MN436 - Gruppen- und Organisationsdynamik - Gruppenarbeit in der Praxis
Gruppenarbeit in der Praxis
Nach Durcharbeit dieses Kapitels sollen Sie in der Lage sein:
- die Voraussetzungen für das Gelingen von Gruppenarbeit zu definieren;
- die Grundprinzipien der Teamentwicklung zu verstehen;
- die Unterschiede von Gruppe und Hierarchie punkto Teamentwicklung zu kennen;
- Vor- und Nachteile der Gruppenarbeit aufzählen zu können;
Vorbemerkung: Die folgenden Ausführungen sind aus der Theorie der Gruppendynamik entnommene Idealmodelle. Selbstverständlich werden etwa nie alle Hindernisse am Weg zu einer guten Gruppenleistung gemeinsam auftreten oder auch gemeinsam beseitigt werden können.
In diesem Kapitel sollen Sie einen Überblick bekommen, wie vielfältig das Thema Gruppe/Team gesehen werden kann und welche Bedeutung es in fast allen Branchen und Berufen hat.
Die Listen und Aufzählungen sind ein Hilfsmittel für die tägliche Arbeit (sofern man mit Gruppen zu tun hat). Es geht dabei nicht darum, sich alles zu merken oder anzuwenden, sondern im Bedarfsfall ein Nachschlagewerk zu haben, in dem man sich Anregungen zur eigenen Analyse holen kann. Wenn etwa folgende Fragen auftauchen: „Was ist da bloß passiert? Wieso verhalten sich die Teammitglieder so seltsam? Wieso funktioniert die Gruppe nicht so wie vorgesehen? – dann ist es wichtig, die Palette an Möglichkeiten zur Verfügung zu haben, um mit der Analyse dem Problem auf die Spur zu kommen.
Die gute Gruppenleistung
Wir kennen bis zur heutigen Zeit nur zwei verschiedene Organisationsformen: Gruppe und Hierarchie. Beide sind einander feindlich gesinnt und es gehört zu den Anforderungen moderner Organisationsentwicklung, sowohl Gruppe wie auch hierarchische Ordnung mit- bzw. nebeneinander bestehen zu lassen. Beide können einander gut ergänzen, nie jedoch ersetzen.
Eine gute Gruppenleistung kann nur dann möglich sein, wenn die Gruppe selbst ihre Gruppendynamik erkennt, reflektiert und lernt, sich als Gruppe weiterzuentwickeln. Die hierarchische Ordnung, in die „Gruppe“ als Organisationsform (meistens) eingebettet ist, muss für den Halt der Gruppe, d.h. für ihre Existenz innerhalb der Organisation sorgen.
Voraussetzungen für das Gelingen von Gruppenarbeit/Teamarbeit:
- Erkennen eines gemeinsamen Zieles
Wer sorgt dafür, dass das Ziel definiert wird? Wer passt darauf auf, dass es nicht aus den Augen verloren wird – nämlich innerhalb der Gruppe, nicht durch den*die Chef*in?
Genügend Fachkenntnisse
Welche Fachkenntnisse werden benötigt, um das Ziel zu erreichen? Sind diese im Team vorhanden? Wen benötigt das Team noch bzw. wo kann man sich externe Hilfe holen?
Gegenseitige Hilfestellung
Sind alle bereit, einander zu helfen und haben sie auch die Möglichkeit dazu (Zeit, Energie, andere Aufgaben...)?
Offene und ehrliche Kommunikation
Was ist in der Gruppe bisher unausgesprochen geblieben? Wo könnte die notwendige Offenheit noch fehlen? Wo ist Privatsphäre zu akzeptieren?
Die Fähigkeit und Bereitschaft, einander zuzuhören
Wer tut sich damit noch schwer und wo fällt das auf?
Hohes Vertrauen zueinander
Ist das Team soweit gefestigt, dass man einander ausreichend vertraut, auch ohne, dass man eng befreundet ist? Wurde über Vertrauensbrüche in der Vergangenheit gesprochen und was ist dabei herausgekommen?
