Welche Faktoren tragen zur Entstehung von Müdigkeit bei Audio- und Videokonferenzen bei, und wie können diese Faktoren minimiert oder bewältigt werden, um die Effizienz und das Wohlbefinden der TeilnehmerInnen zu verbessern?
Müdigkeitsfaktor I: fehlende Interaktion
Nicht zu wissen, was das Gegenüber gerade fühlt, denkt oder macht, ist ein wesentlicher Ermüdungsfaktor. Wie psychologische Forschungen unter anderem an der Universitätsklinik Zürich gezeigt haben, sind Menschen darauf angewiesen, die Mimik ihres Gegenübers nachzuahmen, um Gefühle richtig zu deuten. Subtilste Bewegungen unserer Gesichtsmuskulatur lassen uns erst verstehen, was wir sehen.
Dieser Erkenntnisprozess wird durch technische Artefakte und schlechte Datenübertragung behindert. Das Wort wird von der Mimik getrennt, Gesichter frieren ein, Stimmen stottern zuweilen und Verbindungen brechen ab. Was als Interaktion gedacht war, wird zum Monolog.
Zumindest gegen den technisch bedingten Anteil an der Ermüdung gibt es ein Mittel: bessere Technik. Das virtuelle Arbeiten und Lernen steht und fällt mit der technischen Ausstattung: Angefangen vom Breitbandzugang bis zu geschultem Personal und der technischen Ausstattung braucht das virtuelle Arbeiten und Lernen entsprechende Ressourcen. Sobald die Technik nicht mitspielt, wird es per se anstrengend.
Müdigkeitsfaktor II: fehlende Abwechslung
Eine Videokonferenz, die zur Einwegkommunikation wird, ist ein Perpetuum mobile der fortschreitenden Ermüdung. Menschen brauchen Interaktion. Bildschirmarbeit, das wissen wir aus der Motivationsforschung, macht prinzipiell müde. Unsere Augen können nicht umherschweifen, wir müssen den Bildschirm fokussieren, um den Inhalten folgen zu können. Auf diese Weise entsteht eine reizarme Arbeits- und Lernumgebung. Daher ist es empfehlenswert, in Online-Settings, nicht nur wesentlich mehr Pausen zu machen, als sie es üblicherweise tun würden, sondern auch, kontinuierlich Feedback einzuholen.
Müdigkeitsfaktor III: fehlende Spontanität
In einer Videokonferenz kann nur passieren, was zuvor geplant wurde – ein Umstand, der seinerseits ein weiteres Scherflein zur Müdigkeit beiträgt. Es gibt nur den Austausch, den man explizit zu einem definierten Thema vereinbart hat. Selbst Breakoutsessions sind geplant. In Videokonferenz-Settings gibt es keine echte Spontaneität. Vorhersagbarkeit ist tendenziell langweilig und ergo ermüdend.
Findet das virtuelle Arbeiten und Lernen noch dazu ausschließlich online statt, fehlt auch noch das berühmte Gespräch am Gang, in der Mensa oder bei der Kaffeemaschine, bei dem ungeplant und unvorhergesehen von einem Thema zum nächsten gewechselt wird. Für Online-Settings gibt es keine etablierten sozialen Regeln, die das ermöglichen können. Es ist insgesamt ein extrem statisches Gefüge. Das unterstützende Miteinander entsteht vor allem in den Pausen. Fallen die Pausen weg, befördert das die Ermüdung. Als Gegenmittel hilft: online informelles Zusammensein ermöglichen.Müdigkeitsfaktor IV: fehlende Unterstützung
Mit den sozialen Kontakten gehen in der – reinen – Online-Lehre nicht nur Autonomie und, Spontaneität, sondern auch gegenseitige Unterstützung verloren – und damit schwinden Interesse und Motivation. Man geht nicht gemeinsam essen, es gibt keine informellen fachlichen Gespräche. Und ergänzt: Das soziale Leben, das offline stattfindet, kann man online nicht kompensieren.
Die meist scheiternden Kompensationsversuche sind anstrengend: Das virtuelle Arbeiten und Lernen auf Distanz verlangt Kompetenzen. Virtuelles Arbeiten und Lernen heißt im Wesentlichen, sich selbst anzuleiten, zu regulieren, sich dabei zugleich selbst zu überwachen und vor allem, sich permanent selbst zu motivieren. Manchen gelingt das besser als anderen.