Kundenbeziehungsmanagement - Schnittstelle Verkauf
Die zweite Schnittstelle – der Verkauf
Natürlich ist das eine der interessantesten Schnittstellen und auch eine, die in den meisten Firmen an erster Stelle genannt wird. Ihr sollte ein Kundenbeziehungsmanagement dienen, denn das dient dem Profit.
Leider ist die Sache in der Praxis nicht so einfach. Sehen wir uns Beispiele an.
Beispiel 1: Pain in the ass
"Schönen Guten Tag, spreche ich mit Herrn Schwarzzzz?"
"Äh, ja."
"Herr Schwarzz, Sie erinnern sich noch, wir haben ja vor kurzem telefoniert, Firma Titan, Herr Schwarzz, und es geht um ihr Geld, Herr Schwarzz."
"Äh..."
"Herr Schwarzz, unsere Fonds sind in den drei letzten Wochen nach oben geschossen, Herr Schwarzz, und das ist eine tolle Nachricht für Sie, Herr Schwarzz. Herr Schwarzz, was ich Ihnen jetzt anbieten kann, Herr Schwarzz, ist..."
"Moment, ich hab doch gesagt, ich hab kein Interesse."
"Herr Schwarzz, Sie haben das letzte Mal mit unserem Junior Broker gesprochen, Herr Schwarzz, ich bin jetzt der Senior Broker, Herr Schwarzz, und, Herr Schwarzz, ich rufe nur eine kleine Anzahl auserwählter Kunden an, Herr Schwarzz, und mein Kollege hat mir gesagt, Herr Schwarzz, dass er bei Ihnen ein gutes Gefühl hatte, Herr Schwarzz."
"Aber..."
"Herr Schwarzz, Sie müssen uns da gar nichts bezahlen, Herr Schwarzz, weil, Herr Schwarzz..."
"Wenn Sie noch einmal Herr Schwarzz sagen, leg ich auf."
"Aber, Herr Schwarzz..."
(Tut, tut, tut)
Es ist zu beobachten, dass diese Formen von Telefon-Verkauf in letzter Zeit zunehmen. Meist verbergen sich dahinter Call-Center, die irgendwo auf der Welt ihren Standort haben und mittels mehr oder weniger gut geschulter MitarbeiterInnen versuchen, neue Kunden zu gewinnen.
Dabei gibt es mehrere Abstufungen:
1.) Die Verkaufsabteilung im eigenen Haus
Die Verkäufer sitzen im eigenen Unternehmen und rufen von dort aus die KundInnen an. Sie sind auch im Haus geschult und in der Unternehmenskultur sozialisiert. Sie sind meist nicht nur provisionsabhängig und arbeiten auch nicht ausschließlich im Telefonmarketing.
2.) Die Hilfskräfte im eigenen Haus
Sie sind meist auf ein Produkt oder auch auf die gesamte Produktpalette eingeschult und werden vor allem für Kampagnen eingesetzt. Sie kennen die Produkte gut und sind zumindest großteils provisionsabhängig.
3.) Die Spezialisten einer Marketing-Firma
Sie sind Angestellte einer externen Firma, die einen Kooperationsvertrag mit dem Kunden hat. Sie werden von der Firma, deren Produkte sie verkaufen sollen, eingeschult und in direkter Kooperation auch begleitet und kontrolliert.
4.) Das Call-Center
Die dort sitzenden Spezialisten sind auf Anrufe geschult. Sie machen diese professionell für jede Art von Produkt, meist für mehrere verschiedene zur gleichen Zeit. Sie arbeiten mit spezieller Software und sehr elaborierten IT-Systemen, die meist mit einer speziellen Telefonanlage verknüpft sind. Sie kennen die Produkte nur von einer kurzen Einschulung und über die Software, die entsprechende Informationen dazu bereithält.
