MN436 - Gruppen- und Organisationsdynamik - Change Management

Aus FernFH MediaWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Change Management

Klingt einfach besser als „Veränderungsmanagement“ und trotzdem werden wir uns in diesem Kapitel mit Veränderung beschäftigen.

Niemand mag Veränderung, sofern der aktuelle Zustand nicht schmerzhaft oder sonst wie negativ oder gar unerträglich ist. Das gilt natürlich auch für Veränderung in Organisationen. Zugleich gehört Veränderung aber zu jedem Leben und auch zu dem von Unternehmen.

Veränderung und Wachstum

An dieser Stelle darf vor einer Falle gewarnt werden: Veränderung ist nicht gleichzusetzen mit Wachstum. Das behaupten zwar die Wachstumsfetischist*innen, für die Wachstum per se ein anzustrebendes Gut ist, dem können wir aber locker Leopold Kohr entgegen werfen, dessen Wachstumsmodell ein biologisch-organisch-natürliches war: Alles auf dieser Welt soll seinem natürlichen Wesen gemäß wachsen – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Kohr hat dafür das Beispiel einer Giraffe gebracht: sie wird nicht zwei und auch nicht acht, sondern vier bis fünf Meter hoch.

Unendliches Wirtschaftswachstum ist daher genauso krankhaft wie ein zu geringes oder nicht vorhandenes.

Und dann gilt es noch zwischen qualitativem und quantitativem Wachstum zu unterscheiden und an dieser Stelle führt uns die Debatte weg vom Thema. Trotzdem soll dieses zugrunde liegende Problem samt den ihm innewohnenden Widersprüchen nicht unerwähnt bleiben.

Widerstand gegen Veränderung

Selten wird bei der Ankündigung einer Strukturänderung allerorts lauter Jubel hörbar. Das ist maximal dann der Fall, wenn alle unter der derzeitigen Situation leiden oder ein*e höchst unbeliebte*r Chef*in durch die Veränderung den Sessel räumen muss. In so ziemlich allen anderen Fällen wird die Ankündigung von Veränderung zuerst auf Widerstand stoßen, der sich zuerst einmal emotional äußert.

Management von Veränderung

Emotionen sind nicht immer einfach zu kontrollieren und wenn sie kollektiv – etwa in der Belegschaft einer größeren Firma – auftreten, können sie erhebliche Probleme bereiten. Damit dies nicht geschieht, muss die geplante Veränderung gesteuert und begleitet werden. Konkret gesagt: Die Kommunikation darf nicht dem Zufall überlassen werden.

Change Management ist nichts anderes als die Planung von Kommunikation, aber auch der Umgang mit den in der Veränderung auftauchenden Emotionen. Wer das vergisst, wird in den meisten Fällen scheitern, und zwar ohne zu wissen, warum.

In diesem Kapitel werden wir uns nun damit beschäftigen, was zu tun ist, damit Veränderung gut funktioniert.

Grundbegriffe

Diese zu kennen ist ein wichtiger Meilenstein im Aufbau eigener emotionaler Kompetenz. Dafür brauchen wir zuerst eine Unterscheidung:

Gefühl ist individuelles Empfinden

Emotion ist Energie, aus der Handlungsimpulse entstehen

Affekt ist der Verlust der Impulskontrolle

Egal, was auftaucht – wichtig sind fünf Grundgefühle. Sie bewirken spezifische Reaktionen. Wer sie kennt, kann sie auffangen, damit umgehen.

Grundgefühl Wofür es gut ist Was es bewirkt
ANGST Schutzressource Flucht
AGGRESSION Abgrenzungsressource Kampf
TRAUER Loslösungsressource Totstellen
INTERESSE Entwicklungsressource Öffnen
FREUDE Bindungsressource Umarmen

Diese Grundgefühle haben wir jederzeit parat. Sie tauchen vermehrt in Krisen auf, aber auch in positiven Veränderungsprozessen.

