Rechtsfragen und Rechtsprobleme in der Wirtschaftsinformatik - E-Commerce Recht
Die wichtigsten Elemente des E-Commerce Rechts
Überblick über zentrale Rechtsvorschriften im Bereich des E-Commerce
Werbung und Konsumentenschutz im Internet sind zwei besonders intensiv
Electronic Commerce gehört heute zum Standard-Repertoire eines modernen Unternehmens. Umso wichtiger ist es, dass sich sowohl das Unternehmen, als auch seine Kunden*innen auf bestimmte rechtlich abgesicherte Regeln verlassen können. In Österreich wurde für jene Bereiche, die nicht bereits durch geltendes Recht abgedeckt sind, daher das seit 2001 gültige E-Commerce Gesetz erlassen.
Die historisch wichtigsten europäischen Rechtsgrundlagen für den E-Commerce sind die Fernabsatz-Richtlinie und die E-Commerce-Richtlinie. Neben diesen beiden spielen die Signatur-Richtlinie und die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen und die Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf eine wichtige Rolle.
Zentrale in Österreich anwendbare Vorschriften basieren auf den Regeln für Schuldverträge und Verbraucherverträge,
Da E-Commerce in vielen Fällen grenzüberschreitend (nicht nur national sondern auch über die EU-Grenzen hinausgehend) ist, kann die Rechtsdurchsetzung allerdings sehr problematisch sein. Internationale Gerichtszuständigkeit, sowie die Problematik der Entscheidungsvollstreckung außerhalb der EU, lassen es für immer mehr Anbieter*innen und Kund*innen als ratsam erscheinen, ihre E-Commerce Aktivitäten auf Mitgliedsstaaten der EU zu beschränken.
Die Rechtswahl steht primär den Parteien offen, subsidiär unterliegt das Rechtsgeschäft dem Recht jenes Staates, zu dem es die engste Verbindung aufweist. So können rein theoretisch z.B. ein*e russische*r Anbieter*in und ein*e österreichische*r Kund*in US-Recht und als Gerichtsstand ein afrikanisches Land wählen, was natürlich im Anwendungsfall zu einigen größeren Problemen führen wird.
Verbraucherverträge: betreffen meist die Lieferung von beweglichen Sachen, die Erbringung von Dienstleistungen, oder Verträge zur Finanzierung dieser Geschäfte.
Wenn nicht anders vereinbart, kommt bei Verbraucherverträgen das Verbraucherlandrecht zur Anwendung. Eindeutige Anknüpfungspunkte dafür sind ein ausdrückliches Angebot oder Werbung im Verbraucherland, oder die Bestellannahme im Verbraucherland.
In der Spezialgesetzgebung, i.e. dem Electronic Commerce Gesetz und dem Gesetz über digitale Signaturen, werden auch Informationspflichten, wie etwa der Mindestinhalt von kommerziellen Websites und die Verwendung von digitalen Signaturen im Rechtsverkehr geregelt.
Werbung, Vertragsabschluss im Web und Konsumentenschutz im E-Commerce
Werbung und Konsumentenschutz im Internet sind zwei besonders intensiv diskutierte Bereiche, deren bekanntester Aspekt die Überflutung mit Spam Mails ist. Während Vertragsabschlüsse im Internet im Normalfall den auch sonst gängigen Rechtsvorschriften genügen, sind Verträge mit Minderjährigen ein besonderes Problem. Die Frage ist, wie ein Unternehmen erkennen kann, dass es sich bei einem*einer Kund*in um eine*n Minderjährige*n handelt, und was im Fall einer Aufsichtsverletzung durch Erziehungsberechtigte passiert, bzw. wie eine solche überhaupt nachgewiesen werden kann. Die weltweite Diskussion um Internet-Filter aller Art zum Schutz Minderjähriger vor illegalen und unmoralischen Inhalten ist der zweite große Problembereich beim Schutz Minderjähriger. Spam Mails, die immer wieder in der Lage sind, Filter zu überwinden, stellen nicht nur eine unangenehme Belästigung, sondern auch eine wirtschaftlich nicht zu vernachlässigende Behinderung der Arbeit dar.
Grundsätzlich gilt nach österreichischem Recht, dass die Zustimmung zur Zusendung von elektronischem Werbematerial vorliegen muss. Problematisch bleibt dabei, dass so gut wie kein Spam seinen Ausgangspunkt in Österreich hat und der Anteil von aus Mitgliedsstaaten der EU kommendem Spam im Vergleich ebenfalls sehr gering ist.
