter*innen.
Welche positiven Auswirkungen hat Unternehmenskultur?
Die Normen und Werte einer Unternehmenskultur reduzieren die Vielzahl der Handlungsmöglichkeiten auf die sozial erwünschten. Damit steuern sie das Verhalten der Mitarbeiter*innen und wirken stabilisierend auf den Zusammenhalt von Gruppen.
Welche Probleme kann Unternehmenskultur verursachen?
Durch ihre stabilisierende Wirkung birgt Kultur die Gefahr, dass notwendige Veränderungen nicht durchgesetzt werden können und dass sich unerwünschte Verhaltensweisen verfestigen. Veränderungen lösen Ängste aus, da sie in Frage stellen, was bisher als selbstverständlich gegolten hat. Veränderungsprozesse müssen behutsam durchgeführt werden und sind daher sehr zeitaufwendig.
Wie wird Wissensmanagement durch Kultur beeinflusst?
Kultur definiert, was wahr oder falsch, erwünscht oder unerwünscht, relevant oder unwichtig ist. Damit bestimmt sie maßgeblich, welche Informationen die Mitarbeiter*innen wahrnehmen, als wertvoll bewerten und in ihre Tätigkeiten einfließen lassen. Wissensmanagement Projekte werden initiiert, um den Umgang mit Wissen zu verändern. Ist die Bereitschaft zur Veränderung nicht in den Werten der vorherrschenden Kultur
Welche Faktoren tragen zu einer Wissensmanagement förderlichen Kultur bei?
Vertrauen begünstigt den Austausch von Wissen. Wer Wissen preisgibt, muss darauf vertrauen können, dass er*sie nicht hintergangen wird. Auch die Nutzung fremden Wissens braucht Vertrauen in die Kompetenz des*der Wissensträger*in und die Richtigkeit seiner*ihrer Informationen.
Bei der Zusammenarbeit werden die individuellen Fähigkeiten der Mitarbeiter*innen kombiniert. Daraus entsteht neues Wissen auf einer höheren qualitativen Ebene.
Offenheit ist die Voraussetzung für die Kommunikation unter den Mitarbeiter*innen und für den Umgang mit Konflikten. Nur durch den offenen Umgang mit Fehlern kann der*die einzelne Mitarbeiter*in und die Organisation als Ganzes lernen.
Autonomie verschafft den Mitarbeiter*innen den notwendigen Freiraum zur Erprobung neuer Ideen und schafft damit die Möglichkeit, Erfahrungswissen zu erwerben.
Lernbereitschaft drückt sich durch den Willen aus, bestehendes Wissen zu erweitern oder zu revidieren. Es ist die Voraussetzung für die Erprobung neuer Verfahren und Methoden und für das Lernen aus Erfahrungen und Fehlern.
Der fürsorgliche Umgang eines Unternehmens mit seinen Mitarbeiter*innen schafft eine vertrauensvolle Umgebung, in der sich die bisher aufgezählten Werte entwickeln können.