Die Fähigkeit und Bereitschaft, menschliche Konflikte zu akzeptieren und aufzuarbeiten
Wie wird in der Gruppe mit Konflikten umgegangen? Hat man einen Modus gefunden, sie anzusprechen, zu akzeptieren, zu bearbeiten und die Lösung zu kontrollieren?
Die Bereitschaft zur Selbstkontrolle und zur Selbstkritik
Kann die Gruppe gemeinsam ihre eigene Entwicklung reflektieren? Wann und wie redet man darüber, wie es der Gruppe und den einzelnen Mitgliedern geht? Gibt es hierfür fixe Orte bzw. Zeiten?
Die Rolle des*der Vorgesetzten
Ein*e Teamleiter*in aus der Organisation ist niemals Mitglied des Teams, auch wenn er*sie es gerne will und sich als solche*r positionieren will. Kann die Führungskraft seine Rollen zeitweise wechseln und wo lässt er „den*die Chef*in raushängen“ und konterkariert damit die Arbeit der Gruppe? Wird darüber gesprochen? Ist er Feedback zugänglich?
Die Organisation (in der die Gruppe existiert) als Ganzes muss diese Prinzipien hochhalten
Wo gibt es Unterstützung und wo Widerstand aus der Organisation? Welche zusätzliche Unterstützung bräuchte man noch und wo kann man sie herbekommen?
Grundprinzipien der Teamentwicklung
Die Hierarchie ist – trotz all der Probleme, die sie aufwirft – nicht ersetzbar. Sie ist das Prinzip, das uns Zivilisation und Wohlstand gebracht hat. Sie ist als Organisationsprinzip nicht auflösbar.
Heute stehen wir vor dem Problem, dass dieses System erstmals in der Geschichte in eine ernsthafte Krise gekommen ist. Vor allem seit der Finanzkrise 2008 zeigt sich immer stärker die Unfähigkeit großer Konzerne, ihre eigenen Probleme zu bewältigen. In einer „freien Marktwirtschaft“ wird laut nach Staatshilfe gerufen und oftmals besteht die einzige Reaktion der Firmen darin, Mitarbeiter*innen zu entlassen – oft in der Hoffnung, dass es dann „besser“ läuft. Was ist die Ursache dieser Probleme? Wie immer gibt es nicht eine singuläre Ursache, aber aus gruppendynamischer Sicht ist die Hierarchie an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gekommen – vielleicht auch deshalb, weil sie sich zu lange nicht der Kraft funktionierender Gruppen bedient, sondern ihr Heil in immer genauer strukturierten Ober- und Unterordnungsprinzipien gesucht hat. Nicht umsonst sind Controller*innnen am Arbeitsmarkt weltweit sehr gefragt.
Wir müssen uns heute nach „Reparaturmechanismen“ umsehen, eine Tatsache dabei aber unbedingt im Auge behalten: es wird nicht möglich sein, die Hierarchie abzuschaffen.
In der folgenden Tabelle finden sich links die Probleme, die heute in hierarchischen Systemen auftauchen. Rechts die Alternativvorschläge, aus der Sicht der Gruppendynamik, also der Konkurrenz und zugleich Ergänzung des hierarchischen Organisationsprinzips.
Einer allein hat heute nicht mehr das Wissen, um die Entscheidungen richtig treffen zu können - die Arbeitsteilung funktioniert nicht mehr.
Informationen werden nach oben nicht so weitergegeben, dass die Führungskraft die richtige Entscheidung treffen kann. Informationen werden auch von oben nicht so weitergegeben, dass die Betroffenen richtig handeln können. |
Entscheidungen im kleinen Rahmen - Gruppengröße - vermeiden das Stille-Post- Problem.
