Unternehmensplanung und -analyse - Ausgangssituation
Zu diesem Lehrheft:
Der Aufbau dieses Hefts wurde bewusst so gestaltet, dass sich ein einziges Beispiel durch das gesamte Lehrheft zieht und anhand dieses Beispiels vielfältige Problemstellungen und Lösungen sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene abgearbeitet werden. Diese Vorgangsweise wurde gewählt, um den Studierenden einen Gesamtüberblick über betriebliche Planungs-, Budgetierungs-, Kontroll- und Steuerungsprozesse zu vermitteln und nicht, wie sonst in der Lehre weit verbreitet, jeden einzelnen Planungsschritt anhand von kleinen, jedoch zueinander in keinem Zusammenhang stehenden Beispielen und Übungen zu erlernen.
Oberstes Ziel bei der Erstellung des Heftes war somit nicht nur die Vermittlung der für die Durchführung von Steuerungsprozessen notwendigen „handwerklichen“ Fertigkeiten, sondern vielmehr auch, dass während des Bearbeitens seitens der Studierenden niemals der Überblick verloren geht, wo im unternehmerischen Planungsprozess Sie sich gerade befinden und vor allem auch wofür das Ergebnis des gegenwärtig bearbeiteten Problems gebraucht wird.
Beim Lesen dieser Unterlagen kann es aufgrund unterschiedlichen Vorwissens durchaus vorkommen, dass Studierende bei manchen Lektionen auf bereits Bekanntes stoßen. Dies gibt ihnen die Möglichkeit Bestehendes zu wiederholen und zu vertiefen. Bei anderen Lektionen betreten sie unter Umständen völliges Neuland. Im einen wie im anderen Fall ist es durchaus sinnvoll und empfehlenswert, auch einmal weiterführende Literatur, sei es aus dem Vorstudium oder entsprechend der angegebenen Literaturempfehlungen, zur Hand zu nehmen.
Für die Darstellung der Rechenwerke (insbesondere Gewinn- und Verlustrechnung) wurde die gem. Rechnungslegungsänderungsgesetz ab 01.01.2016 verbindliche Form gewählt.
Beispiel: Ausgangssituation
Ein österreichischer und ein belgischer Investor beschließen gemeinsam ein Unternehmen mit dem Namen „PERFECT-SOUND GmbH“ zu gründen um folgende Geschäftsidee in die Tat umzusetzen.
Sie wollen MP3 Player in Kleinserien (bis ca. 18.000 Stück) für den europäischen Markt produzieren. In einer späteren Ausbaustufe ist geplant, diese Menge noch deutlich zu erhöhen, was jedoch in der gegenwärtigen Situation aufgrund von Kapitalengpässen, auch unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Fremdfinanzierungsmöglichkeiten, nicht finanzierbar ist.
Es ist jedenfalls geplant, zwei unterschiedliche Modelle (MP3-High und MP3-easy) gleichzeitig auf den Markt zu bringen, um sowohl Kunden des mittleren bis höheren Preissegments als auch Kunden im unteren Preissegment anzusprechen.
Nun kennen Sie aus Ihrem Vorstudium sicherlich schon einige Ausführungen zum strategischen Management bzw. strategischen Controlling. Es gibt auf diesem Gebiet verschiedene Instrumente zur strategischen Analyse und Prognose sowie zur Strategieformulierung. Im Rahmen dieser Unterlage wollen wir jedoch nicht weiter auf diese Probleme und mögliche Lösungsansätze eingehen. Wir werden also beispielsweise keine Branchenanalyse nach Porter und keine Stärken-Schwächen-Analyse durchführen. Auch für die Themen Mission-Statement, Leitbild- und Strategieentwicklung (z.B. mittels Einsatz von Portfolioanalysen) verweisen wir auf weitere Literatur. [1] Unsere beiden Investoren beschreiten hier einen sehr pragmatischen Weg.
Durch die bereits erwähnten Kapazitätsrestriktionen wird es in der Anfangsphase nicht möglich sein, die Produkte in der gesamten EU zu vertreiben, sondern in einer ersten Phase nur in jenem Land, in dem auch produziert wird.
Aufgrund der geschätzten möglichen Absatzzahlen, welche stark mit den Einwohnerzahlen der potentiellen Absatzländer korrelieren, kämen neben Belgien und Österreich noch Bulgarien, Portugal, Schweden, die Tschechische Republik und Ungarn als Standortkandidaten in Frage.
Die Investoren wollen jedoch etwaige Währungsrisiken von vornherein ausschließen, wodurch Länder, die nicht der Eurozone angehören, ausscheiden. Dies bedeutet, dass nur noch Belgien, Österreich und Portugal als potentielle Produktionsstandorte möglich sind.
Aufgrund des in Portugal niedrigeren Preisniveaus und der geringer eingeschätzten Marktwachstumsraten kommen die Investoren überein, die Produktion entweder in Belgien oder in Österreich zu errichten.
Es wurden also, wie oben bereits erwähnt sehr pragmatisch, zwei alternative Strategien entwickelt.
Ein weiteres Problem stellt nun die Bewertung alternativer Strategien dar (in diesem Fall der Alternativen Belgien versus Österreich). Oftmals wird für die Bewertung von Strategien die Entwicklung des Unternehmenswertes als Maßstab herangezogen.
Um eine endgültige Entscheidung hinsichtlich des Standortes zu treffen wird also beschlossen, jenes Land als Standort zu wählen, in welchem aufgrund der strategischen Planung der höhere Unternehmenswert generierbar ist.
In einem ersten Schritt werden Marktforschungen in beiden Ländern durchgeführt, deren Ergebnisse nachfolgend zusammengefasst sind.
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Belgien | Österreich |
Einwohner in Mio. | 10,5 | 8,3 |
Durchschnittsalter der Bevölkerung in Jahren | 40,9 | 41,3 |
Anteil der unter 30-Jährigen an der Gesamtbevölkerung in % | 32,1 | 31,8 |
USt-Satz in % | 21 | 20 |
KöSt-Satz in % | 34 | 25 |
Erwartetes Marktwachstum jährlich in % | 14 | 12 |
Tab. 1: Marktforschungsergebnisse
Preis-Absatz-Funktionen Belgien:
Preis-Absatz-Funktionen Österreich:
Preis-Absatz-Funktionen laut Marktforschung [2]
Bei obigen Preis-Absatz-Funktionen ist davon auszugehen, dass auch die zu den oberen und unteren Grenzpreisen jeweils korrespondierenden Mengen in etwa 5 % von der Absatzmenge beim Durchschnittspreis abweichen (z. B. wird die absetzbare Menge MP3-Easy in Österreich bei einem Preis von EUR 28,50 in etwa auf 5.700 * 1,05 = 5.985 Stück steigen und bei einem Preis von EUR 31,50 auf 5700 * 0,95 = 5.415 Stück fallen).