Meine – emotionale - Reaktion auf den obigen Anruf war folgende:
„Meist bin ich einfach zu höflich, um sofort aufzulegen, und denke mir: Der da macht auch nur seinen Job. Aber langsam geht mir die Geduld aus. Ich überlege, mir eine Trillerpfeife zuzulegen, auf dass es ihm ordentlich die Ohren durchputzt und er nie wieder bei mir anruft. Eine Möglichkeit wäre auch eine kleine Decke neben dem Telefon, auf die ich den Hörer lege und ihn so lange quatschen lasse, bis er irgendwann aufgibt. Das kostet ihn eine Menge Zeit, die er nicht mehr dazu verwenden kann, andere Menschen zu quälen.“
Beispiel 2: Das Arbeiterdenkmal
Tatort: Neulich, am Heiligen Abend, H&M-Filiale Mariahilferstraße, erster Stock, Mauritz-Kassa. Eine lange Schlange steht an, nur eine von vier Kassen ist offen. Der Kassier sieht die ungeduldig werdenden Kunden und greift zum Telefonhörer, worauf es in der ganzen Filiale erschallt: "Patrick bitte, Patrick zur Mauritz-Kassa, Patrick bitte!"
Zeit vergeht, die Schlange wird länger. Eine Dame (wahrscheinlich "Stockmanagerin" oder so) kommt, greift auch zum Hörer und wiederholt den Spruch.
Zeit vergeht, dann schlurft langsam ein top-gestylter junger Schnösel daher: Erdbebenhose, modisch-hautenges Hemd und ein Wahnsinn von einer blonden Föhnfrisur, neidisch könnte man werden!
"Was is?"
"Kassa machen, hop hop."
"Ich will keine Kassa machen."
Der Stockmanagerin wurde klar, dass der junge Schnösel jetzt Kassa machen sollte, weil die lange Schlange sonst die Föhnfrisur in einen "Bad Hair Day" verwandelt hätte.
Mit widerwilligem Blick fertigte er einen Kunden und mich ab, dann verzog er sich wieder, da die Stockmanagerin verschwunden war.
Hoffentlich verschwindet der Patrick bald im hintersten Winkel eines dunklen Lagers und bleibt dort für sehr lange Zeit. Und hoffentlich gibt man ihm dort keinen Föhn.
Das ist Kundenbeziehungsmanagement pur, direkter und sichtbarer geht es wohl kaum.
Im nächsten Beispiel nehmen wir uns des Beispiels Online-Kauf an. Hier gehen ja die Meinungen auseinander: Umweltschutz ist nur ein Thema, und selbst hier streiten sich die Geister: Wie sieht die Gesamtbilanz aus? Wenn jede(r) mit dem eigenen PKW ins Shopping-Center fährt vs. ein Lieferant für viele Pakete? Dann ist wieder zu hören, dass Amazon mit ihrem „Prime“-Service sehr viele Fahrten macht, bei denen nur ein einziges Paket im LKW liegt, das aber sofort ausgeliefert werden muss, weswegen man nicht warten kann, bis mehrere Pakte zusammenkommen.
Und wenn man nun mit dem Fahrrad einkaufen fährt? Aber wie viele können oder wollen das? Macht Online-Shopping nun den lokalen Handel kaputt, so dass wir in Zukunft nur mehr verwaiste Einkaufsstraßen haben? Oder werden die lokalen Geschäfte auch online anbieten müssen?
Dann gibt es den Verdacht, dass viele Rücksendungen einfach vernichtet werden, weil das schlicht und einfach billiger ist. Stimmt das überhaupt und wenn ja, zu welchem Prozentsatz?
Wir haben hier viele Fragen, die sich nicht einfach beantworten lassen. Sehen wir uns einmal ein Beispiel an
Beispiel 3: Kaufen Sie nicht in unserem Online-Shop!