Gruppen können aus verschiedensten Fachleuten zusammengesetzt werden, brauchen allerdings eine Zeit, bis sie arbeitsfähig sind. |
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Beförderungen nach dem Leistungsprinzip funktionieren nicht mehr - das Peter-Prinzip tritt in Kraft. |
Die Positionen in Gruppen werden im Gruppenentscheid festgelegt - die richtigen Fachleute erhalten die richtigen Aufgaben und auch die dafür angemessene Entlohnung. Nach oben hin gibt es eine*n Repräsentant*in, der jedoch hierarchisch nicht höher steht als der Rest der Gruppe. |
Entscheidungen von oben herab zu fällen ruft Widerstand hervor - noch dazu, wenn die Entscheidungen falsch oder blöd sind. |
Delegation nach unten, dorthin, wo die Expert*innen sitzen, hilft, richtige Entscheidungen zu treffen. Zudem sind die Betroffenen auch Beteiligte und geben eher ihre Zustimmung. |
Divide et Impera - erhält die Hierarchie zum Schein und schlägt irgendwann ins Gegenteil um. Das moderne Problem des Mobbings ist auch eines der Hierarchie. |
Informationsfluss in der Gruppe - jederzeit die Möglichkeit der Reflexion, Missverständnisse können aufgeklärt werden. Jeder kann mit jedem reden - das einzig funktionierende Prinzip gegen Mobbing. |
Aufgrund der hierarchischen Position gibt es normalerweise kein Feedback von oben nach unten und umgekehrt. |
In einer Gruppe gehört Feedback zu den normalen Kommunikationswerkzeugen. |
Widerstand gegen hierarchische Positionen oder Entscheidungen können durch Dienst nach Vorschrift problemlos geleistet werden. Sabotage kommt auf. |
Widerstand gegen den*die Chef*in ist sinnlos, da es keine*n gibt. Alle sind in den Entscheidungsprozess integriert und auch für das Ergebnis verantwortlich. |
Nur wenn der*die Chef*in etwas sagt, wird es gemacht. |
Eigenverantwortlichkeit in der Gruppe. |
Die Mitarbeiter*innen entwickeln sich nicht weiter - sie werden als Mittel zum Zweck eingesetzt. |
Die Mitarbeiter*innen müssen sich mitsamt der Gruppe weiterentwickeln. Der Prozess ist dynamisch. |
Die Folge ist letztendlich, dass alle Errungenschaften der Hierarchie nicht mehr stimmen: die Wahrheitszentralisierung, die Weisheitszentralisierung, daher auch nicht mehr die Entscheidungszentralisierung und weil blöde Entscheidungen getroffen werden, stimmt auch die Machtzentralisierung nicht mehr. Es gilt: je größer und komplizierter das System, umso gehäufter treten die oben besprochenen Probleme auf.
Hier funktioniert das klassische, hierarchische Prinzip nicht mehr und wir brauchen daher neue Modelle. Neue Modelle bedeutet, dass diejenigen, die zusammenarbeiten müssen und unterschiedliche Expertisen haben, zueinander in einem interdependenten Verhältnis stehen.
Wie sehen diese „neuen Modelle“ aus?
Wir nehmen einmal an, ein Unternehmen besteht aus verschiedenen Gruppen. Diese Gruppen müssen eine Leistung erbringen. Es gibt nur noch ganz wenige Leistungen – sowohl im Produktionsbetrieb, als auch im Dienstleistungsbetrieb – die ein*e Einzelne*r noch machen kann. Das ist heute eine Sache eines Teams, so wie auch vor Ort in der Produktion Qualität eine Sache des Teams ist.
Das sind Entscheidungen, die von mehreren getroffen werden müssen – so kann für eine komplexe Aufgabe (es gibt heute fast nur mehr komplexe Aufgaben im Bereich größerer Organisationen) die notwendige Mindestmenge an Kompetenz, Information und Wissen in die Entscheidung einfließen.