Beim Vertragsabschluss im Web (z.B. beim Online Shopping) ist unbedingt zu beachten, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Vertrag mit einem*einer Kund*in gültig ist (i.e. damit eine verbindliche Bestellung mit entsprechender Zahlungsverpflichtung vorliegt). Zentral ist dabei die sog. Willenserklärung, das ist die eindeutige Erklärung, ein Produkt oder eine Dienstleistung erwerben zu wollen. Liegt diese nicht eindeutig vor, ist, wie auch im traditionellen (papierbasierten) Fall, der Vertrag als nicht zustande gekommen zu betrachten. Die Website muss daher so gestaltet sein, dass ein*e Käufer*in erkennen kann, wann er*sie eine Bestellung abgibt und auch eindeutig ist, was er*sie bestellt. Wenn ein*e Käufer*in z.B. guten Grund zur Annahmen hat, einen einmalige Leistung zu bestellen, in Wahrheit aber ein Abonnement bestellt, liegt zumindest eine Irrtum vor. Je nach Gestaltung der Website kann es sich auch um eine absichtliche Täuschung oder im Extremfall sogar um einen gewerbsmäßigen Betrug handeln. Da die Interpretation des Sachverhalts in Grenzfällen meist schwierig ist und der einmal erfolgte Betrugsverdacht schwer zu eliminieren ist, gilt auch hier die Regel, dass Firmen mit guter Reputation entsprechenden Wert auf die Gestaltung ihrer Website legen. Online-Buchungssysteme der großen Fluglinienallianzen und der großen österreichischen Banken können als Musterbeispiele gelten, die alle Informationspflichten nach dem E- Commerce Gesetz erfüllen und so gestaltet sind, dass möglichst keine Missverständnisse entstehen können.
Bei der Gestaltung der Website kann inzwischen auch von einer Sorgfaltspflicht gegenüber dem*der Benutzer*in bzw. dem*der Kund*in ausgegangen werden, die z.B. dazu verpflichtet, schutzwürdige Information (Kreditkartendaten, Gesundheitsdaten, etc.) verschlüsselt zu übertragen oder den*die Benutzer*in bzw. Kund*in zumindest in geeigneter Form darauf hinzuweisen, wenn Daten ungesichert übertragen werden.
Bei der Zusendung von Werbematerial ist auf jeden Fall das Spam-Verbot nach § 101 TKG zu beachten: Die Zusendung einer elektronischen Post als Massensendung oder zu Werbezwecken bedarf der vorherigen - jederzeit widerruflichen - Zustimmung des*der Empfänger*in. Von ebenso zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Art. 7 der E-Commerce Richtlinie: Er beinhaltet die sog. „Opt-Out“-Regelung („Robinson-Listen“), die es ermöglicht, eine von allen Versender*innen von Werbematerial zu berücksichtigende Erklärung abzugeben, dass man keine Werbe-Mails empfangen will. Ebenso gelten unerbetene Anrufe und Faxe lt. OGH als wettbewerbswidrig (Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG).
Digitale Signaturen im E-Commerce
Digitale Signaturen sind Österreich im Gesetz über Digitale Signaturen (SigG 1999) geregelt. Dieses Bundesgesetz regelt somit den rechtlichen Rahmen für die Erstellung und Verwendung elektronischer Signaturen sowie für die Erbringung von Signatur- und Zertifizierungsdiensten. Dieses Bundesgesetz ist auch anzuwenden in geschlossenen Systemen, sofern deren Teilnehmer*innen dies vereinbart haben, sowie im offenen elektronischen Verkehr mit Gerichten und anderen Behörden, sofern durch Gesetz nicht anderes bestimmt ist.
Die Rechtsverbindlichkeit („Gültigkeit“) einer digitalen Unterschrift wird in § 3 SigG wie folgt definiert:
§ 3. Allgemeine Rechtswirkungen
(1) Im Rechts- und Geschäftsverkehr können Signaturverfahren mit unterschiedlichen Sicherheitsstufen und unterschiedlichen Zertifikatsklassen verwendet werden.
(2) Die rechtliche Wirksamkeit einer elektronischen Signatur und deren Verwendung als Beweismittel können nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil die elektronische Signatur nur in elektronischer Form vorliegt, weil sie nicht auf einem qualifizierten Zertifikat oder nicht auf einem von einem*einer akkreditierten Anbieter*in für Zertifizierungsdienste ausgestellten qualifizierten Zertifikat beruht oder weil sie nicht unter Verwendung von technischen Komponenten und Verfahren im Sinne des § 18 erstellt wurde.
§ 4 Besondere Rechtswirkungen
(1) Eine sichere elektronische Signatur erfüllt das rechtliche Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift, insbesondere der Schriftlichkeit im Sinne des § 886 ABGB, sofern durch Gesetz oder Parteienvereinbarung nichts anderes bestimmt ist.