Wenn sie auftauchen, dann sind sie da und es ist nicht sinnvoll so zu tun, als gäbe es sie nicht. Im Organisationskontext bewirken sie Unruhe, die sich gerne mal überträgt, in manchen Fällen auf ein ganzes Team oder sogar auf ein gesamtes Unternehmen. Dies zu managen ist natürlich leichter, wenn man erstens weiß, was da gerade passiert und zweitens rechtzeitig eingreifen kann.

Sehen wir uns nun ein Modell an, in dem wir einen gewissen Ablauf erkennen können. Dieses Modell ist zugleich auch eine Art Grundmuster der Veränderung. Es gilt sowohl für persönliche Veränderungen des Individuums, als auch für Prozesse in Organisationen.

Die Fieberkurve

Veränderung löst Emotionen aus und diese bewirken so etwas wie ein kollektives Ansteigen der Organisationstemperatur – als hätte die Firma Fieber.

Mn436 14.png

Das erste Stadium ist das Verleugnen der Veränderung, die einen Schock ausgelöst hat. Das Grundgefühl dazu ist die Angst. Danach gibt es Vorwürfe in alle möglichen Richtungen (Konkurrenz, Vorstand, andere Abteilung, Kolleg*innen etc.), das damit verbundene Grundgefühl ist der Ärger – quasi als Sonderform der Aggression. Danach folgt die Phase der Resignation („Es ist eh alles egal, ich kann eh nichts tun“), in die sich Selbstvorwürfe mischen.

Daraus entsteht die Phase der Akzeptanz („Okay, es ist so, es ist passiert, das kann ich nicht mehr ändern“), das dazu gehörende Gefühl ist die Trauer.

Damit ist die Fieberkurver aber noch nicht zu Ende, denn aus der Akzeptanz entsteht eine gewisse Neuorientierung, weil ich mit dem Alten fertig bin, sozusagen abgeschlossen habe. Es ist Platz für Neues, das Gefühl ist jetzt das Interesse, die Neugierde („Was gibt es noch? Wo sind neue Möglichkeiten?“).

Letztlich entsteht etwas Neues, eine neue Organisationsform, eine neue Struktur, ein neues Geschäftsfeld, mit dem man sich identifizieren kann, das ein interessantes Ziel darstellt. Damit verbunden sind Freude und Motivation.

Das Management dieses Prozesses

Das ist nicht ganz einfach und in vielen Fällen brauchen Manager*innen hier Unterstützung von Fachleuten, die sich damit gut auskennen. Da in der Fieberkurve jede Menge Gefühle und Emotionen vorhanden sind (Vorwürfe, daraus entstehende Konflikte etc.), gilt es diese zu erkennen, aufzugreifen und zu bearbeiten, also quasi zu „managen“.

Sehen wir uns so einen Prozess anhand einer typischen Führungsaufgabe an, nämlich das Überbringen einer schlechten Nachricht. Das steht oft am Beginn eines Veränderungsprozesses und es gibt wohl keine*n Manager*in, der*die das gerne tut.

1.) EMOTION AUSLÖSEN (indem man Klartext redet)

  • hinsetzen lassen
  • schlechte Nachricht sofort und knapp formuliert überbringen
  • klar bleiben: das ist so! (verleugnen verhindern)

2.) EMOTION ANNEHMEN (bitte mit Empathie. Danke.)

  • zuhören
  • ausschimpfen, weinen lassen
  • Verständnis zeigen
  • nicht versachlichen (!)
  • nicht persönlich nehmen (also die Reaktion, wichtig ist hier Rollendistanz)
  • Zuversicht und Haltegriffe bieten

3.) EMOTION TRANSFORMIEREN (Teil des Gestaltens)

  • Sinn geben, Chance zeigen
  • relativieren (das Big Picture erklären, siehe weiter unten)
  • versachlichen (hier passt es jetzt)
  • eigene Anteile, Möglichkeiten zeigen
  • an Ressourcen und Stärken erinnern

Vorsicht: Interventionen sind zeitkritisch – was in Phase 3 hilft, kann in Phase 1 zur Eskalation beitragen (statt zu beruhigen).