Manager*innen bzw. Führungskräfte, die alle Entscheidungen selbst treffen, sind nach einiger Zeit überfordert, verbringen den ganzen Tag damit, ebendiese Entscheidungen zu treffen bzw. darüber nachzugrübeln. Ihre Mitarbeiter*innen wiederum sind demotiviert, denn sie befolgen Anweisungen und Befehle, ihre eigene Kreativität, ihre Eigenverantwortung sind nur zu einem geringen Teil gefragt. Nach einiger Zeit – den*die eine*n trifft das stärker, den*die andere*n weniger stark – fängt sich eine Spirale zu drehen an: je weniger die Mitarbeiter*nnen entscheiden können, desto weniger sind sie dazu in der Lage. Je mehr der*die Chef*in entscheidet, desto überlasteter ist er*sie mit dieser Aufgabe und desto schlechter werden mit der Zeit seine*ihre Entscheidungen. Das wiederum demotiviert ihn*sie und seine*ihre Mitarbeiter*innen.
Wie kann man nun dieser Abwärtsspirale entkommen? Sehen wir uns ein Beispiel an, wie das Verhältnis von Mitarbeiter*innen und Chef*innen aussehen kann. Wir nehmen dafür ein Wasserglas und behaupten: wenn alle notwendigen Entscheidungen im Unternehmen (oder in der jew. Abteilung) getroffen werden, so ist das Glas zu 100 % gefüllt.
Nehmen wir jetzt einmal an – Bild 1 – dass die Mitarbeiter*innen 20% übernehmen können und die Führungskraft 80% – wahrscheinlich wird alles funktionieren. Sollte jedoch der Fall eintreten, dass der*die Chef*in – aus Zeitmangel oder Inkompetenz – nur 40 % übernehmen kann, die Mitarbeiter*innen können aber nur die schon erwähnten 20 % ausfüllen, so wird ein freier Raum bleiben, den wir „Chaos“ nennen können.
Im umgekehrten Fall – Bild 3 – können die Mitarbeiter*innen 60%, der*die Chef*in ist jedoch der Meinung, dass er*sie auch 60% aller Entscheidungen selbst treffen will. Dann entsteht nicht Chaos, sondern Konflikt.
Nun stellt sich die Frage, was man tun kann.
Gehen wir einmal davon aus, dass die Führungskraft selbst ein erfahrener Hase ist, die Mitarbeiter*innen jedoch recht jung und noch eher unerfahren. Sie können nur – das hatten wir schon – 20% der Entscheidungen treffen. Die Führungskraft muss also – bis hierher brauchen wir dafür noch keine höhere Mathematik – 80% der Entscheidungen treffen. Nun kann die Führungskraft diesen Status versuchen beizubehalten. Wenn er*sie dies von seinem*ihrem Arbeitspensum her schafft und die Mitarbeiter*innen damit zufrieden sind, kann das Konstrukt über lange Zeit stabil bleiben.
Es besteht jedoch die denkbare Möglichkeit, dass die Führungskraft dies nicht so haben will und auch die Mitarbeiter*innen hätten gerne etwas mehr Entscheidungsbefugnis und Verantwortung.
Dann ist echte Führungsarbeit gefragt: die Führungskraft kann im Laufe der Zeit – siehe Bild 4 – einzelne Mitarbeiter*innen oder auch ganze Teams „entwickeln“, indem er*sie ihnen Schritt für Schritt erweiterte Kompetenzen einräumt und ihnen somit mehr Verantwortung gibt. Gegen Beginn dieses Vorgangs wird er*sie noch öfter helfen müssen bzw. er*sie wird es aushalten müssen, dass auch da und dort Fehlentscheidungen getroffen werden. Besonders autoritäre Chef*innen haben damit ein Problem, ebenso aber jene, die einen „laissez-faire“-Stil bevorzugen. Langsam tasten sich die Mitarbeiter*innen nach oben - der*die eine schneller, der*die andere weniger schnell.
Das Problem in den meisten Hierarchien ist jedoch, dass die Mitarbeiter*innen nicht...
- dürfen (Befugnisse sind strikt oben angeordnet);
- können (sie haben es schlicht und einfach nicht gelernt und nie geübt);
- wollen (Verantwortung übernehmen, ev. auch noch ohne mehr Geld zu bekommen...)