Der Typ vor mir hat eine interessante Tasche als Bordgepäck. Also spreche ich ihn an und erfahre, dass es sich dabei um eine Tasche der Firma „Cabin Max“ handelt. Wie der Name schon sagt, sind sie auf Bordgepäck spezialisiert und stellen Produkte her, die einerseits möglichst viel Inhalt aufnehmen können, andererseits bei den meisten Fluglinien als Bordgepäck durchgehen und daher nicht eingecheckt werden müssen. Auf Kurzstrecken ist das hin und wieder recht praktisch.
Also recherchiere ich im Internet und stoße auf die Seite https://cabinmax.com
Dort gibt es jede Menge Bordgepäck in den verschiedensten Varianten. Ich finde eine passende und suche nach der Möglichkeit diese Tasche zu kaufen. Im Idealfall finde ich dafür einen „local dealer“, also ein Geschäft in Wien, bei dem ich diese Tasche bekommen kann. Dann fahre ich hin, begutachte das gute Stück und schaue, ob es auch den schönen Bildern aus dem Internet entspricht, oder ob es vielleicht eine Alternative gibt.
Ich kann die Tasche in die Hand nehmen oder – wenn sie Rucksackfunktion hat, was mir besonders wichtig ist – auf den Rücken und schauen, ob das auch bequem ist. Ich kann mir das Material ansehen und schauen, wie qualitativ das Produkt gebaut ist, etwa bei den Schnallen kann man das gut erkennen.
Ich scheitere. Es gibt schlicht und einfach keinen Link zu Verkaufsstellen. Allerdings gibt es ein Kontaktformular und ich beschließe, dieses zu benützen. Vorher suche ich natürlich noch im Internet, ob ich vielleicht irgendwo sonst – also nicht über die Herstellerfirma – ein lokales Geschäft finde oder zumindest eins in Österreich.
Ich scheitere. Also verwende ich doch das Formular und bekomme auch recht schnell eine Antwort, und zwar von Rachel:
Ich bin erstaunt, denn ich verkaufe meine eigenen Bücher auch tw. über amazon, weil ich nur so die kleine Zielgruppe erreichen kann. Ich weiß aber auch, wie teuer das für Unternehmen ist, die das nicht – so wie ich – über einen privaten Account machen können, sondern einen (drei Finger dicken) Vertrag mit Amazon brauchen. Also schreibe ich Rachel zurück:
Sie schreibt mir auch prompt zurück:
Ich ließ mir dann folgende Erklärung geben: Viele Unternehmen haben zwar einen eigenen Webstore, es ist aber für sie bequemer und scheinbar auch lukrativer, trotzdem über amazon zu verkaufen.
Das leuchtet mir zwar ein, ich stelle aber die Frage, ob das nicht etwas kurzfristig gedacht ist. Amazon bekommt dadurch eine fast monopolistische Marktmacht und darüber hinaus noch eine Bekanntheit, die sich auf das Kundendenken auswirkt: Irgendwann fällt mir beim Thema Einkaufen einfach nur mehr amazon ein. Ich komme gar nicht mehr auf den Gedanken, dass ich woanders überhaupt suchen könnte. Zugleich tritt der Supermarkt-Effekt ein: Es ist bequemer, alles an einem Ort zu bekommen und nicht kreuz und quer durch die Stadt fahren zu müssen.
Das gilt auch für Online-Shops. Eine Gegenströmung dazu ist etwa geizhals.at, die einem nicht immer den gleichen Anbieter als Best- bzw. Billigstbieter empfehlen.
Aufgabe Lektion 4
Auch wenn die Geschichten auf den ersten Blick lustig erscheinen, es ist die Geschichte von Misserfolgen, bei denen auf Kundenseite ein negativer Beigeschmack entsteht.
Hier hat so manches nicht funktioniert – aber warum nicht?
Bitte beantworten Sie folgende Fragen:
1.) Was hat der Herr von Titan falsch gemacht und wie hätten Sie reagiert?
2.) Wie hätten Sie als Stock-Managerin von H&M reagiert?
3.) Geben Sie mir (und auch Ihren KollegInnen) drei gute Tipps, wie wir in Zukunft mit dem Thema Online-Shopping umgehen sollen.