Diese Liste, diese Vorgehensweise ist nicht immer ganz einfach umzusetzen, in manchen Fällen hilft es, wenn man sich hier coachen lässt. Das betrifft natürlich vor allem kritische Veränderungsprozesse, wo starke Emotionen zu erwarten sind. Es ist keine Schande, solche Gespräche mit einem*einer Coach*in zu üben, sich auf die Situation einzustellen und im Geiste (oder gerne auch auf dem Papier) die einzelnen Mitarbeiter*innen durchzugehen, die es betreffen wird. Gerade hier ist Vorbereitung oft der Schlüssel zum Erfolg.

Sehr erfolgreich ist es oft, wenn man als Führungskraft die Fieberkurve gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen aufzeichnet und auch gemeinsam analysiert. Das hängt natürlich davon ab, was ihnen zumutbar ist bzw. auf welcher Stufe der eigenen Entwicklung sie stehen – aber Vorsicht: oft werden sie unterschätzt und es ist ein Zeichen des Vertrauens, ihnen den Umgang mit solchen Modellen zuzutrauen.

Das Big Picture

Veränderungen wollen nicht nur emotional bewältigt, sondern auch verstanden werden. Das ist vor allem in großen Organisationen oft schwierig, weil die einzelnen Mitarbeiter*innen – aus unterschiedlichen Gründen – nur Teile des gesamten Unternehmens im Blickfeld haben. Sie tun sich daher meist schwer, das Ganze zu sehen. Nicht immer ist dies übrigens unbeabsichtigt – das ist aber ein anderes Thema.

Jedenfalls gibt es sehr häufig den Wunsch, das Warum zu kennen und zu verstehen, weshalb es die Veränderung gibt. Dafür ist es hilfreich, das Ganze zu skizzieren. Ein Tipp: Machen Sie dazu ein Flipchart, anhand dessen Sie den gesamten Prozess erklären. Das erleichtert das Verständnis, vor allem, wenn es in der Sprache der Mitarbeiter*innen erklärt wird.

Mn436 15.png

Am Beginn steht der Grund, weshalb es überhaupt Veränderung geben muss: Die Konzernzentrale richtet sich neu aus, neue Märkte entstehen, Sparmaßnahmen – was auch immer. Hier muss klar vermittelt werden, dass es Druck von oben (oder woher auch immer) gibt und Widerstand seinen Preis hat. Es geht aber vor allem darum, Verständnis dafür zu entwickeln, dass jetzt Maßnahmen gesetzt werden müssen. Wichtig ist es, den „case for action“ zu vermitteln, aus dem verständlich wird, woher die Notwendigkeit und Dringlichkeit für Veränderung kommt.

Danach gilt es das Ziel zu erläutern: Wohin sollen wir gehen? Was soll das bringen? Durch das Aufzeigen einer attraktiven Vision kann die Gruppe die Sogwirkung spüren und sich mitziehen lassen.

Danach geht es vor allem darum, den Weg zu beschreiben, den es jetzt zu gehen gilt. Diese besteht aus Maßnahmen, die getroffen werden müssen. Sie sind besser aushaltbar, wenn man versteht, weshalb sie erfolgen müssen und können sozusagen als Haltegriffe dienen, um im Alltag zurecht zu kommen. Hier ist wichtig, dass das Management gut abgestimmt vorgeht und nicht jeder was anderes erzählt. Das erreicht man am besten durch gemeinsame Schlüsselbotschaften, die möglicherweise mehrfach erzählt werden müssen.

Veränderung ist nicht immer lustig und angenehm, aber mit der richtigen Methode kann sie gut begleitet und bewältigt werden.

Aufgaben

Wie geht es Ihnen damit?

a.) Das ist mein täglich Brot, alles easy-cheesy

b.) Ui, da ist noch Luft nach oben

Suchen Sie sich ein Veränderungsbeispiel aus Ihrer beruflichen Vergangenheit oder Gegenwart und beschreiben Sie,

a.) wo Sie zuversichtlich sind, dass es gut funktionieren wird und

b.) wo für Sie in diesem Modell echte Herausforderungen stecken.