Endziel sollte sein, dass die Führungskraft noch etwa 20% der Entscheidungen trifft, die Mitarbeiter*innen hingegen für ca. 80% verantwortlich sind. Bei Engpässen, Krisen oder im Falle einer Umstrukturierung besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass die Führungskraft für die eine oder andere Entscheidung einspringt. Prinzipiell hat er*sie jedoch jetzt andere Aufgaben.
Dabei ist anzumerken, dass es letztendlich um die Entwicklung von Teams (Gruppen) und weniger um die Förderung einzelner Mitarbeiter*innen geht – auch wenn diese natürlich eines unter mehreren Zielen bleibt. Die Führungskraft muss jetzt vor allem gruppendynamische Fähigkeiten vor- weisen können, denn Teams unterliegen anderen Regeln und brauchen eine andere Art von Führung, als dies in Hierarchien gefordert ist. Dort ist ein Team eine Ansammlung von Individuen, die gemeinsam an einer Aufgabe bzw. an einem Projekt arbeiten und hierarchisch gesteuert werden.
Das Potenzial von gut funktionierenden Teams ist jedoch weit größer. Sie können eine erhebliche Leistungssteigerung erzielen und noch andere Vorteile aufweisen:
Die Vorteile guter Gruppenarbeit
Überall dort, wo Hierarchien ins Straucheln geraten, wo sie ineffizient werden und die Leistung bzw. der Output sinkt, darf man die Frage stellen, ob Gruppen nicht als Ergänzung, in manchen Fällen vielleicht sogar als Alternative zu überlegen sind. Sehen wir uns einmal an, welche Vorteile gute Gruppenarbeit hat. Dabei darf nicht vergessen werden, dass diese Vorteile nur dann ausgeschöpft werden können, wenn es sich um eine funktionierende Gruppe handelt:
Statistischer Vorteil des Fehlerausgleichs (Mehrere Augen sehen mehr als eines...).
Durch die verschiedenen Blickwinkel wird ein Problem klarer erkannt - hier liegt auch der Vorteil der interdisziplinären Zusammenarbeit.
In Gruppen werden bessere Methoden entwickelt, zur Lösung eines Problems zu gelangen.
Die Kreativität im Finden von Lösungsalternativen ist höher.
Verschiedene individuelle Hilfsmittel können einander ergänzen - jedes Gruppenmitglied bringt seine eigenen Erfahrungen ein.
Der*die Einzelne erhält differenziertes Feedback für seine*ihre Beiträge.
Probleme des*der Einzelnen können besser geklärt werden.
Bedürfnisse und Fähigkeiten der Beteiligten können berücksichtigt werden – nicht alle müssen alles machen.
Deshalb stimmen, wenn die Gruppe einen Entschluss treffen muss, auch mehr Personen zu...
...und setzen sich mehr für die Durchführung der beschlossenen Maßnahmen ein.
Die Entscheidung wird auch eher auf die Praxisgegebenheiten der Beteiligten abgestimmt sein...
...so dass die Umsetzung des Vereinbarten auch ökonomischer sein wird.
Die emotionale Geborgenheit in einer (funktionierenden) Gruppe sowie das gegenseitige Vertrauen motivieren und führen zu einem besseren Arbeitsergebnis.
Hindernisse am Weg zu einer guten Gruppenleistung
Gruppenarbeit funktioniert nicht immer gut. Es gibt eine ganze Menge Hindernisse, die am Weg auftauchen und bewältigt werden müssen, damit ein Team, eine Gruppe gut funktioniert. Wie in obigem Modell erläutert, braucht es bis zur reibungslosen Entwicklung einer Gruppe eine*n Expert*in, der*die diese dorthin führt. Das kann auch die Führungskraft sein, die sich dann langsam wieder zurückzieht. Vorher jedoch hat er*sie ganz klar die Aufgabe, die Gruppe auf ihre Fehler und Schwächen hinzuweisen, sie etwa in Form von Feedback der Bearbeitung durch die Gruppe zur Verfügung zu stellen.