(2) Eine sichere elektronische Signatur entfaltet nicht die Rechtswirkungen der Schriftlichkeit im Sinne des § 886 ABGB bei
1. Rechtsgeschäften des Familien- und Erbrechts, die an die Schriftform oder ein strengeres Formerfordernis gebunden sind,
2. anderen Willenserklärungen oder Rechtsgeschäften, die zu ihrer Wirksamkeit an die Form einer öffentlichen Beglaubigung, einer gerichtlichen oder notariellen Beurkundung oder eines Notariatsakts gebunden sind,
3. Willenserklärungen, Rechtsgeschäften oder Eingaben, die zu ihrer Eintragung in das Grundbuch, das Firmenbuch oder ein anderes öffentliches Register einer öffentlichen Beglaubigung, einer gerichtlichen oder notariellen Beurkundung oder eines Notariatsakts bedürfen, und
4. einer Bürgschaftserklärung (§ 1346 Abs. 2 ABGB).
(3) Die Bestimmung des § 294 ZPO über die Vermutung der Echtheit des Inhalts einer unterschriebenen Privaturkunde ist auf elektronische Dokumente, die mit einer sicheren elektronischen Signatur versehen sind, anzuwenden.
(4) Die Rechtswirkungen der Abs. 1 und 3 treten nicht ein, wenn nachgewiesen wird, dass die Sicherheitsanforderungen dieses Bundesgesetzes und der auf seiner Grundlage ergangenen Verordnungen nicht eingehalten oder die zur Einhaltung dieser Sicherheitsanforderungen getroffenen Vorkehrungen kompromittiert wurden.
§ 5 Qualifizierte Zertifikate
- (1) Ein qualifiziertes Zertifikat hat zumindest folgende Angaben zu enthalten:
1. den Hinweis darauf, dass es sich um ein qualifiziertes Zertifikat handelt,
2. den unverwechselbaren Namen des*der Zertifizierungsdiensteanbieter*in und den Staat seiner*ihrer Niederlassung,
3. den Namen des*der Signator*in oder ein Pseudonym, das als solches bezeichnet sein muss,
4. gegebenenfalls auf Verlangen des Zertifikatswerbers Angaben über eine Vertretungsmacht oder eine andere rechtlich erhebliche Eigenschaft des*der Signator*in,
5. die dem*der Signator*in zugeordneten Signaturprüfdaten,
6. Beginn und Ende der Gültigkeit des Zertifikats,
7. die eindeutige Kennung des Zertifikats,
8. gegebenenfalls eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Zertifikats und
9. gegebenenfalls eine Begrenzung des Transaktionswerts, auf den das Zertifikat ausgestellt ist.
(2) Auf Verlangen des Zertifikatswerbers können weitere rechtlich erhebliche Angaben in das qualifizierte Zertifikat aufgenommen werden.
(3) Ein qualifiziertes Zertifikat muss mit der sicheren elektronischen Signatur deder Zertifizierungsdiensteanbieter*in versehen sein.
Qualifizierte Zertifikate haben dadurch auch einen höheren Stellenwert im Beweisverfahren.
Übungsbeispiele
Übungsbeispiel 3.1:
Kauf eines Laptops im Online Shop des Anbieters LAPTOP DEALER
Ein*e Kund*in erwirbt im Online Shop des Anbieters LAPTOP DEALER eine externe 1TB Festplatte. Die Firma hat ihren Sitz in Deutschland, der*die Kund*in besteht in Österreich, die Lieferung an eine Adresse in Österreich. Welches Konsumentenschutzgesetz ist anwendbar, wenn nichts geregelt ist? Welches Gewährleistungsrecht gilt, wenn nichts geregelt ist? Können Anbieter und Kund*in einen völligen Haftungs- und Gewährleistungsausschluss vereinbaren?
Übungsbeispiel 3.2:
Zusendung von Werbematerial als Electronic Mail
Was muss ein Unternehmen mit Firmensitz in Österreich aus rechtlicher Sicht unbedingt beachten, wenn es im Großraum Wien und Niederösterreich seinen bestehenden Kunden*innen und potentiellen Kund *innen Werbung mittels Electronic Mail zusenden möchte?
Übungsbeispiel 3.3:
Digitale Unterschrift
Für welche Art von Rechtsgeschäften ist weiterhin eine notarielle Beglaubigung erforderlich, damit eine Unterschrift wirksam ist?
Zusammenfassung der Inhalte
Lektion 3 enthält eine Einführung in die wichtigsten rechtlichen Regelungen im Electronic Commerce Gesetz und im Gesetz über Digitale Signaturen.