- Persönliche Ressentiments werden nicht bearbeitet (“Ich mag den X nicht, das zeige ich der Gruppe aber nicht”);
- “Prinzipielle Ablehnung” (Intoleranz) eines Gruppenmitglieds – Vorurteile (“Mit Ausländer*innen/alten Leuten/jungen Leuten will ich nicht zusammenarbeiten”);
- Austragung persönlicher Konflikte auf der Sachebene;
- Austragung sachlicher Konflikte auf der persönlichen Ebene;
- Bildung von Untergruppen zum Zwecke der Ausgrenzung anderer (oft mit “rein sachlicher” Begründung, etwa: “in der größeren Gruppe geht nichts weiter...”);
- Paare innerhalb der Gruppe (Ehepartner*innen, Eltern) solange dieser Umstand nicht besprochen wird bzw. nicht akzeptiert werden kann;
- Beschränkung auf die “Arbeitsebene” (“wir müssen etwas weiterbringen, da können wir keine Gruppenprobleme besprechen, jeder soll sich auf die Arbeit konzentrieren...”);
Wenn die Gruppe nicht bereit ist, der Bearbeitung ihrer Beziehungsebene ausreichend Zeit zu widmen, so wird auch das Arbeitsergebnis darunter leiden. Das kostet Zeit, Nerven und somit Geld.
Wir kennen bis zur heutigen Zeit – wie schon erwähnt – nur zwei verschiedene Organisationsformen: Gruppe und Hierarchie. Beide sind einander feindlich gesinnt und es gehört zu den Anforderungen moderner Organisationsentwicklung, sowohl Gruppe wie auch hierarchische Ordnung mit- bzw. nebeneinander bestehen zu lassen. Beide können einander gut ergänzen, nie jedoch ersetzen.
Eine gute Gruppenleistung kann nur dann möglich sein, wenn die Gruppe selbst ihre Gruppendynamik erkennt, reflektiert und lernt, sich als Gruppe weiterzuentwickeln. Die hierarchische Ordnung, in die „Gruppe“ als Organisationsform (meistens) eingebettet ist, muss für den Halt der Gruppe, d.h. für ihre Existenz innerhalb der Organisation sorgen.
Gute Gruppenarbeit kann in modernen Organisationen die Mängel der hierarchischen Organisationsform bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Dies ist gerade in einer Zeit, in der Hierarchien unter einigen „Krankheiten“ wie überforderten Chef*innen aufgrund zu hoher Diversifizierung und Spezialisierung leiden, ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil.
Dieses Modell provoziert Widerstand. Sehr oft hören wir als Grund: „Das wäre alles sehr schön, bei UNS geht das aber nicht, weil...
- das Unternehmen erlaubt gar nicht, dass die Mitarbeiter*innen so viel Verantwortung (meist geht es um Budgets) übernehmen;
- die internen Strukturen lassen das nicht zu;
- Teams funktionieren bei uns ganz anders, da geht es nicht um Entscheidungen, sondern...
- Teams in dieser Form können sich gar nicht entwickeln, weil... die Führungskraft kann/darf bei uns viele Verantwortungen und Entscheidungen gar nicht abgeben!
Diesen Punkt müssen wir aufgreifen und näher betrachten: Das Problem an dieser Stelle liegt darin, dass viele Chef*innenglauben, dass sie jetzt zu nichts mehr nutze sind: die Entscheidungen treffen die Mitarbeiter*innen, die Führungskraft soll gefälligst golfen oder angeln gehen. Der Kontroll- bzw. Machtverlust ist für viele Führungskräfte nur schwer auszuhalten.
Bei genauer Betrachtung ergeben sich jedoch neue, sehr reizvolle Alternativen. Die Führungskraft kann jetzt...
- golfen und angeln gehen und geht ihren Mitarbeiter*innen nicht mehr auf die Nerven;
- wesentlich ausgeglichener sein, ihr Privatleben funktioniert wieder und alle in der Firma atmen auf. Gott sei Dank trifft sie diejenigen Entscheidungen, die sie noch zu treffen hat, jetzt viel entspannter und besser;
- sich um den Aufbau einer neuen Abteilung kümmern. Bisher war Vergrößerung nicht möglich, jetzt eröffnen sich Spielräume;
- viel besseren Kontakt zum Markt pflegen und sich um Stammkunden persönlich und mit genügend Zeit kümmern. Das verbessert die Auftragslage und sie kann von Zeit zu Zeit an die frische Luft. Das Klima ist seitdem merklich besser und die Kund*innen kennen den*die Chef*in wieder;
- viel besseren Kontakt zu anderen Abteilungen pflegen. Seitdem funktioniert die Zusammenarbeit auch viel reibungsloser, weil die beiden Chef*innen gehen jetzt zwei Mal die Woche miteinander essen und besprechen diejenigen Dinge, die noch vor kurzem zu Reibereien und Missverständnissen geführt hatten. Die Führungskraft kann so auch wichtige Informationen aus anderen Bereichen der Firma einholen und ihren Leuten zur Verfügung stellen – es gibt schließlich keinen besseren Spion als den*die eigene*n Chef*in;
- ihre Abteilung nach außen viel besser repräsentieren. Man ist jetzt wieder wer, denn die Führungskraft betreibt Lobbying und ist ganz entzückt über die vielen Möglichkeiten, die sich jetzt auftun. Ergebnisse können jetzt viel wirkungsvoller verkauft werden. Bei Angriffen von außen hat die Führungskraft genügend Zeit und Energie, um sich schützend vor ihre Leute zu stellen und erste Attacken erfolgreich abzufangen.
- die notwendigen Informationen und Veränderungen aus der großen Organisation mit Umsicht und Bedacht aufnehmen, verarbeiten und für ihre Leute so aufbereiten, dass diese damit nicht überfordert sind. Die Führungskraft ist der beste Filter für das Team, in der Kaffeemaschine befindet sich maximal der zweitbeste...
- sich um ihre eigene Weiterbildung kümmern. Das macht ihr erstens Spaß und zweitens erhöht es ihre Kompetenzen und Möglichkeiten. Vor allem der Markt der Zukunft wird verlangen, dass Führungskräfte sich weiterentwickeln.
- mehr Zeit für ihre Mitarbeiter*innen haben – endlich kann sie sich um Probleme kümmern, die sie bis vor kurzem noch nicht einmal bemerkt hat. Sie nimmt sich viel Zeit für die einzelnen Probleme und hat auch mehr Verständnis. Das Klima ist merklich besser. Im Idealfall ist die Führungskraft auch für Konfliktmanagement zu haben (Mediation) und kann im Streitfall schlichtend (aber nicht entscheidend) eingreifen. Als Chef*in, der*die jetzt den entsprechenden Überblick hat, kann sie auch Gruppenprozesse beobachten, diagnostizieren und im Anschluss daran seinen Teamleiter*innen (oder Mitarbeiter*innen generell) unterstützend unter die Arme greifen.
- neue Ideen entwickeln, um der Abteilung ein besseres Standbein im Unternehmen zu ermöglichen. Außerdem senkt das die Kosten und erhöht die Performance.
Diese Liste lässt sich – je nach Unternehmen – noch beliebig ergänzen, eines sollte auf jeden Fall klar geworden sein: es zahlt sich aus, die Mitarbeiter*innen zur Teamentwicklung zu fördern und zu motivieren: für die Führungskraft, ihre Mitarbeiter*innen und für das Unternehmen.
Alles in allem sorgen solche Führungskräfte für einen enormen Motivationsschub bei ihren Mitarbeiter*innen. Schade, wenn man sich diese Chance entgehen lässt...
Aufgaben
Die Praxis der Teamentwicklung
1.) Hatten Sie schon Erfahrungen mit Teamentwicklung? Wie ist das gelaufen, wo lagen die Schwierigkeiten und was hat es letztlich gebracht?
2.) Wie würden Sie als Führungskraft agieren? Unter welchen Umständen würden Sie ein Team aufbauen und unter welchen eher nicht?
3.) Sollten Sie es schon erlebt haben, dass Mitarbeiter*innen nicht konnten, nicht durften oder nicht wollten – was war Ihre Rolle dabei und wie ist es Ihnen dabei ergangen?